Archiv der Kategorie ‘Behörden reagieren‘

Who schafft virtuelle Plattform für transparente Überarbeitung des ICD

Treffen mit Vertretern der WHO: In ein paar Jahren könnten MCS und EHS einheitlich in die internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD) aufgenommen werden

Madrid, 18. Mai 2011. Das nationale Komitee für die Anerkennung von Multipler Chemikalien Sensitivität (MCS) und Elektrohypersensitivität (EHS) hat am 13. Mai 2011 Dr. Maria Neira, Direktorin Öffentliches Gesundheitswesen und Umwelt der WHO, und weitere Vertreter der WHO getroffen. Während des Treffens bestätigten die für den ICD Verantwortlichen, dass es eine kontroverse Anschauungsweise für den Erweiterungsprozess der Klassifikation gibt. Dr. Neira und ihr Team erklärten dies am Beispiel des ICD 10. Die nationale Delegation vom Gesundheitsministerium sei die einzige gewesen, welche sich für die Revision der Klassifikation eingesetzt hätte.

Aber jetzt kann sich auch die Öffentlichkeit dazu äußern und jedermann kann sich aktiv beteiligen und wissenschaftlich belegte Studien einreichen um die neuen Klassifizierungen für die Krankheiten des ICD11 voranzubringen, welche im 2015 erscheinen werden. Die Verantwortlichen der WHO kündigten ebenfalls an, dass der erste Entwurf des ICD 11 am Montag, 17. Mai erscheinen wird.

Die WHO erstellte eine virtuelle Plattform um Wissenschaftler und NGOs (nichtstaatliche Organisationen) in die Revision des ICD11 mit einzubeziehen und man geht davon aus, dass dies eine durchweg transparente Überarbeitung des Prozesses garantieren wird.

Dieses neue Entgegenkommen der WHO wurde durch das nationale Komitee für die Anerkennung von MCS und EHS begrüsst.

Um diese beiden Umweltkrankheiten in die neue Klassifikation aufzunehmen, haben die Verantwortlichen der WHO darauf hingewiesen, dass es wichtig ist, klare Beweise über diese Krankheiten vorzulegen: Krankheitsursache, Pathophysiologie, Diagnosetests, etc.

Jaume Cortés, Jurist der Organisation Colectivo Ronda, legte dem Komitee Beweise von über 200 MCS und EHS Patienten vor, welche durch ein gerichtliches Urteil eine Entschädigung erhalten haben.

Dr. Julian Marquez, Neurophysiologe mit umfangreicher Erfahrung auf diesem Gebiet, präsentierte wissenschaftliche Studien über MCS und EHS, welche in den letzten Jahren veröffentlicht wurden.

Das Komitee bestätigte zum Schluss, dass es aktiv auf dieser von der WHO erstellten Plattform teilnehmen will, um die Aufnahme von EHS und MCS in den ICD Code durchzubringen, und sie wiesen darauf hin, dass MCS in Deutschland, Österreich, Luxemburg und Japan bereits unter dem ICD 10 anerkannt ist.

Kontakt für weitere Informationen:

Sonia Ortiga,  e-mail: environmentalhealthcampaign @ gmail.com und Telefon 0034 645803417.

Englischer Text von Sonia Ortiga

Übersetzung: Heidi Streminger für MCS-SOS, www.mcs-sos.ch

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Strafverfahren wegen Abrechnungsbetrug gegen Dr. Binz eingestellt

Trierer Nervenarzt willigt in Vergleich ein

Das Trierer Landgericht hat das Verfahren gegen Dr. Peter Binz eingestellt. Einzige Auflage, der Nervenarzt muss 10 000€ an die Staatskasse zahlen. Der von der Kassenärztliche Vereinigung Trier vorgebrachte Verdacht des Abrechnungsbetruges konnte nicht erhärtet werden. Es habe kein Vorsatz oder grob fahrlässiges Handeln vorgelegen, diese Erkenntnis teilte das Gericht in einer mündlichen Verhandlung am 6. April mit. Die Zahlung von 10 000€ sei als anteilige Bearbeitungsgebühr zu verstehen, ließ die Frau des Angeschuldigten wissen, nicht als Schuldeingeständnis. Mit der Annahme des vom Gericht vorgeschlagenen Vergleichs, konnte für den 70-jährigen Nervenarzt nicht zuletzt ein weiteres jahrelanges Gerichtsverfahren, mit über 60 veranschlagten Prozesstagen, abgewendet werden.

Grabenkrieg gegen mutigen Arzt beendet

Das Ermittlungsverfahren gegen den Trierer Arzt zog sich über sechs Jahre hin. Dr. Binz, der immer wieder seine Unschuld beteuerte, gab nicht auf und ließ von Abrechnungsexperten alle angeschuldigten Vorgänge überprüfen. Für ihn war die Anschuldigung der KV Trier, er habe in 2800 Fällen betrogen, nicht nur gegenstandslos, er sah sie vielmehr als Fortführung eines seit vielen Jahren andauernden Grabenkriegs gegen ihn. Der KV Trier und der Trierer Ärztekammer war Dr.Binz vor allem wegen seines unermüdlichen und furchtlosen Einsatzes für Arbeiter, die durch Chemikalien an ihrem Arbeitsplatz erkrankten, ein heftiger Dorn im Auge. Immer wieder hatten KV und Ärztekammer Angriffe gestartet, was nicht zuletzt zum Leid der Erkrankten mit beitrug. Dr.Binz ließ sich nicht beirren und stellte sich weiter vor seine Patienten, die meist so krank waren, dass sie sich nicht selbst verteidigen konnten. Über 600 seiner Patienten wurden für sie teils strapaziöser Verhören unterzogen, um Beweise gegen den Arzt zu sammeln.

Rechtsanwalt überzeugt von der Unschuld seines Mandanten

Gegenüber der Trierer Zeitung 16vor erklärte Rechtsanwalt Hülsmann, dass man das Verfahren hätte durchziehen können und dass er überzeugt sei, dass Dr. Binz freigesprochen worden wäre. Der Rechtsanwalt von Dr. Binz teilte mit, dass der nun geschlossene Vergleich die beste Lösung gewesen sei, da sich das Verfahren noch über viele Jahre hingezogen hätte und darunter auch die Praxis von Dr. Binz gelitten hätte, weil die Prozesstage während der Praxiszeit gewesen wären. Auch das Alter von Dr. Binz und dessen angeschlagener Gesundheitszustand habe bei der letztendlichen Entscheidung eine Rolle gespielt. Keinesfalls sei der Vergleich jedoch als Schuldeingeständnis zu sehen, das wurde auch vom Gericht bestätigt. Die Staatsanwaltschaft hatte im Juni 2010 bereits auf Einstellung des Verfahrens plädiert. Dr.Binz war im vergangenen Jahr zu einem Vergleich noch nicht bereit gewesen, weil er die Annahme vertrat, dass dies als Schuldeingeständnis seinerseits angesehen würde.

Verfahren beendet, finale Niederlage für die KV

Die 234-seitige Anklageschrift gegen Dr. Binz wegen Abrechnungsbetrugs ist nun geschlossen. Der Arzt hat von den 184 000 €, die er bereits vorab zahlen musste, bereits 100 000 € von der KV Trier zurückerhalten. Ein weiterer Bescheid, durch den Dr. Binz hätte 67 000€ zahlen müssen, wurde durch die Einstellung ebenfalls hinfällig.

Für die KV Trier ist der Prozessausgang als finale Niederlange in ihrem erbitterten Kampf gegen den ihr unliebsamen Arzt zu werten. Selbst als sich schon abgezeichnet hatte, dass Dr.Binz kein grob vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln beim Abrechnen von Leistungen nachzuweisen war, hat man weiter auf Vernichtung des Standeskollegen gesetzt.

Ein Arzt mit Rückgrat

Den Nervenkrieg, den Dr. Binz und seine Frau in den vergangenen Jahrzehnten und insbesondere in den letzten sechs Jahren durchlebten, kann kaum jemand nachempfinden. Es zeugt von großer menschlicher Stärke, dass Dr. Binz und seine Frau nie an Aufgeben dachten. Beide waren vielmehr in erster Linie stets in Sorge um die Patienten, zu deren Nachteil Patientenakten über Jahre beschlagnahmt blieben und die man belastenden Verhören unterzog.

Beim Verhör der CSN-Präsidentin im Rahmen der Ermittlungen gegen Dr. Binz, meinte ein hinzukommender Kommissar: „Ach nein, gegen den Binz wird wegen Abrechnungsbetrug ermittelt, ausgerechnet gegen diesen Arzt?! Versuchen die es jetzt auf diese Tour? Ich habe Dr. Binz im Rahmen einer Strafanzeige vor Jahren aufgesucht. Ich wollte damals einfach wissen, was ist das für ein Mensch, der sich nicht duckt vor einem mächtigen Großkonzern, dem seine Mitarbeiter egal sind. Dr. Binz ist ein ehrlicher Mann, ich bin froh, ihn kennengelernt zu haben. Von seiner Sorte bräuchten wir mehr Ärzte, dann würde manches anders aussehen. Wenn der betrogen hat, fress ich einen Besen“.

