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Effektstärken in der Psychotherapie

Effektstärken in der Psychotherapie beleuchtet

Sozial- und Verhaltenswissenschaftler stehen bei dem Versuch, ihre Forschungsergebnisse einem breiteren Publikum zu vermitteln und insbesondere Entscheidungsträgern, die darüber zu urteilen haben, ob bestimmte Maßnahmen ausreichend erfolgversprechend sind, um umgesetzt zu werden, vor einem Problem:

Effektstärken sind für Laien unanschaulich

Üblicherweise verwendet man in den Wissenschaften als Maßstab zur Beschreibung der in Frage stehenden Effekte Korrelationen, bzw. deren Quadrate (die Varianz, s.u.), um zu beschreiben, wie viel der parallel zur Durchführung einer Maßnahme beobachteten Veränderungen im Vergleich zu einer Kontrollgruppe retrospektiv durch eben dieselbe Maßnahme hätten prognostiziert werden können. Und die entsprechenden Werte, die man in den Sozial- und Verhaltenswissenschaften typischerweise erreicht, sind im Vergleich zu denen, die man in den „harten“ Naturwissenschaften erzielt, oft recht klein.

Auch kleine Effekte können bedeutsam sein

Wenn viel auf dem Spiel steht, Leben und Tod etwa, können aber auch kleine Effekte praktisch bedeutsam sein.

Von Jacob Cohen stammt eine Empfehlung, in den Verhaltenswissenschaften Effektstärken von ca. 0,2 oder 0,3 als klein, von 0,5 als mittelgroß und 0,8 als groß zu betrachten ([10], S.24 ff.). Dies ist nicht absolut, sondern immer in Relation zu dem, was in den Verhaltenswissenschaften typischerweise an Effekten erreicht bzw. beobachtet wird, zu verstehen. Die „Bedeutung“ ist darüber hinaus immer vom Kontext abhängig, z.B. ob man etwa über Leben und Tod spricht oder über relative Befindlichkeiten.

Die korrespondierenden Korrelationen und ihre Quadrate, die „erklärte“Varianz sind etwa:

Tabelle 1

([10], S. 22-26, bei Punkt-biserieller Verteilung) (Varianz=Quadrat der Standardabweichung)

D.h. selbst ein recht „hoher“ Wert von d=0,8 erklärt nur ca. 13,8% der Variabilität der Ergebnisse (r²x100), die anderen 86,2% haben andere Ursachen. Es erwies sich als nicht immer ganz leicht, relativen Laien verständlich zu machen, dass auch solch ein Effekt mit d=0,8 (oder gar d=0,2 mit r²=0,01) praktisch bedeutungsvoll sein kann.

Versuche der Veranschaulichung

Daher werden zur besseren Veranschaulichung der Bedeutung der abstrakten Effektstärken oft verschiedene hypothetische Vergleichssituationen herangezogen und interpretiert. Alle diese Interpretationen haben ihre Vor- und Nachteile, weswegen im Folgenden einige gebräuchliche diskutiert werden sollen.

Man geht von zwei Gruppen bzw. Populationen aus. In einer wird die untersuchte Maßnahme durchgeführt (experimentelle Gruppe), in der anderen nicht (Kontrollgruppe). Die Veränderungen bei den Gruppenmitgliedern werden vor und nach der Maßnahme anhand kontinuierlich oder zumindest ordinal (der Größe nach sortierbarer) skalierter Messinstrumente, z.B. Persönlichkeitstests, beurteilt. Dabei wird von einer Normalverteilung der Ergebnisse ausgegangen.

Zur Erläuterung der Verhältnisse werden wieder die Ergebnisse der NIMH-Studie zur Depressionsbehandlung herangezogen (vgl. Teil 5 und 6).

Interpretation Nr.1

Häufig gibt man den Anteil der Patienten an, die besser als das typische Mitglied der Vergleichsgruppe abschneiden (dieses typische Mitglied wird durch den statistischen Mittelwert der Ergebnisse für die Vergleichsgruppe repräsentiert. Im unserem Beispiel ist die „keine Behandlung“-Gruppe die Vergleichsgruppe) (Cohen’s U3, [10] S.21; [4], S.45)

In der folgenden Graphik sieht man zunächst die Verteilungsdichten (je höher die Kurve, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass jemand in der Gruppe den zugehörigen HRSD-Punktewert hat) für die beste Therapie der NIMH-Studie (Interpersonale Therapie) im Vergleich mit der zugehörigen synthetischen „unbehandelten“ Gruppe (vgl. vorigen Beitrag). Der Mittelwert des Ergebnisses für die unbehandelte Gruppe (grün) wurde eingezeichnet (m=11,6), der für die Interpersonale Therapie (rot) war m=6,9 (s.Tabelle im vorigen Beitrag).

Durch die Behandlung verschiebt sich in unserem Beispiel die Kurve um die Effektstärke nach links (aus der grünen Kurve wird die rote Kurve).

Tabelle 7.1

Bei einer Effektstärke von 0,82 sind ungefähr 79 von 100 Personen besser als der typische „keine Behandlung“-Fall. Das ist die Fläche unter der roten Kurve links vom eingezeichneten Mittelwert für die unbehandelte Gruppe im nächsten Bild (die gesamte Fläche unter jeder der Kurven ist immer gleich eins, was 100% entspricht).

Bild 7.2

Doch selbst in der „keine Behandlung“-Gruppe schneiden im statistischen Mittel stets 50 von 100 Personen besser ab als der Durchschnittsfall in dieser Gruppe, das entspricht der grünen Fläche in der nächsten Graphik:

Bild 7.3

Eine Quote von 50 von 100 bedeutet soviel wie „kein Effekt“ bzw. „kein Unterschied“ zwischen den zu vergleichenden Gruppen. D.h. bei einer Quote der Verbesserung der Therapiegruppe von 50% gegenüber dem typischen „keine Behandlung“-Fall wäre kein Unterschied zwischen der Therapiegruppe und der „keine Behandlung“-Gruppe feststellbar.

Der Behandlungseffekt sieht anders aus

Aus diesem Grund ist die Interpretation Nr.1 von oben etwas irreführend. Sie erfordert für ein richtiges Verständnis die Kenntnis des zugrunde liegenden statistischen Modells, was bei Laien nicht immer vorausgesetzt werden kann.

Um den Effekt einer Behandlung zu ermitteln, muss man den Unterschied in den Erfolgsquoten der Populationen der behandelten und der unbehandelten Gruppe vergleichen. „Die Differenz zwischen den Erfolgen von EG [experimentelle Gruppe, hier die behandelte Gruppe] und KG [Kontrollgruppe, hier die unbehandelte Gruppe] beschreibt den Treatmenteffekt [Effekt der Behandlung] in Prozent.“[9].

Im vorliegenden Vergleich wird jedoch eine Population (die behandelte Gruppe) hinsichtlich der relativen Lage der Mitglieder derselben in Bezug auf den Mittelwert einer anderen Population (den von der unbehandelten Gruppe) mit sich selbst verglichen. Man vergleicht also gewissermaßen Äpfel mit Birnen.

Wie sieht das Bild nun aus, wenn man die beteiligten Populationen nach dem gleichen Kriterium, besser abzuschneiden als der Durchschnitt der unbehandelten Gruppe, miteinander vergleicht?

Das wäre dann auch tatsächlich ein direktes Korrelat der Effektstärke „d“, hier gemessen als Differenz zu den hypothetischen 50% nach dem Kriterium Erfolgreichen für die Kontrollgruppe (s.a. Cohen [10], S.10).

