Die beliebtesten Artikel der ersten sechs Monate des Jahres 2009 im CSN Blog

Blog Top10 Chemical Sensitivity

Für alle Statistikfans haben wir ausgewertet, welche Artikel im CSN Blog im ersten Halbjahr 2009 am Häufigsten gelesen wurden.

Schaut Euch auch die Kommentare zu den Artikeln an, denn bei manchen Blogs waren sie es, die dafür sorgten, dass der Artikel so oft angeklickt wurde.

Die CSN Silvester-Party beispielsweise lief über die Kommentarfunktion und hatte 305 Kommentare, mit denen MCS Kranke für andere Stimmung erzeugten.

Wir wünschen interessante Lektüre,

Euer CSN Blogger-Team

Zum Lesen der CSN Top10 einfach die Artikel anklicken:

Psychopharmaka: Wirksam? Unwirksam? Schädlich? Placebo?

Psychopharmaka, generelle Hilfe in Frage gestelltNeben der Psychotherapie ist auch die medikamentöse Therapie bei psychischen Problemen, oder was man dafür hält, heute weit verbreitet. Von deren Verfechtern erfährt der Kranke nichts über sein verdrängtes Sexualleben sondern wird über die Defizite seiner Hirnchemie aufgeklärt. Auch hier kommt ihm der kulturell gelernte Glaube an die Effektivität von Medikamenten und die Macht und Autorität der Wissenschaft zu Gute. Um derartige Effekte zu berücksichtigen, wird die Wirksamkeit in doppelt blinden Placebo Vergleichsstudien ermittelt, was bei Psychotherapien leider nicht geht. (Auf Probleme im Zusammenhang mit Nebenwirkungen soll in diesem Beitrag nicht eingegangen werden.)

Psychosen

Medikamente zur Behandlung für Psychosen (Neuroleptika) schneiden dabei für die spezifische Behandlung ebenderselben recht gut ab und sind heute ein wichtiges Instrument bei der Behandlung derartiger Erkrankungen. Bei diesen Erkrankungen nimmt man an, dass biologische Fehlfunktionen vorliegen. Es geht dabei im Wesentlichen um das, was man heute als Schizophrenie und als bipolare Störung bezeichnet. Das betrifft jedoch nur eine Minderheit der Personen, die man heute als „psychisch krank“ einstuft.

„Neurosen“

Medikamente für andere Erkrankungen als Psychosen werden i.a. als Antidepressiva bezeichnet und haben sich nach gängiger Meinung als mäßig wirksam erwiesen. Bei Depressionen etwa bei zwei Dritteln der Betroffenen.

Die Studienpraxis

In der Vergangenheit wurden jedoch von den Studien, die Bestandteil des Zulassungsverfahrens bei der amerikanischen FDA waren, meist nur solche veröffentlicht, die positive Ergebnisse für die Wirksamkeit der Psychopharmaka fanden. In einer Metaanalyse von 2008 [1] waren von 74 Studien 38 positiv und 36 negativ bzw. nicht positiv. Von den positiven waren alle bis auf eine veröffentlicht worden, von den negativen dagegen nur drei, 11 weitere wurden so präsentiert, dass der Eindruck eines positiven Ergebnisses erweckt wurde, während die restlichen 22 nie publiziert wurden.

Aufgrund der publizierten Literatur musste so der Eindruck entstehen, dass 94% der Studien positive Ergebnisse brachten, während es in Wirklichkeit nur 51% waren. Die „publizierte Wirkung“ war größer als die tatsächliche. An der herkömmlichen Meinung hinsichtlich der Erfolgsrate einer solchen Behandlung muss also gezweifelt werden.

In einer ebenfalls auf FDA-Daten gestützten Metastudie über Antidepressiva der neuesten Generation (SSRIs) [2] erreichten die Psychopharmaka nur bei extrem depressiven Patienten einen klinisch bedeutsamen Vorteil gegenüber Placebos. Dies jedoch nicht im Sinne einer besseren Wirkung der Medikamente, sondern wegen eines Rückgangs der Placebowirkung.

Die Auswahl der Probanden

In einer neuen umfassenden Studie [3] wird über verzerrende Effekte durch die Auswahl der Probanden bei für die Zulassung durch die FDA eingereichten Studien berichtet. Dort betrug die Remissionsrate bei Depressionen in der für die Studien ausgewählten Gruppe 34,4% gegenüber nur 24,7% bei Depressionspatienten, die man nicht für geeignet hielt. Der Anteil der Patienten, die auf die getesteten Medikamente ansprachen, lag in der Studiengruppe bei 51,6%, in der „nicht geeigneten“ dagegen nur bei 39,1%. Auch hier liegt eine Quelle von Verzerrungen vor, die zu einer systematischen Überbewertung der Wirksamkeit dieser Medikamente führt.

Unspezifische Effekte

Andere empirische Ergebnisse lassen vermuten, dass ein großer Teil des (ja auch bei den aktiven Medikamenten wirksamen) Placeboeffekts in Studien über Antidepressiva schlicht von der Anzahl der Patientenkontakte während der Studien abhängt. Wenn die Patienten öfter zu den Ärzten einbestellt werden, ist der Erfolg größer, unabhängig davon, ob sie ein Placebo oder ein Medikament erhalten haben. Es fand sich eine Verbesserung um 0,6 bis 0,9 Punkte auf der Hamilton Skala zur Messung der Depressionsintensität für jeden zusätzlichen Besuch während der Studien.[5]

Die Biologie

Unser wachsendes biologisches Verständnis zeigt, dass Depression eine extrem komplexe Verhaltensvariante ist, die von einer großen Anzahl von biologischen Mechanismen, Umwelteinflüssen und genetischen Dispositionen reguliert wird, von denen jeder nur einen kleinen Beitrag zum Krankheitsbild leistet. Von Medikamenten, die vermutlich nur einen einzigen Mechanismus beeinflussen (z.B. die SSRIs das Serotonin), kann man daher auch nur einen kleinen Einfluss auf die Gesamtheit der Biologie der Depression erwarten. Es sind von daher im Mittel von vornherein auch nur kleine Effekte zu erwarten. [5]

Unspezifische Wirkung

Antidepressiva zeigen vergleichbare Wirkungen bei Kranken wie auch bei gesunden Menschen und tun dies generell unabhängig von der vorliegenden Erkrankung. Sie wirken also nicht krankheitsspezifisch, was den (und in der Literatur auch strittigen) Krankheitsstatus der damit behandelten Zustände in Frage stellt. Es wurde daher auch schon vorgeschlagen, derartige Substanzen statt als Antidepressiva als generelle „psychische Energetisierer“ zu bezeichnen.[4]

Fragwürdige Praxis

All dies lässt die generalisierte Anwendung von Antidepressiva fragwürdig erscheinen. Auch werden sie zu einem großen Teil Menschen verschrieben, die nicht den Populationen angehören, an denen klinische Studien vorgenommen wurden. Hier fehlt jede empirische Grundlage für die Wirksamkeit. Die Behandlungsdauer liegt häufig über der in klinischen Studien untersuchten. Nebenwirkungen werden meist nur am Rande erwähnt und nicht systematisch untersucht.[5]

Der Nutzen

Aufgrund des oben Gesagten sind Antidepressiva wahrscheinlich nur bei ausgewählten Patienten mit schwerer Depression angezeigt. Vermutlich vorzugsweise nur bei solchen, die schwere Symptome haben und sonst auf nichts anderes angesprochen haben. Für die meisten Patienten mit gewissen depressiven Symptomen, die gegenwärtig Antidepressiva nehmen, wären Antidepressiva nicht die bevorzugte Option gewesen. Placebos wären praktisch genau so gut, wenn nicht besser, und wären toxisch unbedenklich und kostenlos.[5]

Die Moral von der Geschichte?

