Monatsarchiv für Juli 2009

Opfer der Medizinindustrie – „Then it will all have been worth it…“

Teenager als Opfer der Medizin

CFS ist als chronisches Erschöpfungssyndrom bekannt. Darunter stellt man sich Müdigkeit vor. Aber CFS ist mehr als Müdigkeit. Zur ständigen Erschöpfung kommen noch weitere Symptome, unspezifische wie Schwindel oder Kopfschmerz, aber auch Licht-, Berührungs- oder Geruchsempfindlichkeit, Schmerzen im ganzen Körper, und gefährliche Immunschwächezustände. Viele CFS-Patienten können nicht mehr selbst für sich sorgen, werden zu Pflegefällen, in schweren Fällen sind sie bettlägerig.

Nichtsdestoweniger wird CFS oft fehldiagnostiziert. Depressionen und andere psychische Störungen sind häufige Diagnosen, hinter denen eigentlich CFS steckt. Viele CFS Patienten erfahren nie von ihrer Krankheit, sondern werden jahrzehntelang z.B. auf Depressionen behandelt.

Forschung fördern – Ohne Wirtschaftssponsoren

Die 1997 gegründete, US-amerikanische „National CFIDS (Chronic Fatigue Immune Dysfunction Syndrome) Foundation“, kurz NCF, versucht, Forschung über CFS zu fördern, mit dem Ziel, dass CFS Anerkennung findet und einmal eine Behandlung gefunden wird. CFIDS ist auch bekannt als CFS (Chronic Fatigue Syndrome) oder ME (Myalgic Encephalomyelitis). Krankheitsbilder wie das Golfkriegssyndrom (Gulf War Ilness, GWI) oder MCS (Multiple Chemical Sensitivity) gelten als verwandt.

Das NCF hat keine Großsponsoren in der Wirtschaft und wird rein ehrenamtlich betrieben. Das Geld der Foundation kommt aus privaten Spenden. Auf der Website wird zu kleinen Spenden von 10 bis 20 Dollar im Jahr aufgerufen. Alles nicht dringend zur Erhaltung der Foundation benötigte Geld kommt direkt der Forschung zugute. Durch dieses Spendengeld wurden schon mehrere Studien finanziert, zum Beispiel zu Infektionen als möglichem CFS-Auslöser.

Die Website der Foundation: The National CFIDS Foundation

Gedenkliste für verstorbene CFS-Patienten

Auf der Seite der „National CFIDS Foundation“ (NCF) gibt es eine Gedenkliste für verstorbene CFS-Patienten. Todesursachen unterschiedlich, Fehlbehandlung spielte fast immer eine große Rolle. Die Seite berichtet von jungen Menschen, teilweise Jugendlichen, die heute noch leben könnten, wären sie nicht mit psychiatrischen Diagnosen in Kliniken eingewiesen worden und durch unverträgliche Medikamente schwer krank geworden.

Lesen kann man die Liste mit beschriebenen Fällen unter: Fallbeispiele

Emily, 20 Jahre alt, CFS, Psychiatrieopfer, verstorben 2006

Im Februar 2006 starb eine junge Frau Emily Louise Chapman, erst 20 Jahre alt. Sie war 13, als ihre CFS-Erkrankung begann. Ohnehin schwerst krank, musste sie 15 Monate lang ohne jeden Behandlungserfolg in Kliniken leiden, wurde massiv fehlbehandelt. Danach durfte sie eine Zeit lang nach Hause. Sie weigerte sich, wieder in eine Klinik zu gehen. Ihre Eltern mussten darum kämpfen, dass ihre Tochter nicht gegen ihren Willen aus der Familie gerissen und in ein Krankenhaus gebracht wurde.

Nach sieben schweren Jahren kam sie wieder ins Krankenhaus. 8 Wochen musste sie dort unter Fehlbehandlung in jeder Hinsicht leiden, und sie, ohne jede Hoffnung auf Verbesserung ihrer Lage, nahm sich schließlich dort das Leben. Emily könnte noch leben. Sie war eine intelligente junge Frau, die selbst von zu Hause von ihrem Bett aus noch Kontakt mit einem Netzwerk von Brieffreunden hielt, war auf dem neuesten Stand von Umwelt, Politik und Sozialem und wurde Mitglied der New Writers Group Inc.

Sophia Criona – „Then it will all have been worth it…“

Emelys Fall ist kein Einzelfall. So starb zum Beispiel die junge Britin Sophia Criona, 32 Jahre alt, 2005, durch Fehlbehandlung und medizinische Vernachlässigung. Sie erkrankte mit 26 Jahren nach einer „Grippe“, von der sie sich nicht mehr erholte, an CFS und wurde innerhalb von drei Monaten bettlägerig. Sie war extrem licht- und berührungsempfindlich. Doch verantwortliche Ärzte behaupteten, dass sowohl Sophia als auch ihre Mutter nur Krankheit vortäuschen würden. Sophia kam in eine psychiatrische Klinik, in die „Geschlossene“.

Sophie hatte das Glück, noch einmal entlassen zu werden und ihr Zuhause noch mal zu sehen, aber die Schäden nach dieser Fehlbehandlung waren so groß, dass sie in Folge starb. In diesem Fall gab es eine Autopsie, die angeblich nichts zur Todenursache zeigte, aber eindeutige entzündliche Veränderungen wurden gefunden.

Sophias letzte Worte, nachdem ihre Mutter ihr gesagt hatte, dass sie mit Sophias Geschichte an die Öffentlichkeit gehen würde, waren „Then it will all have been worth it…“ („Dann war es das Alles wert…“). Ihre Mutter ging auch nach Sophias Tod an die Öffentlichkeit, an den Britischen TV-Sender Meridian Television.

Tracy – Bestraft für Krankheit

Ein anderer tragischer Fall, der von Tracy Lynn Harmon, die 2004 im Alter von 36 Jahren verstarb, fand in North Carolina statt. Auch sie starb durch Fehlbehandlung. In ihrem dritten Schuljahr wurde sie als psychisch krank eingestuft und ihr wurden unnötigerweise Psychopharmaka verabreicht. Als Jugendliche wurde schließlich die Diagnose CFS und Fibromyalgie gestellt. Wegen ihrer langen Fehlzeiten wurde sie mit 16 von der Schule entlassen. Die Psychiater gaben ihr Medikamente, von denen sie Halluzinationen bekam, und behaupteten, ihre Mutter sei das Problem („Münchhausensyndrom“).

In ihrer Zeit in der Anstalt wurde Tracy bestraft, wenn sie morgens zu müde zum frühen Aufstehen war. Trotz dieser Behandlung überzeugten die Ärzte sie, dass sie ohne die Medikamente sterben würde. Deshalb nahm Tracy die Mittel auch zu Hause weiter, bis sie schließlich starb.

Chemotherapiepatienten, Medikamententester…

In der langen Gedenkliste, aus der hier drei Fälle junger Frauen ausgewählt wurden, findet sich durchaus eine „CFS-Risikogruppe“, wenn man darauf achtet, was diese Patienten früher in ihrem Leben getan oder erlitten haben. Sportler, Chemotherapiepatienten, aber auch Medikamententester finden sich auf dieser Liste. Gleich zwei Tester, ein Mann und eine junge Frau, die das Mittel Ampligen von HEM Pharmaceuticals getestet hatten, starben an den Folgen von CFS.

Medikamententester sind Menschen, die dringend Geld benötigen und verkaufen daher ihre Gesundheit an Pharmafirmen, die ihre nächsten Kassenschlager mit Studien für unschädlich erklären.

Warum begehen Kranke Selbstmord?

Die hohe Zahl von Selbstmorden ist nicht nur auf die Schmerzen durch die Krankheit zurückzuführen. So wurde zum Beispiel Stephem S. Czerkas durch Armut und dazu noch Rechtsstreite in den Tod getrieben. Armut ist ein Stichwort. Was macht ein CFS-Patient, der keine Rente oder ausreichendes Sozialgeld, sowie wenn nötig eine Pflegeperson, zugestanden bekommt? Und mit z.B. Depressionen diagnostiziert wird? Ein CFS-Patient kann sich nicht ohne Geld auf der Straße durchschlagen. Der muss sich dann in eine psychiatrische Klinik einweisen lassen, als profitables „Rohmaterial“ der Pharmaindustrie und der Kliniken, und sich dort „behandeln“ lassen. Und was, wenn das Geld noch da ist? Dann kann man den Patienten immer noch mit einer Zwangseinweisung in die Psychiatrie bringen. Das klappt nicht nur mit Minderjährigen. Wen wundert es, wenn Menschen sich umbringen, die außer Leid und Entwürdigung in ihrem Leben nichts mehr zu erwarten haben?

Klartext reden – Auf YouTube

Der YouTube-User „luminescentfeeling“ spricht zum Thema CFS klare Worte. Er bezieht sich auf England, aber die gezielte Psychiatrisierung von CFS-Patienten wie vieler anderer Kranker ist sicher kein spezifisch britisches Problem. Die Videos von luminescentfeeling gehören zu den ergiebigsten Infoquellen zu CFS auf YouTube. Sie zeigen echte Forschung zu CFS, ebenso wie Informationen zur Psychiatrisierung.

In seinem Profil vergleicht luminescentfeeling die Psychiater, die gezielt und wissentlich CFS-Patienten psychiatrisieren, als Diebe, die für Profit über Leichen gehen. Er bezeichnet England bzw. dessen Medizinlandschaft, als „kleptocracy“, d.h. eine Herrschaft von Dieben.

Kein Land in Sicht

Gibt es jemals Hoffnung für die Opfer unseres Wirtschaftssystems?

Beim Schreiben dieses Blogs war es schwer, mich zu entscheiden, welche Beispiele aus der Gedenkliste ich auswählen sollte. Jeder Mensch sollte in Erinnerung bleiben. Ich habe mich bei den ausführlich beschriebenen Beispielen bewusst auf besonders junge Personen festgelegt. Bedenken wir, wie viele Jahre diese Menschen noch hätten leben können, wenn nicht ein rücksichtsloses Wirtschaftssystem mit Kranken Profit machen würden. Stattdessen mussten sie jung und qualvoll sterben.