Der „Besen“ muss nicht „gefressen“ werden und wer die wissenschaftlichen Erkenntnisse in Bezug auf Gesundheitsschäden durch Gifte am Arbeitsplatz in den letzten Jahren verfolgte, sieht das bestätigt, wofür der Trierer Arzt seit Jahrzehnten mit vollem Einsatz eintrat.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 18. Mai 2011

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Feuerlöscher – Bitte löschen – aber ohne Gift

Aufbrauchfrist für umweltschädliche Feuerlöschschäume endet im Juni 2011

Am 27. Juni 2011 endet die Aufbrauchfrist für PFOS-haltige Feuerlöschschäume. PFOS – Perfluoroktansulfonsäure – ist eine extrem langlebige Chemikalie. Diese Säure reichert sich in Lebewesen an und ist giftig. Jahrelang wurde PFOS in Feuerlöschschäumen eingesetzt und so direkt in die Umwelt eingetragen. Die Chemikalie lässt sich in allen Lebensräumen nachweisen, sogar in entlegenen Gebieten wie der Arktis und in den dort lebenden Tieren. „Besonders besorgniserregend ist die Langlebigkeit der PFOS in menschlichem Blut und der Muttermilch“, sagt UBA-Präsident Jochen Flasbarth. Feuerwehren, Chemieunternehmen und Flughäfen sollten die Lagerbestände jetzt fachgerecht entsorgen, am besten in Abstimmung mit den zuständigen Umweltbehörden. Auch die neuen PFOS-freien Löschschäume sind umweltverträglich einzusetzen.

Ab dem 28.Juni 2011 verbietet die EU die Verwendung von PFOS in Feuerlöschmitteln. Damit endet die Übergangsfrist des seit 2006 in der EU geltenden Verbotes. Zwischenzeitlich haben die Vertragsstaaten des Stockholmer Übereinkommens zu besonders langlebigen Stoffen PFOS auf die Liste der POPs – Persistent Organic Pollutants – aufgenommen und damit den weltweiten Ausstieg eingeläutet.

Chemisch gehört PFOS zur Gruppe der per- und polyfluorierten Chemikalien, kurz PFC. Wegen ihrer hohen Stabilität und ihren einzigartigen Eigenschaften – zugleich wasser- und fettabweisend – werden PFC vielfältig eingesetzt, zum Beispiel in der Papier-, Leder- und Textilindustrie, und eben auch in Feuerlöschschäumen. PFC können auch das Grund- und Trinkwasser verunreinigen. Sie verbreiten sich durch den Boden, die Gewässer und die Luft und können von Pflanzen und Tieren aufgenommen werden. Besonders besorgniserregend ist, dass PFC inzwischen weltweit zu finden sind. Die höchsten Werte lassen sich in Lebewesen der Arktis messen, vor allem in Eisbären.

Infolge des Verbotes von PFOS sind nun eine Reihe neuer Löschschäume am Markt. Schäume, die kein PFOS enthalten, können stattdessen andere PFC enthalten. Auch diese Austauschstoffe sind entweder nicht abbaubar oder werden zu stabilen PFC abgebaut. Deshalb sind sie aus UBA-Sicht ähnlich besorgniserregend. Das UBA rät, PFC-haltige Feuerlöschschäume nur zum Löschen brennender Flüssigkeiten in Tankanlagen zu verwenden und diese mit Einrichtungen auszustatten, die das Löschwasser auffangen. Nur dann lassen sich die Löschmittel möglichst umweltschonend entsorgen. Bei Übungen rät das UBA, auf PFC-haltige Löschmittel zu verzichten.

Weitere wichtige Informationen zu PFC-haltigen Löschmittel

Den Ratgeber „Fluorhaltige Schaumlöschmittel umweltschonend verwenden“ können Sie herunterladen oder kostenlos bestellen.

Autor: UBA, Bitte löschen – aber ohne Gift, Dessau-Roßlau, 05.05.2011

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WHO empfängt Delegation von Vertretern für Umweltkranke

MCS Interessenvertreter unterzeichneten Petition an die Weltgesundheitsorganisation

Am 13. Mai wird die WHO eine Delegation von Interessenvertretern von MCS und EMS Erkrankten, Mediziner, Wissenschaftler, Anwälte und Journalisten in Genf empfangen. Der Termin wurde von Dr. Maria Neira, Generaldirektor für Öffentliche Gesundheit und Umwelt der WHO, bestätigt.

WHO bestätigt Anhörung von Organisationen für MCS Kranke

Dr. Neira wird an diesem Tag die Delegation empfangen und erhält zuvor eine Bibliographie zu den beiden Umweltkrankheiten, eine Aufstellung von Ländern, die bereits über einen ICD-10 Code für MCS und/oder EMS verfügen, sowie einige weitere Dokumente, die für das Treffen von Relevanz sind. Alle eingereichten Dokumente untermauern die wissenschaftlich begründeten Argumente, endlich eine verbindliche Basis für alle Umweltkranken weltweit zu schaffen, damit die medizinische Versorgung der Erkrankten sichergestellt werden kann.

MCS und EMS Organisationen unterzeichneten Petition an die WHO

Die Petition, die dafür sorgen soll, dass sich die Situation für Menschen, die chemikaliensensibel oder elektrosensibel sind, verbessert, ging von der spanischen Organisation „Asquifyde“ aus. Unterzeichnet wurde die Petition von sehr vielen Organisationen, Wissenschaftlern und Medizinern aus aller Welt. Gesetzt der Fall, dass die WHO diese Petition umsetzt, würde in allen Ländern weltweit für Multiple Chemical Sensitivity (MCS) und Elektrosensibilität (EMS) ein einheitlicher internationaler Krankheitscode (ICD) gelten. Ein solcher ICD ist wichtig, denn damit kodieren Ärzte ihre Diagnose und rechnen ggf. ihre Leistungen bei den Krankenkassen ab. Die Existenz einer Krankheit wird dadurch belegt.

In allen Ländern verbindlicher ICD-10 Code für MCS und EMS

Derzeit verfügt Japan (T65.9) und Deutschland (T78.4) über einen ICD-10 Code für MCS. Ebenfalls deutschsprachige Länder wie die Schweiz, Luxemburg und Österreich ließen durch ihr Ministerium für Gesundheit gegenüber CSN mitteilen, dass in ihrem Land der in Deutschland gültige ICD-10 Code für MCS, T78.4, ebenfalls verwendet werden kann.

Fakten zur Vorlage bei der WHO

Es ist möglich, weitere wichtige Dokumente, die wissenschaftliche Aspekte hinsichtlich MCS und EMS darlegen, für die Vorlage bei der WHO beizutragen. Man kann sie in den nächsten Tagen als PDF per E-Mail an die koordinierende spanische Organisation info@asquifyde.es senden. Alle eingegangenen Dokumente werden von medizinischen Experten und einem Anwalt für Umweltrecht hinsichtlich ihrer Relevanz gesichtet und dann für die Vorlage bei der WHO ausgewählt.

Teilnahme bei der WHO Anhörung bestätigen

Bis zum 3. Mai 2011 ist es für Organisationen, Wissenschaftler, Anwälte und Mediziner möglich, sich für die Anhörung bei der WHO in Genf anzumelden. Hierzu muss eine verbindliche Bestätigung bei Asquifyde erfolgen. Die Organisation meldet die endgültige Teilnehmerzahl am 3. Mai bei Dr. Neira an, worauf dann die Reservierung eines entsprechenden Raumes erfolgt.

Pressekonferenz im Anschluss an WHO Anhörung

Nach der WHO Anhörung wird eine Pressekonferenz stattfinden. Sie wird von Sonia Miguel Jara und Journalisten geleitet. Um die wichtige Pressekonferenz nach der WHO Anhörung finanzieren zu können, bittet Asquifyde MCS und EMS Organisationen und jeden, dem das Anliegen der umweltkranken Menschen am Herzen liegt, um finanzielle Unterstützung.

Hilfe für Umweltkranke

Wissenschaftler gehen davon aus, dass rund 15-30% der Allgemeinbevölkerung in Industrieländern unter MCS leidet. Die Zahl der von EMS Betroffenen steigt durch den voranschreitenden Ausbau der Mobilfunknetze ebenfalls an. Diese Menschen werden nahezu ausnahmslos ohne Hilfe und Unterstützung ihrem Schicksal zu überlassen, was der internationalen Behindertenkonvention und geltenden Gesetzen widerspricht. Das Ignorieren und Negieren von Umweltkrankheiten in den vergangenen Jahren hat zu unbeschreiblichem Leid und auch zu erheblichen finanziellen Verlusten für die Wirtschaft geführt. Es bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen bei der WHO die internationale Petition zum Anlass nehmen und ihrer eigentlichen Mission entsprechend handeln, um eine Basis zu schaffen, damit Erkrankten mit MCS und EMS die Hilfe zuteilwerden kann, die ihnen als Kranke und behinderte Menschen in den jeweiligen Ländern zusteht.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 2. Mai 2011

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MCS – Multiple Chemical Sensitivity: Gene und Sensitivität

Amerikanische Schüler lernen, was Chemikalien-Sensitivität (MCS) ist

Environmental Health Perspectives, ein Journal der obersten US-Einrichtung für Umweltgesundheitsforschung (NIEHS), bietet Lehrern fertige Unterrichtsmaterialien an. In einer zweistündigen Lektion sollen die 15 bis 18 jährigen Schüler (grade 10-12) den im Folgenden übersetzten Text lesen und selbständig im Internet nach zusätzlichen Informationen recherchieren. Dazu werden ihnen zwei Aufgaben gestellt.

  1. Multiple Chemical Sensitivity und den Zusammenhang mit Genvariationen und Umweltfaktoren beschreiben
  2. Risikofaktoren für umweltbedingte Gesundheitsprobleme herausfinden und einschätzen, die im Zusammenhang mit MCS, Asthma, Brustkrebs und Übergewicht stehen.

