Gedicht am Sonntag: Der Dolchstoß

Der Dolchstoß

Könntest stolz sein,

mit deinem Geruchssinn,

wie ein Spürhund,

wenn nicht die Peitschenhiebe wär’n,

die der Preis dafür.

Ständiges Bitten,

lautlos, leise gehofft

und auch gebrüllt:

„Verschont mich mit euren Gerüchen,

Giftgaswolken gleich,

jede Lebensregung durchdringend!“

Und dann dieses „Verständnis“,

diese/s Mitgefühl/s(-Losigkeit),

mit zärtlich ätzender Stimme:

„Meinst du wirklich nicht,

dass das psychisch ist?“

„Nein,

natürlich nicht.

Aber deine Frage

des Unverstandes,

baut mit am Turm,

auf denen DIE steh’n,

die schrein:

‚Seht doch, alles psychisch!‘

Wie sich die Bilder gleichen:

Wie oft schon wurde die Wahrheit

weggesperrt,

geteert mit dem Vorwurf

der kranken Psyche,

gefedert mit Ignoranz.

Der Mensch glaubte das Wasser gebändigt,

Regentropfen sammelten sich zu Überschwemmungen,

schrien um so lauter die Wahrheit:

Wie rücksichtslos der Mensch!

Wir mögen noch Tropfen sein,

die Überschwemmung aber,

wird ein Dolchstoß sein!

Autor: Gerhard Becker, CSN – Chemical Sensitivity Network, 20. Juni 2010

Weitere Gedichte von Gerhard:

So nicht! * Soll’n doch in die Klapse gehn * Muss fliehn * Du bist nicht allein * Lass uns lieber über Realitäten reden * Ein Lächeln * Deine Atemzüge * Und dann endlich * Immer noch nicht verstehen wollend * Nur weil ich hinabsteige * Selbstdiagnose * Verfluchtes Pack * Was bleibt von mir? * Niemand

3 Kommentare zu “Gedicht am Sonntag: Der Dolchstoß”

  1. Energiefox 21. Juni 2010 um 11:43

    Prima das Gedicht Gerhard,

    mit dem Tropfen hast Du recht. Ich kämpf ja mehr an der Müllfront. Heute morgen recht wenig Müll auf meinem Müllpatenweg zum Lebensmittelgeschäft. Auf dem Rückweg doch noch Kippen, ich heb eine auf und ein junger Mann kommt. Ich erzähle ihm das ich Müllpate für den Weg bin. Er sagt:, „Ich weiß“.
    Also es spricht sich rum, hätte ich jetzt nicht gedacht. Das zum Thema steter Tropfen hölt den Stein.

    Das mit Deiner Schwester ist, nehme ich mal an, wie Tolstoi es so wunderbar in Krieg und Frieden formuliert hat. Die meisten Menschen gehen irgendwelchen Dingen nach und kümmern sich nicht um die Sinnfragen (die wichtigen Fragen des Lebens) des Lebens nach dem Motto, erst mal muss ich dies und jenes erledigen. Aber es kommt dann nie dazu, dass sie ernsthaft über das Leben nachdenken. Ist jetzt nur sinnhaft zitiert.
    Gruß Fox

  2. ANDY 21. Juni 2010 um 16:25

    Hallo Gerhard, ein sehr interessantes Gedicht, muss man drüber nachdenken.
    Ja, auch mir sagte man schon, ich solle mich bei WETTEN DASS bewerben, ich könne doch Dinge riechen die anderen gar nicht wahrnehmen u. ich wüsste gleich um was es sich handelt. NEIN Danke!!
    Sogar die nahen Verwandten, die schwere Anfälle von mir miterlebten, denen ich es schon 1000 mal erkärte, meine immer wieder, ob es denn nicht doch alles von der Psyche sei. NEIN, natürlich nicht!
    JA – auch wenn es Psychisch wäre, wäre man auch schwer krank u. man könnte mehr Mitleid, Verständnis u. Hilfe erwarten. Aber DIE meinen ja scheinbar keine echte psychische Erkrankung, sondern die eingebildete Hypochondrie, aber auch diese wird mitlerweile als Krankheit mit Berentung anerkannt, nur die echte MCS nicht.
    Wer macht eigentlich die Bilder zu den Gedichten ??
    Gruß ANDY

  3. Gerhard Becker 21. Juni 2010 um 21:27

    Hallo Energiefox,

    vielen herzlichen Dank für Dein Lob und Kommentar.

    Du kämpfst an der Müllfront mit bemerkenswerter Geduld und Vorbildwirkung.

    CSN kämpft gewissermaßen gegen eine Müllfront – gegen die Müllfront des gesellschaftlichen Systems, dass MCS-Kranke als bio-sozialen Müll betrachtet, dass entsorgt gehört. Genauso sind auch die Erfahrungen der Betroffenen.

    Gruss Gerhard

    Hallo Andy,

    Deine Erfahrungen sind typisch für Betroffene. Herzlichen Dank für Dein Lob.
    Die Bilder sucht dankenswerterweise Silvia Müller heraus, wofür ich an dieser Stelle herzlich danken möchte.

    Liebe Grüße

    Gerhard

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