Es sind sicher viele Millionen Menschen, die in diesem System „unter die Räder kommen“, die nichts tun können als verzweifelt auf Veränderung zu hoffen, und die eine solche nicht mehr erleben werden, sollte es sie jemals geben, weil sie, sozusagen als Opfer der Wirtschaft, in jungen Jahren sterben. Was macht es für einen Unterschied, ob ein Mensch an CFS in der Psychiatrie stirbt, durch Umweltgifte an Krebs oder in einem armen Land verhungert?

Wir können nur hoffen, dass Sophia Criona irgendwann, und so bald wie möglich, Recht behält, mit dem Satz „Then it will all have been worth it…“

Autor: Amalie, CSN – Chemical Sensitivity Network, 22. Juli 2009

Weitere interessante Blogs von Amalie:

Psychotherapie – Die Rolle von Erwartungen

Psychotherapie = Placebo

Häufig genügt es, Hoffnung zu wecken, um Verbesserungen zu bewirken. Luborsky [1] fand in mehreren Studien, dass „die beste Basis für die Voraussage späterer Verbesserungen – die in den ersten Sitzungen geäußerte [Erwartung] schneller positiver Ergebnisse ist“. ([2], S. 107)

Lazarus [3] behandelte Patienten, die eine Hypnose wollten, statt dessen mit einer Standardentspannungstechnik. Die Patienten zeigten eine größere subjektive und objektive Verbesserung, wenn er wo immer möglich statt der Worts „Entspannung“ den Begriff „Hypnose“ gebrauchte.

Die Einstellungen und Erwartungen von Therapeut und Patient können großen Einfluss haben. Um diesen Effekt zu nutzen und Erwartungen zu koordinieren, kann man die Therapie mit einem „role-induction interview“ (ein Gespräch, in dem die gegenseitigen Erwartungen besprochen werden) beginnen. In mehreren Studien verbesserte dies das Ergebnis. In einer Studie über die Behandlung benachteiligter Menschen, die in Regel weniger mit der Kultur der Psychotherapie vertraut sind, verbesserten sich zwei Drittel, wenn Therapeut und Patient eine solche Vorbereitung erfahren hatten. Wenn nur der Patient oder der Therapeut entsprechend vorbereitet wurde, sank die Quote auf die Hälfte und bei Fehlen der Maßnahme auf ein Drittel. Bei McHugh gehört ein solches Gespräch zur handwerklichen Standardvorgehensweise. ([2], S. 45, [4])

Wer ist für Placebos empfänglich?

Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass die Empfänglichkeit für Placebobehandlungen stark von Aspekten der unmittelbaren Situation abhängt, und weniger von dauerhaften Persönlichkeitsmerkmalen (z.B. im Sinne der Big Five). In einer Studie von Frank ([2], S.144) wurde ein Teil der psychoneurotischen Patienten mit Placebos behandelt. Im Mittel ergab sich eine deutliche Verbesserung. Bei einigen hatte sich drei Jahre später ein Rückfall eingestellt, worauf hin die Behandlung wiederholt wurde. Die mittlere Verbesserung war wieder so groß wie beim ersten Mal, es gab jedoch keinen nennenswerten Zusammenhang zwischen der aktuellen Empfänglichkeit der Patienten für die Placebobehandlung (d.h. dem Ausmaß der erreichten Verbesserung) und der von vor drei Jahren.

Es gibt aber wohl einen Zusammenhang mit dem, was in der Literatur „locus of control“ (Kontrollüberzeugung) genannt wird. Menschen, die meinen, ihr Schicksal hänge vorwiegend von ihnen selbst ab, sprechen deutlich schlechter auf Placebobehandlungen an, als Menschen, die sich eher von durch von ihnen nicht kontrollierbare äußere Einflüsse bestimmt fühlen. ([2], S. 170)

Die Studie des National Institute of Mental Health (NIMH)

(„Nationales Institut für geistige Gesundheit“, öffentl. US-Einrichtung)

Eine weitere Möglichkeit, ein Analogon für eine Placebogruppe zu konstruieren, verfolgte die bekannteste, ambitionierteste und wichtigste Studie zur Effektivität von Psychotherapie, eine NIMH-Studie über die Wirksamkeit verschiedener Behandlungsansätze bei Depressionen [5]. Der Hauptzweck bestand in einem Vergleich von interpersonaler Therapie und kognitiver Verhaltenstherapie. Als Vergleichsgruppen dienten eine Gruppe, die mit trizyklischen Antidepressiva behandelt wurde und eine weitere, die stattdessen ein Placebo bekam. 239 Patienten wurden nach einem Zufallsverfahren auf diese vier Gruppen aufgeteilt. 28 Therapeuten nahmen teil. Nach einer 16-wöchigen Behandlungszeit hatte sich der Zustand der Teilnehmer aller Gruppen nach allen der angelegten Kriterien verbessert. Dabei verbesserte sich die Medikamentengruppe am schnellsten. Bei Nachuntersuchungen nach 6, 12 und 18 Monaten wurden kaum Unterschiede zwischen den Gruppen festgestellt: „Obwohl es eine signifikante Verbesserung zwischen der Zeit vor und nach der Behandlung gab, fanden sich überraschend geringe Unterschiede zwischen den Behandlungsregimen bei Beendigung.“

Das Fehlen von Unterschieden lag dabei weniger an einem schlechten Abschneiden der Therapiegruppen, als an dem guten Ergebnis der Placebogruppe. Die Mitglieder der Placebogruppe hatten im Übrigen die niedrigste Rückfallquote.

Es gab jedoch deutliche Unterschiede in der Wirksamkeit in Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung. Bei schwer Erkrankten war die medikamentöse Behandlung klar besser und das Placebo klar schlechter. Die Psychotherapien lagen etwa in der Mitte dazwischen. Weniger schwer Erkrankte sprachen auf alle Behandlungen gleich gut an, inklusive Placebos. Die relative Vorteilhaftigkeit medikamentöser Behandlung bei schweren Depressionen fand sich auch in vielen anderen Studien.

Die gefundenen Unterschiede gehen vermutlich auf die höhere Anfangswirksamkeit der Psychotherapien und insbesondere des Antidepressivums zurück. Bei den Patienten, die die Behandlung beendet hatten, waren die Unterschiede der Placebogruppe zu den anderen Gruppen praktisch vernachlässigbar. Je mehr Frühabbrecher einbezogen wurden, desto schlechter war die Placebogruppe im Vergleich.

Die Erfolgsquote nach der Behandlung lag bei den Therapiegruppen zwischen 51 und 70%. Die Quote war dabei von dem verwandten Kriterium für „Erfolg“ abhängig. Bei der Placebogruppe lag sie etwas niedriger, bei 29 bzw. 51%. Die erreichten Durchschnittswerte für den Zustand der Patienten nach der Behandlung unterschieden sich in der Placebogruppe jedoch praktisch nicht von den Therapiegruppen.([5],S. 201 ff., [6])

Weitere Metastudien

Lambert und Bergins Zusammenfassung verschiedener Metastudien [7] ergab ebenfalls keinen nennenswerten Vorteil von Psychotherapie gegenüber Placebos bei nicht zu schweren Fällen: dem typischen Psychotherapiepatienten geht es in 79% der Fälle besser als jemandem ohne Behandlung, bei Placebobehandelten lag die Quote bei 66%.[5]

Die „optimistische“ Sicht

Verfechter der These, Psychotherapien seien besser als Placebos, interpretieren derartige Ergebnisse jedoch „optimistischer“. Ihrer Ansicht nach zeigen sie, dass echte Therapien deutlich besser wirksam sind als Placebobehandlungen oder allgemeine unterstützende Maßnahmen. (Einige Details zu diesen Interpretationsfragen lest ihr im nächsten Beitrag.) So kommt Lambert auch zu dem Schluss, dass Psychotherapie bei 75% der Fälle hilfreich ist. 75% „gesunden“ sogar wieder, dies aber erst nach 55 Sitzungen. Nach 20 Sitzungen kam er auf eine Wirksamkeit von 50% (Wir erinnern uns: bei der NIMH Studie von oben erreichte die Placebogruppe je nach Kriterium für „Gesundung“ eine Wirksamkeit von 29 bzw. 51% nach durchschnittlich 16,2 Sitzungen und unterschied sich im Mittelwert der Verbesserung nicht von „echten“Therapien.).

Die von Lambert beobachtete höhere Wirksamkeit bei langer Behandlungsdauer könnte auch auf einen Regressionseffekt zurückzuführen sein (s. Teil 2). Denn die durchschnittliche Dauer derartiger Krankheitsepisoden (Depressionen und Angsterkrankungen) beträgt nach Schätzungen aufgrund epidemiologischer Daten [8] [9] etwa zwischen ein und zwei Jahren. Wenn man bedenkt, dass die Betroffenen erst nach einer gewissen Zeit um professionelle Hilfe nachsuchen und diese meist erst nach einer gewissen Wartezeit auch erhalten, spricht hier viel für einen signifikanten Regressionseffekt. Das erklärt auch zumindest teilweise die immer wieder gefundene höhere Wirksamkeit von Langzeittherapien gegenüber kürzer dauernden Interventionen (jüngst z.B. wieder in).

Die offizielle Sicht der von den US NIMH geförderten Initiative Therapyadvisor für evidenzbasierte Therapien ist:. Darstellung Demnach liegt die Wirksamkeit von Therapien bei 75%, von Placebos bei 40% und ganz ohne Behandlung ist man bei ca. 18% Verbesserung (über die empirischen Grundlagen dieser Statistik findet man dort leider keine nachvollziehbaren Hinweise).

Die Qualifikation der Therapeuten spielt kaum eine Rolle…

Darüber hinaus spielt auch die Erfahrung und Ausbildung des Therapeuten praktisch keine Rolle: professionelles Training hat nur einen geringen Einfluss auf die Behandlungsergebnisse.