Hier wird auf löbliche Weise der unsäglichen Psychothese begegnet, mit der die Schulmedizin auf jedes ihr noch nicht geläufige Erkrankungsbild reagiert. Das größte Interesse an der Psychiatrisierung hat jedoch bekanntlich die Industrie-Lobby, die uns weiß machen will, dass alle ihre Produkte gesund sind. Und viele (noch gesunde) Menschen vertrauen sogar naiv darauf.

  • Wird es ähnliche Unterrichtseinheiten auch einmal bei uns geben?
  • Welcher Lehrer getraut sich, die Materialien (PDF-Link) herunter zu laden und den Text entsprechend den Anweisungen seinen Schüler vorzulegen?
  • Welche Reaktionen werden ihm von Seiten der Schulleitung blühen? – Wir könnten darüber berichten.

Chemikalienexposition: Gene und Sensitivität

Menschen, die an multiplen chemischen Unverträglichkeiten leiden, eine Krankheit, die manchmal als „Multiple Chemical Sensitivity“ bezeichnet wird, berichten eine Vielzahl von Symptomen wie Kopfschmerzen, Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis, Verwirrung, Müdigkeit, Depressionen, Reizbarkeit und Atemprobleme. Ist dieses Phänomen Ergebnis einer verringerten Toleranz des Körpers gegenüber geringen Spuren von Chemikalien wie Pestiziden und Lösungsmitteln, oder ist es eine irrationale Furcht vor Chemikalien oder manifestiert sich so psychischer Stress, wie manche behauptet haben? Eine Studie der Epidemiologin Gail McKeown-Eyssen von der University of Toronto und ihrer Kollegen weist darauf hin, dass diese Erkrankung tatsächlich genetisch bedingt sein könnte.

Die Studie, von der das Journal of Epidemiology im Oktober 2004 berichtete, untersuchte zum ersten Mal die genetischen Unterschiede zwischen Frauen, die von chemischen Unverträglichkeiten berichten und solchen, die keine derartigen Unverträglichkeiten haben. Obwohl Männer wie Frauen von multiplen chemischen Unverträglichkeiten berichten, legen mehrere Studien nahe, dass sehr viel mehr Frauen als Männer betroffen sein könnten.

Die Forscher wählten 203 Fälle und 162 Kontrollpersonen aus Beantwortern einer Gesundheitsumfrage der Universität von Toronto. An multipler chemischer Unverträglichkeit Erkrankte bestimmten sie mittels von früheren Studien abgeleiteter Kriterien, dazu gehörte eine von James R. Nethercott und Kollegen aus der Januar/Februar Ausgabe der „Archives of Environmental Health“ von 1993. Sie definiert [MCS-] Fälle als solche mit chronischen Symptomen, die bei einer niedrigen Belastung durch chemische Stoffe auftreten und die mit Entfernung der Exposition verschwinden.

Die Forscher aus Toronto stellten fest, dass bei den Fällen eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit wie bei den Kontrollpersonen besteht, bei einem oder bei beiden der zwei Gene CYP2D6 und NAT2 Polymorphismen [Genvarianten] aufzuweisen. CYP2D6 codiert Enzyme, die solche Chemikalien verstoffwechseln, wie z.B. Medikamente, die auf das zentrale Nervensystem wirken (dazu gehören diverse Antidepressiva, Aufputschmittel, und Wirkstoffe auf Codein-Basis mit unterschiedlichen chemischen Strukturen), illegale Drogen, Nervengifte, Prokarzinogene (Stoffe, die nur dann krebserzeugend werden, wenn sie zu chemisch reaktiveren Verbindungen verstoffwechselt werden) und sogar die körpereigenen Neurotransmitter. NAT2 spielt beim Stoffwechsel zahlreicher Drogen und toxischer Chemikalien ebenfalls eine Rolle, zu diesen gehören aromatische Amine, eine Klasse chemischer Stoffe, die zur Herstellung von Epoxidharzen und Farbstoffen verwendet werden.

Frauen, deren Polymorphismus eine höhere CYP2D6 Aktivität zur Folge hat, haben mit dreimal höherer Wahrscheinlichkeit eine Chemikalienunverträglichkeit, als jene mit der inaktiven Form des Genes. Genauso werden Frauen mit der sogenannten Schnell-Acetylator Form von NAT2 mit viermal höherer Wahrscheinlichkeit an multiplen chemischen Unverträglichkeiten erkranken. Da der Stoffwechsel mancher Chemikalien giftige Nebenprodukte zur Folge haben kann, können Menschen mit schnellem Stoffwechsel schneller giftige Verbindungen im Körper akkumulieren. „Es hängt von der Verbindung ab und davon, welche Stoffwechselprodukte entstehen und wie schnell sie vom Körper beseitigt werden, ob ein schneller Stoffwechsel eine größere oder kleinere Belastung bedeutet“, sagt McKeown-Eyssen.

Die Forscher fanden sogar einen noch stärkeren Zusammenhang bei Frauen, welche sowohl von CYP2D6 als auch von NAT2 eine stoffwechselbeschleunigte Form aufwiesen. Diese Frauen erkranken mit 18-mal höherer Wahrscheinlichkeit als die Kontrollpersonen an multiplen chemischen Unverträglichkeiten. McKeown-Eyssen ist, was diese Ergebnisse angeht, besonders vorsichtig, da die Analyse solcher Wechselwirkungen im ursprünglichen Entwurf der Studie nicht vorgesehen war. „Wir müssen mit dieser Beobachtung wirklich vorsichtig sein“, sagt sie. „Doch wenn sie stimmt und reproduziert werden kann, bedeutet dies, dass manche Menschen besonders gefährdet sind.“

Wenn diese Ergebnisse reproduzierbar sind, könnten sie für diese rätselhafte Erkrankung den Beleg eines körperlichen Entstehungszusammenhanges erbringen. Erst 1994 hat die American Medical Association in einer gemeinsamen Erklärung mit anderen Organisationen bestätigt, dass chemische Unverträglichkeiten nicht als psychisch bedingt abgetan werden sollten.

Claudia Miller, eine Professorin für Umweltmedizin am Health Science Center der University of Texas in San Antonio sagt, dass die drei- bis vierfache mit den Polymorphismen verbundene Risikozunahme beträchtlich ist und dass diese Ergebnisse wichtig sind, weil sie eine körperliche Bedingtheit dieser Erkrankungen nahelegen. „Man kann kaum sagen, genetische Polymorphismen wäre psychisch bedingt“, sagt sie. „Uns war schon seit längerem bekannt, dass es ein ganzes Spektrum von Anfälligkeit (für chemische Unverträglichkeit) in der Bevölkerung gibt, und es sollte nicht überraschen, dass dies genetische Ursachen hat.“

McKeown-Eyssen sagt, wenn diese Ergebnisse reproduziert wurden, sollte es in der zukünftigen Forschung Studien geben, die sich mit der Funktion der Enzyme befassen, die von diesen Genen dafür programmiert werden. Es könnte auch sinnvoll sein, so schlägt sie vor, nach anderen Genen zu suchen, die etwas mit chemischer Intoleranz zu tun haben könnten, da diese Studie einen Zusammenhang feststellte, indem sie lediglich ein paar der vielen Gene untersuchte, die bei der Entgiftung von Chemikalien ein Rolle spielen.

Nachbemerkung:

Die Materialien zur Bearbeitung des Textes von Angela Spivey enthalten nicht nur alle erforderlichen Arbeitsschritte für den Unterricht, sondern sind mit zusätzlichen Informationen ergänzt, so daß auch den Lehrern der Einstieg in das Thema nicht allzu schwer fallen sollte.

Die Bedeutung von Genen im Zusammenhang mit Erkrankungen wird von der US Bundesbehörde NIEHS  – National Institutes of  Environmental Health Sciences wie folgt erläutert:

Lesson: Risk Factor Roulette (pdf)

„Die DNA des Menschen stimmt zu 99% bei jeder Person überein. Das verbleibende eine Prozent erlaubt jedoch genug genetische Variabilität, um jeden Menschen (mit der Ausnahme von eineiigen Zwillingen) genetisch zu einem Unikat zu machen. Die meisten Erkrankungen sind, was die Gene angeht, „polygenetisch“, das heißt mehrere unterschiedliche Gene spielen bei ihrer Entwicklung eine Rolle. Da das menschliche Genom erforscht wird, verstehen wir besser, warum manche Menschen aufgrund von Umweltfaktoren krank werden, während dies andere anscheinend nicht betrifft. Bei immer mehr  Erkrankungen, von denen man bisher dachte, sie hätten ihren Ursprung „in der Psyche des Patienten“, stellt man fest, daß sie mit bestimmten genetischen „Polymorphismen“ oder mit ungewöhnlichen Expressionen eines bestimmten Genes zusammen hängen. Die Suche nach genetischen Erklärungen für Krankheiten ist spannend und macht große Hoffnungen für Vorbeugung und frühe Behandlung. Gentherapie als Behandlung individueller Beschwerden bleibt eine äußerst aufregende Zukunftsmöglichkeit. Es ist jedoch wichtig, daran zu denken, dass Gene und genetische Faktoren nur für einen geringen Prozentsatz bestimmter Erkrankungen oder Beschwerden verantwortlich zu machen sind, das gilt gerade für Erkrankungen, bei denen der genetische Zusammenhang gut belegt ist, wie z.B. Brustkrebs.