Loannidis wirft die Frage auf, ob es wirklich unmoralisch wäre, den Mythos dieser Pillen zu zerstören, angesichts der Tatsache, dass der größte Teil der Wirkung von Antidepressiva nur den Placeboeffekt widerspiegelt und die meisten Patienten nur so viel profitieren, wie der Placeboeffekt erlaubt. Man könnte sagen, dass eine Bevölkerung, die darüber informiert ist, dass Antidepressiva nicht wirklich wirksam sind, uns der Vorteile beraubt, die wir durch den Placeboeffekt bekommen, wenn wir diese Medikamente verabreichen. Ist es jedoch nicht andererseits unmoralisch, die Patienten zu belügen, und ihnen vorzuspiegeln, eine Behandlung sei wirksam, wenn sie es in Wahrheit nicht ist? Darüber hinaus: Wenn wir den Placeboeffekt benutzen wollen, wodurch ist es dann gerechtfertigt, dass das die Gesellschaft insgesamt mehr kostet als fast jede andere (wirklich wirksame) pharmakologische Behandlung für irgendeine andere Krankheit? Es ist schon etwas verrückt, für unsere Gesellschaft zu akzeptieren, dass jemand ein Vermögen mit dem offiziellen Verkauf von Placebos macht. [5]

Die Belege für die Wirksamkeit von Psychotherapien (über Placeboeffekte hinaus) sind jedoch nicht besser. [5]

Was man darüber weiß, erfahren wir in Teil Vier.

Autor: Karlheinz, CSN – Chemical Sensitivity Network, 11. Juli 2009

Teil I und II, sowie weitere Artikel zum Thema:

Literatur:

[1] Turner EH, Matthews AM, Linardatos E, Tell RA, Rosenthal R: Selective publication of antidepressant trials and its influence on apparent efficacy. N Engl J Med 2008, 358(3):252-60.

[2] Kirsch I, Deacon BJ, Huedo-Medina TB, Scoboria A, Moore TJ, Johnson BT: Initial severity and antidepressant benefits: a metaanalysis of data submitted to the Food and Drug Administration.PLoS Med 2008, 5(2):e45.

[3] Wisniewski S, et. al. „Can phase III trial results of antidepressant medications be generalized to clinical practice? A STAR*D report“, Am J Psychiatry 2009; 166: 599-607. http://www.medpagetoday.com/Geriatrics/Depression/14209

[4] Horwitz, Allen V. (2002), Creating Mental Illness, University of Chicago Press.

[5] John PA Ioannidis (2008). Effectiveness of antidepressants: an evidence myth constructed from a thousand randomized trials?, Philosophy, Ethics, and Humanities in Medicine 2008, 3:14.

Der Igel ist Wildtier des Jahres 2009 und die grüne Gartenpolizei

Igel - Wildtier des Jahres

Igel sind nicht nur niedliche Gesellen, sondern auch überaus nützliche Gartenmitbewohner, deren Anwesenheit sich jeder Gartenbesitzer nur wünschen kann. Der Igel sieht mit seinem stacheligen Kleid nicht nur äußerst interessant aus, sondern er ist auch unheimlich nützlich, denn er zählt zu den Insektenfressern. Er ist in Gärten und Parks wie auch im Wald und auf Feldern zu Hause. Zu seiner Leibspeise zählen Würmer, Larven, Spinnen, Schnecken und eine Vielzahl an Insekten. Dass der Igel gerne Schnecken frisst, dürfte das Herz eines jeden Gartenbesitzers hoch erfreuen. Ein Igel sorgt bei seinen nächtlichen Streifzügen durch unsere Gärten auf besondere Art und Weise für Ordnung im Garten und ist sozusagen „die grüne Gartenpolizei“.

Da Igel erst in der Dämmerung sowie nachts aktiv werden, bekommen wir diese nützlichen Stacheltiere eigentlich nur selten zu Gesicht und wissen infolgedessen recht wenig über sie. Kürzlich habe ich gelesen, dass Igel keinen angeborenen Fluchtinstinkt haben. Ihre Verteidigung ist das blitzschnelle Einrollen zur Stachelkugel und Abwarten, bis die Gefahr vorbei ist. Da Igel im Tierreich kaum Feinde haben, bräuchten sie auch eigentlich nichts zu befürchten, doch sie haben die Rechnung ohne uns Menschen gemacht. Da sie keine Angst haben, wird ihnen ihre Taktik zum Verhängnis. Viele von ihnen werden auf unseren Straßen von ihrem Todfeind Nr. 1, dem Auto, überfahren. Igel sind jedoch auch aus anderen Gründen gefährdet, denn sie mögen keine aufgeräumten Landschaften, ihr natürlicher Lebensraum schwindet täglich dahin. Igel benötigen eine giftfreie Umgebung, stattdessen leben sie auf pestizidbelasteten Feldern und in unseren Gärten, in denen der Einsatz von Herbiziden und Schädlingsbekämpfungsmitteln, aber auch Rattengift keine Seltenheit ist. Durch das sorglose Hantieren mit derartigen toxischen Chemikalien fügen Gärtner nicht nur ihrer eigenen Gesundheit erheblichen Schaden zu, sondern gefährden auch die Umwelt und Nützlinge, wie beispielsweise auch den Igel. Von der Schutzgemeinschaft Deutsches Wild, kurz SDWi genannt, wurde der Igel zum Wildtier des Jahres 2009 gekürt.

Das Stachelkleid der Neugeborenen muss sich nach und nach entwickeln, denn sie verfügen nur über ein sehr löchriges Stachelfeld, mit ca. 100 Stacheln. Erwachsene Igel haben ungefähr 6000 – 8000 „Verteidigungsspieße“. Igel bekommen zwischen 4 bis 5 Junge, die ca. 42 Tagen gesäugt werden und bald drauf selbstständig die Welt erkunden müssen. Durch ihre Stacheln beherbergen die putzigen Wildtiere unfreiwillig viele Parasiten, Zecken, Milben und Flöhe. Sie dienen also nicht nur der Verteidigung, sondern dadurch, dass sie sich nicht kratzen und ihr Fell nicht pflegen können, nisten sich vielerlei ungebetene Gäste auf Igeln ein.

Von November bis März halten Igel Winterschlaf. Während dieser Zeit reduzieren sie ihre Körperfunktionen wie Herzschlag und Atmung drastisch, sie schalten sozusagen auf Energiesparmodus um und zehren von ihren Fettreserven. Auch verringern sie ihre Körpertemperatur von 36 auf 5 Grad und verlieren stark an Körpergewicht. Daher ist es wichtig, dass Igel im Herbst ein Mindestgewicht von 500 g auf die Waage bringen. Gerne nehmen sie „Laubburgen“ als Winterquartier in unseren Gärten in Anspruch. Jeder kann also im Herbst einen Igel-freundlichen Beitrag im Garten leisten und Laub und kleine Ästchen zusammenharken und für die schönen Nützlinge an einem windgeschützten Ort zum Überwintern bereithalten. Er wird es Euch ab Frühling danken, wenn er auf seinen nächtlichen Beutezügen in Eurem Garten unterwegs ist und den Insekten- und Schneckenbestand auf umweltfreundliche Art und Weise im Zaum hält.

Ich wünsche Euch viel Glück, vielleicht habt Ihr ja schon einen stacheligen Freund als Untermieter in Eurem Garten, der Euren „Feinden“ schon bald nachts ohne Chemiekeule den Kampf ansagt.

Autor:

Maria, CSN – Chemical Sensitivity Network, 12. Juli 2009

„Modekrankheit MCS“, ein ausgeklügelter, bösartiger Plan zur Kostenabwehr

Ich muss mir Luft machen, es ärgert mich nämlich gewaltig, wenn MCS Kranke als Hypochonder mit Modekrankheit tituliert werden oder als Bekloppte, psychisch Desorientierte, eingebildet Kranke oder sonst etwas an den Haaren herbei gezogenes.

Die MCS Kranken, die ich kennen gelernt habe und das sind Tausende, waren fast ausnahmslos zielstrebige, oft sehr erfolgreiche Menschen in ihrem Beruf. Sie nahmen ihre Arbeit verdammt ernst und hatten hohes Pflichtbewusstsein. Diese Leute krochen bis zum bitteren Ende zu ihrem Arbeitsplatz, der sie krank machte.

Wieso sollten sie einer Modekrankheit aufgesessen sein? Sie verdienten nicht selten viele Tausend Euro, jetzt haben sie ein paar Hundert Euro Rente, wenn überhaupt. Einige von ihnen haben alles, wirklich alles verloren, was ihnen wichtig war. Nur um sich nach außen mit einer „Modekrankheit“ zu schmücken?

Man kann schon fast sagen, dass MCS Kranke von der Gesellschaft geächtet werden. Woher das kommt?

Es liegt sicherlich nicht an unserer Erziehung, denn wir haben im Elternhaus und in der Schule gelernt, dass man Kranke und Behinderte ordentlich behandeln muss und niemals verhöhnen darf.