Smith, Glass und Miller [11] fanden in ihrer Übersichtsuntersuchung, dass Therapeuten mit Ph.D. oder M.D. bzw. ohne weiterführende Titel vergleichbare Ergebnisse produzierten. Eine andere umfassende Studie [12] fand ebenfalls keine derartigen Zusammenhänge. Professionell ausgebildete Therapeuten und Paraprofessionelle bzw. Laientherapeuten erzielten vergleichbare Erfolge. Weitere Studien von Hattie et.al. [13] sowie die Metaanalyse von Reinecker et.al. [14] erhärten das Ergebnis.

Es gibt jedoch Therapeuten, die systematisch erfolgreicher sind als andere, d.h. „bessere“ und „schlechtere“. Dies hat jedoch wenig mit der Ausbildung zu tun.

…aber das Vertrauen

Abschließend sei noch eine Studie zitiert, die erkennen lässt, wie die Reaktion auf ein Placebo von dem Vertrauen in den behandelnden Arzt abhängt ([2], S. 145,[10]). Dabei gab man einem Teil der Patienten („Psychoneurotiker“) Pillen-Placebos als Behandlung und sagte ihnen ausdrücklich, worum es sich dabei handelte. Die genauen Instruktionen lauteten: „Vielen Leuten mit ihrer Erkrankung wurde mit etwas geholfen, was man manchmal Zuckerpillen nennt, und wir glauben, dass auch Ihnen eine sogenannte Zuckerpille helfen könnte. Wissen Sie, was eine Zuckerpille ist? Eine Zuckerpille ist eine Pille, in der überhaupt kein Medikament drin ist. Ich denke, diese Pille wird Ihnen helfen, wie sie schon so vielen anderen geholfen hat. Wollen Sie diese Pille ausprobieren?“

Den Patienten wurde gesagt, sie sollten die Pille dreimal täglich über eine Woche nehmen. Danach würde dann eine endgültige Empfehlung für eine Behandlung gegeben. Von den vierzehn Patienten, die wiederkamen (der fünfzehnte wurde von dem Spott seines Ehepartners über die inaktive Pille davon abgebracht) berichteten alle über Verbesserungen.

Das mag zum Teil auf das Versprechen einer speziellen Behandlung nach einer Woche zurückzuführen sein. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass die, die sich sicher waren, ein Placebo bzw. ein Medikament zu nehmen, über eine größere Verbesserung berichteten, als die, die Zweifel hatten. Die, die sich in der einen oder anderen Richtung sicher waren, knüpften ihre Sicherheit an ihre Überzeugung, dass der Arzt ihnen damit helfen wollte. Ähnliche Ergebnisse existieren auch für klassisch medizinische und chirurgische Behandlungen.

Autor: Karlheinz, CSN – Chemical Sensitivity Network, 21. Juli 2009

Teil I, II, III und IV sowie weitere Artikel zum Thema:

Literatur:

[1] Luborski, L. (1976). Helping Alliances in Psychotherapy in: Claghorn J. L., Successful Psychotherapy, S. 92-118. Brunner/Mazel.

[2] Frank, JB, Frank J. (1991). Persuasion and Healing: a Comparative Study of Psychotherapy, Johns Hopkins Univesity Press.

[3] Lazarus, A.A. (1973). „Hypnosis“ as a Factor in Behavior Therapy, Int. J. Exp. Hypn. 21:25-31.

[4] Jacobs et. al. (1972). Preparation for treatment of the disadvantaged patient: Effects on disposition and outcome, Amer. J. Orthopsychiatry 42:666-74.

[5] Horwitz, Allen V. (2002), Creating Mental Illness, University of Chicago Press.

[6] Elkin et. al. (1989). NIMH Treatment of Depression Collaborative Research Program: General Effectiveness of Treatment, Archives of General Psychiatry 46:971-82.

[7] Lambert & Bergin (1994). The Effectiveness of Psychotherapy, in Handbook of Psychotherapy and Behavior Change, 4th ed., ed. Bergin & Garfield, 143-190, John Wiley & Sons.

[8] Shepherd & Gruenberg (1957). The Age of Neuroses, Millbank Memorial Fund Quarterly 35: 258-65.

[9] Ingram & Smith, Mood Disorders, in: Maddux & Winstead (ed.) (2008). Psychopathology, Routledge/Taylor &Francis.

[10] Park & Covi (1965). Non-blind Placebo Trial: An Exploration of Neurotic Patients – Responses to Placebo when its inert Content is Disclosed, Archives of General Psychiatry 12:336-45.

[11] Smith, Glass, Miller (1980). The Benefits of Psychotherapy, Jons Hopkins University Press.

[12] Berman, Norton (1985). Does Professional Training Make a Therapist More Effective?, Psychological Bulletin 98:401-7.

[13] Hattie, J. A., et al. (1984): Comparative effectiveness of professional and paraprofessional helpers. Psychological Bulletin, Vol. 95, 534-541.

[14] Hans Reinecker in: Jürgen Margraf, Silvia Schneider (Hg.), Lehrbuch der Verhaltenstherapie: 1: Grundlagen, Diagnostik, Verfahren, Rahmenbedingungen, Springer, 2008, S. 95.

MCS – Multiple Chemical Sensitivity im Römpp Nachschlagwerk Chemie

Multiple Chemical Sensitivity in Fachbuch Chemie

Den RÖMPP kennt jeder, er ist das Nachschlagewerk zur Chemie schlechthin. In der aktuellen Version wurde die Erkrankung „Multiple Chemical Sensitivity“ und der in Deutschland ebenfalls häufig synonym gebräuchliche Begriff „Multiple Chemikalienüberempfindlichkeit“ als Stichworte aufgenommen.

Das renommierte Nachschlagwerk der Chemie wurde 1947 von Dr. Hermann Römpp gegründet. Anfangs bestand der Römpp aus einem einbändigen Chemie-Lexikon, das von der Franckh’schen Verlagshandlung in Stuttgart vertrieben wurde. Heute erscheint der Römpp im Thieme Verlag und gilt als die renommierteste und umfangreichste Enzyklopädie zur Chemie und den angrenzenden Wissenschaften in deutscher Sprache.

Das größte deutschsprachige Chemie-Lexikon wird kontinuierlich weiterentwickelt und ist wissenschaftlich und technisch stets auf dem neuesten Stand. Das Nachschlagwerk gilt als wissenschaftlich gesichert, da es von Experten auf dem Gebiet zusammen mit der hochqualifizierten Römpp-Redaktion erstellt wird.

Römpp hat im renommierten Nachschlagwerk Chemie im Fachgebiet Umwelt- und Verfahrenstechnologie folgende Krankheitsbegriffe neu aufgenommen:

  • Multiple Chemical Sensitivity
  • Multiple Chemikalienüberempfindlichkeit

Die Aufnahme des Stichwortes „Multiple Chemical Sensitivity“ im Römpp verdeutlicht, dass die Erkrankung in Fachkreisen bekannt ist und ernst genommen wird.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 19. Juli 2009

Literatur:

Römpp, Stichwort Multiple Chemical Sensitivity, Enzyklopädie Chemie im Fachgebiet Umwelt- und Verfahrenstechnologie, 2009

Im Walde

Gedicht: Im Wald

Im Walde

Ich sitz im Walde

so vor mich hin

hab Zeit und Ruhe

das stärkt den Sinn.

Denk an die Vielen

die in Städten spielen

das Überlebensspiel

der Schwachen

die in Mülltonnen

suchen ihre Sachen.


Die verzweifelt ringen

Tag für Tag

die Existenz zu sichern

weil sie keiner mag.


Sie suchen und finden

und lassen verschwinden

das würdige Leben

die Gesichter erbeben

voll Schmerz und Gram

wer bleibt da noch zahm?


So sitz ich im Walde

und werd mir bewusst

wie schön ist mein Leben

kein Grund zum Frust.

Trotz Einsamkeit und

Isolation

hab ich einen

vollen Lohn

in Gottes Schöpfung

zu regenerieren

und traurige Gedanken

einzufrieren.

Drum sei dir bewusst

was immer du musst

mit MCS zu bestehen

lässt dich auch Schönes sehen.

—–

Dieses Gedicht wurde von Mona, der „Glasprinzessin“ geschrieben. Mona hat schwere Chemikalien-Sensitivität / MCS und muss fast die ganze Zeit draußen in der Natur verbringen.

Mona’s Geschichte: Mona die „Glasprinzessin“ – ein einsames Leben mit Wind und Wetter

Weitere Gedichte und eine Geschichte der Glasprinzessin:

Naturchaos * Heilung * Rotkehlia, das Rotkehlchen erzählt aus seinem Leben * Dazwischen * Sonntagsgeschichte: Papo Mio’s Oase für Umweltkranke * Isolation – Sonntagsgedicht der Glasprinzessin * Vertigo * Wohlig * Am Bug * Ich nehm Dich mit* Kinderlachen

Gesundheitsvorsorge einfach und billig – Gesunde Ernährung

Teil 1: Gesunde Ernährung

Etwas für die Gesundheit tun, Krankheiten vorbeugen… Man sieht, hört und liest viel zu diesem Thema.

Allerdings: Gesundheitsvorsorge ist aufwändig und teuer, oder? Leider sieht das oft so aus. Aber das muss nicht sein. Gesundheits-vorsorge sollte machbar sein, einfach, billig und auf natürliche Weise ohne Pillen und Pulver. Gerade wenn Sie das bisher für unmöglich gehalten haben, lesen Sie jetzt bitte weiter!

Wer einen anstrengenden Alltag hat, strapaziert seine Gesundheit. Etwas für seine Gesundheit tun heißt, für einen Ausgleich zu sorgen. Den Alltag, der immer absolut perfekt für die Gesundheit ist, den gibt es im praktischen Leben nicht. Also, wieso sich damit Stress machen oder genau das Gegenteil, den Kopf in den Sand stecken und gar nichts für die Gesundheit tun?

Tatsächlich ist es sehr einfach, etwas für die Gesundheit zu tun – auch mit kleinem Budget und ohne großen Zeitaufwand. Das haben Sie schon hundertmal gehört und es hat doch nicht geklappt? Nun, geben Sie diesem Blog noch eine Chance. Hier wurde tatsächlich über die praktische Umsetzung nachgedacht. Außerdem lesen Sie viele Dinge, die Sie sonst nicht jeden Tag lesen.