Genetische Variationen sind nur ein Typ von Risikofaktoren für Erkrankungen. Zu weiteren Risikofaktoren zählen natürliche oder demographische Faktoren (z.B. Alter, Geschlecht und Rasse), Lebensstil oder verhaltensbedingte Faktoren (z.B. Ernährung oder Rauchen) und Umweltfaktoren (z.B. Luftbelastung mit Feinstaubpartikeln aus Dieselabgasen). Die Schüler sollten es vermeiden, Risikofaktoren als Ursache von Erkrankungen zu diskutieren. Einem Risikofaktor ausgesetzt zu sein bedeutet nicht, dass jemand eine bestimmte Erkrankung entwickeln wird, genauso wie dessen Nichtvorhandensein nicht heißt, dass jemand vor einer Erkrankung sicher ist. Risikofaktoren sind mit Blick auf die öffentliche Gesundheit nützlich, da ihre Berücksichtigung hilft, vorbeugende Programme für jene zu entwickeln, die statistisch gesehen am wahrscheinlichsten von einer Krankheit betroffen sein werden. Es ist selten, dass ein Arzt genau angeben kann, ob die Erkrankung eines bestimmten Menschen von einer bestimmten Umweltbelastung oder von bestimmten genetischen Problemen verursacht wird. Viel häufiger ist die Entstehungsgeschichte (oder die Grundursache) einer Krankheit ein komplexes Zusammenspiel von Faktoren, die bei jedem Menschen anders sind. Indem sich die Schüler mit einem Mix bekannter Risikofaktoren für eine Anzahl von Erkrankungen befassen, bekommen sie einen Einblick in die Komplexität der Erforschung von Erkrankungen.“

Dem stellen wir ohne Kommentar die Ansicht eines deutschen Professors aus dem gleichen Jahr wie der Artikel von A. Spivey, gegenüber:

„Das Candida-Hypersensitivitäts-Syndrom ist ebenso wie das Chronic-fatigue-Syndrom oder das Multichemikaliensyndrom ein Hirngespinst, das allenfalls als Variante des Reizdarmsyndroms eingestuft werden kann“, so die Meinung von Prof. Dr. Wolfgang Rösch, Facharzt für Innere Medizin mit Zusatzbezeichnung Gastroenterologie und Chefarzt der Medizinischen Klinik am Krankenhaus Nord-West in Frankfurt, im Rahmen des deutschen Internistenkongresses in Wiesbaden.

Autor: Angela Spivey, 01.03.2005

Übersetzung und Anmerkungen: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network, 20. April 2011

Bibliographische Quellenangabe:

Der Originalartikel von A. Spivey in der EHP ist Public Domain. Lizenz dieser Übersetzung, Creative Commons: by-nc.

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Bundesamt für Risikobewertung rät vom Einsatz von Nanosilber ab

BfR-Workshop bestätigt unvollständige Datenlage bei gesundheitlichen Risiken von nanoskaligem Silber

In seiner Stellungnahme zu Aspekten der Toxizität von Nanosilber hatte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfohlen, auf den Einsatz von Nanosilber in Lebensmitteln und Produkten des täglichen Bedarfs solange zu verzichten, bis die Datenlage eine abschließende Bewertung der gesundheitlichen Risiken erlaubt. Gegen diese Einschätzung des BfR wurde, insbesondere von Seiten der Industrie, eingewandt, dass zur Abschätzung des gesundheitlichen Risikos von Nanosilber in verbrauchernahen Produkten und in Lebensmitteln ausreichend Daten zur Verfügung stünden. Das BfR hat daher Experten aus Forschung und Wissenschaft sowie Vertreter von Verbänden und der Industrie zu einem Workshop eingeladen, um bestehende Risiken und mögliche Handlungsoptionen für einen umfassenden Schutz des Verbrauchers zu diskutieren. „Die Diskussion hat die Mahnung des BfR zur Vorsicht bestätigt“, sagte BfR-Präsident Professor Dr. Dr. Andreas Hensel, „denn es gibt nach wie vor zu wenig gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse über die spezifischen Wirkungen von Silberpartikeln in Nanogröße.“

Nanosilber in Textilien

Metallisches Silber und verschiedene Silberverbindungen werden zum Beispiel in kosmetischen Mitteln sowie in unterschiedlichen verbrauchernahen Produkten vor allem wegen der antimikrobiellen Wirkung eingesetzt. Für Textilien spielen neben medizinisch-therapeutischen Anwendungen zunehmend auch Hygieneaspekte eine Rolle. Die antimikrobiellen Ausrüstungen der Textilfasern sollen hier vor allem der Geruchsbildung durch die mikrobielle Zersetzung von Schweiß entgegenwirken. Inzwischen werden dabei auch zunehmend Silberpartikel in Nanogröße verwendet. Unter Nanopartikeln werden Teilchen mit einem Durchmesser kleiner als 100 Nanometern verstanden.

Toxikologische Datenlage unzureichend

In seiner Stellungnahme Nr. 24/2010 hatte das BfR darauf hingewiesen, dass sich für Silber in nanoskaliger Form (Nanosilber) möglicherweise ein Wirkprofil mit zusätzlichen toxischen Wirkungen ergeben könnte, welche bisher für Silber nicht beschrieben wurden. Aufgrund der besonderen physiko-chemischen Eigenschaften der nanopartikulären Form ist ein verändertes toxikologisches Wirkpotenzial für viele Nanomaterialien bekannt. Der BfR-Workshop hat gezeigt, dass für nanoskaliges Silber bislang nur wenige toxikologische Daten vorliegen, die das Material unter Berücksichtigung nanospezifischer Aspekte experimentell untersuchten. Zudem war die Charakterisierung sowohl der verwendeten Partikel als auch die der Dosierung über viele Jahre nur unzureichend, unter anderem weil entsprechende analytische Methoden nicht zur Verfügung standen. Viele ältere Studien zu kolloidalem Silber, das heute häufig als Nanomaterial angesehen wird, erfüllen die Standards einer modernen Toxikologie nicht. Neuere Studien ergaben deutliche Hinweise auf bisher für Silber nicht bekannte Wirkungen. Dazu gehören krankhafte Veränderung von Gewebe in der Leber nach oraler und inhalativer Verabreichung sowie in der Lunge nach inhalativer Exposition, Veränderungen organspezifischer physiologischer Parameter und eine erhöhte Wirkstärke.

Führt Nanosilber zu Resistenzen gegen Silber oder Antibiotika?

Nur in wenigen gesetzlichen Regelwerken werden für die Inhaltsstoffe bestimmter Produkte Anforderungen zu Art und Umfang an toxikologischen Daten definiert, die für eine gesundheitliche Bewertung vor einer Vermarktung bzw. zur Fortsetzung der Vermarktung vorgelegt werden müssen. Auf Silber basierende Biozidprodukte werden zukünftig im Rahmen eines Zulassungsverfahrens geprüft. Für die gesundheitliche Bewertung müssen die Antragsteller die entsprechenden toxikologischen Daten vorlegen. Für verbrauchernahe Produkte wie Textilien gibt es hingegen keine Melde- oder Zulassungspflicht. Da die Industrie nicht verpflichtet ist, den Behörden toxikologische Daten für die Bewertung zur Verfügung zu stellen, fehlen diese oftmals, so dass das gesundheitliche Risiko von nanosilberhaltigen Produkten nur schwer oder gar nicht abgeschätzt werden kann. So liegen in der Regel selten Informationen bezüglich der Freisetzung von Nanosilberpartikeln aus Textilien und Produkten vor. Weiterhin ist die Datenlage über mögliche Auswirkungen auf die Ausbreitung von Resistenzen gegen Silber oder Antibiotika im spezifischen Anwendungskontext unzureichend. Auch die Aufnahme in den Körper ist bislang nicht ausreichend geklärt. Vor allem über die Aufnahme im Respirationstrakt (Lunge, Bronchien) sowie über die Verteilung der aufgenommenen Partikel im Körper (Toxikokinetik) nach Einatmen ist wenig bekannt. Zudem fehlen Daten zu Wirkungen auf die Haut (sensibilisierendes Potential, Reizwirkung), aber auch zur Reproduktionstoxizität, zur chronischen Toxizität und zum krebsauslösenden Potenzial.

BfR rät weiterhin von Nanosilber in verbrauchernahen Produkten ab

Von Bedarfsgegenständen und Produkten darf von Gesetzes wegen beim bestimmungsgemäßen Gebrauch und beim vorhersehbaren Fehlgebrauch keine Gefährdung der Gesundheit ausgehen. Da für nano-skalige Formen von Silber aufgrund der Datenlücken bislang jedoch noch keine abschließende Sicherheitsbewertung für Mensch und Umwelt vorliegt, rät das BfR auch weiterhin von einem breiten Einsatz von Nanosilber in verbrauchernahen Produkten ab.

Über das BfR

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftliche Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV). Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien und Produktsicherheit. Das BfR betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.

Literatur:

BfR, Sicherheit von Nanosilber in Verbraucherprodukten: Viele Fragen sind noch offen, PR 10/2011, 12.04.2011

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Umweltmediziner schließt Vergleich mit Kassenärztlicher Vereinigung

Dr. Peter Binz erwägt Klage auf Schadenersatz und Schmerzensgeld in siebenstelliger Höhe

Seit 2005 lief ein Verfahren gegen den Trierer Umweltmediziner Dr. Peter Binz. Die Kassenärztliche Vereinigung Trier bezichtigte ihn in einer Strafanzeige des Abrech- nungsbetrugs. Eine Praxis- und Hausdurchsuchung, Ermittlungen ohne Ende, Vernehmungen von Hunderten von Patienten aus ganz Deutschland, sowie zermürbende Schriftwechsel über sechs Jahre hinweg folgten. Im Mai 2010 wurde Anklage gegen den Arzt erhoben.