Ohne Behandlung schneiden 50% der Population der unbehandelten Gruppe besser ab als der Durchschnitt der unbehandelten Gruppe. Und mit Behandlung schneiden 79% der Population der behandelten Gruppe besser ab als der Durchschnitt der unbehandelten Gruppe.

Es haben also in der behandelten Gruppe 29% mehr den Durchschnitt der unbehandelten Gruppe übertroffen, als in der unbehandelten Gruppe. Das ist der der Effektstärke tatsächlich entsprechende Behandlungseffekt für das Vergleichskriterium, das Interpretation 1 zugrunde gelegt wurde.

Der Anteil der bei gleichem Kriterium dabei die Schwelle zur klinischen Relevanz (hier mit dem Kriterium d=0,5 angenommen, ergibt einen HRSD-Wert von 8,7) überscheitet (bzw. unterschreitet, niedrigere Werte sind hier ja besser), liegt bei ca. 63 von 100. Dieser Fall entspricht der roten Fläche in der nächsten Graphik.

Vergleicht man dies mit den 50 über dem Durchschnitt liegenden Personen aus der unbehandelten Gruppe (die grüne Fläche oben), so erhält man den Teil der 29 Personen der behandelten Gruppe, die besser als der Mittelwert der unbehandelten Gruppe sind und die außerdem in klinisch relevantem Maße besser als der Mittelwert der unbehandelten Gruppe sind. Das sind dann 13 Personen oder 13% der Population.

Zieht man dagegen zum Vergleich die geringere Anzahl der Personen heran, die sich auch ohne Behandlung in klinisch relevantem Maße gegenüber dem Kriterium verbessert haben, so findet man: 31 von 100 Personen aus der unbehandelten Gruppe sind in klinisch relevantem Ausmaß besser als der Mittelwert dieser Gruppe von 11,6 HRSD-Punkten (der Teil der roten Fläche in der nächsten Graphik, der unter der grünen Kurve liegt). In diesem Fall beträgt die Differenz also 63-31=32 Personen bzw. 32% der Gruppe.

Bild 7.4

Dies zeigt die Bedeutung der Bezugsgrößen bei der Entwicklung derartiger hypothetischer Vergleiche und macht vielleicht auch deutlich, warum es lohnend sein kann, sich etwas detaillierter damit zu beschäftigen.

Im Prinzip müsste man derartige Vergleiche individuell je nach den bevorzugten Vergleichskriterien entwickeln. Das setzt aber eine genaue Kenntnis der statistischen Modelle sowie jeweils die Verfügbarkeit ausreichend detaillierter Daten voraus.

Ohne Handicap (vgl. Teil 6)

Die Berücksichtigung des Überzeugungseffektes (hier mit d = 0.47 angenommen, s. Teil 6) reduziert die Erfolgsquote für die „echte“ Therapie ungefähr von 29% auf 14% bzw. erhöht (alternativ) die für Placebogruppen (d=0,42 aus Lamberts Studie) von 16% auf ca. 31%. D.h. „echte“ Therapie und die „unbehandelte“ Gruppe schneiden ohne ein derartiges Handicap für die „unbehandelte“ Gruppe gleich gut ab.

Interpretation Nr.2

Eine andere Methode die Verhältnisse zu veranschaulichen, besteht darin, die Wahrscheinlichkeit zu vergleichen, dass ein zufällig aus der Psychotherapiegruppe ausgewählter Patient besser abschneidet, als ein zufällig ausgewähltes Mitglied einer unbehandelten Gruppe (CLES: Common Language Effect Size, [7]).

Bei einer Effektstärke von 0,82 bedeutet das: wählt man nacheinander nach dem Zufallsprinzip 100 Paare bestehend aus je einer Person aus der Therapie- und einer aus der unbehandelten Gruppe aus, so hat im Mittel in 72 Fällen die Person aus der Therapiegruppe einen besseren HRSD-Punktewert als die Person aus der unbehandelten Gruppe.

Wieder vergleicht man eine Population, die der zufällig gepaarten Personen aus unterschiedlichen Gruppen, mit sich selbst hinsichtlich des Mittelwerts des Ergebnisses für eine der beiden Gruppen.

Bei einer Effektstärke von 0 schneiden die Teilnehmer der Therapiegruppe immer noch in 50% der Fälle besser ab. Dasselbe Ergebnis bekommt man, wenn man die unbehandelte Gruppe mit sich selbst vergleicht.

Die Personen aus der Therapiegruppe liefern also nach dem Kriterium nur in 22 von 100 derartigen zufälligen Vergleichen zusätzlich ein besseres Ergebnis als die aus der unbehandelten Gruppe, als wenn auch die Therapiegruppe nicht behandelt worden wäre.

D.h. die Wahrscheinlichkeit bei diesem Vergleich besser als die unbehandelte Gruppe abzuschneiden hat sich durch die Therapie um 22% erhöht. Das ist der korrekte Behandlungseffekt.

Interpretation Nr.3a

Man kann auch die Überlappung der Gruppen mit und ohne Behandlung vergleichen.

Das nächste Bild zeigt den Anteil der Populationen der behandelten und der unbehandelten Leute, in dem sie sich HRSD-Punkte-mäßig überschneiden (die blaue Fläche in der nächsten Graphik). Für d=0,82 ergibt sich eine Überlappung von 68%.

Bild 7.5

Die Differenz zu 100 ist der Anteil aus der behandelten Gruppe, denen es wegen der Behandlung besser geht als Leuten, die es HRSD-punktwertemäßig auch schon in der Population der unbehandelten Gruppe gab. Das sind offensichtlich 32 von 100 oder 32%. Das entspricht der roten Fläche in der nächsten Graphik.

Bild 7.6

Berücksichtigt man auch den Anteil der unbehandelten Gruppe, denen es schlechter geht, als Vergleichspersonen aus der Therapiegruppe, so ändert sich am Ergebnis nichts:

Aus der behandelten Gruppe befinden sich nach den obigen Ergebnissen 32 von 100 Personen im nichtüberlappenden Bereich (das war der rote Bereich im letzten Bild). 68 Personen befinden sich im überlappenden (der blaue Bereich im vorhergehenden Bild).

Für die unbehandelte Gruppe befinden sich ebenfalls 32 von 100 Personen aus dieser Gruppe im nichtüberlappenden Bereich (das ist der grüne Bereich im letzten Bild). Im Überlappenden Bereich befinden sich wieder 68 Personen (blau im vorletzten Bild).

Insgesamt befinden sich also 64 Personen im nichtüberlappenden Bereich und 136 im überlappenden. Prozentual entspricht das wieder 32% und 68%, da es insgesamt 200 Personen waren.

Man beachte, dass die blaue Fläche von oben je 68 Personen aus beiden Gruppen entspricht und so bei der Veranschaulichung anhand der Flächen doppelt gezählt wurde.

Interpretation Nr.3b

In der Literatur findet man jedoch eine Methode, die den nicht überlappenden Bereich der beiden Gruppen zur Veranschaulichung heranzieht, aber nur den überlappenden Bereich von einer Gruppe.

Cohen (U1, [10] S.21) hat diese Veranschaulichungsmethode etabliert, der nicht die Zahlen aus den Populationen sondern einfach die Fläche unter den Kurven zugrunde gelegt wurde. Die Bezugsfläche ist dabei nicht die Summe der Flächen unter den beiden Glockenkurven (rot + grün + zweimal blau), sondern lediglich die sichtbare Fläche unter den beiden sich schneidenden Kurven (rot + grün + einmal blau). Dabei wird dann die blaue Fläche nur einmal gezählt.

Die „Erfolgsquote“ wird dadurch insbesondere im unteren Bereich höher berechnet. In unserem Fall wären das 64/(64+68)=0,48 statt 64/(64+2×68)=0,32 bzw. 48% statt 32%.

