Mitmachen bei Occupy Wallstreet und Occupy Worldwide auch als Couchpotato
Von der Couch aus über Occupy informieren, mitreden, unterstützen, mitentscheiden
Die Occupy Bewegung startete in New York auf der Wallstreet und breitet seitdem überall auf der Welt aus. Menschen weltweit sind unzufrieden und empört über die Macht der Banken, Großkonzerne, Lobbyisten und wie diese ihre Machtstellung missbrauchen. Das Zeichen der Zeit ist angekommen.
Politiker merken, dass hinter der anfänglich von ihnen belächelten Bewegung sehr viel Potential steckt.
Auch die Kirche erkennt dies. Der Bischof von London gab sich weltlich und unterhielt sich mit den Occupydemonstranten im Camp neben der St. Pauls Kathedrale bei einem gemeinsamen Morgentee. Das Camp in Düsseldorf neben der Martin-Luther-Kirche erhält Strom von der Kirche und der Pfarrer sitzt abends mit den Menschen, die sich dort zusammenfinden, im Diskussionszelt und trägt seine kreativen Ideen vor.
Wer steht hinter Occupy? 99%
Menschen. Menschen aller Altersgruppen, Gesell- schaftschichten und aller Couleur. Toleranz, Akzeptanz und friedliches Miteinander sind ihre Devisen. Wenn auch nicht jeder die gleichen Ziele verfolgt – den einen ist das kollabierende Finanzsystem die größte Sorge, anderen die Umwelt oder die enorme Macht der Großkonzerne – so gibt es doch gemeinsame Nenner: Man redet miteinander, diskutiert, hört zu. Den ganzen Tag über, bis in die frühen Morgenstunden, finden sich Interessierte in den Occupy Camps ein, um vorbeizuschauen, dabei zu sein oder mit zu diskutieren.
Ein weiterer Nenner scheint Kreativität zu sein. Schier unerschöpflich sind die Ideen der Menschen, die Teil von Occupy sind. Ob es die Demonstrationsplakate und Flyer sind oder die Aktionen, sie sind jenseits der Vorstellungskraft dessen, was Zieladressaten für möglich gehalten hätten. Gerade das Kreative und Unkonventionelle schafft Aufmerksamkeit und bringt die Message voran. Keine Chance für in starre Verwaltungsstrukturen gepresste Entscheidungsträger. In normalen Zeitungen und im Fernsehen werden Informationen oft in ihrem Gehalt beschnitten oder Aussagen verfälscht. Also werden Occupy Aktivisten selber aktiv und stellen ihre eigenen Zeitungen ins Netz oder drucken sie sogar:“ The Occupied Wallstreet Journal“.
Gedruckt wird das Blatt auf Gewerkschaftsdruckmaschinen. Es wird kostenlos verteilt und finanziert sich aus Spenden. Die Erstauflage lag bei 20.000, die zweite bei 50.000 und liegt jetzt bei 250.000.
Occupy Camps und Demonstrationen bis in den letzten Winkel
Wie viele Occupy Camps es gibt, weiß wahrscheinlich niemand genau, denn es kommen täglich neue hinzu. Wer auf Facebook oder Twitter nachschaut, bekommt einen kleinen Eindruck. Über eine Google Search mit dem Begriff Occupy erfährt man, dass die Occupy Bewegung bis in den letzten Winkel der Welt vorgedrungen ist. Deren täglichen Zusammenkünfte „Assembelas“ kann man im Internet anschauen, viele lassen Webcams laufen und speisen sie als Livestreams ein oder als Videos auf Youtube. Chats, Blogs, Newsticker und, und, und… ermöglichen Kontakt vom letzten Winkel in den letzen Winkel.
Menschen campieren aus Protest im Freien
Durch das Campieren im Freien und „Besetzen“ von öffentlichen Plätzen haben sich die Menschen, die daran teilnehmen, ins Blickfeld gerückt und verknüpfen damit die Möglichkeit, täglich mit vielen Passanten in Kontakt treten zu können. Das funktioniert. Die Occupy Camps erhalten aus der Bevölkerung viel Unterstützung.
Occupy Wallstreet gab Anfang November bekannt, dass über 500.000 Dollar an Spenden eingegangen seien. Täglich bringen Mitbürger Nahrungsmittel, Kleidung, Material für das Erstellen von Plakaten oder was ein Camp sonst noch so braucht vorbei. Die Düsseldorfer Occupy Gruppe äußerte, dass sie eine Toi-Toilette bräuchten. Kaum stand es in der Zeitung, gab es zwei solcher Toiletten, die als Spenden am Platzrand aufgestellt wurden. Ein anderer Unterstützer brachte ein iPhone vorbei, damit das Occupy Camp erreichbar ist und nach außen kommunizieren kann.
Zu arm, zu krank, zu beschäftigt zum mitmachen? Kein Problem
Die Occupy Camps erhalten viel Sympathie, wie sich unschwer erkennen lässt, und es würden sich noch viel mehr Mitmenschen daran beteiligen, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten.