Die Kollegen aus der Umweltmedizin und vor allem die Patienten von Dr. Binz erklärten sich solidarisch mit dem über die Grenzen von Deutschland hinaus bekannten Arzt. In der Erstausgabe der CSN Zeitung Perspektiven wurde im Herbst 2006 detailliert berichtet. Die Zeitung enthielt Statements der Ehefrau von Dr. Binz, des Steuerberaters der Praxis und Solidaritätsbekundungen von Umweltorganisationen, Kollegen und Patienten. Zur Erinnerung und nochmaligem Nachlesen:

PERSPEKTIVEN – CSN Zeitung für Chemikaliengeschädigte und Umweltmedizin, Ausgabe 1, Herbst 2006 (pdf)

Anfang April 2011 wurde die Angelegenheit vor Gericht verhandelt und mit einem Vergleich beendet. Vorerst zumindest, denn Dr. Binz erwägt die Geltendmachung von Schadenersatz und Schmerzensgeld im siebenstelligen Bereich gegen die Kassenärztliche Vereinigung.

Näheres in einer Pressemitteilung der Anwaltskanzlei Dr. Hülsmann, Trier:

TRIER, den 11.04.2011

Betreffend die Verfahren gegen Herrn Dr. med. Peter Binz (70) , Liebfrauenstr. 4 a, 54290 Trier

  1. Strafverfahren vor dem Landgericht Trier wegen angeblichen Betruges (Az.: 8002 Js 31385/05; Anklageschrift vom 17.05.2010)
  2. Verfahren vor dem Sozialgericht Mainz (Az.: S 2 KA 33/07) Kläger: Dr. Peter Binz ./. Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz; Streitwert: 183.966,19 €
  3. Widerspruchsverfahren des Dr. Binz gegen den „Regress“ der Kassenärztlichen Vereinigung Trier über ca. 67.129,90 €

Aufgrund einer Strafanzeige der Kassenärztlichen Vereinigung Trier, die im Jahre 2005 seitens des Vorstandsvorsitzenden Dr. Karl-Heinz Müller, in die Wege geleitet wurde, erfolgte ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Trier, das in eine Anklage vom 17.05.2010 einmündete wegen Verdachts des Betruges. In dieser Anklageschrift wird ausgeführt, Dr. Peter Binz habe gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung in einer Vielzahl von Fällen zu Unrecht abgerechnet, obwohl er den Leistungsinhalt von Abrechnungsziffern nicht erfüllt habe.

Die Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft erfolgte vor 11 Monaten; über die Eröffnung es Hauptverfahrens beim Landgericht -Große Strafkammer- ist trotz Ablauf dieses ungewöhnlich langen Zeitraums immer noch nicht entschieden worden.

Parallel zu diesem Strafverfahren hat Herr Dr. Peter Binz unter dem Datum des 14.02.2007 Klage gegen einen „Regress“ der Kassenärztlichen Vereinigung erhoben, mit dem Antrag, den Regressbeschluss der Kassenärztlichen Vereinigung vom 17.07.2006 aufzuheben.

Innerhalb dieses Verfahrens erfolgte am 06. April 2001 vor dem Sozialgericht Mainz eine mündliche Verhandlung, die 2 ¼ Stunden andauerte.

Das Gericht, vertreten durch den Vorsitzenden, Vizepräsidenten des Sozialgericht Mainz, Herrn Höllein, hat innerhalb dieser mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht, es müsse Herrn Dr. Binz Vorsatz oder zumindest grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen werden. Dazu habe jedoch das Gericht in den erteilten Bescheiden der Kassenärztlichen Vereinigung kein Wort gefunden (Telefon-Nr. des Vorsitzenden Höllein: 06131-1 41 52 80).

Es werde zwar innerhalb der Schriftsätze der Kassenärztlichen Vereinigung „irgendwo zum Ausdruck gebracht“, dass Dr. Binz ein „grobes Verschulden“ anzulasten sei. Aber begründet sei dies an keiner Stelle. Und dies wäre die wichtigste Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung gewesen.

Auch die anderen Gesichtspunkte, die bei einer Honorarberichtigung eine zentrale Rolle spielen, hätten von der Kassenärztlichen Vereinigung dargelegt werden müssen. Dies sei jedoch nicht geschehen.

Das Sozialgericht hätte also voraussichtlich dem Klageantrag des Dr. Binz entsprochen; nur zur Abkürzung der beiden anhängigen Verfahren (eines davon ist noch im Verwaltungsverfahren anhängig) und angesichts des hohen Alters von 70 Jahren des Dr. Binz, seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung, der schwersten Belastungen durch die obig benannten 3 Verfahren und der jahrzehntelangen Verfolgung seitens der Kassenärztlichen Vereinigung wurde ein Vergleich dahingehend geschlossen, dass die Kassenärztliche Vereinigung den überwiegenden Teil der von Dr. Binz bereits erbrachten Zahlungen zurückerstattet.

Es handelt sich dabei um einen Betrag von mehr als 100.000 Euro.

Damit ist auch ein weiteres Regressverfahren der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz gegen Dr. Binz in einer Höhe von 67.129,90 € mit erledigt.

Dr. Binz braucht also diesen Betrag nicht an die Kassenärztliche Vereinigung zu zahlen (Telefon-Nr. der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz, Hauptverwaltung Mainz: 06131-32 60, Herr Burkhard Lamby).

Der vorbenannte Herr Lamby von der Kassenärztlichen Vereinigung hat in einem beigefügten Schreiben vom 08.04.2011 dazu festgestellt:

„Sobald mir der Vergleich vorliegt, werde ich unmittelbar die entsprechende Auszahlung an Ihren Mandanten veranlassen.

Mit Blick auf die zuletzt geschlossene Ratenzahlung kann ich Ihnen mitteilen, dass wir die geplanten Verrechnungen ab der zweiten Rate bereits gestoppt haben.“

– –

Anhängig ist allerdings immer noch das Strafverfahren vor der Großen Strafkammer 802 Js 31385/05 mit einer Anklageschrift über 234 Seiten.

Nachdem das Sozialgericht Mainz die obig dargelegten Feststellung getroffen hat, haben wir uns daher mit Schriftsatz vom 08.04.2011 an die Große Strafkammer gewandt und in diesem Schriftsatz zentral ausgeführt, dass es bereits an einer vorsätzlichen Vermögensschädigung des Dr. Binz gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung fehle, also an der subjektiven Tatseite.

Mit der gerichtlich erklärten Bereitschaft der Kassenärztlichen Vereinigung, den überwiegenden Teil des von ihr bereits verein- nahmten Betrages an Dr. Binz zurückzuzahlen, hat sie selbst eingeräumt, dass der von ihr seinerzeit behauptete Schaden nicht gegeben ist.

Darüber hinaus steht durch die mündlich erfolgten Feststellungen des Sozialgerichts Mainz fest, dass weder ein Vorsatz noch eine grobe Fahrlässigkeit des angeschuldigten Dr. Binz hinsichtlich seiner Vorgehensweise festzustellen ist.

Sobald das Landgericht über die Zulassung oder Nichtzulassung der Anklageschrift vom 17.05.2010 entschieden haben wird, werden wir Ihnen weitere Mitteilung machen.

Dr. Binz erwägt die Geltendmachung von Schadenersatz und Schmerzensgeld im 7-stelligen Bereich gegen die Kassenärztliche Vereinigung.

Dr. Hülsmann, RA

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 12. April 2011

Literatur:

Dr. Hülsmann, Rechtsanwälte, Pressemitteilung betreffend die Verfahren gegen Herrn Dr. med. Peter Binz, 11.04.2011

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Radioaktive Strahlung – Aus diesem Alptraum gibt es kein Erwachen

Ein Alptraum wird wahr

Während das Atom-Desaster in Japan immer größere Ausmaße annimmt, werden immer mehr seiner Bürger und Bewohner zu den neusten Mitgliedern der Weltcommunity von Strahlengeschädigten. Sie bemerken wie Hibakusha (Überleb- ende der Atombombenabwürfe), Downwinders (die den Fallout der Atomtests in Nevada durch den Wind abbekamen), Uranbergleute, Atom-Veteranen (Soldaten, welche bei den ersten Test zugesehen haben) und die vielen, die an Orten wohnen, wo es Betriebe der Nuklearindustrie gab, wie sich ihr Leben durch eine gefährliche unsichtbare Bedrohung tiefgreifend verändert, so dass die Furcht vor radioaktiver Verseuchung und die Auswirkungen der Strahlung auf die persönliche Gesundheit und auf die Nachkommen alle Aspekte des sozialen, kulturellen, ökonomischen und psychologischen Befindens einfärbt.

Einige durch Strahlung generierte Communitys sind im Endergebnis geographisch bedingt: man wohnt Wind abwärts oder in Nachbarschaft von Uranminen oder Fabriken, Atomkraftwerken und Atommülldeponien, Atomwaffentestgebieten, Kampfplätzen oder militärischen Übungsgeländen. Andere Communitys kommen durch berufliche Strahlenbelastung zustande, als Soldat, Wissenschaftler, Bergarbeiter, Arbeiter in Kraftwerken oder an anderer Stelle. Typisch für solche Biographien sind aufgrund der mit ihnen verbunden Strahlenbelastung abnehmende Gesundheit, Schmerz und Leid durch Fehlgeburten und die Geburt missgebildeter Kinder, Probleme mit dem Großziehen körperlich behinderter Kinder und der Pflege immer schwächer werdender Senioren, Furcht vor und Angst wegen weiteren Belastungen, Furcht vor und Angst wegen unbekannten vererbbaren und anderen Folgen der Strahlenbelastungen und die psychosoziale Demütigung, Marginalisierung und Stigmatisierung, die üblicherweise Strahlungsopfergruppen widerfährt.