Bei d=0,2 zum Beispiel wären es 14,74% statt 7,96%. Fast das Doppelte.

Interpretation Nr.4

Eine weitere gebräuchliche Methode zur Veranschaulichung ist das Binomial Effect Size Display (BESD) [11].

Wieder nehmen unsere 200 Probanden an der Untersuchung teil und werden zu gleichen Teilen auf die behandelte und die unbehandelte Gruppe verteilt.

Nach Durchführung der Maßnahmen müssen 100 Probanden ein positives Ergebnis und 100 Probanden ein negatives Ergebnis erzielen. D.h. als mögliche Ergebnisse haben wir hier nur die beiden möglichen Werte positiv (erfolgreich) und negativ (kein Behandlungserfolg).

Damit diese relativen Verhältnisse beim Vergleich von Gruppen mit Individuen, die nach einem kontinuierlichen Punkteschema bewertet werden, erreicht werden, muß die Grenze zwischen Erfolg und Misserfolg genau in der Mitte zwischen den Mittelwerten für die beiden Gruppen liegen (das entspricht Cohen’s U2, [10] S. 21). Man beachte, dass dann das Kriterium für Erfolg bzw. Misserfolg von der relativen Lage der Gruppen zueinander (bzw. der Effektstärke) abhängt. Für unterschiedliche Effektstärken gelten i.a. unterschiedliche Maßstäbe für „Erfolg“ bzw. „Misserfolg“. Vergleicht man auf diese Weise die Auswirkungen verschiedener Effektstärken, so vergleicht man (mehr oder weniger) Äpfel mit (meist einigermaßen apfelförmigen) Birnen.

In unserem Fall läge dieses Kriterium bei der Hälfte von d=0,82, d.h. 0,41 bzw. 0,41×5,7=2,3 HRSD-Punkte vom Durchschnittswert der Therapiegruppe entfernt. Also bei 6,9+2,3=9,2 HRSD-Punkten. Das nächste Bild zeigt diese Verhältnisse: Rot entspricht „erfolgreich“ und blau „nicht erfolgreich“.

Bild 7.7

Dann wird gezählt, wie sich die erfolgreichen und erfolglosen Fälle auf die behandelte und die unbehandelte Gruppe verteilen. Die Differenz ist dann gleich dem Behandlungserfolg.

Das ganze kann man sich auch tabellarisch verdeutlichen:

Tabelle 2

Bei der Effektstärke von 0,82 kommt man so zu einem Behandlungseffekt von ca. 31,8%.

Der Zusammenhang wird in der Literatur oft in tabellarischer Form angegeben. Dabei wird jedoch anscheinend immer der Korrelationskoeffizient für normal verteilte Gruppen (Punkt-biserielle Verteilung) mit dem für Kontingenztabellen der obigen Form mit dichotomen (zweiwertigen) abhängigen Variablen („Erfolg“ und kein „Erfolg“) gleichgesetzt. Das ist jedoch nicht ganz korrekt. Rosenthal und Rubin weisen in ihrer Originalarbeit [11], in der sie die BESD-Methode vorstellen, auf den Unterschied und entsprechende Umrechnungsfaktoren hin. Das führt dazu, dass in den gängigen Tabellen (z.B. [7], [12], aber auch das Beispiel bei Cohen [10] S. 533) offenbar generell zu hohe Werte angegeben werden. Im vorliegenden Fall findet man dort einen Behandlungseffekt von 38% statt der korrekten 31,8%.

Eine Tendenz?

Die Tendenz von Verzerrungen bei der Konstruktion von Vergleichswerten zur Veranschaulichung des Behandlungseffekts (s.a.o.) scheint systematisch zu Gunsten höherer Werte zu erfolgen.

Der „Verkaufseffekt“

Aber wer wollte sich auch schon einer Behandlung unterziehen, die je nach Betrachtungsweise und angelegtem Erfolgskriterium ca. 68-87% der Teilnehmer keinen Vorteil bringt? Oder aber die Kosten übernehmen?

Das Ansinnen würde zweifelsohne auf eine gewisse Zurückhaltung stoßen.

Da erinnert man sich als potentieller Kunde oder rechenschaftspflichtiger Kostenträger doch lieber an z.B. die Zahlen aus Lamberts Aussagen. Wie man dort sieht, erfahren 75% eine Verbesserung. Das ist deutlich ermutigender.

Aber es muss bedacht werden, dass es ja auch zahlreiche Fälle gibt, in denen der Effekt möglicherweise den Aufwand lohnt (im Mittel etwa 32 von 100, vgl. Interpretation 3a). Und wie in einem früheren Beitrag schon gezeigt wurde, spielt die Erwartungshaltung in der Psychotherapie eine entscheidende Rolle. Ein Patient, der davon ausgeht, dass die Therapie in ca. zwei Drittel der Fälle tatsächlich keinen Vorteil bringt, erwartet für sich selbst vermutlich auch nicht viel und bringt sich genau dadurch statistisch gesehen um den größten Teil des Effekts, den diese für ihn haben könnte. Ähnliches gilt für den Überzeugungseffekt durch den Therapeuten (s.o.), wenn dieser davon ausgeht, in zwei Dritteln der Fälle sowieso keinen Unterschied machen zu können.

Man könnte daher argumentieren, diese Umstände könnten vielleicht eine „optimistischere“ Sicht rechtfertigen.

Es bleiben Fragen

Es stellt sich aber letztlich die gleiche Frage wie bei der Beurteilung von Antidepressiva (Teil 3): Ist es nicht andererseits unmoralisch, die Patienten zu täuschen und ihnen vorzuspiegeln, eine Behandlung sei wirksamer, als sie es in Wahrheit ist?

Und noch wichtiger: lässt es sich rechtfertigen, den Menschen zu suggerieren, die den Behandlungen zugrunde liegenden Theorien würden durch derartige „Erfolge“ bestätigt, sie sprächen von realen kausalen Zusammenhängen anstatt von relativ schwachen statistischen Zusammenhängen, und auch das nur in Teilbereichen, während sie sich in anderen Bereichen im Widerspruch zur Erfahrung befinden [13]? – So können große Teile der allgemeinen Bevölkerung, aber insbesondere auch institutionelle Entscheidungsträger und Experten zu falschen Analysen, z.B. falscher Klassifikation von Erkrankungen, mit entsprechend negativen Konsequenzen für die Betroffenen, verleitet werden.

Autor: Karlheinz, CSN – Chemical Sensitivity Network, 17. August 2009

Teil I – VII

Literatur:

[1] Elkin et. al. (1989). NIMH Treatment of Depression Collaborative Research Program: General Effectiveness of Treatment, Archives of General Psychiatry 46:971-82.

[2] National Institute for Clinical Excellence: Depression: management

of depression in primary and secondary care. Clinical practice guideline No 23. London: NICE; 2004.

[3] Lambert & Bergin (1994). The Effectiveness of Psychotherapy, in Handbook of Psychotherapy and Behavior Change, 4th ed., ed. Bergin & Garfield, 143-190, John Wiley & Sons.

[4] Reiband, Nadine (2006). Klient, Therapeut und das unbekannte Dritte, Carl-Auer Verlag.

[5] Luborsky et. al. (1997). The Psychotherapist Matters: Comparison of Outcomes across twenty-two Therapists and seven Patient’s Samples, Clinical Psychology: Science and Practice, 42, 602-11.

[6] Weinberger (1995). Common Factors aren’t so common: The common Factors Dilemma. Clinical Psychology: Science and Practice, 42, 45-69.