Unglaublich, aber wahr – Gesunde Ernährung ist praktisch machbar

Mit dem ersten leidigen Gesundheitsthema fangen wir gleich an. Die Ernährung. Ja, wer sich falsch ernährt, weiß es. Das muss man nicht erklären. Aber gerade bei Ernährung denkt man schnell schwarz-weiß. Entweder eine hundertpro gesunde Ernährung klappt oder nicht, und wenn nicht, ist es egal, was man isst. Und dieser Fall tritt ganz sicher ein, weil gesundes Essen nun mal 1. teuer 2. sehr aufwändig ist und 3. furchtbar schmeckt. Das stimmt nicht! Sich gesundheitsbewusst ernähren heißt nicht, nur noch vom Karottenknabbern zu leben. Viel mehr geht es auch hier um Ausgleich, um die richtige Mischung.

Tipps für gesunde Ernährung lassen sich leicht und allgemein auf den Punkt bringen. Also, hier werden die wichtigsten Themen stichpunktartig genannt, und unten weiter ausgeführt.

1. Nach Hunger essen – Nicht aus Langeweile

2. Essen immer zur Mahlzeit machen – Nicht unbewusst essen

3. Auf Einfaches setzen – Weil es billiger und gesünder ist

4. Genuss ja – sich selber schaden nein

5. Genug Wasser trinken – Ohne Wasser läuft im Körper gar nichts

Essen nach Hunger – Und nicht aus Langeweile

Dass man sich beim Essen am Hunger orientiert, sollte sich eigentlich von selbst verstehen. Unser Körper signalisiert, wenn er Hunger hat. Oft achten wir nicht darauf, sondern essen aus Langeweile zwischendurch, als „Nervennahrung“ oder warum auch immer. Das gewöhnt man sich leicht so sehr an, dass man gar nicht mehr davon weg kommt. Ständig zwischendurch essen bedeutet nicht nur, mit der Zeit pummelig zu werden, man denkt auch ständig ans Essen. Problem: man ist abgelenkt, von dem, was man eigentlich gerade macht. Allerdings ist das ständige Naschen aus Langeweile tatsächlich nur eine Angewohnheit, die sich wieder ändern kann.

Aus jedem Essen eine Mahlzeit machen

Diese Angewohnheit lässt sich am Besten durch feste Mahlzeiten ändern. Damit ist nicht gemeint, sich jeden Tag zur selben Uhrzeit an den Küchentisch setzen zu müssen. Viel mehr heißt es, statt zwischendurch zu knabbern, lieber eine Mahlzeit zu machen, egal ob richtig kochen oder belegtes Brot, diese bewusst zu essen und dann der Verdauung einige Stunden Ruhe zu lassen.

Wie oft man isst, ist individuell, hängt von Gewohnheiten und den Gegebenheiten des Alltags ab. Es gibt Leute, die mit drei kleinen Hauptmahlzeit und zwei oder drei Snacks gut auskommen, und andere, die lieber nur drei große Hauptmahlzeiten essen. Der Magen braucht allerdings Zeit zum Verdauen. Also lässt man zwischen Mahlzeiten immer einige Stunden Raum, ob das eher drei Stunden nach einer kleinen oder fünf bis sechs Stunden nach einer großen Mahlzeit sein sollen, liegt bei Ihnen.

Einfach ist besser

Auf Einfaches setzen. Das ist eine auf den Punkt gebrachte Formel, wie man Lebensmittel gesundheitsbetont auswählt. Denn: Durch je mehr Fabrikmaschinen ein Lebensmittel gewandert ist, desto weniger Gesundheit und desto mehr Chemie stecken drin. Es ist verrückt, dass gerade viele billige Lebensmittel „Büchsenfutter“ sind. Allerdings kosten mehr naturbelassene Lebensmittel auch kein Vermögen.

Einfache Nudeln nur aus Hartweizengrieß gehören zu den preiswertesten und naturbelassensten Lebensmitteln. Mit Eiernudeln gab es schon mal einen „Gammel-Ei-Skandal“. Gleiches wie für die Hartweizennudeln gilt für Kartoffeln, und Brotsorten wie Graubrot. Übrigens: Dunkelbraunes Brot ist nicht immer besser. Es wird oben oft mit dem ungesunden „Zuckercoleur“ (=Zuckerfarbe, im Klartext fast angebrannter Karamell) gefärbt. Auch Vollkornnudeln gibt es heute preiswert. Sie halten lange satt und treiben den Blutzucker nicht schnell in die Höhe. Also: Das i-Tüpfelchen ist die Vollkorn-Variante. Haferflocken sind übrigens immer Vollkorn, hier wird einfach nur das Haferkorn zur Flocke gequetscht. Und: Reine Haferflocken sind nicht nur preiswerter als Müslimischungen, sondern gesünder. In der Müslimischung ist mehr Zucker und Chemie drin, als man vermutet, egal unter welchen unterschiedlichen Namen. Müslimischung ist also nicht die Basis fürs gesunde Frühstück, sondern eben eine Nascherei.

Obst nach Saison – Geschmack und Qualität

Obst und Gemüse essen muss weder teuer noch aufwändig werden. Apfel und Banane sind sowieso Obst-Klassiker. Leckere, preiswerte Snacks, die man auch noch bequem in die Tasche stecken kann. Gute Idee, die mitzunehmen statt Schokoladenriegel oder der angeblich gesunde Energieriegel, der oft eine Zucker- und Chemiebombe ist. Äpfel und Bananen sind nämlich auch süß, aber sie schaden dem Körper nicht wie Zucker.

Ansonsten setzt man am Besten auf Saisonobst. Im Februar Erdbeeren? Geht, ist aber teuer und die Qualität ist niedrig. Am Besten ist es, zu kaufen, was gerade Saison hat. Also die leckeren Beeren im Sommer, wenn sie süß und gesund sind, die Pflaumen im Herbst und die Ananas und Orangen im Winter. Tatsächlich sind einheimische Lebensmittel aber besser als Südfrüchte, also die Beeren, Äpfel und Pflaumen den Bananen, Ananas und Orangen vorziehen.

Lebensmittel aus der Region sind gesünder

Für Gemüse gilt das Gleiche wie für Obst – Kaufen, was Saison hat, und möglichst aus Deutschland oder wenigstens Europa kommt. Am Besten, auf die Angebote achten, und auf die Herkunftsschilder. Wenn es gerade viele deutsche Gurken gibt, sind die preiswert und knackig frisch. Im Winter kann man ruhig auf Kraut und Rüben setzen! Wer Rotkraut, Weißkraut, Blumenkohl, Karotten, Rote Beete, Weiße Rüben, Kohlrabi und so weiter kocht, bekommt nicht nur was richtig Durchwärmendes, sondern auch viele gesunde Inhaltsstoffe, die zum Beispiel Krebs vorbeugen sollen. Wer wenig Zeit zum Kochen hat und rohes Gemüse gut verträgt, kann außer grünen Bohnen jedes Gemüse zu Salat verarbeiten. Dabei bleiben viele Vitamine und andere wichtige Inhaltsstoffe sehr gut erhalten .Mit Zitronensaft und einem kaltgepressten Olivenöl angerichtet ist das sogar besonders empfehlenswert.

Obst und Gemüse nach Saison zu kaufen heißt auch, sich weniger Chemie reinzuziehen. Müssen Lebensmittel im Gewächshaus angebaut oder für lange Transportwege widerstandsfähig genug sein, müssen viel mehr giftige Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, als bei regionalen und zur Jahreszeit passenden Pflanzen.

Käse und Wurst – Chemiepakete?

Beim Kauf von Wurst und Käse, von Fleisch, Fisch und Milchprodukten gilt auch, was einfach und frisch ist, ist am Besten. Gerade bei Käse und Wurst kann man leicht danebengreifen. Käseplagiate, Schmelzkäse oder Wurst, wo einfach alles vermahlen, mit Chemie aufgemixt und dann verkauft wird… Bei Käse immer auf die Zutatenliste achten.

Lieber den Käse an der Theke aufscheiden lassen als abgepackt kaufen. Die Verpackungen können Schadstoffe besonders in fetthaltige Lebensmittel eintragen. Zu Hause kann man Käse in einer Butterdose aus Glas im Kühlschrank aufbewahren.

Fleisch und Fisch am besten frisch

Bei Wurst ist es noch schwieriger Hier werden viel Zusatzstoffe eingesetzt, um die Produkte haltbar zu machen. Denn Wurst ohne Zusatzstoffe sieht nicht rosig aus, sondern grau.

Bei Fleisch sollte man ganz Frisches nehmen, das noch lange haltbar ist. Besser als die Wurst aus der Büchse ist rohes Fleisch, dass man zum Beispiel als Hackfleisch kauft, und dann selbst etwas daraus macht.

Fisch gibt es tiefgekühlt zu kaufen. Damit liegt man auf der sicheren Seite, was die Frische angeht. Tiefgekühlten Fisch gibt es sehr preiswert, und die Qualität ist hoch.

Frucht statt Chemie – Das Obst lieber selbst in den Joghurt tun

Auch mit Quark, Joghurt oder Milch liegt man bei der ganz einfachen Variante am Besten. Besser Joghurt pur kaufen und selbst Obst oder, wenn es süß sein muss, einen Löffel Marmelade reinmischen. Die Fruchtjoghurts enthalten oft mehr Chemie als Frucht in ihren „Fruchtzubereitungen“.

Marmeladen sind klassisch immer noch am gesündesten. So hat die Diät-Marmelade statt Zucker Fruchtzucker, was auch Zucker ist, dem Bauch aber noch dazu oft nicht gut bekommt. Künstliche Süßstoffe (Aspartam, Saccharin, etc.) sind gesundheitsschädlich. Also, besser richtige Marmelade kaufen, und sparsam verwenden, ob auf dem Brot oder im Joghurt.