In Deutschland haben einige in Medizinberufen tätige Personen es übernommen, MCS in eine Richtung zu rücken, die MCS Kranke als Neurotiker, Psychos, Umweltspinner, Modeerkrankte, etc. abstempelt. Sie nutzen auch die Medien dazu. Was nutzt es Ihnen?

Der Nutzen liegt bei der Industrie, Versicherungen, Berufsgenossenschaften, Unternehmen, etc., und nicht zu vergessen bei den Psychiatern und Psychologen, denen man Umsatz verschafft.

Gibt es Beweise, dass MCS eine Modekrakheit ist?

Eine Modekrankheit ist eine neue Krankheit, ein „Hirngespinst“ einer bestimmten Zeit. MCS ist alles andere als das, denn die Krankheit ist seit Beginn der Industrialisierung bekannt und sie hat reale Ursachen, nämlich Chemikalien. Auch der wissenschaftliche Sachstand lässt keinen Spielraum für die Annahme MCS sei eine „Modekrankheit“.

Wir hatten das Thema schon einmal im CSN Blog angeschnitten, als ein gewisser Dr. Harth in einer Zeitung öffentlich postulierte, MCS sei eine „Lifestyle Erkrankung“. Sicher ist es eine „Lifestyle Erkrankung“ ,wenn man korrekt betrachtet, durch was MCS entsteht. Dr. Harth sah es nicht von dieser Warte, sondern, wie es von den MCS Kranken gewertet wurde, als Verhöhnung. Die FR hatte vor einiger Zeit einen Artikel, der von den MCS Kranken ähnlich diskriminierend empfunden wurde. Und auch DIE ZEIT hat sich dazu herabgelassen, einen tendenziösen Artikel abzudrucken.

Was mich an der ganzen Sache so furchtbar nervt ist, dass hier wertvolle Menschen, die vor ihrer Erkrankung MCS ihren „Mann“ standen, ausgegrenzt, verheizt und zuguterletzt noch verhöhnt werden. Diese jetzt schwer kranken Menschen haben ihr Gehalt nicht kassiert für Däumchendrehen, sondern sie zeigten Leistung, sie waren tragende Mitglieder unserer Gesellschaft.

Wie geht man mit MCS Kranken in Deutschland um? Ist das fair? Ist das tragbar?

Genormt, Manipuliert, Krank – Was Duftstoffe machen

Saubere Luft statt Chemikalien in der Luft

Wir wollen saubere Luft. Angenehme oder neutrale Gerüche. In unsere gute Luft stecken wir Geld und Aufwand. Alles gegen den Mief. Wir putzen, sind reinlich und ordentlich. Aber das ist nicht alles. Wir setzen auch Stoffe ein, die für uns gut riechen. Das ist nichts Neues. Schon immer nutzten Menschen wohlriechende Stoffe für sich, zum Beispiel den Duft von Blumen, Kräutern oder Obst. Denken Sie an getrocknete Rosenblüten, Blumensträuße oder duftende Säckchen mit Lavendel aus Eigenanbau im Garten. Der Geruch von Blumen und Kräutern aus dem Garten oder von der Wiese, oder der Duft der kochenden Marmelade auf dem Herd im Sommer. All das war sicher nicht jeden Tag da, sondern ein kleines Highlight im Alltag.

Doch die Industrie hat gelernt, mit den guten Gerüchen kräftig Profit zu machen. Wenn es heute nach Blumen riecht, braucht man nicht mehr zu erwarten, eine echte Blume zu finden. Der Blumenduft wird im Labor entwickelt und dann in der Fabrik in großer Menge hergestellt. Mit Blumen, Holz, Obst oder nach was es auch immer riechen soll, hat das absolut nichts mehr zu tun.

Grauer Alltag statt Dufthighlights – Aller riecht nach der gleichen Chemie

Den Stand des Highlights haben die angenehmen Düfte auch längst verloren. Wir bemerken sie nicht mehr, weil sie ständig in unserer Nase sind.

Duftstoffe sind überall. Gemeint ist nicht nur das Parfüm zum absichtlichen Aufsprühen oder das Raumspray. Tatsächlich sind nahezu alle Waschmittel, Kosmetika, Seifen und Shampoos, Putzmittel sind mit Duftstoffen versetzt. So wird auch aus dem vermeintlichen Highlight grauer Alltag. Und wie wollen wir riechen, wie der erste sonnige Tag im Frühling riecht, wie ein heißer Sommer riecht, Regen oder Wald, Laub und Erde in der Herbstsonne, der erste Schnee… Sicher haben Sie bei den letzten Begriffen durchaus an bestimmte Gerüche gedacht. Sommer. Wie riecht Sommer? Nach Sonnencreme? Dann geht Ihnen vom restlichen, natürlichen Geruch der Pflanzen, der Erde und des Essens in dieser Zeit so einiges durch die Lappen.

Wie der Duft des Sommers zur Industrie-Norm wird

Dabei ist der Duft in der Sonnencreme nicht für die Wirkung nötig. Es werden auch für Allergiker duftfreie Sonnencremes produziert, die genauso gut wirken. In der Sonnencreme wirken mineralische oder chemische UV-Filter. Nach den typischen Sonnencremegerüchen riechen die aber nicht. Die typischen Sonnencremegerüche, wo kommen die her? Da überlegen sich Marketingspezialisten, welche Gerüche wir mit Sommer und Sonne verbinden könnten. Dann entwickeln sie einen Duft. So riecht dann Sonnencreme. Wenn der Geruch sich bewährt, also die Leute das Produkt viel kaufen, riechen bald alle anderen Produkte so ähnlich.

Schon hat Deutschlands Sommergeruch eine Industrienorm. Dann riecht Sommer eben so. Und wenn wir gerade keine Sonnencreme brauchen, ist der entsprechende Sommergeruch im passenden Weichspüler oder im Parfümflakon. Dabei haben warme Sommertage eine große Bandbreite an Gerüchen, mit denen jetzt nicht heißer Asphalt und Gummireifen unterm Einfluss zu hoher Temperaturen gemeint sind. Denken Sie an abgemähte Wiesen oder hohes Gras, an Erdbeeren im Stroh wenn die Sonne darauf scheint, an einen milden Regenguss…

Kleiner Tipp: Mal raus in die Natur gehen, ohne Parfüm und Sonnencreme (vor viel Sonne kann auch ein Hut und ein Shirt schützen), in den Wald oder an einen See, im Morgentau oder in der Abenddämmerung, bei Sonne und Hitze oder nach einem lauen Regen. Mal sehen, wie es da riecht. Und wie vielfältig die natürlichen Gerüche sind.

Profitieren tut nur die Industrie

Die Industrie darf uns die Gerüche nicht wegnehmen. Sie sind schließlich ein Stück von unserem Leben. Und die künstlichen Gerüche sind überall. Tatsächlich ist es kaum möglich, den Chemiefabrikdämpfen aus dem Wege zu gehen. Jeder trägt ein anders Parfüm, überall mischen sich die Ausdünstungen von Weichspülern, Kosmetika, Putzmitteln. Diesen Mix kennt jeder, nimmt ihn entweder noch wahr oder bemerkt es gar nicht mehr. Was bringen uns Parfümgerüche, wenn wir so daran gewöhnt sind, dass wir sie nicht mehr merken? Eben. Nichts, nur die Firmen definieren ihre Produkte über deren Geruch. Da klingeln ein paar Kassen, für uns springt aber nichts raus.

Duftmarketing – Was verbirgt sich dahinter?

Aber es geht noch eine ganze Nummer fieser. Duftmarketing nennt sich der neueste Trick. Gut, ganz so neu auch nicht mehr, einige Jahre alt und ganz groß im Einsatz. Wir achten nicht mehr darauf, was wir riechen, weil wir ständig irgendetwas riechen und es absolut nichts zu bedeuten hat. Dennoch nimmt unsere Nase die Gerüche wahr. Was, wenn sich nun ein Geruch darunter mischt, mit dem unser Gehirn etwas verbindet? Als Verbraucher werden wir ganz gezielt manipuliert! Wie geht das?