[7] Ledesma & Macbeth (2009). Computing Effect Size Measures with ViSta The Visual Statistics System, Tutorials in Quantitative Methods for Psychology, Vol. 5(1), p. 2534.

[8] Gibson, P. R., Elms, A. N. M., & Ruding, L. A. (2003). Perceived treatment efficacy for conventional and alternative therapies reported by persons with multiple chemical sensitivity. Environmental Health Perspectives, 111, 1498-1504.

[9] Seminar Bedeutung Effektstärken

[10] Cohen, J. (1988). Statistical Power Analysis for the Behavioral Sciences (2nd ed.). Hillsdale, NJ: Lawrence Earlbaum Associates.

[11] Rosenthal, R., & Rubin, D. B. (1982). A simple general purpose display of magnitude and experimental effect. Journal of Educational Psychology, 74, 166-169.

[12] Randolph & Edmondson (2005). Using the Binomial Effect Size Display (BESD) to Present the Magnitude of Effect Sizes to the Evaluation Audience. Practical Assessment Research & Evaluation, Vol 10, No 14.

[13] Mischel, Shoda, Ayduk (2007). Introduction to Personality: Toward an Integrative Science of the Person. Wiley.

Symptome lindern bei MCS mit Akupressur – Teil 2

Forschen nach Hilfe gegen Schmerzen und Symptome

Im Teil 1 dieses Blogs habe ich mich sehr lang mit Theorie aufgehalten. Schließlich soll der Anwender die Methode auch verstehen können. In diesem Blog geht’s um Praktische. Nahezu jeder kann die Akupressur zur Symptomlinderung anwenden. Nur Schwangere sollten darauf verzichten, ebenso sollten Sie keine Punkte drücken, auf denen eine lokale Hautveränderung liegt. Sollten sie sich z.B. gerade die Hand an einem Punkt verletzt haben, drücken Sie den Punkt nur an der gesunden Hand. Bei schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen sollten Sie mit Ihrem Arzt absprechen, ob sie Akupressur anwenden sollten. Leichte Störungen wie z.B. ein etwas niedriger Blutdruck und Ähnliches sind kein Hindernis.

Drücken Sie die folgenden Punkte in der angegebenen Reihenfolge. Sie können alle Punkte mit dem Daumen oder Zeigefinger drücken, oder mit dem stumpfen Ende eines Bleistifts (nicht mit der Spitze). Drücken Sie leicht kreisend und vibrierend, nach Gefühl, wobei der Finger aber immer fest auf dem Punkt bleibt. Ob sie sanfter oder sehr fest akupressieren, hängt davon ab, ob die Punkte sehr schmerzempfindlich sind. Punkte, an denen „etwas ist“ pieken anfangs. Das ist völlig normal und kein Grund zu Besorgnis.

Jeder Punkt sollte nacheinander auf beiden Seiten gedrückt werden. Drücken Sie den Punkt Lunge 9 zwei Minuten auf jeder Seite, bei den anderen Punkte reicht eine Minute. Wenden Sie den Punkt Lunge 9 auch zwischendurch an, um einer Reaktion vorzubeugen oder sie zu lindern.

Akupressieren Sie am Besten in regelmäßigen Abständen (ca. 5 Stunden Abstand), viermal täglich. Eine leichte Besserung kann sehr schnell zu merken sein, vielleicht brauchen Sie aber auch mehr Geduld. Die langfristige Anwendung ist entscheidend für den Erfolg.

Der erste Punkt – Lunge 7

Akupressurpunkt LungeDer erste Punkt ist der Punkt Lunge 7. Damit wird der Lungenmeridian aktiviert und gekräftigt. Der Punkt wird klassischerweise angewendet bei Atemwegsbeschwerden, Kopf-, Nacken- und Halswirbelsäulenbeschwerden sowie bei neurologischen Krankheiten, auch verwendet bei Neuropathien. Bekannt ist auch die Anwendung bei Migräne.

Halten Sie Ihre Hände wie in A gezeigt, der Zeigefinger berührt das obere Handgelenk. Der Punkt ist etwa da, wo der Zeigefinger aufliegt, in einer kleinen Vertiefung in einer Linie mit dem Daumen. Merken Sie sich die Position und drücken Sie den Punkt.

Der zweite Punkt – Lunge 9

Der zweite Punkt ist der wichtigste, der Punkt Lunge 9. Die Wirkung wurde im letzten Blog ausführlich beschrieben, das dürfteAkupressurpunkt Lunge Nr. 9

der zentrale Akupressurpunkt bei MCS sein. Allgemein wird der Punkt bei Atemwegsbeschwerden unterschiedlicher Art, bei Migräne, bei Übelkeit, Erschöpfung, Vergiftungen, Handgelenksbeschwerden und Gefäßerkrankungen eingesetzt.

Dieser Punkt liegt in einer Vertiefung am inneren Handgelenk, in einer Linie mit dem Daumen.

Der dritte Punkt – Dickdarm 4

Akupressurpunkt DickdarmAls drittes kommt der Punkt Dickdarm 4. Er wirkt entzündungshemmend und schmerzlindernd, ist auch sinnvoll bei Atemwegsbeschwerden, besonders der oberen Atemwege (Schnupfen, Heuschnupfen), lindert Verspannungen, Gelenkbeschwerden, Kopfschmerz, Migräne. Als Punkt auf dem Dickdarmmeridian kommt ihm auch eine Bedeutung für Haut und Schleimhäute zu.

Daumen und Zeigefinger zusammendrücken, sodass sich ein keiner „Hubbel“ zwischen Daumen und Zeigefinger bildet. Der Punkt liegt auf der höchsten Stelle. Kräftige Massage (es kann leicht wehtun, aber wenn es ein richtiger Schmerz ist, drücken Sie zu fest) für 1-2 Minuten je Seite. Drücken Sie nicht in Richtung Daumen, sondern in Richtung Hand, dort liegt ein tastbarer Knochen.

Der vierte Punkt – Kreislauf 6

Der nächste Punkt ist der Punkt Kreislauf 6. Ein guter Symptompunkt gegen Schwindel und Übelkeit, wirkt auch allgemeinAkupressurpunkt Kreislauf ausgleichend. Er wird eingesetzt, um das energetische Gleichgewicht allgemein wiederherzustellen. Da das bei einer chronischen Krankheit aus dem Ruder läuft, macht es Sinn, diesen Punkt mit einzusetzen.

Dieser Punkt liegt zwei Finger breit entfernt von Ansatz des Handgelenks. Sie finden ihn mittig zwischen den zwei dort tastbaren Sehnen.

Weitere Punkte, die eventuell zusätzlich eingesetzt werden können

Akupressurpunkt "Erwärmer"Wenn die Behandlung nach geduldiger Anwendung über einige Wochen keine Wirkung zeigt, dann versuchen sie es noch mal, in dem Sie noch vorm Punkt Lunge 7 den Punkt Drei Erwärmer 5 drücken. Dieser hilft dem Körper, Blockaden zu lösen.

Wenn Sie zu MCS von lästigem Heuschnupfen geplagt werden, können Sie der Behandlung nach derAkupressurpunkt Dickdarm Nr. 11 Akupressur von Dickdarm 4 noch den Punkt Dickdarm 11 hinzufügen. Dieser soll die Beschwerden lindern.

Beugen Sie den Arm, zeigt sich eine Hautfalte am Ellbogen. Der Punkt Dickdarm 11 liegt am Ende dieser Linie auf der Daumenseite. Machen Sie den Arm auf, und drücken Sie den Punkt, je nach Stärke der Beschwerden eine Minute oder zwei Minuten pro Seite.