Lieber die Original-Variante kaufen, im Wissen, dass es sich um ein nicht so gesundes, aber leckeres Luxusprodukt handelt, und sparsam damit umgehen – das gilt nicht nur bei Marmelade. Auch was „Light“-Produkte oder angeblich besonders gesunde Varianten ungesunder Lebensmittel angeht, sollte man daran denken.

Nicht jeder verträgt Milchprodukte

Zum Thema Milchprodukte soll noch gesagt sein, dass man es damit nicht übertreiben muss. Viele Erwachsenen können Milch und damit auch Käse, Quark, Joghurt, Sahne, Milchschokolade und Butter nicht richtig verdauen. Ein weiterer Grund, kein Fertigfutter zu kaufen, es wird oft mit dem billigen Milchzucker (Laktose, muss hinten in den Zutaten stehen) angereichert.

Wer Verdauungsprobleme kennt oder ständig unter unerklärlichen Beschwerden ohne Grund leidet, sollte mal einige Wochen darauf verzichten. Geht es Ihnen dann besser, wissen Sie, dass Sie Milchprodukte nicht gut vertragen. Das ist unkomplizierter als ein Test beim Arzt, weil man beim Belastungstest mit viel Milchzucker auch heftige Symptome bekommen kann, die man sich ersparen könnte. Sie merken doch selbst, ob es Ihnen ohne Milchprodukte besser geht oder nicht.

Wer nicht unter solchen Beschwerden leidet, übertreibt es einfach nicht mit Milchprodukten, also nicht zu jeder Mahlzeit. Zum Frühstück besser etwas reinen Obstsaft oder Sojamilch über die Haferflocken und das Obst geben, damit der Körper sicher einen guten Start in den Tag hat.

Erbsen und Bohnen – Vergessene Grundnahrungsmittel

Übrigens: Auch Erbsen und Bohnen sind als leckere und gesunde Lebensmittel nicht zu verachten. Sie liefern dem Körper Energie und wichtiges Eiweiß. Früher zählten Erbsen und Bohnen in Europa und vielen anderen Ländern zu den Grundnahrungsmitteln. Sie sind seitdem nicht schlechter geworden, und vielfältig verwendbar, zum Beispiel für Suppe im Winter oder Salat im Sommer.

Wer das Fertigfutter umgeht, lebt gesünder

Über gesunde Grundnahrungsmittel haben Sie jetzt viel gelesen Aus Kartoffeln und Getreide, Obst und Gemüse, nicht zu Vergessen Erbsen und Bohnen, dazu Milchprodukten, Fleisch und Fisch in Maßen, hin und wieder einem Ei, kann man sich eine gesunde Ernährung zusammenstellen.

Gesunde Fette gehören auch dazu. Am Besten ist Pflanzenöl: Kaltgepresstes Olivenöl, Rapsöl oder auch mal Leinöl. Salatöl gehört an den Salat, klar. Mit Bratfett und Butter sollte man dagegen sparsam umgehen – so viel wie nötig, so wenig wie möglich.

Doch wenn man selbst kocht, auch wenn es nur Nudeln mit Tomatensauce oder das Belegen eines Brots ist, läuft man wenig Gefahr, ständig viel verstecktes Fett zu essen. Das ist eher in Fertigprodukten, die nur so vor Fett strotzen. In manchen Fertigessen stecken pro Portion z.B. mehrere Löffel Öl oder die Fettmenge eines Viertelpäckchens Butter. Das würden Sie sich selber nicht ans Essen gießen.

Naschen – ein echter Luxus

Gesunde Ernährung ist also gar nicht so schwierig. Man isst regelmäßig und wählt möglichst einfache Zutaten aus. Und was ist mit kleinen, leckeren Sachen, von denen man die Finger nicht lassen kann? Oder mit dem schnellen Stückchen, dass man sich beim Bäcker kauft, wenn die Zeit knapp ist? Natürlich ist es ideal, wenn man belegte Brote von zu Hause dabei hat. Wer sich ein belegtes Brötchen kauft, muss oft tief in die Tasche greifen, das wissen Sie ja selber. Wenn es doch mal sein muss, kauft man sich am Besten ein Brötchen oder eine Müslistange.

Natürlich ist es sinnlos, sein ganzes Geld für Naschereien auszugeben. Naschen sollte etwas Besonderes sein, ein echter Luxus, den man sich hin und wieder gönnt. Wenn es Alltag wird, ist es doch auch keine besondere Freude mehr. Also besser eine Tafel Schokolade in der Woche als am Tag – damit kann die Gesundheit leben. Und nicht aus Langeweile herunterschlingen, sondern genießen. Wichtig ist, dass die gesunden Nahrungsmittel ganz deutlich überwiegen.

Wasser – vom wichtigsten Lebensmittel nicht zu wenig

Und last but not least das Wasser. Der Körper braucht 2,5 Liter Flüssigkeit am Tag. Davon holt man sich einen Teil aus dem Essen. Eineinhalb bis zwei Liter muss man aber trinken. Das sollte nicht Limonade sein, die mit viel Zucker den Körper schädigt, und auch nicht Kaffee. Alkohol zählt überhaupt nicht, der ist als ungesund bekannt, und der Körper braucht für die Entgiftungsarbeit eher noch mehr Wasser.

Besser: Einfach Wasser, Kräutertee oder Früchtetee trinken. Da heutzutage fast nicht mehr gechlort wird, darf man Leitungswasser in Gebieten (Gebiete ohne Intensivlandwirtschaft, Industrie, etc.) mit wirklich gutem Wasser ruhig trinken. Besser ist jedoch das Leitungswasser zu filtern oder gutes Wasser aus Glasflaschen zu trinken. Und: eineinhalb bis zwei Liter Wasser, das sind acht oder zehn kleine (0,2l) Gläser Wasser am Tag. Das ist wirklich nicht viel. Zwei zum Frühstück, zwei oder drei über den Tag verteilt und drei oder vier nach Feierabend – nicht wirklich viel. Die Tasse Tee oder das Glas Saft zählt ja mit, auch wenn man nicht ständig nur Saft trinken sollte.

Sie sehen: Gesunde Ernährung kann einfach sein. Ein normaler Alltag und keine Million auf dem Konto heißen nicht, dass gesunde Ernährung unmöglich wird.

Autor: Amalie für CSN – Chemical Sensitivity Network, 18. Juli 2009


Weitere interessante Blogs von Amalie:

WHO veröffentlicht im Rahmen der Leitlinien zur Raumluftqualität erste Leitlinien zu Feuchtigkeit und Schimmel

WHO veröffentlicht Leitlinie Schimmel

Die WHO veröffentlicht heute ihre ersten Leitlinien zur Raumluftqualität, die sich konkret mit dem Thema Feuchtigkeit und Schimmel befassen. (1) Diese Leitlinien sind das Ergebnis einer eingehenden zweijährigen Prüfung des aktuellen Wissensstands durch 36 führende Sachverständige aus aller Welt unter der Federführung des WHO-Regionalbüros für Europa. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass Menschen, die sich in feuchten oder von Schimmel befallenen öffentlichen wie privaten Gebäuden aufhalten, ein um bis zu 75% höheres Risiko tragen, an Atemwegsbeschwerden und Asthma zu leiden. In den Leitlinien wird die Verhütung oder Behebung von Feuchtigkeits- und Schimmelproblemen empfohlen, um Schäden an der Gesundheit wesentlich zu reduzieren.

„Da die Menschen einen Großteil ihres Alltags zu Hause, in Büros, Schulen, Gesundheitseinrichtungen oder anderen Gebäuden verbringen, ist die Luftqualität in diesen Räumen für ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden von entscheidender Bedeutung“, sagt Dr. Srdan Matic, Leiter des Referats Nichtübertragbare Krankheiten und Umwelt beim WHO-Regionalbüro für Europa. „Mit diesen Leitlinien werden den Gesundheitsbehörden und anderen Behörden zum ersten Mal Wege aufgezeigt, wie ein sicheres und gesundes Raumklima erreicht werden kann. Wir sind der Ansicht, dass diese Arbeiten dazu beitragen werden, die Gesundheit der Menschen überall auf der Welt zu verbessern.“

Diese Publikation steht am Beginn einer Reihe von WHO-Leitlinien zur Raumluftqualität. Diese sollen weltweit anwendbar sein, um den Schutz der Gesundheit unter verschiedenen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen zu ermöglichen. Weitere Veröffentlichungen zu bestimmten Chemikalien und Verbrennungsprodukten befinden sich in Arbeit. In ihrer Gesamtheit enthalten die Leitlinien die ersten umfassenden evidenzbasierten Empfehlungen zur Bekämpfung von Verunreinigungen der Innenraumluft, einer der weltweit häufigsten Ursachen von Tod und Krankheit.

Weltweit stehen jährlich etwa 1,5 Millionen Todesfälle, hauptsächlich bei Frauen und Kindern in Entwicklungsländern, mit der Verbrennung fester Brennstoffe in Innenräumen in Verbindung. Allein in der Europäischen Union (EU) sind Verbrennungsprozesse, Chemikalien in Baustoffen und Feuchtigkeit für den Verlust von mehr als 2 Millionen gesunden Lebensjahren aufgrund vorzeitiger Mortalität oder chronischer Krankheiten wie Asthma und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verantwortlich.

In vielen EU-Ländern haben 20-30% der Haushalte mit Feuchtigkeitsproblemen zu kämpfen. Alles deutet darauf hin, dass dies eine Gefährdung für die Gesundheit darstellt. In feuchten Innenräumen wachsen Hunderte Arten von Bakterien und Pilzen, die Sporen, Zellfragmente und Chemikalien freisetzen. Eine Belastung durch diese Schadstoffe wird mit dem Auftreten bzw. der Verschlimmerung von Atemwegsbeschwerden, Allergien, Asthma und Immunreaktionen in Verbindung gebracht. Kinder sind in besonderem Maße gefährdet. Neuesten Daten zufolge könnten 13% aller Fälle von Asthma im Kindesalter in den entwickelten Ländern der Europäischen Region der WHO auf feuchte Wohnräume zurückzuführen sein.