Zum Beispiel stehen Sie in der Stadt auf der Straße und wollen bummeln gehen. In ein Cafe vielleicht, vielleicht auch erst mal die Blumen vorm Blumenladen ansehen oder im Kleidergeschäft mit der neuen Sommermode herumgucken. Also, so viele Möglichkeiten, wohin nun? Sie denken auf einmal an Ihren letzten Urlaub. Sommer, Sonne, Strand. Sie wissen zwar noch nicht, wohin Sie dieses Jahr fahren und haben viel passende Urlaubsgarderobe im Schrank. Trotzdem, Sie gehen mal in das Geschäft hinein. Später im Auto fragen Sie sich, warum Sie noch so eine Strandtasche gekauft haben, Sie haben doch schon vier von der Sorte im Schrank. Sie nehmen sowieso nur zwei mit.

Eiskalt reingelegt

Was ist hier passiert? Eine Möglichkeit: Sie wurden mit einem Duft, der so leicht war, dass Sie ihn kaum wahrgenommen haben, ihr Gehirn aber sehr wohl, geschickt manipuliert. Das Kleidergeschäft setzte schon auf das Duftmarketing. Sie beduften ihr Geschäft und den Eingangsbereich gezielt mit einem Duft, den wir mit Urlaub verbinden. Zum Beispiel mit einem so ähnlich wie in der Sonnencreme. Wir denken automatisch an Urlaub und angenehme Dingen, fühlen uns von der Quelle der Gerüche und Empfindungen angezogen. Dann kaufen wir viel leichter etwas.

Hier ist es der Industrie nicht nur gelungen, Ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen, sondern auch, Ihre Gefühle zu manipulieren. Gerüche und Gefühle stehen seit jeher in enger Verbindung, das ist im Gehirn nun mal so angelegt. Aber Kaufen, Geschäfte machen, das sollte eigentlich auf der sachlichen Ebene bleiben, oder? Sie können Duftmarketing durchaus als unverschämten Übergriff auf Ihre Intimsphäre, Ihre Gefühle ansehen.

Duftstoffe sind Chemikalien, die krank machen

Die künstlichen Düfte nehmen uns aber nicht nur angenehme Erfahrungen mit natürlichen Gerüchen, Dufthighlights im Alltag, weg, und manipulieren uns beim Kaufen. Sie machen auch noch krank. Die Zahlen der Duftstoffallergiker und Chemikaliensensiblen, das sind Personen, die nicht nur auf Duftstoffe, sondern auch auf andere chemische Stoffe wie Lösungsmittel usw. mit Krankheitssymptomen reagieren, steigen stetig. Ob Asthma oder Kontaktekzem, offensichtliche Allergie oder dauernde unspezifische Beschwerden wie Kopfweh, Schwindel oder Übelkeit, Duftstoffe machen Millionen von Menschen einfach nur krank!

Fast 20% der Bevölkerung krank von Duftstoffen

In Amerika wurden sogar Studien dazu gemacht. So haben die Wissenschaftler Caress und Steinemann in den USA Telefonumfragen durchgeführt.

Frage: Wer hat Probleme mit Duftstoffen?

In den Gebieten, in denen befragt wurde, fühlten sich 30,5% der Gesamtbevölkerung sich von den Duftstoffen an Mitmenschen belästigt, denken Sie an das unerträglich penetrante Parfüm eines Sitznachbarn z.B. im Wartezimmer. Dem Rest ist es wohl einfach egal, die merken es eben nicht mehr, wenn es überall nach Chemie riecht. In der Gesamtbevölkerung beklagten aber in der einen Befragung 19%, in der anderen ca. 11%, dass sie schwere gesundheitliche Probleme mit Duftstoffen hätten.

Das sollte uns zum Nachdenken bringen. Wer chemikaliensensibel ist oder schwere Duftstoffallergien hat, kann kaum mehr aus dem Haus gehen und verliert nicht selten seinen Arbeitsplatz, weil er oder sie die ganzen Duftstoffe um sich herum gesundheitlich nicht mehr erträgt. Das sind nicht gleich die 19% der Bevölkerung, aber wenige sind es nicht, die es so schwer trifft. Und für was das alles? Den praktischen Nutzen von Duftstoffen, außer dem für die Kassen der Konzerne, den muss uns noch mal einer weiß machen.

Verbraucher können und müssen handeln

Was können Sie tun? Wenn Sie es leid sind, manipuliert zu werden, Ihren Geruchssinn in Industrienormen pressen zu lassen, und dabei mit ihren eigenen Duftstoffdämpfen kranken Mitmenschen zu schaden? Hier finden Sie Tipps, was Sie als Verbraucher tun können, um klar zu machen, dass die Industrie nicht alles mit Ihnen machen kann.

Ob Allergien oder nicht, duftstofffreie Produkte bevorzugen. Fragen Sie nach Produkten für Allergiker, und achten Sie drauf, dass tatsächlich „ohne Duftstoffe“ draufsteht. Bitte merken Sie sich, diese Produkte kosten nicht mehr und sind ganz normal im Supermarkt zu erhalten! So gibt es in Drogerien ganze Produktserien mit duftstofffreien Körperpflegeprodukten und Spülmittel zum niedrigen Preis.

Sie riechen, ob ein Produkt ohne Duftstoffe ist, und Sie lassen sich nicht hereinlegen. Das „natürliche ätherische Öl“ ist erstens nicht immer so natürlich, weil es z.B. mit üblen Lösungsmitteln aus den Pflanzen gelöst wird, und zweitens ist das Normen von Gerüchen, Manipulation und das Erzeugen von Allergien damit auch möglich. Glauben Sie also nicht, wo Bio draufsteht, ist was Besseres drin. Bei Kosmetik ist es oft nur was Teureres. Die Standards für Biokosmetik sind nicht mit den strengen Regeln für den Anbau von Biolebensmitteln zu vergleichen.

Auch mit Aromastoffen in Fertiglebensmitteln werden die Verbraucher auf einen Einheitsgeschmack hin manipuliert. Wenn Sie sich das nicht gefallen lassen wollen, machen Sie so viel wie möglich selbst, meiden Fertignahrung. Aroma (egal ob „natürlich“ davor steht), Glutamat, E-Nummern? Wenn Sie eine Alternative haben, lassen Sie das Produkt im Regal. Weniger Fertigfutter, mehr selbst machen oder auf Einfaches setzen. Also wenn die Zeit knapp ist lieber Brot belegen oder Spaghetti kochen statt Büchse öffnen, und am Wochenende richtig schön kochen.

Lassen Sie sich beim Kauf nicht manipulieren. Kaufen Sie nur, was Sie kaufen wollten. Keiner sollte Sie mit Tricks zum Kaufen bewegen dürfen, Sie brauchen Ihr Geld schließlich noch! Wenn Sie wissen, dass Sie öfters spontan etwas Kaufen, was Sie nicht geplant hatten, schreiben Sie sich am Besten immer auf, was Sie kaufen wollen, wenn Sie etwas brauchen, und kaufen nur das. Wenn Sie wissen, was Sie wollen, kann Ihnen keiner was andrehen!

Sie finden die Duftstoffmanipulation richtig gemein und wollen helfen, etwas dagegen zu tun? Informieren Sie. Jeder hat das Recht zu wissen, wie Verbrauchermanipulation versucht wird, und wie man sich wehren kann. Binden Sie zum Beispiel diesen Link auf Ihre Website ein. Schicken Sie den Link herum. Stecken Sie da, wo die Manipulation stattfindet, im Supermarkt, Infoblätter an das Brett mit den Flyern…

Autor: Amalie für CSN – Chemical Sensitivity Network, 10. Juli 2009

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Das Risiko steigt – unser Engagement auch! Kostenlose Duftstoff-Infokarten klären auf

Kostenlose Infokarte über Gefahren durch Duftstoffe

Duftstoffe zählen laut Expertenauskunft zu den Top-Allergieauslösern und stellen auch für Asthmatiker, Menschen die unter Migräne leiden, Schwangere und insbesondere für Personen mit Chemikaliensensitivität ein großes gesundheitsbeeinträchtigendes Problem dar. Doch nicht nur für diese Mitmenschen sind Parfums, Aftershaves, Weichspüler, Raumduftsprays ein Risikofaktor, sondern für jeden, denn sie bestehen weitgehend aus Chemikaliengemischen, die im Stande sind die Gesundheit von jedem zu beeinträchtigen.