Was Sie zusätzlich tun können

Der Lungen-/Dickdarmmeridian kann positiv oder negativ auf bestimmte Einflüsse reagieren. Positiv reagiert er auf richtige Atmung. Bei der Akupressur achten Sie darauf, wenn möglich ruhig und tief in den Bauch zu atmen. Stellen sie sich vor, dass der Atem bis in den Unterbauch fließt. Dabei nicht übertrieben tief atmen, sondern den Atem einfach fließen lassen. Automatisch wird die richtige Atmung geübt beim deutlichen Vorlesen wie früher in der Schule, oder einfach beim Mitsingen wenn Sie Musik hören. Wer unter schweren Atemwegsbeschwerden leidet, macht am Besten erst mal nichts bewusst mit der Atmung. Vielleicht merken Sie bei der Akupressur, wie die Atmung von selbst leichter und tiefer wird.

Zu den negativsten Einflüssen, wenn sich schon stagnierende Energie in der Lungenleitbahn befindet, gehören Milchprodukte. Viele MCS-Patienten vertragen keine Milchprodukte. Man hat schon gehört, dass sich nach dem Absetzen von Milchprodukten andere, zusätzliche Nahrungsmittelunverträglichkeiten zum großen Teil zurückgebildet haben. In diesem Zweifelsfall empfehle ich: Milchprodukte weglassen.

Ein paar Ernährungstipps, um jahreszeitliche Verschlechterungen zu verhindern

Um dem Körper zu helfen, sein Gleichgewicht zu bewahren, ist es sinnvoll, Lebensmittel nach Saison zu kaufen. Damit sind vor allem einheimische Lebensmittel gemeint. Warme, gekochte Lebensmittel helfen dem Körper im Winter, gesund zu bleiben. Sie durchwärmen. Viele MCS-Patienten berichten von Verschlechterungen im Herbst und Winter. Das ließe sich damit erklären, dass ein geschwächter Lungenmeridian sehr kälteempfindlich ist.

Ausgleichen lässt sich im Herbst und Winter – sofern vertragen – mit aus energetischer Sicht warmen Lebensmitteln. Gekochtes Getreide oder Nudeln, Kartoffeln, Rüben, Rote Beete, Kohl, Karotten, den einen oder anderen Apfel wenn es was frisches, etwas Kühleres sein soll… Am Besten ganz klassisch zubereiten, also kochen oder eine schöne Suppe draus machen. Eine gute Fleischbrühe oder Gemüsebrühe durchwärmt. Wenn rohe Karotten oder Äpfel im Mund jucken, werden sie gekocht oft dennoch gut vertragen.

Das einfachste warme Lebensmittel ist Ihr übliches Trinkwasser, das Sie einfach kochen und dann wie heißen Tee trinken. Vertragen Sie Tee, ist der natürlich auch sinnvoll. Wer morgens gern ein Müsli isst, kann im Winter heißes Wasser darüber gießen. So gehen die Vitamine aus dem Obst im Müsli nicht durch Kochen verloren, und das Ganze ist doch nicht so kalt.

Südfrüchte – bitte in Maßen genießen

Wer im Winter zu viele Südfrüchte isst, die stark kühlend wirken, tut seiner Lungenleitbahn – und damit auch der Infektabwehr – nicht allzu viel Gutes. Orangen, Bananen, Mandarinen, Kiwis usw. wenn man sie verträgt und unbedingt essen will also in Maßen genießen, am Besten als Nachtisch nach einer warmen Mahlzeit und nicht mehrmals täglich. Das gleicht sich dann wieder aus. Das gilt auch für kalte Obstsäfte, die auch noch aus dem Kühlschrank stammen.

Im Sommer erfrischt das Obst und Gemüse der Saison, und schadet dem Lungenmeridian nicht. Wenn Sie es vertragen, essen Sie davon nach Lust und Laune. Im Sommer kann man auch mehr Bananen essen, ohne dass das den Körper zu stark abkühlt.

Regionale Lebensmittel, problematische und unproblematische Importe

Die „gesunde“ Ernährung mit viel Rohkost und massenweise Südfrüchten und Milchprodukten kennt man in Deutschland erst seit kurzer Zeit. Passt das denn zu unserem Körper? In der Traditionellen Chinesischen Medizin heißt es, dass die Dinge, die es in einer Saison gibt, zu den Bedürfnissen des Körpers in dieser jeweiligen Klimazone passen. Sie gleichen Ungleichgewichte aus. So sind die vielen frischen Früchte und Gemüse im Sommer schön kühlend, während Kraut und Rüben gekocht im Winter durchwärmen. Wenn man das nun alles verändert, kann man das Gleichgewicht des Körpers empfindlich stören.

Denken Sie daran, was es ohne die ganzen Importe gerade geben würde. In Deutschland wachsen nun mal nicht im Winter massenweise Orangen… Äpfel, Birnen, Pflaumen im Herbst, Kompotte und eingekochte Saucen wie Tomatensoße wirken dagegen nicht so auskühlend. Ausländische Getreide wie Reis und Mais – Hirse wurde früher auch hier angebaut – und Soja haben sich als relativ problemlos importabel erwiesen, wohl da es Getreide und Bohnen hier schon immer gab. Mit dem Obst und Gemüse ist das dagegen so eine Sache. Man sollte eben darauf achten und im Winter die südlichen Importen in Maßen einsetzen.

Autor: Amalie für CSN – Chemical Sensitivity Network, 15. August 2009

Teil I: MCS: Akupressur zur Symptomlinderung

Hinweis: Die oben genannten Hinweise sind kein Ersatz für eine medizinische Behandlung oder einen Arztbesuch.

MCS: Akupressur zur Symptomlinderung, Teil 1

Glücklich ohne Schmerzen

Akupressur ist eine Methode, die MCS-Patienten gefahrlos anwenden können, da nur die eigenen Finger benötigt werden und keine Nebenwirkungen oder Unverträglichkeiten zu erwarten sind. Das macht Akupressur zu einer optimalen Methode, um Symptome zu lindern. So kann man Akupressur zum Beispiel bei Heuschnupfen anwenden, wenn man die chemischen Sprays und Tabletten nicht verträgt.

Akupressur zur Symptomlinderung bei MCS

Was läge näher, als Akupressur auch bei MCS-Symptomen zur Symptomlinderung einzusetzen? Heilung könnte man davon zwar nicht erwarten, aber vielleicht eine Verbesserung der Symptome. Amalie hat es versucht. Es gibt in der Traditionellen Chinesischen Medizin (kurz TCM) keine langjährigen Erfahrungen mit der „neuen“ Krankheit MCS, und keine Informationen zu entsprechenden Akupressurpunkten, nur einige Akupunkturversuche aus den USA. In den Texten, die es dazu im Internet gibt, steht aber nicht, welche Punkte genadelt wurden, sodass man diese dann akupressieren könnte.

Also muss Amalie sich etwas anderes einfallen lassen. Mein erster Versuch war, einfach möglichst viele Symptome abzudecken. Das hätte dann eine ganz individuelle Punktkombination ergeben, weil schließlich nicht jeder die selben Symptome hat wie ich. Aber es hat sowieso nicht geklappt. Egal, wie exakt ich die Punkte entlang der Symptome wählte – es ging daneben. Wirkung: Keine. Also habe ich es erst mal aufgegeben.