Das Leben in einem nuklearen Alptraum stellt eine Reihe stressiger und schwieriger Fragen oft immer wieder aufs Neue:

  • Wie kann man wissen, wann man in Gefahr ist, wenn man Strahlung nicht sehen kann?
  • Wie lange wird die Gefahr weiter bestehen?
  • Wie kann man den Schaden für sich und seine Familie verringern?
  • Welches Maß an Belastung ist unschädlich?
  • Wie bekommt man rechtzeitig lebenswichtige Informationen, um eine Belastung zu verhindern oder möglichst gering zu halten?
  • Was sind die potentiellen Risiken einer akuten oder chronischen Belastung?
  • Welchen Informationen vertraut man?
  • Wie kommt man nach einem atomaren Zwischenfall wieder zu einem gesunden Lebensstil?

Auf solche Fragen Antworten zu finden, ist im Chaos und Kontext einer gerade stattfindenden Katastrophe äußerst schwierig. Es ist umso schwieriger, wenn Regierung und Industrie die Informationen, die Notfallmaßnahmen und die wissenschaftliche Auswertung von Atomunfällen kontrollieren.

Wir können beispielsweise meteorologische Ereignisse vorhersagen und präsentieren. Doch im Gegensatz zu Vorhersagen von UV-Strahlung gibt es keine für die Öffentlichkeit zugänglichen Vorhersagen für Radioaktivität in der Atmosphäre. Radiologische Daten der Atmosphäre werden von der CTBTO gesammelt, der United Nations Preparatory Commission for the Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty Organization (Vorbereitungkommission der UN für eine Organisation zu einem umfassenden Atomwaffen-Testverbot), eine Einrichtung in Wien, welche als Implementierungs-Instrument des Atomwaffen-Testverbot-Vertrages Radionukleide, seismische, hydroakustische und Infraschall Ereignisse auf dem ganzen Erdball überwacht. Seit Jahrzehnten nun wurden die Ergebnisse an die Mitgliedstaaten berichtet und haben bei der Entwicklung eines Tsunami-Frühwarnsystems eine Rolle gespielt. Warum gibt es kein Frühwarnsystem für radioaktive Niederschläge? Warum beschränkt sich das Wissen der Öffentlichkeit über lokale Strahlungsverhältnisse auf Geiger-Zähler Werte, die von unabhängigen Bürgern übermittelt wurden, während an der Westküste der Fallout herunter kommt?

Und warum gibt es, während die Welt wieder mal einen Schnellkurs über Atomreaktoren, abgebrannte Brennstäbe und Fallout erhält, keine eindeutige Meinung darüber, was dies für die örtliche und die globale menschliche Gesundheit bedeutet?

Informationen über die gesundheitliche Wirkung von Strahlung sind zwar immer mehr verfügbar, spiegeln aber weitgehend die Fehler und Verbiegungen der Forschung aus der Ära des Kalten Krieges wieder, welche Regierungs- und Industrieinteressen gedient hat. Ergebnisse, die der offiziellen Lesart widersprachen, wurden typischerweise zensiert, die Forscher erlitten Repressalien und wurden auf schwarze Listen gesetzt. Der Anthropologe [und spätere Friedensaktivist] Earle Reynolds – dessen Untersuchungen für die Atomic Bomb Casualty Commission zeigten, dass japanische Kinder, die von den Radioisotopen des Fallouts geschädigt wurden, viel kleiner als ihre Altersgenossen waren, eine geringere Widerstandskraft gegen Krankheiten und eine größere Anfälligkeit für Krebs, insbesondere Leukämie besaßen – musste z.B. feststellen, dass sein Bericht von 1953 zensiert wurde, da er Belege enthielt, die für ein weltweites Verbot von Atomwaffenversuchen sprachen. Nach Überprüfung dieser und andere historischer Dokumente, kam die 1994 eingesetzte Advisory Commission on Human Radiation Experiments zu dem Schluss, dass die Literatur zu Strahlung und Gesundheit aus den Jahren des Kalten Krieges stark bereinigt und zurecht geschrieben war, um zu beruhigen, die öffentlichen Proteste zu befrieden und gleichzeitig militärische und ökonomische Ziele durchzusetzen.

Jahrzehnte unter derartiger Kontrolle hämmerten wieder und wieder die Kernbotschaft in die Köpfe: Der Mensch habe sich in einer Welt entwickelt, in der es radioaktive Strahlung von der Sonne und von natürlich vorkommenden Elementen gab und eine gewisse Strahlung wäre natürlich und nützlich. Jede schädliche Wirkung von Strahlung wäre seltene und zufällige Folge hoher Strahlenbelastung. Alle sich aus einer Strahlenbelastung ergebenden negativen Gesundheitsfolgen sind auf das Individuum begrenzt und betreffen nicht die Nachkommen. Die Energieerzeugung durch Atomkraft ist sicher, die mit ihr verbundene regelmäßige Abgabe niedriger Radioaktivität stellt für die menschliche Gesundheit keine Gefahr dar. Diese Lesart war während den letzten Wochen in der einen oder anderen Form in den Pressemeldungen von Regierung und Industrie präsent.

Beispiel: In den ersten Stunden nach dem Erdbeben und Tsunami veröffentlichten die japanische Regierung und die Tokyo Electrical Power Company (TEPCO) Meldungen, die von geringen Schäden am Atomkraftwerk Fukushima sprachen. In den darauf folgenden Tagen berichteten Regierungs- und Industrievertreter vom „Ablassen von Wasserstoffgas“, behaupteten aber, dass „für die Gesundheit keine Gefahr“ bestünde. Diese Beteuerung nicht bestehender Gesundheitsgefahr wurde wiederholt, als es im Kraftwerk zu Wasserstoffexplosionen kam. In Wirklichkeit handelt es sich bei dem freigesetzten Wasserstoff um tritiumhaltigen Wasserdampf, ein Niedrigstrahler, der über die Haut, über die Atmung und beim Trinken von kontaminiertem Wasser aufgenommen wird. Tritium zerfällt durch Abgabe von Beta-Strahlung und hat eine Halbwertszeit von ungefähr 12,3 Jahren. Während des Zerfalls gibt Tritium Beta-Partikel mit sehr geringer Strahlungsenergie ab und verwandelt sich in das stabile nicht strahlende Element Helium. Nachdem Tritium in den Körper gelangt, löst es sich schnell auf, wird gleichmäßig verteilt und über den Urin innerhalb ungefähr eines Monats nach Aufnahme ausgeschieden. Es führt zu einer Belastung im Niedrigdosisbereich und kann für die Nieren von toxischer Wirkung sein. Wie jede ionisierende Strahlung, erhöht eine Belastung durch Tritium das Risiko, Krebs zu entwickeln.

Warum kommt Tritium in den Erklärungen von Regierung oder Industrie nicht vor? Relativ gesehen sind die Gesundheitsfolgen eines Niedrigstrahlers wie Tritium gering, vergleicht man sie mit den anderen strahlungsbedingten und toxischen Gefahren dieser Nuklearkatastrophe. Solche Unterlassungen sind in der Industrie gängige Praxis, um der Öffentlichkeit zu versichern, dass die normalen Betriebsabläufe eines Atomkraftwerkes keine wesentliche Bedrohung für die menschliche Gesundheit darstellen.

Es gibt andere Quellen beweiskräftiger Daten, die eine ganz andere Interpretation der Gesundheitsgefahren zulassen, welche mit diesem nuklearen Desaster verbunden sind: die Geheimhaltung im Kalten Krieg und die inzestuöse Natur der Regierung, die Absichten des Militärs und der Industrie machten es schwierig, die Annahmen, welche dieser „Vertrauen Sie uns“ Lesart zugrunde liegen in Frage zu stellen. Beispielsweise bedeutete die Annahme, dass die gesundheitliche Wirkung von Strahlung durch einen direkten Kausalzusammenhang (ein Isotop, eine Auswirkung) demonstriert werden müsse, dass zu kumulativen und synergistischen Effekten keine Forschung betrieben wurde. Die toxische Natur verschiedener Radioisotope herunter zu spielen oder zu ignorieren bedeutete, dass die Abschätzung von Gesundheitsrisiken und der Erlass von Vorschriften auf der Basis akuter Belastungen und deren Folgen (Strahlenkrankheit und tödliche Krebsfälle) vorgenommen wurden.

Die Freigabe der United States‘ human radiation experiment Dokumente (menschliche Bestrahlungs-Experimente) Mitte der 90’er Jahre, die Veröffentlichung ähnlicher Dokumente der Sowjetunion in den Jahren nach deren Zerfall, die Neubewertung der Atomic Bomb Casualty Commission Dokumente (Dokumentation zu den Opfern der Atombomben) und neuere von japanischen Wissenschaftlern durchgeführte Untersuchungen, Übersetzung und Veröffentlichung von Langzeituntersuchungen zu Tschernobyl-Arbeitern und anderen Überlebenden, und die Bemühungen, die Schäden durch Atomwaffentests und den durch sie verursachten Fallout auf den Marshall Inseln zu verstehen und zu beseitigen, all das hat zu einem Wissensstand geführt, der den Annahmen heftig widerspricht, die das Vertrauen in die Atomkraft und die in Fähigkeit bekräftigen, jegliches Desaster verhindern, handhaben, begrenzen, kontrollieren und beheben zu können.