Parfums enthalten häufig mehrere hundert chemische Einzelsubstanzen. Von einigen die regelmäßig darin zu finden sind, weiß man in der Medizin, dass sie Krebs, Nerven- und Immunschäden, Allergien, Hautekzeme, Geburtsschäden und vieles mehr auslösen können. Aus Rücksicht auf die Gesundheit aller, nicht nur der bereits erkrankten Mitmenschen, sollten wir in der Öffentlichkeit auf Duftstoffe verzichten. Nicht zuletzt der eigenen Gesundheit zuliebe.

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Um die Aufklärung über die Gefahren, die in Parfums und Duftstoffen stecken, zu erleichtern hat CSN spezielle Duftstoff-Infokarten gestaltet und drucken gelassen, damit sie jeder in seinem Umfeld verteilen kann.

Die Duftstoff-Infokarten können Sie kostenlos gegen einen frankierten und adressierten Rückumschlag anfordern. Wenn Sie Interesse an den Duftstoff-Infokarten haben, frankieren Sie bitte den Rückumschlag (Langformat) für 10 Infokarten mit 1.45€ (weitere Mengen sind auf Anfrage möglich) und senden Sie diesen an CSN – Chemical Sensitivity Network, Mühlwiesenstr. 2, 55743 Kirschweiler.

CSN wünscht viel Erfolg beim Verteilen!

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Informationen über Duftstoffe und gesundheitliche Einschränkungen durch Duftstoffe

Hoher Blutdruck, niedriger Blutdruck… Natürliche Hilfe bei Kreislaufproblemen

Hoher Blutdruck, niedriger Blutdruck

Wer kennt es nicht: Probleme mit dem Kreislauf. Zu hoher Blutdruck, zu niedriger Blutdruck… Von lästig bis gefährlich und dringend behandlungsbedürftig reichen die Beschwerden. Hoher Blutdruck ist ein Risikofaktor für Herzinfarkt und Schlaganfall, also gefährlich. Stark erhöhter Blutdruck gehört also in ärztliche Behandlung. Allerdings helfen Pillen allein oft weniger gut als erwartet, und haben häufig Nebenwirkungen. Deshalb sollte man versuchen, den Blutdruck gar nicht erst aufs gefährliche, behandlungsbedürftige Maß steigen zu lassen, beziehungsweise ihn langfristig wieder ohne Medikamente in den Griff zu bekommen. Medikamente sind also eine Notfall-, keine Dauerlösung. Leistungssport und Dauerdiät sind für eine Senkung des Blutdrucks nicht notwendig, stattdessen kleine, aber wirksame Veränderungen im Alltag. Denn auch bei hohem Blutdruck (Werte über 140/90) gibt es neben den Medikamenten natürliche Hilfe.

Niedriger Blutdruck (Werte unter 100/60) ist auch ein Thema für sich. Zwar ist niedriger Blutdruck weniger gefährlich als hoher, aber er zieht einen Schwanz unangenehmer Beschwerden nach sich. Schwindel beim Aufstehen, Schlappheit den ganzen Tag, Konzentrationsschwäche… Wer niedrigen Blutdruck hat, leidet oft auch noch unter kalten Händen und Füßen. Natürlich muss niedriger Blutdruck, der sich mit deutlichen Symptomen äußert, auch ärztlich untersucht werden, um auszuschließen, dass eine ernste Krankheit dahinter steckt, doch das ist extrem selten, meist lässt sich keine konkrete Ursache finden. Niedriger Blutdruck ist ein häufiges Problem junger Frauen, ohne dabei eine Krankheit darzustellen. Aber ob ungefährlich oder nicht, die Beschwerden sind da. Doch auch hier bietet sich schonende, natürliche Hilfe an.

Mehr Bewegung im Alltag

Dass man bei hohem Blutdruck gesünder essen und sich mehr bewegen sollte, hat jeder Bluthochdruckpatient schon einmal gehört. Tatsächlich sind Veränderungen leichter zu bewirken, als man denkt. Beim Thema Bewegung muss es nicht gelingen, jede Woche viermal eine halbe Stunde durch den Park zu joggen, wenn man komplett unsportlich ist. Sparen Sie sich doch einfach öfters mal den Stau und die Parkplatzsuche, nehmen Sie für kleine Wege das Fahrrad. Regelmäßige, stramme Spaziergänge, so lang, wie es Ihnen gefällt, können Sie zwischendurch einbauen, wenn sich keine Gelegenheiten bieten, aus lästigen Fahrtwegen Nutzen für Ihre Gesundheit zu ziehen. Es kommt also einfach auf etwas mehr Bewegung im Alltag an, öfters Fahrrad statt Auto, mal wieder spazieren gehen, Treppe statt Aufzug… Und wenn Sie Spaß daran haben, ist auch jede Sportart geeignet, solange sie keine Überlastung bedeutet. Also Radfahren, Schwimmen, auch Tanzen…

Gesunde Ernährung ist wichtig bei hohem Blutdruck – Und ganz einfach

Wie eine gesunde Ernährung im Idealfall aussieht, weiß wohl fast jeder, und auch, dass sie zu hundert Prozent meistens nicht zu realisieren ist. Also, was tun? Kleine Veränderung, große Verbesserung. Übergewicht und ungesunde Fette treiben den Blutdruck nach oben. Also versuchen Sie, unnötigem Fett. Zucker und zuviel Kochsalz aus dem Weg zu gehen. Das heißt nicht, auf alles verzichten. Aber der Schokoriegel, den man sich nicht als Genuss, sondern um schnell satt zu werden, reinschiebt, kann auch durch eine Banane ersetzt werden. Die enthält auch natürlichen Zucker, aber kein verstecktes, ungesundes Fett.

Gerade im Sommer sind süße Früchte die beste Nascherei, Erdbeeren, Himbeeren, Blaubeeren, Brombeeren und Co. sagte man gesundheitsfördernde Wirkungen nach, denken Sie auch an Melonen und das Herbstobst wie Pflaumen und die Mirabellen im August. Im Winter gibt es Mandarinen, Äpfel, Banane, Kiwi, Ananas… Saisonobst ist nicht nur preiswerter, sondern auch oft von höherer Qualität. Das Gleiche gilt für Gemüse. Ist die Zeit knapp oder die Lust zum Kochen nicht da, kann man statt eine Büchse zu öffnen oder einen Hamburger zu kaufen, auch ein belegtes Brot selbst machen. Geschmacklich kann das mit frischen Zutaten den Hamburger sogar übertrumpfen, auch wenn Geschmack natürlich „Geschmacksache“ ist. Sie kriegen „den“ Geschmack einfach nicht hin? Experimentieren Sie doch einmal mit Pommesgewürz oder Pizzagewürz, das gibt es als Gewürzmischung zu kaufen. Ideal wäre es Bio, ohne künstliche Aromen. Statt Weißbrot oder Toast kann man einfaches Graubrot oder besser noch Vollkorn bevorzugen… Es muss nicht immer perfekt sein, versuchen Sie einfach, jede Mahlzeit gesundheitlich etwas zu verbessern. Also wenn schon die fette Wurst, dann wenigstens auf Vollkornbrot, oder einen bunten Salat zur Tiefkühlpizza.

Auch bei niedrigem Blutdruck richtig essen

Bei niedrigem Blutdruck ist moderate Bewegung um den Kreislauf anzuregen und zu trainieren natürlich auch angebracht. Von zu fetter, zu reichhaltiger Nahrung wird der niedrige Blutdruck nicht ausgelöst, trotzdem ist gesunde Ernährung natürlich für jeden empfehlenswert. Allerdings tritt der niedrige Blutdruck bei sehr schlanken Personen, besonders jungen Frauen, häufiger auf. Das Mittel heißt dann natürlich nicht Fast Food und Sahnetörtchen, sondern gesunde, nahrhafte Mahlzeiten nach Geschmack. Auch Eisenmangel kann schlapp und anämisch machen, hier sackt dann auch der Blutdruck in den Keller. Viel Eisen ist in Fleisch, besonders in Innereien, aber auch in anderen Stücken, enthalten. Einen starken Mangel kann der Arzt mit Eisenpräparaten beheben.