Das Wissen um die Luftschadstoffe in geschlossenen Räumen ist der Schlüssel zu Maßnahmen zur Verhütung gesundheitlicher Beeinträchtigungen und zur Reinhaltung der Luft. Viele dieser Maßnahmen entziehen sich dem einzelnen Nutzer oder Bewohner von Gebäuden und müssen daher von den Behörden initiiert werden. Die in den Leitlinien empfohlenen Maßnahmen sollen dafür sorgen, dass bei Konzeption, Bau und Instandhaltung von Gebäuden sachgerecht vorgegangen wird und geeignete Regelungen für Wohnen und Gebäudebelegung aufgestellt werden. Es ist Aufgabe der Gebäudeeigentümer, ein gesundes, von Feuchtigkeit und Schimmel freies Arbeits- bzw. Wohnumfeld bereitzustellen, indem sie für ausreichende Isolierung sorgen. Dagegen ist es Aufgabe der Gebäudenutzer, durch angemessene Nutzung von Wasser, Heizung und Lüftung übermäßige Feuchtigkeit zu vermeiden.

„Da bisher keine klaren Erkenntnisse vorlagen, waren Baunormen und -vorschriften nicht ausreichend auf die Verhütung und Eindämmung von überhöhter Feuchtigkeit ausgerichtet. Die neuen Leitlinien sind deswegen so wichtig, weil sie Bezugskriterien dafür liefern, was gesunde Raumluft bedeutet.“ Zu diesem Schluss kommt Dr. Michal Krzyzanowski, Regionalbeauftragter für Nichtübertragbare Krankheiten und Umwelt beim WHO-Regionalbüro für Europa und Leiter des WHO-Projekts zur Erstellung der Leitlinien. „Bei der Ausarbeitung der Leitlinien wurden mehr als 100 Studien zu den Auswirkungen einer feuchten Umgebung auf die Gesundheit herangezogen. Dieses Indizienmaterial bildet das Gerüst der Leitlinien und liefert eine solide Handlungsgrundlage.“

Weitere Informationen über Luftqualität und Gesundheit finden sich auf der Website des Regionalbüros.

Literatur:

WHO guidelines on indoor air quality: dampness and mould. Copenhagen, WHO Regional Office for Europe, Kopenhagen und Bonn, 16. Juli 2009.

Anm: Bisher gibt es die Leitlinie nur in englischer Sprache:  Indoor Air Quality Guidelines on Dampness and Mould

Psychotherapie – Das größte Placebo des späten 20. Jahrhunderts?

Psychotherapie – Das größte Placebo des späten 20. Jahrhunderts?

Zunächst soll der Begriff des Placebos in der Psychotherapie noch genauer geklärt werden.

Placebos – Eine Frage der Perspektive
Das Konzept des Placebos beruht auf dem meist sogenannten „medizinischen Modell“ von Krankheit und Heilung. Hierbei wird einem Symptom analog zu mechanischen Vorgängen auf eindeutige Weise eine physiologische Ursache zugeordnet, die das Symptom hervorbringt. Das logische Verhältnis ist das eines logischen Konditionals zwischen einer Wirkung (Krankheit, Symptom) und ihrer spezifischen Ursache. Die Behandlung der Krankheit bzw. des problematischen Symptoms erfolgt durch einen physikalischen oder chemischen Eingriff in den Mechanismus, der die Beseitigung der Ursache zum Ziel hat. Kann die Ursache dabei entfernt werden, verschwindet dem Modell gemäß auch das Symptom. Dieser Eingriff stellt die für die Wirksamkeit verantwortliche spezifische Komponente der Behandlung dar. Alle anderen Umstände (z.B. wer die Behandlung durchführt, dessen Stimmung, wo die Behandlung durchgeführt wird, Farbe und Name des Medikaments) werden für den Erfolg der Behandlung als belanglos angesehen. Es wird angenommen, dass sie keinen Einfluss auf das Ergebnis haben. Diese „sonstigen Umstände“ sollen im Folgenden auch als „Kontext“ der Behandlung bezeichnet werden.

Der Doppelblindversuch
Um nun die Wirksamkeit des spezifischen Faktors der Behandlung zu untersuchen, ersetzt man denselben durch einen anderen als wirkungslos geltenden. Um sonstige Ursachen für den Behandlungserfolg auszuschließen, muss alles andere, d.h. der Kontext, unverändert bleiben. Insbesondere darf der Austausch der vermeintlich wirksamen Komponente für Patient und Behandler nicht erkennbar sein. Das Ganze nennt man dann einen Doppelblindversuch (weil Patient und Behandler nicht um die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der spezifischen Komponente wissen).

Das Placebo
In der Praxis stellt man oft fest, dass es auch den mit einer als unwirksam geltenden spezifischen Komponente behandelten Patienten nach der Behandlung mehr oder weniger viel besser geht. Offenbar hat auch der als unwirksam angenommener Kontext der Behandlung eine Wirkung. Diese kann mit einem Doppelblindversuch von der Wirkung einer aktiven spezifischen Komponente getrennt beobachtet werden und wird als Placebowirkung bezeichnet. Die Placebowirkung ist also die Wirkung des Kontexts der Behandlung. Dieser umfasst alle Umstände derselben mit Ausnahme des aktiven, spezifischen Bestandteils.

In der Psychotherapie gibt es keine echten Placebos
Da der Behandler bei einer Psychotherapie immer weiß, ob seine Behandlung die vermeintlich wirksame spezifische Komponente (hier eine bestimmte meist von einer bestimmten Persönlichkeitstheorie abgeleitete Behandlungstechnik) enthält, ist hier grundsätzlich kein Doppelblindversuch möglich.

Der Placeboersatz
Als Placebobedingung zum Vergleich mit der „richtigen“ Therapie, die die spezifische Komponente enthält, werden oft Formen minimaler Behandlung (mit oder ohne Placebopille), unterstützende Beratung, nicht-direktive Beratung, Entspannungstechniken, Aufmerksamkeitskontrolle oder andere als unwirksam geltende Alternative Behandlungen herangezogen, d.h. solche, die nach den theoretischen Annahmen der Studienautoren keine „spezifischen“ Inhalte haben.

Stellvertretend für „unbehandelte“  Patienten nimmt man oft Leute, die auf einer Warteliste für eine Therapie stehen. Menschen, die eine Therapie machen, sind jedoch gewöhnlich hoch motiviert, was den Unterschied zur Wartelistengruppe verstärken kann, da die Erwartungen der Mitglieder der Wartegruppe zunächst enttäuscht werden. Studien mit solchen Kontrollgruppen liefern systematisch bessere Ergebnisse für die Therapiegruppe.[1]

Unterschiede zu „echten“ Placebos
Tatsächlich ersetzt man bei Verwendung von Placebogruppen in der Psychotherapieforschung nicht nur eine als wirksam angenommene spezifische Komponente durch eine unwirksame, sondern ändert auch Aspekte des Kontexts. Insbesondere weiß der Behandler, dass er eine unwirksame Behandlung durchführt, was allein schon einen deutlichen Einfluss auf die Wirksamkeit hat. Aber auch andere Inhalte, wie z.B. eine dem Patienten eventuell plausibel erscheinende Erklärung seiner Symptome wird durch etwas Anderes ersetzt, was dem Patienten vielleicht weniger einleuchtet. Weiter können die Behandlungsdauer und die Behandlungshäufigkeit unterschiedlich sein, etc.. Alle diese Faktoren können das Ergebnis beeinflussen.

Haben Therapien überhaupt spezifische Inhalte?
Ein mittlerweile sehr gut gesichertes Ergebnis der Psychotherapieforschung ist, dass die Natur der spezifischen Komponente (z.B. Verhaltenstherapie, Kognitive Therapie, Psychoanalyse etc.) praktisch keinen Einfluss auf das Behandlungsergebnis hat.

Hinsichtlich der Effektivität unterschiedlicher Therapieverfahren fand z.B. Luborski [2] wie schon Eysenck keine oder nur geringe Unterschiede zwischen Gruppen- oder Einzeltherapie, zeitlich begrenzten oder nicht begrenzten, klientenzentrierten oder traditionellen Therapien bzw. Verhaltens- oder anderen Therapien. Es gab auch ein „erstaunliches“ Fehlen von Zusammenhängen zwischen den verschiedenen Therapieformen, den behandelten Erkrankungen und der therapeutischen Effizienz. Mit zwei Ausnahmen: Psychotherapie mit medikamentöser Behandlung war bei Patienten mit psychosomatischen Symptomen besser als ohne Medikamente und Verhaltenstherapie war bei Phobien besonders effektiv. Es gibt unzählige weitere Studien, die dieses Ergebnis im Prinzip bestätigen (Dodo-Bird Effekt).

Selbst Beck, der Erfinder der kognitiven Therapie, kommentierte desillusioniert: „die Verfechter der kognitiven Therapie für Depression sind immer noch Belege dafür schuldig, dass etwas über unspezifische Prozesse Hinausgehendes die beobachteten Veränderungen bewirkt.“ [3]

Wampold [4] untersuchte die geringen gelegentlich gefundenen Unterschiede weiter und konnte sie vollständig auf (durch systematisch „gute“ oder „schlechte Therapeuten bedingte) Therapeuteneffekte reduzieren: „Wenn also Therapeuteneffekte richtig in Betracht gezogen werden, dann ist die Effektstärke“ [dazu später mehr] „von 0,2 komplett als Artefakt zu betrachten“ ([5], S. 97). „In Wirklichkeit ist der Behandlungseffekt offensichtlich null.“ (Wampold, [4], S. 200)

Empirisch lassen sich offensichtlich keine spezifisch wirksamen Bestandteile finden. Die spezifischen Bestandteile, die von der Theorieschule A für wirksam gehalten werden, gelten darüber hinaus bei Schule B als unwirksam und umgekehrt. Das legt den Verdacht nahe, dass die vermeintlichen spezifischen Inhalte der Psychotherapien über keine eigenständige Wirksamkeit verfügen und lediglich den Status weiterer Kontextbestandteile haben.