Was wissen wir aus dieser Literatur von erforschter und gelebter Erfahrung?

  • Wir wissen, was Fallout ist, und dass Radionukleide über die Biotope von Meer und Festland in der Nahrungskette und im menschlichen Körper ankommen.
  • Wir wissen, dass die Bioakkumulation von Radioisotopen relative kleine „Spuren“ in der Umwelt verstärkt und bei Aufnahme größere Belastungen und signifikante negative Wirkungen auf die Gesundheit zur Folge hat.
  • Wir wissen, dass die Aufnahme selbst von winzigsten Partikeln langlebiger Isotope zum gesundheitlichen Verfall und zu tödlichen Krebserkrankungen führen kann.
  • Wir wissen, dass akute Belastungen weitaus komplizierter sind, wenn ihnen eine Dauerbelastung folgt, da solche Verletzungen kumulative und synergetische Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden haben.
  • Wir wissen, dass niedrige Belastungen mehr bewirken, als nur das Risiko zu erhöhen, Krebs zu bekommen; solche Belastungen bedrohen das Immunsystem, was eine Veränderung der Fruchtbarkeit, einen höheren Anteil an Geburtsfehlern, erhöhte Krebsraten, körperliche und geistige Entwicklungsstörungen, Stoffwechselerkrankungen und vorzeitiges Altern zur Folge hat.
  • Wir wissen, dass die toxischen Inhaltstoffe des Fallouts, wie die Strahlung selber, ein signifikantes Risiko für die öffentliche Gesundheit darstellen. Und wir wissen, dass sich die gesundheitlichen Folgen solcher Belastungen über Generationen erstrecken.

Sehen wir uns z.B. die Zusammenfassung von Tschernobyl-Erfahrungen an, die Alexy V. Yablokov, Vassily B. Nesterenko und Alexy V. Nesterenko’s 2009 bei der New York Academy of Sciences veröffentlicht haben. Zu den Gesundheitsfolgen gehören nicht nur das verbreitete Auftreten von Schilddrüsen-Erkrankungen und Krebsen (auf jeden Fall von Schilddrüsenkrebs durch Tschernobyl kommen ungefähr 1.000 andere Fälle von Schilddrüsen-Erkrankungen, was aufsummiert Millionen von Menschen mit endokrine Erkrankungen zur Folge hat). Studien im Anschluss an Tschernobyl bestätigen eine erhöhte Sterberate, Schädigungen und Behinderungen; onkolgische Erkrankungen [Krebs]; vorzeitiges Altern; und mehr nicht-maligne (gutartige) Erkrankungen (Blut, Lymphen, Herzkreislauf, Stoffwechsel, Hormonhaushalt, Immunsystem, Atemwege, urogenitaler Bereich, Knochen, Muskeln, Nervensystem, Augen, Verdauung und Haut). Diese Gesundheitsfolgen beschränken sich nicht einfach nur auf die Generation, die durch den Fallout geschädigt wurde. Aufgrund der langlebigen Natur von Radioisotopen und den mutagenen Veränderungen die eine Exposition bewirkt, sind die generationsübergreifenden Folgen von Tschernobyl gravierend.

Es gibt viel zu lernen, sowohl aus dem, was Strahlenschädigung für die menschliche Gesundheit bedeutet, als auch aus den vielen unterschiedlichen Strategien, die Menschen entwickeln, wenn sie anfangen, die Umweltgefahren und die Gesundheitsrisiken, die das Leben in einer verstrahlten Community mit sich bringt, zu verstehen und sich ihnen anzupassen. Es gibt vorsorgliche Strategien, um das Risiko zu minimieren. Anbau gesunder und schadstofffreien Lebensmittel, um die individuelle und die familiäre Gesundheit, als auch die der Community zu verbessern – was durch die gewährten Leistungen des Schadenersatz-Tribunales für die Atomwaffentests der Republik der Marshall Inseln (RMI) demonstriert wurde (ein von den Vereinigten Staaten eingesetztes und finanziertes Tribunal), um die Gemeinden von Bikini, Enewetak, Utrik und dem Rongelap-Atoll wieder herzustellen und zu entschädigen. Jahrelange Forschung und Sammlung von Zeitzeugenberichten über die Schäden durch den Fallout und die unterschiedlichen Ansätze, wie man solche Schäden beseitigen könnte, führten zu den Entschädigungszahlungen des RMI Nuclear Claims Tribunal (s.o.), die dafür vorgesehen waren, Erdböden zu dekontaminieren, die Gegenwart von Radioisotopen in der Nahrungskette zu reduzieren, eine neue Generation von marshallesischen Strahlungs-Gesundheits-Experten auszubilden und zu trainieren, ganzheitliche Gesundheitsvorsorge und andere Maßnahmen bereit zu stellen, die versuchen, einen nachhaltigen und gesunden Lebensstil wieder herzustellen. Solche Maßnahmen wurden jedoch nicht verwirklicht, da die Regierung der Vereinigten Staaten unter Bush die Ergebnisse des Nuclear Claims Tribunal nicht anerkannte. 2010 verweigerte der Supreme Court den Bewohnern der Marshall Inseln das Recht, für ihre Belange zu klagen und der Congress muss noch über einen Antrag abstimmen, das Tribunal vollständig zu finanzieren, um auf diese Weise den wuchernden Verletzungen, welche dieses ehemalige US-Gebiet auf sich genommen hat, gerecht zu werden.

Die Idealvorstellung des Regierens, wie sie durch die Verfassungen der Welt zum Ausdruck kommt, besteht darin, dass der Staat ein institutionalisierter Apparat ist, der die grundlegenden Rechte seiner Bürger auf Leben und dessen Grundlagen schützt. Das nukleare Desaster in Japan, wie andere katastrophale Ereignisse (Katrina, Tschernobyl) zeigen, wie weit wir uns von diesem Ideal entfernt haben. In jeden Entwicklungsstadium dieses nuklearen Alptraumes gab es das Bemühen, den Fluss der Nachrichten und ihren Inhalt zu kontrollieren, gesellschaftsweiter Panik (und dem damit verbundenen Vertrauensverlust in die Regierung) vorzubeugen, Verantwortlichkeiten zu reduzieren und die Interessen der nuklearen und anderer Industrien zu wahren. Solche Entscheidungen haben für die öffentliche Gesundheit grundlegende Konsequenzen.

Es gibt hier sehr viel zu lernen, nicht zuletzt, wie man reagieren, den Umweltgefahren und den Gesundheitsrisiken begegnen soll, die sich aus einem Leben in dieser nuklearen Welt ergeben. Wenn die Nationen der Welt ihre nukleare Energieerzeugung neu bewerten und ihre Energieentwicklungspläne neu abstimmen, sollten wir mehr denn je alle Daten nutzen unsere Entscheidungen auf Informationen zu stützen, insbesondere die Erfahrungen der Strahlungsopfer-Communities dieser Welt.

Autor: Barbara Rose Johnston für t r u t h o u t

Übersetzung: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network

Zu obigem Foto: Bravo-Test über Enewetak, Marshall Inseln, Operation Castle, 1. März 1954. Speziell entwickelt, um eine größtmögliche Fallout-Wolke zu erzeugen, war der Bravo-Test die erste Explosion einer Wasserstoffbombe, die von einem Flugzeug abgeworfen wurde. Mit einer radioaktiven Wolke, die sich über mehr als 18.000 Quadratkilometer ausbreitete, war diese Detonation eine der größten Atomwaffen der USA, welche 23 japanische Thunfisch-Fischer außerhalb der „Gefahrenzone“ einer beinahe tödlichen Exposition aussetze, ebenso 28 Metereologen der US-Marine, welche die Strahlung in Rongerik überwachten und die gesamte marshallesische Bevölkerung von Rongerik und der Ailinginae Atolle. Der Fallout verteilte sich global, radioaktive Rückstände erreichten die amerikanischen Länder laut Berichten nach fünf Tagen. Damals bestätigten die USA der UN derart gefährliche Strahlenwerte innerhalb eines Radius von 100 Meilen (ca. 161 km), doch 1955 behauptete Kommissar Willard Libby, eine Untersuchung der Atomic Energy Commission habe ergeben, daß von dem Fallout wahrscheinlich keine Gefahr ausgehen wird. Tatsächlich geht aus einem 1999 freigegebenen Dokument hervor, dass der Fallout dieses Tests die gesamten Marshall Inseln mit einer hoch gefährlichen Kontamination überzog – 22 bewohnte Atolle eines Gebietes in der Größe von Mexiko – mit Kontaminanten, die bis zum heutigen Tag in der Nahrungskette und im menschlichen Körper vorhanden sind. (Foto: US Atomic Energy Commission / Department of Energy)

Barbara Rose Johnston ist Umwelt-Anthropologistin am Zentrum für Politische Ökologie in Santa Cruz, Kalifornien. Ihre Bemühungen, die Wirkung von Atomwaffen auf Mensch und Umwelt sowie Erfahrungen mit örtlichen Nuklearbetrieben des Kalten Krieges zu dokumentieren, sind in ihrem Sammelband „Half-lives and Half-truths: Confronting the Radioactive Legacies of the Cold War“ (SAR Press, 2007) veröffentlicht. Ebenso in dem von ihr mit Holly Barker verfaßten Buch „Consequential Damages of Nuclear War: The Rongelap Report“ (Left Coast Press 2008). Ihr allerneustes Buch ist „Life and Death Matters: Human Rights, Environment, and Social Justice“ (Left Coast Press 2011).