Kneippen hält den Kreislauf fit

Zwei Maßnahmen sind sowohl bei hohem als auch bei niedrigem Blutdruck angebracht: Kneippanwendungen und Autogenes Training. Beides ist einfach in den Alltag zu integrieren. Kneippsche Anwendungen kann man nebenbei beim Duschen machen. Dazu sollte man sich für zu Hause Infos und Anleitungen besorgen, und bei stärkeren Kreislaufbeschwerden den Arzt zu Rate ziehen, welche Anwendungen geeignet sind. Hier finden Sie als Beispiel die Bürstenmassage und die Ganzwaschung, die ganz allgemein den Kreislauf trainieren.

Bürstenmassage: Mit einer Körperbürste oder einem festen Frotteehandschuh (rauer Waschlappen, kleines Handtuch) beginnen Sie außen am rechten Fuß zu bürsten, in geraden Strichen das Bein hoch, dann innen am Fuß. Weiter erst innen, dann außen jeweils am Unter- und Oberschenkel. Dasselbe beim linken Bein und danach am Gesäß. Dann fangen Sie mit dem rechten Arm an der Hand an, bürsten an der Außenseite wieder längs nach oben zur Schulter, dann an der Innenseite und rechts das Selbe. Schließlich bürsten Sie kreisförmig im Uhrzeigersinn Brust, Bauch und Rücken. Wenn Sie keine Bürste sondern ein Handtuch nehmen, rollen Sie das einfach und rubbeln Sie den Rücken wie beim Trockenrubbeln nach dem Duschen. Das Bürsten ist eine gute Morgenanwendung.

Ganzwaschung: Sie tauchen einen Waschlappen oder ein Tuch in kaltes Wasser. Dann wird der nasse Lappen zügig über die Haut gestreift, in der Reihenfolge wie beim Bürsten. Das geht sehr schnell, nur ein kleiner Wasserfilm bedeckt danach die Haut. Machen Sie hinterher zum Beispiel einige Kniebeugen und ziehen Sie sich dann warm an, um sich nicht zu erkälten. Ziel ist nicht, dass Sie frieren, nach dem „ersten Schreck“ vor dem kalten Wasser stellt sich nach der Anwendung ein Wärmegefühl ein, das zeigt den Durchblutungseffekt. Auch die Ganzwaschung ist morgens sinnvoll, wenn Sie „bettwarm“ sind.

Wollen Sie z.B. abends einen eher beruhigenden Effekt erzielen, beschränken Sie das Bürsten oder die Waschung auf den Unterkörper. Oberkörperanwendungen wirken dagegen anregend. Abends vorm Schlafengehen können Sie auch einen Schenkelguss machen – mit (erträglich, nicht eisig) kaltem Wasser wird erst das rechte, dann das linke Bein, mit dem Wasserstrahl vom Fuß außen nach oben und an der Innenseite herunter, abgegossen. Auch hier sollten die Beine vorher warm sein, z.B. durch kurze Gymnastik oder warmes Abgießen vorher.

Einfache Entspannungsmethoden wirken ausgleichend

Autogenes Training ist als Kurzform leicht zu erlernen, es gibt preiswerte Bücher zu diesem Zweck. Auch Kurse können Sinn machen. Beim Autogenen Training wird durch Entspannung und Konzentration das vegetative Nervensystem beeinflusst, das unter anderem Puls und Blutdruck steuert. Von so einer Entspannungstechnik, die sie am Tag nur weniger als zehn Minuten kostet, profitiert die gesamte Gesundheit, nicht nur der Kreislauf. Da das Erlernen so umkompliziert ist wie die tägliche Ausführung, und Ihnen zum Beispiel auch zu weniger Stress und besserem Schlaf hilft, macht das Autogene Training auf jeden Fall Sinn.

Akupressur bei hohem oder niedrigem Blutdruck

Gibt es auch Akupressurtipps für den Kreislauf? Ja. Nur bei schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist Akupressur nicht angebracht.

Bei hohem Blutdruck versuchen Sie es einmal mit zwei Punkten am Handgelenk. Sie helfen, „runterzukommen“, zu entspannen:

Akupressurpunkt an der Hand für Kreislauf1. Dieser Punkt liegt auf der Handgelenksfalte, innen am Handgelenk, in einer Linie mit dem kleinen Finger. Sie können eine kleine Vertiefung tasten. Erst auf der einen, dann auf der anderen Seite einige Minuten massieren. Merken Sie sich diesen Punkt auch, wenn Sie öfters nicht schlafen können oder nervös sind, er hilft, zur Ruhe zu kommen.

Akupressurpunkt am Arm für den Kreislauf2. Ein weiterer Punkt liegt auf der Innenseite des Unterarms, auf der Mitte zwischen den beiden hier tastbaren Sehnen. Zwei Daumenbreiten entfernt von der Beugefalte des Handgelenks. Kräftiger, massierender Druck mit dem Zeigefinger oder Daumen, auf jeder Seite 1-2 Minuten.

Bei niedrigem Blutdruck soll der Kreislauf angeregt werden

Akupressurpunkt im Gesicht für den KreislaufAkut, wenn Ihnen schwindlig wird, z.B. nach schnellem Aufstehen oder bei Hitze, oder wenn sie sich fühlen, als würden Sie „umkippen“ setzen Sie sich schnell hin und drücken Sie den Punkt zwischen Nase und Oberlippe fest mit einer Fingerkuppe für einige Minuten. Dieser Punkt stabilisiert wieder den Kreislauf.

Akupressurpunkt am Schienbein für den KreislaufEin Punkt, der mehr Energie gibt und den Kreislauf stärkt, liegt am Bein. Legen Sie Ihre Hände im Sitzen, Beine im rechten Winkel gebeugt, auf die Kniescheiben. Etwa wo der Ringfinger liegt, können Sie eine Vertiefung ertasten. Möglichst an beiden Seiten zugleicht kräftig mit je einer Fingerkuppe für ein oder zwei Minuten pressen.

Sie sehen, auch bei Problemen mit Blutdruck und Kreislauf gibt es Hilfe, die nicht aus der Chemiefabrik stammt.

Autor: Amalie für CSN – Chemical Sensitivity Network, 7. Juli 2009

Die „Lösungen“ der Mainstream-Medizin auch bei MCS: Psychotherapie und Psychopharmaka

Psychopharmaka keine Lösung bei Chemical Sensitivity

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war es üblich und als Legitimitätsnachweis ausreichend, empfohlene Behandlungen für medizinische Probleme auf Fallstudien zu stützen. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde es jedoch zum allgemeinen Standard für Behandlungsweisen von Krankheiten, dass sie ihre Legitimation aus einem wissenschaftlich quantitativen Nachweis ihrer Effektivität beziehen. Und zwar im Allgemeinen basierend auf einem statistischen Test der Effektivität bei Vergleichsgruppen. Derartige Studien für Multiple Chemical Sensitivity (MCS) scheinen bislang jedoch zu fehlen.

Vermeidung erfolgreicher als Psychoansatz

Wie wir alle wissen, ist die effektivste Hilfe bei MCS die Vermeidung von symptomauslösenden Substanzen. Pamela Reed Gibson fand [1], dass 94,5% der Befragten die Vermeidung von Auslösern sehr oder etwas hilfreich fanden. Psychotherapie als Mittel um MCS zu „heilen“ fanden dagegen nur 20,2% sehr oder etwas hilfreich, 14,6% dagegen schädlich oder sehr schädlich.

Dem Einwand, dass die Ergebnisse von Pamela Reed Gibson nur auf subjektiven Selbstberichten beruhen, begegnet man leicht mit dem Hinweis darauf, dass alle wissenschaftlichen Ergebnisse, über die Erfolge von den so oft als Alternative empfohlenen Psychotherapien, das ebenfalls tun. Der Vergleich findet also auf der gleichen Bezugsebene statt.

Nachweis des Nutzen von Psychotherapie bei MCS

Dennoch gibt es immer wieder Empfehlungen, MCS mit psychotherapeutischen Methoden oder mit Psychopharmaka zu behandeln. Diese basieren auf Einzelfällen von angeblich kurierten (angeblichen) MCS-Fällen wie Anfang des letzten Jahrhunderts üblich oder aber schlicht auf der Intuition medizinischer Experten.

Was ist davon zu halten

Es empfiehlt sich daher einmal nachzufragen, wie effektiv die empfohlenen Alternativmethoden sind.