Das Kontextmodell
Konsequenterweise hat das zur Entwicklung des sogenannten „Kontextmodells“ geführt (z.B. [6]), das annimmt, dass die Wirkung von Psychotherapien allein aus Kontextkomponenten resultiert. Innerhalb eines solchen Modells kommt das Konzept eines Placebos nicht mehr vor. Es gibt hier keine isolierbaren technischen Bestandteile, die allein für die Wirksamkeit verantwortlich sind bzw. sein sollen.

Zwei Sichtweisen
Vom medizinischen Modell aus betrachtet ist eine Psychotherapie also ein Placebo („Vielleicht ist Psychotherapie das größte Placebo des späten 20. Jahrhunderts“, Shapiro [7]), im Kontextmodell dagegen nicht, da es dort keine Placebos gibt.

Die Studienpraxis
Obwohl das Konzept des Placebos im Zusammenhang mit Psychotherapiestudien nicht recht brauchbar ist, werden Psychotherapiestudien meist mit Placebovergleichsgruppen durchgeführt.

Wie oben schon angedeutet, ist die Vergleichbarkeit jedoch etwas problematisch. Generell wurde in diesen Gruppen im Vergleich zur Therapiegruppe ein mehr oder weniger großer Bestandteil des Behandlungskontexts ersetzt bzw. entfernt.

Es wurde der Psychotherapieforschung also generell das medizinische Modell zugrunde gelegt, das auch weiterhin dominiert.

Psychotherapiestudien
Die Wirksamkeit von Psychotherapien wurde zuerst von Eysenck (1952 und 1965) im Rahmen von Übersichtsstudien näher untersucht. Er fand bei etwa zwei Dritteln der Neurotiker eine spontane Remission (d.h. sie erholten sich von selbst). Die Erfolgsrate bei den untersuchten Therapieverfahren, darunter insbesondere die Psychoanalyse, lag etwa auf demselben Niveau. Dabei schnitten die untersuchten Therapieverfahren alle gleich ab, mit Ausnahme der Verhaltenstherapien, die in beiden Studien etwas besser als andere Verfahren waren.

Ein Vergleich mit Placebos
Jerome Frank behandelte zwölf Patienten, die mit einer Psychotherapie behandelt worden waren und nach zwei bis drei Jahren eine Verschlechterung erlebt hatten, zwei Wochen lang mit Pillen-Placebos. Die mittlere absolute Verbesserung war dabei genauso groß, wie zuvor (bei der Erstbehandlung vor zwei bis drei Jahren) nach sechs Monaten Psychotherapie. ([6], S.148)

Die Ergebnisse von Metastudien
Smith und Glass [8] fanden später in einer Metaanalyse von 375 Studien, dass Mitglieder der Gruppen, die Psychotherapie erhielten, besser abschnitten, als Mitglieder der Vergleichsgruppen. Jemand, der nach der Behandlung zufällig aus der Therapiegruppe ausgewählt wurde, hatte eine zwei zu eins Chance besser abzuschneiden, als jemand, der zufällig aus der Kontrollgruppe ausgewählt wurde.

Allerdings bedeutet dies auch, dass sich die Situation einzelner im Laufe einer Therapie auch relativ verschlechtern kann. Eine Psychotherapie hilft zwei Dritteln der Teilnehmer mehr als die Kontrollbedingung, während es etwa einem Drittel danach schlechter geht, als wären sie in einer Kontrollgruppe ohne Psychotherapie gewesen. ([9], S. 141)

Die Ergebnisse  von Smith und Glass werden heute von den meisten Psychotherapieforschern anerkannt. Sogar der sonst recht kritische Robyn Dawes ließ sich überzeugen, die Effekte seien sogar größer als bei den meisten medizinischen Verfahren. ([9], S. 51)

Insbesondere Eysencks Spontanremissionsrate von zwei Dritteln gilt als fragwürdig [1]. McHugh geht allerdings wiederum ebenfalls von einer Spontanremissionsrate von etwa 70% aus (Rachman in „Handbook of Abnormal Psychology“, 1973) ([10], S. 244).

Fortsetzung folgt.

Autor: Karlheinz, CSN – Chemical Sensitivity Network, 15. Juli 2009.

Teil I, II und III, sowie weitere Artikel zum Thema:

Literatur:
[1] Horwitz, Allen V. (2002), Creating Mental Illness, University of Chicago Press.
[2] Luborski et. al. (1975). Comparative Studies of Psychotherapies: Is it True That „Everyone Has Won and All Must Have Prizes“, Archives of General Psychiatry 32:995:1008.
[3] Hollon & Beck (1986). Cognitive and cognitive-behavioral Therapies, in Handbook of Psychotherapy and Behavior Change, 3rd ed., ed. Bergin & Garfield, 443-482, John Wiley & Sons.
[4] Wampold B. E. (2001). The Great Psychotherapy Debate. Models, Methods, and Findings. Lawrence Erlbaum Associates
[5] Reiband, Nadine (2006). Klient, Therapeut und das unbekannte Dritte, Carl-Auer Verlag.
[6] Frank, JB, Frank J. (1991). Persuasion and Healing: a Comparative Study of Psychotherapy, Johns Hopkins Univesity Press.
[7] Shapiro (1997). The Powerful Placebo: From Ancient Priest to Modern Physician, Johns Hopkins University Press.
[8] Smith, Mary L.; Glass, Gene V. Meta-analysis of psychotherapy outcome studies. American Psychologist. Vol 32(9), Sep 1977, 752-760.
[9] Dawes, R.M. (1994). House of Cards: Psychology and Psychotherapy Built on Myth. New York: The Free Press. Paperback, September 1996.
[10] McHugh, Paul R. (2005), Try to Remember, Dana Press.

MCS-Patienten durch Gutachter in Erwerbsminderungsrentenverfahren systematisch ausgebootet

Gutachter in der Medizin oft abhängig

EU-Rentenantragsteller werden im Zuge ihrer laufenden Verfahren zu einem Gutachter geschickt, auf Grund dessen ärztlicher Beurteilung anschließend durch die Rentenversicherer entschieden wird, ob der Patient als erwerbsunfähig oder arbeitsfähig einzustufen ist.

Viele Gutachter tätigen fast ausschließlich Gutachten für Versicherungen und Rentenversicherungsträger, gelangen sozusagen in ein Abhängigkeitsverhältnis ihrer Auftraggeber. Dadurch, dass sie förmlich bei den Rententrägern und Versicherungen, Berufsgenossenschaften „angestellt“ sind, resultiert, dass die erforderliche und zu erwartende Objektivität, völlig auf der Strecke bleibt, wie MCS-Kranke immer wieder am eigenen Leib erfahren müssen. Zu dieser Erkenntnis kommen nicht nur die leidgeprüften schwerkranken Patienten, deren Anträge unter Missachtung der tatsächlichen Schwere ihres Gesundheitszustandes massenhafte Rentenablehnung finden – in Zeiten leerer Sozialkassen ist die Tendenz steigend – sondern es gelangen immer öfter Wortmeldungen von Ärzten in die Öffentlichkeit, die diese gravierenden Missstände im System bestätigen.

Der Bayrische Rundfunk strahlte gestern Abend in seiner Sendung Geld & Leben den Fernsehbeitrag von Jan Zimmermann „Krank und trotzdem abgelehnt. Keine Rente für Erwerbsunfähige“ aus.

Der im Film vorgestellte Hubert Kritzenberger arbeitete früher langjährig als Schreiner. Die Arbeit war mehr für ihn als nur ein Job. Doch von heute auf morgen wurde Hubert Kitzenberger schwer krank – Diagnose MCS / Multiple Chemical Sensitivity, eine schwerwiegende Umweltkrankheit. Sein Gesundheitszustand ermöglicht kein Arbeiten mehr, seine Gesundheitsbeschwerden wie Orientierungslosigkeit, Erschöpfung, starke Schmerzen, heftigste Reaktionen auf Lösungsmittel usw., hindern ihn daran einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Sein Antrag auf Erwerbsunfähigkeit wurde von den Gutachtern abgelehnt, diese erklärten ihn für arbeitsfähig, obwohl Hubert Kritzenberger bereits seit vielen Jahren arbeitsunfähig ist und Gegengutachten zu ganz anderen Ergebnissen gelangen.

Dr. Müller aus dem Allgäu, selbst Gutachter und Vorsitzender des Bundesverbandes Umweltmedizin, führt an, dass die beauftragten Gutachter in Renten- und BG-Verfahren nicht neutral sind:

„Die Gutachter sind nicht neutral. Sie sind daran interessiert, eine Meinung zu vertreten, die den Auftraggebern, in den meisten Fällen die Rentenversicherung oder Berufsgenossenschaft, gefällig ist. Nur dann werden sie die eigene wirtschaftliche Existenz sichern können und weitere Gutachten erhalten.“

„Die Mehrzahl der Gutachten wird von solchen Gutachtern erbracht, die nichts weiter tun, als Gutachten zu erstellen. Dadurch fehlt diesen Ärzten der praktische Umgang mit diesen Personen, sie haben auch nicht die Nähe zum wissenschaftlichen Fortgang. Die Aktualität fehlt und auch der Bezug zum Patienten.“

Somit werden MCS-Patienten und andere Umweltkranke zum Opfer wirtschaftlicher Interessen. Man nimmt ihnen die Existenz und raubt ihnen die Möglichkeit, als Umweltkranke wenigstens ein einigermaßen würdevolles und finanziell etwas abgesichertes Leben zu führen. Nicht einmal dringend erforderliche Medikamente und biologisch erzeugte Nahrungsmittel können sich auf Grund Hartz IV leisten. Stattdessen treibt man diese früher im Arbeitsleben voll integrierte Patientengruppe in den finanziellen und sozialen Ruin.

Autor: Maria, CSN – Chemical Sensitivity Network, 14. Juli, 2009

Weitere interessante Artikel zum Thema:

Die beliebtesten Artikel der ersten sechs Monate des Jahres 2009 im CSN Blog

Blog Top10 Chemical Sensitivity

Für alle Statistikfans haben wir ausgewertet, welche Artikel im CSN Blog im ersten Halbjahr 2009 am Häufigsten gelesen wurden.