Ein Kommentator zu einem Blogartikel über die Occupy – Bewegung brachte es auf den Punkt. Er ließ seinem Missmut über einen vorangegangenen Kommentar freien Lauf. Sein Vorgänger hatte geschrieben, dass die Leute bereits bequemer würden und der Zulauf zu den Demonstrationen weniger. Er war richtig sauer darüber und es klang durch, dass er es als Verrat an der Sache sah. Die Antwort darauf: Ich würde mitmachen, aber ich lebe weit von der nächsten Stadt entfernt. Hier gibt es keine Demo und kein Occupy Camp. Für Fahrten zu einer Samstagsdemonstration habe ich kein Geld, aber ich würde gerne mitmachen. Also was soll ich tun?!
Sicher ist es das Sinnvollste, wenn man sich aktiv beteiligt, aber wie man sieht, ist nicht jeder ist dazu in der Lage. Dennoch kann jeder, der Occupy unterstützen möchte, dabei sein, sogar von Zuhause aus von seiner Couch. Aber wie? Mit einer Guy Fawkes Maske aufs Sofa setzen? Nein!
Man beginnt damit, sich über die Hintergründe zu informieren und sich selbst kritische Gedanken zu machen. Wenn man Occupy verstanden hat und es begrüßt, sollte man mit Mitmenschen darüber reden. Schon ist man mittendrin in vielen spannenden Unterhaltungen und erweitert gegenseitig den Horizont. Auch das kann man online, wenn man nur von Zuhause aus aktiv sein kann.
Ein Occupy Camp unterstützen kann man, in dem man anfragt, was gebraucht wird oder im Internet auf der Webseite oder dem Facebook des Camps nachliest. In New York bekamen die Occupy Wall Street Camper z.B. Pizzas gespendet, in dem Menschen, die unterstützen wollten, dem Pizzaladen per Internet Auftrag erteilten. Etwas per Post schicken, per Internet oder von einer Wunschliste bei einem bestimmten Laden, das kann jeder, ob er im Büro oder auf der Couch sitzt und schon hat man einen Beitrag geleistet um diejenigen zu unterstützen, die Unbequemlichkeiten und Wettereinflüsse in Kauf nehmen, um Aufmerksamkeit über Missstände zu erregen, damit sie geändert werden.
Signale setzen
Die Banken sind Kernthema bei Occupy. Die Bankenkrise brachte zutage, dass die Millionen von Menschen von Banken um ihr hart verdientes Hab und Gut gebracht wurden. Banken, die solche ruinösen Praktiken durchführten, verdienen es nicht, dass man ihnen Geld und Vertrauen schenkt. Wer Occupy befürwortet und unterstützen möchte, kann alleine dadurch sein Signal setzen, indem er sein Geld zu einer anderen Bank wechselt, wenn er es auf einer Bank hat, die durch zweifelhafte Praktiken und Spekulationen auffiel. Für den 5. November rief das Internetkollektiv Anonymous zur „Operation Cashback“ auf. Bereits im Vorfeld hatten Bürger das Potential einer solchen Aktion erkannt und über 650.000 Menschen hatten sich Geld bar auszahlen lassen oder zu einer besseren Bank gewechselt.
Occupy von der Couch aus unterstützen
Eine Frau, die durch Chemikalien erkrankte und, weil sie hypersensibel auf Chemikalien reagiert, nicht am normalen Leben teilnehmen kann, war sehr traurig, zur Passivität gezwungen zu sein. Sie gründete die Facebookgruppe „Occupy at Home“ und reicht seitdem mit anderen Chemikaliensensiblen und Interessierten Informationen weiter. Einen Blog hat sie auch gestartet. Auf „Occupy at Home“ erläutert sie „von ihrer Couch“, wie man von Zuhause aus mithelfen kann. Das Schöne dabei, ihr Couchpotato-Aktivismus all das kostet sie keinen Cent, nur ihre eigne Energie und Kreativität.
Solche Beiträge zur Occupy Bewegung sind nicht weniger wertvoll als andere solidarische Unterstützungen, denn Kommunikation mit anderen und aktive gegenseitige Hilfe war etwas, was in den Hintergrund gedrängt wurde, und es möglich machte, dass die Interessen der Allgemeinheit in Vergessenheit gerieten und Machtstrukturen entstehen ließen, die ungesund sind.
Ob die Occupy Camps den Winter überstehen, indem die Menschen dort Kälte und Schnee trotzen, weiß niemand einzuschätzen. Selbst wenn nicht, es ist etwas in Bewegung geraten, was nicht nur spannend ist, es ist vom zwischenmenschlichen Aspekt her etwas passiert, dass schon jetzt Änderung in der Denkweise vieler gebracht hat, wie der Ausspruch eine Herrn im Anzug verdeutlicht: „Um gegen Korruption und Missstände zu sein, muss ich nicht arbeitslos oder arm sein.“
Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 5. November 2011