Erst mal kein Erfolg – Die richtigen Punkte sind nicht so leicht zu finden

Dann hatte ich eine schwere Lebensmittelreaktion. Es war eine ziemlich ungewöhnliche Reaktion, ungewöhnlich stark und andere Symptome als sonst. Ich nehme an, mit dem Sojakäse, den ich gegessen hatte, war wirklich etwas nicht in Ordnung, auch wenn nicht nur ich davon gegessen hatte und die anderen, die auch davon gegessen hatten, gesund blieben. Es fing spätabends an, ging die ganze Nacht. Höhepunkt drei Uhr morgens, um fünf dann besser. Und die ganze nächste Woche noch was davon gehabt. Ich habe in der Nacht alle Punkte nach Symptomen ausprobiert, kein Erfolg.

Ich wusste allerdings nicht, dass es der Sojakäse war, weil ich den sonst immer gut vertragen hatte, sondern ich hatte es einem anderen Lebensmittel zugeschrieben. So aß ich denselben Sojakäse, ein anderes Päckchen, aber dasselbe Produkt, zwei Wochen später noch mal. Wieder die Reaktion. Sehr viele Symptome auf einmal, diesmal noch stärker. Bauchbeschwerden, Benommenheit, Schwindel, Zittern, innere Unruhe, das Gefühl, nicht richtig Luft zu bekommen und starke Rückenschmerzen. Dazu eine starke Erschöpfung, aber es war unmöglich, mich hinzulegen, ich musste sitzen bleiben.

Eine neue Idee – Übertragen und Experimentieren

Um die Nacht zu überstehen, beschloss ich, einige Punkte gegen die Erschöpfung zu drücken, die diese Situation so unerträglich machte. Die üblichen Punkte dafür hatten aber schon das letzte Mal nichts gewirkt, und taten es auch diesmal nicht. Also schlug ich in meinem ausgedruckten Material zu Akupressur nach, mit einer neuen Idee. Bei MCS glaubt der Körper zumindest, vergiftet worden zu sein. Egal, ob die Dosis nun der Reaktion entspricht.

Also suchte ich nach einem Punkt, den man bei einer echten Lebensmittelvergiftung, oder bei einer Vergiftung durch Verschlucken einsetzen würde. Ein Punkt, der sich auf meiner ausgedruckten Punkteliste durch alle Vergiftungserscheinungen von Einatmen über Verschlucken bis Lebensmittelvergiftung zieht, ist der Punkt Lunge 9, dort in den 36 wichtigsten Akupressurpunkten die Nummer 12.

Der Ansatz ist gefunden – Keine Heilung, aber deutliche Besserung

Und siehe da: Nach einer Viertelstunde konnte ich mich hinlegen. Die Symptome ließen nach, auch die Unruhe. Erst mal begann ich heftig zu zittern, besonders mein Bein und meine Schulter. Unterdrückte ich das, gingen die Symptome wieder los. Ich hoppelte richtig, aber dafür verschwanden die Muskelschmerzen, die Bauchbeschwerden ließen nach, die Benommenheit und die unnatürliche Erschöpfung nahmen ab. Gegen fünf Uhr morgens war das Ganze überstanden, am nächsten Morgen war die Reaktion weg, keine tagelangen Nachwirkungen.

Ich begann erst mal, den Punkt nun immer einzusetzen, wenn ich etwas abbekam. Beeindruckend war der Effekt, als ich versehentlich alle Fenster aufgelassen hatte, und am einen Fenster Benzin und am anderen Fenster ein leichter, aber noch deutlich merkbarer Waschmittelgeruch hereinkam. Ich ging in das Waschmittelzimmer, das für mich kleinere Übel. Ich habe das Glück, einen Luftreiniger zu besitzen, war aber durch die Reaktion zu nervös und lärmempfindlich, um ihn anzumachen. Ich konnte mich nicht genug konzentrieren, um meine Maske zu finden.

Ich drückte versuchsweise einfach den Punkt. Die Reaktion verschwand nicht, besserte sich aber so weit, dass ich den Luftreiniger anmachen konnte, und ruhig warten, bis der Waschmittelgeruch verschwunden war. Maske brauchte ich nicht mehr. Ich konnte sogar lesen, um mich abzulenken. Das ist insofern erstaunlich, weil ich bei einer Reaktion sonst keinen zusammenhängenden Satz lesen kann.

Was sind die Energieleitbahnen und Meridiane?

Danach begann ich zu recherchieren. Der Punkt Lunge 9 ist ein Punkt auf dem Lungenmeridian. In der TCM geht man davon aus, dass der Körper von Energieleitbahnen, den Meridianen, durchzogen wird. Diese sind nicht identisch mit Adern oder Nerven, sondern etwas Zusätzliches. Es gibt zwölf Leitbahnen, von denen jeweils zwei zusammengehören. Ein Teil ist ein „Yin“-Meridian, der andere Teil ist ein „Yang“-Meridian, wobei Yin und Yang Bezeichnungen für entgegengesetzte Energien sind, die sich ausgleichen müssen. Man könnte Yin als ruhiges, passives Prinzip und Yang als aktives Prinzip bezeichnen. Diese sollten einander das Gleichgewicht halten.

Diese Teilung in zwei entgegengesetzt wirkende, sich ausgleichende Prinzipien, findet man auch bei den bisher wissenschaftlich bewiesenen Funktionen des menschlichen Körpers. So kommen alle Muskeln paarweise, ein Beugemuskel und ein Streckmuskel vor. Wir haben auch Venen und Arterien, die sauerstoffarme Blut zum Herz hin und das sauerstoffangereicherte von Herz weg transportieren.

Auch gibt es z.B. beim vegetativen Nervensystem den Entspannung übertragenden Parasymphaticus und den Aktivität und Aufregung übertragenden Symphaticus, auch Vagus-Nerv genannt. Diese steuern die Verdauung oder den Herzschlag, sodass wir z.B. beim Rennen schneller atmen und das Herz schneller schlägt, ebenso wenn wir uns aufregen. Ein Ungleichgewicht in der Muskulatur entsteht, wenn z.B. immer nur der Beugemuskeln und der Streckmuskel nicht beansprucht wird. Das gibt Schmerzen und Verspannungen. Ein langfristiges Ungleichgewicht im vegetativen Nervensystem kann den Körper auf die Dauer belasten.

Unwissenschaftlich? Überhaupt nicht – Die praktische Wirkung zählt

Auch wenn man die Meridiane noch nicht – ich sage bewusst noch nicht – mit irgendeinem Gerät wissenschaftlich gesichert nachweisen kann, warum sollte es nicht ein weiteres solches Regelsystem im Körper geben, das Informationen und Energien verteilt? Auch wenn wir die Energien noch nicht messen können? Ich bin mir sicher, dass die Existenz der Meridiane irgendwann wissenschaftlich belegt werden wird. Bereits die Qi Gong Expertin Josephine Zöller beschrieb in der 80er Jahren Forschungsansätze, die die Meridiane im Bindegewebe nachweisen, als Übertragung minimaler elektrischer Impulse wie in den Nerven, nur eben zwischen Bindegewebszellen.

Momentan ist mir der experimentelle Nachweis für die Wirkung, den ich an mir selbst erleben kann, genug. Es macht keinen Sinn, mit etwas zu warten, bis es wissenschaftlich sichtbar gemacht werden kann, wenn man es im Experiment schon nachweisen kann, wenn man aus etwas Nutzen ziehen kann, obwohl man es nicht erklären kann. Hätte man zu Zeiten der Pest ein Antibiotikum gehabt, ohne zu wissen, dass es Bakterien gibt, sondern durch zufällige Feststellung der Wirkung, es hätte sicher auch genutzt, ohne dass man die Bakterien nachweisen hätte können. Und die Akupressur beruht auf Jahrtausenden unermüdlicher Beobachtung und Dokumentierung ihrer Wirkung – wohl die wissenschaftlichste Methode überhaupt.

Was ist der Lungenmeridian?