Ein solcher Wirksamkeitsnachweis für psychotherapeutische Verfahren ist nicht einfach, weshalb es relativ wenige gute Studien darüber gibt. Es ist erforderlich zu zeigen, dass

  1. Der natürliche Krankheitsverlauf vorteilhaft beeinflusst wurde,
  2. die Verbesserungen auf die Behandlung zurückzuführen sind,
  3. dass ein bestimmter spezifischer Aspekt der Behandlung dafür verantwortlich ist und nicht zufällig damit verbundene allgemeine Aspekte, sowie
  4. dass die Verbesserung größer ist, als wenn keine Therapie stattgefunden hätte.

Die Vergleichsgruppe

Das zentrale Problem im Falle der Psychotherapie ist die Wahl einer geeigneten Vergleichsgruppe, deren Mitglieder dann beispielsweise als Alternative zur Therapie religiöse Gruppen oder Yogagruppen besuchen oder häufig mit guten Freunden sprechen. Denn Psychotherapie hat viele fundamentale Elemente mit anderen kulturellen Bedeutungssystemen, inklusive Religion und anderen Glaubenssystemen und mit natürlichen sozialen Unterstützungssystemen wie Freundschaften, Verwandtschaftsbeziehungen oder romantische Beziehungen gemein. Alle menschlichen Interaktionen basieren auf der Verwendung sprachlicher Symbole (oder sind an sprachliche Symbolsysteme angeschlossen, wie bei Ritualen) und können der Beeinflussung des Verhalten dienen. Wenn Menschen leiden, stützen sie sich auf Ermutigung, Empathie und Ratschläge von Seiten der Mitglieder ihrer informellen Netzwerke. Es gilt die Wirkungen aufzuzeigen, die Psychotherapie über die Effekte derartiger informeller Netzwerke hinaus zeigt, bzw. beide voneinander zu separieren.

Regressionsfehler

Ein weiteres Problem besteht darin, dass Menschen, die an Therapien teilnehmen gerade mehr oder weniger „am Tiefpunkt“ sind. Von dem Punkt an ist es einfach wahrscheinlicher, dass sich die Dinge wieder bessern, als dass sie sich weiter verschlechtern. Dies ist besonders bei Personen plausibel, die wegen akuter Lebenskrisen (Trennung, Todesfall etc.) eine Therapie beginnen. Diesen Vorgang bezeichnet man als Regression zum Mittelwert (in diesem Fall der gesunde „Normalzustandder betroffenen Personen), die Nichtberücksichtigung derartiger Effekte in Analysen auch als Regressionsfehler.

Die Bedeutung von Erwartungen

Darüber hinaus gilt es zu berücksichtigen, dass Menschen, die eine Therapie beginnen, dazu sozialisiert sind, an die Vorteilhaftigkeit der Maßnahmen, an denen sie teilnehmen, zu glauben. Leute, die eine Therapie beginnen, sind daher hoch motiviert, davon zu profitieren und glauben fest daran, dass sie ihnen helfen kann. Dies besonders, wenn die Personen, die sie durchführen, kulturell sanktionierte Heiler mit hohem Prestige sind. Es kann daher sein, dass Leute, die an derartigen Maßnahmen teilnehmen, davon profitieren unabhängig davon, was die Technik, der sie ausgesetzt werden, tatsächlich mit ihnen tut. Ein großer Teil des therapeutischen Effekts könnte daher von dem allgemeinen Glauben an die Effektivität der Therapie stammen.

Schließlich ist eine Standardisierung des Therapieverfahrens erforderlich, um zu vermeiden, dass das Ergebnis eher die persönlichen Qualitäten des Therapeuten als die des therapeutischen Verfahrens repräsentiert.

Autor: Karlheinz, CSN – Chemical Sensitivity Network, 6. Juni 2009

Literatur:

[1] Gibson, P. R., Elms, A. N. M., & Ruding, L. A. (2003). Perceived treatment efficacy for conventional and alternative therapies reported by persons with multiple chemical sensitivity. Environmental Health Perspectives, 111, 1498-1504.

[2] Horwitz, Allen V. (2002), Creating Mental Illness, University of Chicago Press.

Teil I der Serie:

Weitere interessante Artikel von Karlheinz zum Thema:

Sonntagsgedicht der Glasprinzessin: Einsicht – Aussicht

Zukunft - Naechste Ausfahrt

Einsicht – Aussicht

Die Einsicht ist die Rücksicht auf die Aussicht –

durch Einsicht erkennen wir den Weg, der uns noch bleibt –

sich dagegen wehren und es zu ignorieren, kann tödlich sein.


Die Einsicht, dass wir kaum noch etwas können,

gibt uns die Aussicht, noch ein paar Jahre da zu sein –

die Einsicht und nicht das Verdrängen gibt uns die Vorsicht.

Die Vorsicht brauchen wir für die Aussicht

umweltkrank zu überleben,


denn ohne die Einsicht gibt es keine Rücksicht –

erbarmungslos stellen wir uns den Chemikalien-

und hätten somit keine Aussicht


Tag für Tag

Stunde um Stunde,

zu taktieren

zu probieren

zu eliminieren –

die Einsicht gibt uns die Aussicht


was wir noch können –

zu tolerieren

mit Rücksicht und Vorsicht zu balancieren.

—–

Dieses Gedicht wurde von Mona, der „Glasprinzessin“ geschrieben. Mona hat schwere Chemikalien-Sensitivität / MCS und muss fast die ganze Zeit draußen in der Natur verbringen.

Mona’s Geschichte: Mona die „Glasprinzessin“ – ein einsames Leben mit Wind und Wetter

Weitere Gedichte und eine Geschichte der Glasprinzessin:

Naturchaos * Heilung * Rotkehlia, das Rotkehlchen erzählt aus seinem Leben * Dazwischen * Sonntagsgeschichte: Papo Mio’s Oase für Umweltkranke * Isolation – Sonntagsgedicht der Glasprinzessin * Vertigo * Wohlig * Am Bug * Ich nehm Dich mit* Kinderlachen

Psychiatrisierung – Ein Irrweg bei Multiple Chemical Sensitivity

psychiater-couch

Die Einstufung von MCS als psychiatrische Erkrankung ist hierzulande leider immer noch recht verbreitet.

Der Psychologe Robyn Dawes weist darauf hin ([1], S.124), dass ein Patient, der einmal als psychiatrischer Fall eingestuft wurde, häufig fürderhin mit seinen Symptomen und Problemen nicht mehr ernst genommen wird. Wenn Allgemeinärzte die Symptome ihrer als nicht psychisch gestört eingestuften Patienten nicht ernst nehmen, riskieren sie ihre Lizenz oder zumindest, ihre Patienten zu verlieren. Es ist jedoch völlig akzeptabel für einen Psychiater o.ä., die Probleme eines Patienten zu ignorieren, wenn diese erst einmal als psychogen klassifiziert worden sind.

Durch die Einstufung als psychiatrische Erkrankung müssen die Betroffenen mit ihren Anliegen nicht mehr ernst genommen werden. Da die Ursachen des Elends der Betroffenen nicht anerkannt (und häufig nicht einmal erkannt) werden, gibt es in der Regel keine adäquate Hilfestellung. Behörden und Mitmenschen erhalten quasi die Lizenz, ihre Probleme zu ignorieren.

Das Experiment

Die Effektivität einer derartigen Kategorisierung wurde z.B. von David Rosenhan schon in den Jahren 1968 bis 1972 eindrücklich demonstriert [2]. Im Rahmen eines Experiments ließen sich mehrere „normale“ Personen in eine psychiatrische Klinik einweisen, verhielten sich dann aber weiterhin völlig normal. In keinem Fall wurden sie von den dortigen Experten als „Normale“ identifiziert und bis zu ihrer Entlassung wie „Geisteskranke“ behandelt (vgl. „Das Experiment — Acht flogen über das Kuckucksnest“, NZZ 09/2002..


Rosenhans Pseudopatienten wurden dabei in den von ihnen geäußerten kleinen und großen Anliegen wegen ihrer vermeintlichen Krankheit wie Unpersonen behandelt. Dieser Prozess ähnelt stark der Art, wie Kulte ihre Mitglieder für die Ideen ihrer Gruppe empfänglicher machen, indem sie systematisch ihre Individualität und Fähigkeit zu unabhängigem Denken unterminieren. ([3], S. 282)

Die Wirklichkeit

Bei MCS-Betroffenen können schon einige Stichworte über ihre Krankheit genügen, um im Vorbeigehen mit einer psychiatrischen Diagnose belegt zu werden. Wichtige Befunde werden oft bei Begutachtungen ignoriert. Als MCS-Kranke/r hat man häufig das Gefühl, in einem derartigen Experiment gefangen zu sein. Und leider scheint der Experimentator, der einen wieder rausholt, wenn es denn gefährlich wird, verloren gegangen zu sein.