Schaut Euch auch die Kommentare zu den Artikeln an, denn bei manchen Blogs waren sie es, die dafür sorgten, dass der Artikel so oft angeklickt wurde.

Die CSN Silvester-Party beispielsweise lief über die Kommentarfunktion und hatte 305 Kommentare, mit denen MCS Kranke für andere Stimmung erzeugten.

Wir wünschen interessante Lektüre,

Euer CSN Blogger-Team

Zum Lesen der CSN Top10 einfach die Artikel anklicken:

Psychopharmaka: Wirksam? Unwirksam? Schädlich? Placebo?

Psychopharmaka, generelle Hilfe in Frage gestelltNeben der Psychotherapie ist auch die medikamentöse Therapie bei psychischen Problemen, oder was man dafür hält, heute weit verbreitet. Von deren Verfechtern erfährt der Kranke nichts über sein verdrängtes Sexualleben sondern wird über die Defizite seiner Hirnchemie aufgeklärt. Auch hier kommt ihm der kulturell gelernte Glaube an die Effektivität von Medikamenten und die Macht und Autorität der Wissenschaft zu Gute. Um derartige Effekte zu berücksichtigen, wird die Wirksamkeit in doppelt blinden Placebo Vergleichsstudien ermittelt, was bei Psychotherapien leider nicht geht. (Auf Probleme im Zusammenhang mit Nebenwirkungen soll in diesem Beitrag nicht eingegangen werden.)

Psychosen

Medikamente zur Behandlung für Psychosen (Neuroleptika) schneiden dabei für die spezifische Behandlung ebenderselben recht gut ab und sind heute ein wichtiges Instrument bei der Behandlung derartiger Erkrankungen. Bei diesen Erkrankungen nimmt man an, dass biologische Fehlfunktionen vorliegen. Es geht dabei im Wesentlichen um das, was man heute als Schizophrenie und als bipolare Störung bezeichnet. Das betrifft jedoch nur eine Minderheit der Personen, die man heute als „psychisch krank“ einstuft.

„Neurosen“

Medikamente für andere Erkrankungen als Psychosen werden i.a. als Antidepressiva bezeichnet und haben sich nach gängiger Meinung als mäßig wirksam erwiesen. Bei Depressionen etwa bei zwei Dritteln der Betroffenen.

Die Studienpraxis

In der Vergangenheit wurden jedoch von den Studien, die Bestandteil des Zulassungsverfahrens bei der amerikanischen FDA waren, meist nur solche veröffentlicht, die positive Ergebnisse für die Wirksamkeit der Psychopharmaka fanden. In einer Metaanalyse von 2008 [1] waren von 74 Studien 38 positiv und 36 negativ bzw. nicht positiv. Von den positiven waren alle bis auf eine veröffentlicht worden, von den negativen dagegen nur drei, 11 weitere wurden so präsentiert, dass der Eindruck eines positiven Ergebnisses erweckt wurde, während die restlichen 22 nie publiziert wurden.

Aufgrund der publizierten Literatur musste so der Eindruck entstehen, dass 94% der Studien positive Ergebnisse brachten, während es in Wirklichkeit nur 51% waren. Die „publizierte Wirkung“ war größer als die tatsächliche. An der herkömmlichen Meinung hinsichtlich der Erfolgsrate einer solchen Behandlung muss also gezweifelt werden.

In einer ebenfalls auf FDA-Daten gestützten Metastudie über Antidepressiva der neuesten Generation (SSRIs) [2] erreichten die Psychopharmaka nur bei extrem depressiven Patienten einen klinisch bedeutsamen Vorteil gegenüber Placebos. Dies jedoch nicht im Sinne einer besseren Wirkung der Medikamente, sondern wegen eines Rückgangs der Placebowirkung.

Die Auswahl der Probanden

In einer neuen umfassenden Studie [3] wird über verzerrende Effekte durch die Auswahl der Probanden bei für die Zulassung durch die FDA eingereichten Studien berichtet. Dort betrug die Remissionsrate bei Depressionen in der für die Studien ausgewählten Gruppe 34,4% gegenüber nur 24,7% bei Depressionspatienten, die man nicht für geeignet hielt. Der Anteil der Patienten, die auf die getesteten Medikamente ansprachen, lag in der Studiengruppe bei 51,6%, in der „nicht geeigneten“ dagegen nur bei 39,1%. Auch hier liegt eine Quelle von Verzerrungen vor, die zu einer systematischen Überbewertung der Wirksamkeit dieser Medikamente führt.

Unspezifische Effekte

Andere empirische Ergebnisse lassen vermuten, dass ein großer Teil des (ja auch bei den aktiven Medikamenten wirksamen) Placeboeffekts in Studien über Antidepressiva schlicht von der Anzahl der Patientenkontakte während der Studien abhängt. Wenn die Patienten öfter zu den Ärzten einbestellt werden, ist der Erfolg größer, unabhängig davon, ob sie ein Placebo oder ein Medikament erhalten haben. Es fand sich eine Verbesserung um 0,6 bis 0,9 Punkte auf der Hamilton Skala zur Messung der Depressionsintensität für jeden zusätzlichen Besuch während der Studien.[5]

Die Biologie

Unser wachsendes biologisches Verständnis zeigt, dass Depression eine extrem komplexe Verhaltensvariante ist, die von einer großen Anzahl von biologischen Mechanismen, Umwelteinflüssen und genetischen Dispositionen reguliert wird, von denen jeder nur einen kleinen Beitrag zum Krankheitsbild leistet. Von Medikamenten, die vermutlich nur einen einzigen Mechanismus beeinflussen (z.B. die SSRIs das Serotonin), kann man daher auch nur einen kleinen Einfluss auf die Gesamtheit der Biologie der Depression erwarten. Es sind von daher im Mittel von vornherein auch nur kleine Effekte zu erwarten. [5]

Unspezifische Wirkung

Antidepressiva zeigen vergleichbare Wirkungen bei Kranken wie auch bei gesunden Menschen und tun dies generell unabhängig von der vorliegenden Erkrankung. Sie wirken also nicht krankheitsspezifisch, was den (und in der Literatur auch strittigen) Krankheitsstatus der damit behandelten Zustände in Frage stellt. Es wurde daher auch schon vorgeschlagen, derartige Substanzen statt als Antidepressiva als generelle „psychische Energetisierer“ zu bezeichnen.[4]

Fragwürdige Praxis

All dies lässt die generalisierte Anwendung von Antidepressiva fragwürdig erscheinen. Auch werden sie zu einem großen Teil Menschen verschrieben, die nicht den Populationen angehören, an denen klinische Studien vorgenommen wurden. Hier fehlt jede empirische Grundlage für die Wirksamkeit. Die Behandlungsdauer liegt häufig über der in klinischen Studien untersuchten. Nebenwirkungen werden meist nur am Rande erwähnt und nicht systematisch untersucht.[5]

Der Nutzen

Aufgrund des oben Gesagten sind Antidepressiva wahrscheinlich nur bei ausgewählten Patienten mit schwerer Depression angezeigt. Vermutlich vorzugsweise nur bei solchen, die schwere Symptome haben und sonst auf nichts anderes angesprochen haben. Für die meisten Patienten mit gewissen depressiven Symptomen, die gegenwärtig Antidepressiva nehmen, wären Antidepressiva nicht die bevorzugte Option gewesen. Placebos wären praktisch genau so gut, wenn nicht besser, und wären toxisch unbedenklich und kostenlos.[5]

Die Moral von der Geschichte?

Loannidis wirft die Frage auf, ob es wirklich unmoralisch wäre, den Mythos dieser Pillen zu zerstören, angesichts der Tatsache, dass der größte Teil der Wirkung von Antidepressiva nur den Placeboeffekt widerspiegelt und die meisten Patienten nur so viel profitieren, wie der Placeboeffekt erlaubt. Man könnte sagen, dass eine Bevölkerung, die darüber informiert ist, dass Antidepressiva nicht wirklich wirksam sind, uns der Vorteile beraubt, die wir durch den Placeboeffekt bekommen, wenn wir diese Medikamente verabreichen. Ist es jedoch nicht andererseits unmoralisch, die Patienten zu belügen, und ihnen vorzuspiegeln, eine Behandlung sei wirksam, wenn sie es in Wahrheit nicht ist? Darüber hinaus: Wenn wir den Placeboeffekt benutzen wollen, wodurch ist es dann gerechtfertigt, dass das die Gesellschaft insgesamt mehr kostet als fast jede andere (wirklich wirksame) pharmakologische Behandlung für irgendeine andere Krankheit? Es ist schon etwas verrückt, für unsere Gesellschaft zu akzeptieren, dass jemand ein Vermögen mit dem offiziellen Verkauf von Placebos macht. [5]

Die Belege für die Wirksamkeit von Psychotherapien (über Placeboeffekte hinaus) sind jedoch nicht besser. [5]

Was man darüber weiß, erfahren wir in Teil Vier.

Autor: Karlheinz, CSN – Chemical Sensitivity Network, 11. Juli 2009

Teil I und II, sowie weitere Artikel zum Thema:

Literatur:

[1] Turner EH, Matthews AM, Linardatos E, Tell RA, Rosenthal R: Selective publication of antidepressant trials and its influence on apparent efficacy. N Engl J Med 2008, 358(3):252-60.

[2] Kirsch I, Deacon BJ, Huedo-Medina TB, Scoboria A, Moore TJ, Johnson BT: Initial severity and antidepressant benefits: a metaanalysis of data submitted to the Food and Drug Administration.PLoS Med 2008, 5(2):e45.

[3] Wisniewski S, et. al. „Can phase III trial results of antidepressant medications be generalized to clinical practice? A STAR*D report“, Am J Psychiatry 2009; 166: 599-607. http://www.medpagetoday.com/Geriatrics/Depression/14209

[4] Horwitz, Allen V. (2002), Creating Mental Illness, University of Chicago Press.

[5] John PA Ioannidis (2008). Effectiveness of antidepressants: an evidence myth constructed from a thousand randomized trials?, Philosophy, Ethics, and Humanities in Medicine 2008, 3:14.