Zurück zum Punkt Lunge 9 und dem Lungenmeridian. Der Lungenmeridian, der Yin-Teil, mit dem ihm verknüpften Dickdarmmeridian, dem Yang-Teil, steht für die „empfindlichen“ Schleimhäute, die Blutgefäße, für alles Empfindliche, und für den Kontakt des Körpers mit der Umwelt.

Ist die Lungen- und Dickdarmenergie ausgeglichen, gibt das dem Körper z.B. eine gute Abwehr gegen Erkältungen und wohl auch eine vergleichsweise hohe Widerstandskraft was Schadstoffe angeht. Ungleichgewichte und Schwächen des Lungen/Dickdarm-Meridians äußern sich in Atemwegserkrankungen, Allergien, Entzündungen, Infektanfälligkeit, Erschöpfung… Das Thema: Allergien und Entzündungen. Passt MCS nicht in diesen Kreis?

Die Wurzel des Übels finden – Ein Erklärungsversuch

Die „Verstopfung“ im Lungenmeridian kann zum Beispiel durch eine Überlastung mit Chemikalien entstehen. Oder durch nicht vertragene Milchprodukte, ein hochgradiger, geradezu klassischer Auslöser für stagnierende Energie in der Lungenleitbahn. Bei mir waren es von Kindheit an unverträgliche Milchprodukte, die wohl eine große Rolle gespielt haben. Besserungen gab es erst, seit ich vor über zwei Jahren aufgehört habe, diese Produkte zu essen. Kalte, stagnierende Energie, der so genannte „Schleim“ sammelt sich jedenfalls in der Lungenleitbahn an und wirkt als Blockade. Die Lungenenergie ist geschwächt. Das kann zu Allergien führen, zu Infektanfälligkeit, schneller Erschöpfung, Asthma – oder eben zu MCS. Denke ich mir zumindest.

Was kann der zentrale Punkt Lunge 9?

Der Punkt Lunge 9 löst „Schleim“, so wird eine stagnierende, verstopfende Energie bezeichnet, und baut die Lungenenergie auf. Zugleich ist der Punkt Lunge 9 noch mit der Milz verknüpft. Die hilft in der TCM dem Körper dabei, Fremdstoffe zu verarbeiten und Nahrungsmittel zu verwerten. Wohl daher wird dieser Punkt, der so viel mit der Fähigkeit des Körpers, mit einem Fremdstoff umzugehen, bei Vergiftungen eingesetzt. Diesen Einsatz findet der Punkt nur in der Akupressur bei der Stanford University, auf Internetseiten, die sich mit Akupunktur befassen, fand ich nichts dazu. Wenn man darüber nachdenkt, lassen sich damit auch auf einem energetischen Ansatz viele Nahrungsmittelunverträglichkeiten erklären.

Ich kam mit dem Punkt Lunge 9 zu einem guten Zufallsergebnis. Ich habe deutlich weniger Ahnung von der TCM als die Akupunktur-Ärzte in den USA, die teilweise mit deutlich anderen Konzepten oder anderen Leitbahnen arbeiten. Mein gesamtes Wissen ist Laienwissen. Ich habe mit experimentellem Ansatz gearbeitet, durch Assoziieren und Probieren. Das hat ein gutes Ergebnis erbracht. Die theoretische Herleitung hinterher ist vielleicht noch sehr lückenhaft, würde sie ein TCM-Fachmann beurteilen. Aber die Wirkung stimmt. Vielleicht kann ein experimenteller Ansatz, den man sich bei Akupressur ja gefahrlos leisten kann, manchmal mehr als eine Theorie, die erst nachher in die Praxis übertragen werden soll.

Meine eigene „Fallstudie“: Deutliche Besserung

Ich würde schätzen, dass sich meine Sensitivität um ein Drittel bis die Hälfte reduziert hat. Jemand, der mit Parfüm an mir vorbei geht, ein Gang in den Keller oder Hausgang ist kein Problem mehr. Die Reaktionen verlaufen auch deutlich schwächer. Für ältere Bücher brauche ich keine Lesekiste oder Zellglastüte mehr. Ich hatte früher auch Probleme, wenn ich viel saures Obst gegessen habe. Jetzt kann ich die Sommerbeeren und die Aprikosen und Pfirsiche ohne anschließendes Bauchweh genießen.

Die Besserung geht langsam voran, jede Woche etwas mehr. Ich leide außerdem nicht mehr unter ständigem Durstgefühl, die Verdauung ist besser, ich habe gesündere Haut, schlafe besser und überstehe eine Erkältung leichter als früher. Was für mich persönlich sehr schön ist, ist, dass sich meine Halswirbelsäule und meine Augen, deren Pupillen bei Reaktionen früher „steif“ wurden, sich so weit gebessert haben, dass ich wieder Radfahren kann.

So. Genug der Theorie. Ich habe eine Akupressurmethode entwickelt, mit mehreren anderen Punkten, die die Wirkung von Punkt Lunge 9 verstärken. Dieser Blog bekommt einen Teil 2. Dort beschreibe ich, wie jeder die genannte Akupressurmethode selbst ausführen kann. Es ist sehr einfach, da alle Punkte an der Hand liegen, muss man sich nicht „verbiegen“ dafür. Man braucht nur die Disziplin, viermal täglich zehn Minuten lang zu akupressieren.

Teil II erscheint morgen.

Autor: Amalie für CSN – Chemical Sensitivity Network, 14. August 2009-08-14

Hinweis: Die oben genannten Hinweise sind kein Ersatz für eine medizinische Behandlung oder einen Arztbesuch.

Schwer MCS-Kranke sind Psycho? Wikipedia-Admins lassen keine andere Meinung zu!

Ärzte leisten Nachtschicht auf Wikipedia, schreiben gegen Kranke

Ärzte leisten harte Nachtschichten gegen Kranke auf Wikipedia

Macht es Sinn, einen Wikipedia-Artikel alle fünf Minuten zu editieren? Und das nicht etwa einen, der mit den aktuellen Nachrichten zusammenhängt, sondern mit wissenschaftlichen, sogar medizinischen Sachfragen, deren Lage sich sicherlich nicht im Minutentakt ändert? Nein, das macht keinen Sinn. Es sei denn, es geht um einen äußerst brisanten Interessenkonflikt.

Zum Beispiel bei dem Wikipedia-Artikel zu Multiple Chemical Sensitivity (Multipler Chemikalien-Sensitivität, MCS). Personen, die persönlich mit MCS Erfahrung haben, als Patienten oder Angehörige, und über medizinisches Wissen verfügen, zum Beispiel als langjährige Betreiber von Webseiten und Foren zu MCS und als wichtige Ansprechpartner für Betroffene, stellen einen Artikel zu MCS ein, der kurz und bündig erklärt, um was es sich handelt. Was sie schreiben, wird von Wiki-Admins ständig wieder geändert.

Was ist Multiple Chemikalienunverträglichkeit (MCS)?

Es handelt sich um eine Erkrankung, bei der Chemikalien unabhängig von der Dosis wie bei einer Allergie unterschiedliche Symptome hervorrufen, die sich von lästig bis lebensgefährlich erstrecken. Das kennt man ja auch von der Allergie, hier können z.B. Pollen zu etwas Naselaufen führen, im Extremfall aber zum Asthmaanfall oder allergischen Schock.

Bei MCS sind die Auslöser eben nicht die Pollen – auch wenn viele Erkrankte zusätzlich unter Allergien z.B. auf Pollen leiden – sondern Chemikalien und Schadstoffe. Symptome werden ausgelöst z.B. durch Chemikalien aus Fußbodenbelägen, Lacken, Rauch aus Grill oder Kaminen, Parfüm, beduftetem Waschmittel oder Weichspüler. Da der Patient all diese ständig gegenwärtigen Chemikalien nicht mehr verträgt, ist er unfähig, am normalen Alltag, auch am normalen Erwerbsalltag, teilzunehmen.