Seit Milgrams einschlägigen Experimenten (Milgram-Experiment) ist bekannt, wie der Durchschnittsmensch auf von autoritativen Experten ermutigte Aufforderungen, die Hilferufe seiner Mitmenschen zu ignorieren und sie weiter zu quälen, reagiert: ignorieren und weitermachen.

Dies hat gravierende Konsequenzen für die Betroffenen MCS-Kranken

Wer nicht die finanziellen Mittel hat, sich eine an seine Bedürfnisse angepasste „saubere“ Umgebung zu schaffen, ist zu dauerndem Siechtum und einer schleichenden Verschlimmerung seines Zustands verurteilt, da ihm angemessene Hilfe verweigert wird.

Was es heißt, eine chronische Krankheit zu haben

Chronische Krankheiten sind für die Betroffenen mit massiv negativen Bedeutungen verbunden, die wiederum die physischen Manifestationen der Krankheit verschlimmern können. Der Zustand der Demoralisierung ist durch Verunsicherung, Verwirrung und dem subjektiv empfundenem Verlust der Kontrolle über die Unwägbarkeiten der Umwelt gekennzeichnet. Er ist verbunden mit dem Gefühl von Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit und geringem Selbstwertgefühl. Solche Krankheiten führen für die Betroffenen zum Verlust normaler sozialer und ökonomischer Rollen und berauben sie so ihrer gewohnten Quellen von Lebenszufriedenheit und Kompetenzerfahrungen. Wenn die Betroffenen und ihre Familien ihr tägliches Leben um die Krankheit und ihre Behandlung herum organisieren, besteht für sie die Gefahr, soziale Kontakte zu verlieren, die für die Aufrechterhaltung ihrer Moral und ihres Lebensmuts wichtig sind. Im Angesicht der Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Krankheit verliert so mancher die Hoffnung, sich je wieder gut zu fühlen und zu funktionieren. Die Demoralisierung wird noch verstärkt, wenn wichtige Bezugspersonen die Situation nicht verstehen und auf die eigenen Ängste und ihre Verunsicherung mit Entzug der emotionalen und materiellen Unterstützung reagieren. ([3], S. 118 ff.)

Wenn falsche Ursachen suggeriert werden

Wenn dann die empfohlene „Therapienicht hilft und man zu der Überzeugung kommt, dass einem keine potentiell erfolgreichen Handlungsweisen offen stehen, dass man nichts „richtig“ machen kann, dann können Depression, Hoffnungslosigkeit und negatives Denken die Folge sein ([4], S. 267).

Weil einem keine Chance gegeben wird, den bekannten Auslösern zu entkommen, und weil man in einem Psychotherapiezirkus gefangen ist, der einem nicht hilft und in dem einem in kafkaesker Weiser erzählt wird, man könne ja auch anders, wenn man nur wolle. Jedoch ohne dass einem jemand sagen könnte, was man denn nun anders machen soll, damit es besser wird. Oder wie man herausfinden könnte, wo denn nun der angebliche Fehler liegt. Es gab Zeiten, da vermutete man in derartigen double-bind Situationen den Auslöser für Schizophrenie (Doppelbindungstheorie)

Dem Patienten einzureden, er müsse die Verantwortung für Probleme übernehmen, die sich mit keiner noch so großen Anstrengung lösen lassen, ist kontraproduktiv und kann desaströse Folgen haben. Zu dem gesundheitlichen Schaden gesellt sich dann noch die iatrogene seelische Not.

Ein Schicksal

Ein dreiundsechzigjähriger MCS-kranker Mann beschrieb seine Lage so:

„Meine Träume wurden zerstört. Das Leben ist nur noch eine Frage des Überlebens, als wäre ich in einem Gefangenenlager. Meine Selbstachtung ist beschädigt dank der Feindseligkeit und dem Spott von Arbeitskollegen und dem Management. Jahre mit schlechter Gesundheit und zunehmend hartnäckige Hindernisse haben mich traurig und bitter gemacht – die Zukunft ist düster. So wie sich meine Gesundheit verschlechtert und mein Geld weniger wird, fürchte ich, mir wird am Ende nur eine Option bleiben.“ ([5], S. 43)

Ignoranz regiert…

Dabei weiß man es längst besser. Keiner kann heute mehr sagen, es wäre unbekannt, wie effektive Hilfe für MCS-Kranke aussehen sollte.

Die beste Erhebung zu dem Thema „Was hilft wie gut“ beruht auf einer umfangreichen Befragung Betroffener und stammt von Pamela Reed Gibson [6].

Danach ist der Goldstandard für die Behandlung von MCS die Vermeidung von symptomauslösenden Substanzen. 94,5% der Befragten fanden die Vermeidung von Auslösern sehr oder etwas hilfreich.

Psychotherapie als Mittel um MCS zu „heilen“ fanden dagegen nur 20,2% sehr oder etwas hilfreich, 14,6% dagegen schädlich oder sehr schädlich.

…und entscheidet über Menschenleben

Durch „Gutachten“ vermeintlicher Experten und unter dem Vorwand psychiatrischer „Diagnosenwird diese effektive Hilfe verweigert und die Betroffenen werden ihrem Schicksal überlassen oder gar zu kontraproduktiven „Therapien“ gezwungen. Dies fällt umso leichter, als die Kranken oft zu geschwächt sind, um sich wirkungsvoll zur Wehr zu setzen. Es ist oft schon eine Herausforderung an die physische und psychische Stabilität, im Kampf mit Behörden und Rententrägern das bloße materielle Überleben zu sichern. Einige verzweifeln und nehmen sich das Leben.

Auf diese unrühmliche Weise spielt die Psychiatrie leider eine wichtige Rolle im Leben vieler MCS-Kranker.

Auch in der breiten Öffentlichkeit spielen die Psychowissenschaften heute eine wichtige Rolle. Von den Medien werden Psychologen und Psychoanalytiker gern als Sachverständige zu Themen aller Art herangezogen. Sie sind wichtige Gutachter in Strafprozessen und entscheiden wer unzurechnungsfähig oder unmündig ist oder in eine geschlossene Anstalt gehört. Zuweilen auch wer eine Rente oder andere Unterstützung bekommt oder nicht.

Der Mythos wird gepflegt

Und wer kennt nicht den Fernsehdoktor, der schnell die wahren Hintergründe für die vorgeschobenen körperlichen Symptome seiner Patienten erkennt und aufgrund seiner überragenden empathischen Fähigkeiten in kurzer Frist das psychologische Drama gut enden und den eingebildeten Kranken gesunden lässt? Oder den Fernsehpsychologen, der flugs die Menschen durchschaut, ihre wahren unbewussten Motive erkennt und zielgerichtet zu manipulieren weiß? Auch die neuere Generation von Star Treck war nach Ansicht der Produzenten offenbar ohne Psycho-Beraterin nicht mehr glaubwürdig.

Deshalb soll in einigen weiteren Beiträgen das Thema näher beleuchtet werden. Immer getreu dem Freudschen Prinzip, dass nur die Wahrheit heilt.

Autor: Karlheinz, CSN – Chemical Sensitivity Network, 3. Juli 2009

Literatur:

[1] Dawes, R.M. (1994). House of Cards: Psychology and Psychotherapy Built on Myth. New York: The Free Press. Paperback, September 1996.

[2] David Rosenhan, On Being Sane in Insane Places, 179 Science 250 (1973).

[3] Frank, JB, Frank J. (1991). Persuasion and Healing: a Comparative Study of Psychotherapy, Johns Hopkins Univesity Press.

[4] Mischel, Walter, Yuishi Shoda, Ronald E. Smith (2003). Introduction to Personality: Toward an Integration, John Wiley & Sons.

[5] Pamela Reed Gibson (2006), Multiple Chemical Sensitivity: A Survival Guide, Earthrive Books.

[6] Gibson, P. R., Elms, A. N. M., & Ruding, L. A. (2003). Perceived treatment efficacy for conventional and alternative therapies reported by persons with multiple chemical sensitivity. Environmental Health Perspectives, 111, 1498-1504.