Originalartikel: Waking Up to a Nuclear Nightmare

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons Lizenz: by-nc. Für diese Übersetzung gilt: by-nc-sa. Das Foto der „Bravo“-Bombe ist Public Domain.

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Urteil: Gaststätten als Raucherclubs unzulässig

Gericht entscheidet gegen Raucherclubs

Der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat mit Eilbeschluss vom 4. April 2011 ein Rauchverbot für eine Gaststätte bestätigt, die nach Angaben der Inhaberin nur den Mitgliedern eines sogenannten Raucherclubs offen steht. Zuvor hatte bereits das Verwaltungsgericht Köln den Eilantrag der Gastwirtin gegen das von der Stadt Köln verhängte Rauchverbot abgelehnt.

Das Nichtraucherschutzgesetz NRW bestimmt, dass in Gaststätten grundsätzlich nicht geraucht werden darf. Ausnahmen macht das Gesetz u.a. für Räume von Vereinen und Gesellschaften, deren ausschließlicher Zweck der gemeinsame Konsum von Tabakwaren ist. Diese Voraussetzungen sah der Senat im Rahmen einer vorläufigen Prüfung hier nicht als erfüllt an. Der Zweck des Gesetzes, die Bürger wirksam vor den erheblichen Gesundheitsgefahren durch Rauchen in der Öffentlichkeit zu schützen, gebiete eine enge Auslegung der Ausnahmevorschrift. Nach der dem Gericht vorliegenden Vereinssatzung bezwecke der Verein die „Förderung“ des gemeinsamen Tabakkonsums. Dies gehe über den gesetzlich zulässigen Zweck – den tatsächlichen gemeinsamen Konsum von Tabakwaren – hinaus und ermögliche auch Nichtrauchern die Vereinsmitgliedschaft. Diese könnten am einzig zulässigen Vereinszweck aber nicht Teil haben. Zudem sei die Inhaberin der Gaststätte auf einen Gewinn durch den Verkauf von Speisen und Getränken angewiesen. Auch dieses gewerbliche Interesse werde vom Verein gefördert. Insgesamt sei es erkennbarer Zweck des Vereins, die Nutzung der Gaststätte in der vor Inkrafttreten des Nichtraucherschutzgesetzes bestehenden Form zu sichern, und nicht nur, gemeinsam zu rauchen. Auf die Regelungen in der Vereinssatzung komme es insoweit nicht allein an. Maßgeblich seien auch die tatsächlichen Umstände. Deshalb sei es regelmäßig als unzulässige Umgehung des gesetzlichen Rauchverbots zu werten, wenn eine Gaststätte im Wesentlichen oder sogar ausschließlich den Mitgliedern eines Rauchervereins zur Verfügung gestellt werde.

Der Beschluss des 4. Senats des Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar.

Die Klage der Gastwirtin gegen das Rauchverbot (Hauptsacheverfahren) ist beim Verwaltungsgericht Köln unter dem Aktenzeichen 7 K 4824/10 anhängig. Az.: 4 B 1771/10

Literatur:

Oberverwaltungsgericht Nordrhein Westfalen, Gaststätten als Raucherclubs unzulässig, 06. April 2011

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Kranke benötigen medizinische und soziale Hilfe statt Wunderheiler

Ein falscher Schachzug, Erkrankte zu psychiatrisieren oder Wunderheilern zuzuführen

Seit dreizehn Jahren unterstützenzahlreiche Politiker verschiedener amerikanischer Bundesstaaten die Aufklärung über die Umwelterkrankung MCS – Multiple Chemical Sensitivity. Durch Proklamationen weisen sie darauf hin, wie dringlich es ist, dass jeder Bürger sich der Existenz von Umweltproblemen bewusst wird und zur Kenntnis nimmt, dass ein erheblicher Anteil der Bevölkerung bereits unter Umwelterkrank- ungen leidet. In Deutschland hat sich die Prognose für Umwelterkrankte im gleichen Zeitraum im Grunde genommen nur verschlechtert.

MCS, eine Umwelterkrankung, die Aufmerksamkeit verlangt

Etwa 15% der Allgemeinbevölkerung reagiert mehr oder weniger stark auf Chemikalien, mit denen man im normalen Alltag ständig in Kontakt gerät. Die an MCS Erkrankten klagen u.a. über Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Konzentrations- verlust, Atembeschwerden oder Muskelschmerzen, wenn sie Autoabgasen, Kamin- oder Zigarettenrauch, Parfüm, dem Geruch von Weichspüler, Zeitungsaus- dünstungen, Neuwagen oder neuen Möbel ausgesetzt sind. Die Beschwerden der Erkrankten haben erhebliche Auswirkungen auf deren Privat- und Berufsleben. Viele verlieren durch die anhaltenden und häufig schlimmer werdenden Gesundheitsbeschwerden ihre Arbeit. Weil die Auswirkungen wegen der hohen Verbreitung von MCS bereits einen Einfluss auf viele Bereiche haben, setzen sich amerikanische Gouverneure kontinuierlich für Umwelterkrankte mit MCS ein.

USA – Gouverneure bieten Verständnis und Hilfe für MCS Kranke

Der Gouverneur von Colorado, John Hickenlooper, gehört zu den Ersten, die eine Proklamation für den MCS Aufklärungsmonat Mai 2011 mit ihrem Staatssiegel beurkunden. Die Proklamation für den Bundesstaat Colorado lautet wie folgt:

MCS PROKLAMATION

WEIL, Menschen aller Altersgruppen in Colorado und in der ganzen Welt Multiple Chemical Sensitivity (MCS) als Folge der globalen Umwelt- verschmutzung entwickelten; und

WEIL, MCS eine schmerzhafte chronische Erkrankung ist, die von Überempfindlichkeits- reaktionen auf die Umwelt geprägt ist und für die es keine Heilung gibt; und

WEIL, die Symptome bei MCS akute Reaktionen auf Chemikalien, Lebensmittel und Medikamente einschließen, als auch neurologische Symptomatik, Muskel- und Gelenkschmerzen, Konzentrations- und Atembeschwerden verursachen; und

WEIL, MCS durch die amerikanische Gesetzgebung für Behinderte dem Americans with Disabilities Act, der amerikanischen Behörde für Barrierefreiheit, der Social Security Administration, dem US Department für Haus- und Stadtplanung und der Umweltschutzbehörde EPA und zahlreichen weiteren staatlichen Behörden und Kommissionen anerkannt ist; und

WEIL, die Gesundheit der Allgemeinbevölkerung in Gefahr ist durch Chemikalienexpositionen, die zu diesen umweltbedingten Krankheiten führen können; und

WEIL, diese Krankheit durch Reduzierung oder Vermeidung von Chemikalien in Luft, Wasser und Nahrung, sowohl im Innen- als auch im Außenbereich, vermeidbar sind, und weitere wissenschaftliche Untersuchungen, einschließlich der Genetik durchgeführt werden sollten; und

WEIL, Menschen mit MCS Unterstützung durch die medizinischen Fachwelt brauchen und Verständnis durch die Familie, Freunde, Mitarbeiter und der Gesellschaft, während sie mit ihrer Krankheit und der Anpassung an neue Lebensweisen kämpfen;

DESWEGEN, verkünde ich, John Hickenlooper, Gouverneur des Bundesstaates Colorado, jetzt hiermit den Mai 2011 als

Multiple Chemical Sensitivity

(MCS) Awareness Month

Die Situation Umwelterkrankter in Deutschland

Während in den USA die Allgemeinbevölkerung seit fast eineinhalb Jahrzehnten durch Gouverneure, Politiker und Behörden um Verständnis und Hilfe für MCS Kranke gebeten wird, gibt es in Deutschland keinerlei ernstzunehmende Bestrebungen, diesen Umwelterkrankten zur Seite zu stehen. Im Gegenteil, die Bestrebungen, die Ursache von MCS der Psyche der Erkrankten zuzusprechen, nimmt zu. Politiker widmeten sich Umwelterkrankten immer nur im Wahlkampf, was erkennen lässt, dass wirtschaftliche Interessen des Industriestandortes Deutschland als vorrangig betrachtet werden. Die Rechte, die MCS-Erkrankten als Behinderte im Sinne von Integration und Barrierefreiheit zustehen, werden grundsätzlich völlig ignoriert, obwohl Deutschland die UN-Behindertenkonvention unterzeichnet hat.

Immer öfter zweifelhafte Angebote statt echter Hilfe

Die jahrzehntelange Forderung von MCS-Kranken nach einer Umweltklinik, die den Bedürfnissen der Erkrankten gerecht wird, blieb in Deutschland unerfüllt. Stattdessen scheinen sich zwei Strömungen zu bilden. Die Strömung von einigen niedergelassenen Umweltmedizinern ausgehend versucht, die MCS-Kranken Wunderheilern und dubiosen „Detox-Experimenten“ zuzuführen.

Die andere Strömung, die von universitären Umweltinstituten ausgeht, versucht ein „bio-psycho-soziales Behandlungskonzept“ zu installieren.

Beide neuen Strömungen stellen nicht mehr als eine Kapitulationserklärung für den Medizinstandort Deutschland dar und sollten von den Umwelterkrankten nicht hingenommen werden.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 3. April 2011

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