Was soll daran jetzt so problematisch sein? Allergien und Unverträglichkeiten sind nichts Neues, nichts besonders Ungewöhnliches. Eigentlich. Aber MCS ist problematisch. Problematisch für die Finanzen gewisser Personen.

MCS- Ein finanzielles Problem

MCS ist als körperlich bedingte Krankheit in Deutschland einklassifiziert und kann als Berufskrankheit auftreten. Viele Erkrankte arbeiteten mit Schadstoffen, z.B. in einer Schuhfabrik, als Drucker, als Maler und Lackierer. Die Betroffenen werden durch MCS arbeitsunfähig. Und? Brauchen Rente. Wer soll jetzt dafür aufkommen? Für Berufskrankheiten müssen bestimmte Stellen aufkommen.

Dazu gibt es noch sehr viele Fälle von MCS in stark schadstoffbelasteten Gebäuden. Es ist richtig, dass die größten Chemikalienmengen in der Produktion vorkommen. Aber auch in Schulen oder Büros werden Schadstoffe oft zum Problem. Gerade Schulen sind ein Problem. Von einer staatlichen Einrichtung könnte man Sanierung – teure Sanierung oder Abriss und schadstoffarmer d.h. teurer Neubau – verlangen. Würde offen zugegeben, dass die Chemikalien die Kinder krank machen.

Außerdem: MCS-Kranke bräuchten eigentlich ein paar Euro mehr als Hartz IV oder Sozialhilfe. Wer auf kleinste Mengen Chemikalien reagiert, brauchte schadstoffarme Umgebung. Eine „saubere“ Wohnung, also biologisch gebaut und nicht verschimmelt oder mit Billiglaminat ausgeklebt. Luftfilter für belastete Außenluft – gibt es für ca. 1000 Euro pro Stück -, Wasserfilter für Schadstoffe im Wasser. Dazu die bekanntlich teureren Biolebensmittel, weil MCS-Kranke die Spritzmittel an „normalen“ Lebensmitteln nicht vertragen. So was zahlt keine Krankenkasse der Welt.

Kranke: Wir brauchen Geld zum Überleben… Industrie: Wir zahlen nicht!

Würde man MCS-Kranken ihren lebensnotwendigen Bedarf zahlen und öffentliche Gebäude sanieren, würde eine riesige Kostenlawine auf Deutschland zurollen. Klar, wer das nicht will. Es gibt da ein paar Leute, die nicht gern mehr Steuern von ihrem Millioneneinkommen zahlen würden. Und ein paar Leute, die nicht gern zugeben, dass in ihren Fabriken, vermieteten oder verkauften Wohnungen, Schulen etc. Menschen krank werden.

Psychiatrisierung: Wie das Problem der Kosten durch MCS „gelöst“ wird

Die Lösung für solche Probleme haben diese Leute immer parat. Natürlich, die Krankheit kommt nicht von der Fabrik oder dem Fußbodenkleber in der Schule. Und nicht nur das. MCS gibt es als körperliche Erkrankung, die die nötigen Kosten nach sich ziehen würde, gar nicht. Die Erkrankten sind psychisch krank. Sie reden sich ein, dass ihnen Schadstoffe schaden würden.

Am Besten, die Menschen finden gar nicht erst heraus, dass sie MCS haben. Die Chemikalien sind ständig da, also geht es dem Patienten andauernd schlecht. So kann man dem Patienten leicht sagen, er habe eine andere Krankheit. Eine psychosomatische.

Internet: Gefahr für finanzkräftige Meinungsmonopole

Aber manche Menschen finden doch heraus, was sie haben – Nicht zuletzt dank des Internets, in dem Patienten sich vernetzen können. Und in dem MCS-Kranke anders als in der sonstigen Welt noch handlungsfähig sind, zumindest einem Teil der Patienten ist die Benutzung eines Computers noch möglich, wenn auch z.B. nur mit einer Schutzmaske, um die Schadstoffe aus der Lüftung des Computers nicht einzuatmen.

Musterbeispiel Wikipedia

Also, um die Interessen unserer Personengruppe zu wahren, müssen andere Infos in Netz. Die sagen: MCS ist Psycho. Und so muss es dann auch auf Wikipedia stehen.

So schreibt zum Beispiel jemand mit Erfahrung und Sachwissen, mit ausreichender Quellenangabe, Zitierung offizieller und wissenschaftlicher Quellen:

„Die multiple Chemikalienunverträglichkeit ist offiziell als ein organisch bedingtes Krankheitsbild anerkannt. Sie wird von den Gesundheitsinstitutionen der WHO und dem Bundesministerium für Gesundheit, sowie dem Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), ausschließlich als organische Erkrankung einklassifiziert und nicht als somatoforme Erkranung eingestuft. Eine Zuordnungsverschiebung dieser Erkrankung in den Bereich Psychischer Erkrankungen ist von offizieller Seite her nicht vorgesehen.“

Tatsächlich scheint es in Behörden auch Ansichtsunterschiede zu geben, zumindest was das Schreiben von Briefen angeht. Da erkennen das DIMDI und das Bundesministerium für Gesundheit MCS als körperliche Erkrankung an. Das dann in der Praxis fast nie MCS diagnostiziert wird, sondern einfach eine andere Erkrankung, ist eine andere Sache. Immerhin, ein Admin auf Wiki ließ den oben zitierten Artikel zu.

Dennoch. Einen solchen Netzartikel können gewisse Ärzte doch nicht stehen lassen. Ärzte, die Wiki-Admins sind. Sie editieren dann. Und sind sich untereinander nicht mal einig, was wie zu editieren ist. Also wird ununterbrochen editiert. In Abständen von Minuten. Teilweise sogar mitten in der Nacht.

„Die multiple Chemikalienunverträglichkeit ist ein umstrittenes, in medizinischen Fachkreisen nicht allgemein anerkanntes Krankheitskonzept. So zeigen wissenschaftliche Studien eine hohe psychosomatische bzw. psychiatrische Komorbidität von MCS-Patienten.[…]

Unter kontrollierten Bedingungen durchgeführte Provokationstests erlauben keine auf spezifische Chemikalieneinwirkung zurückgehende Unterscheidung zwischen subjektiv von MCS betroffenen Patienten und Vergleichspopulationen.“

Das schrieb der Arzt mit dem Wiki-Admin-Namen Christian2003.

Die Editierliste eines Artikels kann man ansehen, wenn man in Wikipedia eingeloggt ist. Häufig editierte Artikel werden aber auf Wikirage genannt: Beispiel MCS auf Wikirage Dort kann man sehen, wann editiert wurde, leider nur die letzten drei Mal. Tipp: Wer morgens guckt, findet manchmal noch die Nachtarbeiter am Werke.

Wer sind die Dauereditierer?

Und wer sind die dauereditierenden Mediziner? Zum Beispiel Christian2003 oder der ebenfalls dauereditierende Mesenchym?

Wikipedia Redaktion Chemie/Treffen der Naturwissenschaftler

Da kann man es sehen. Ärzte mit viel Interesse an der Chemie. Ziele der Treffen der wiki-aktiven Chemiker:

„Fachübergreifendes „WikiProjekt Pharma“[…]

Einrichtung einer gemeinsamen Qualitätssicherungsseite für themenübergreifende Artikel. […]

Schwarze Listen für Internetseiten […]“

Kennen wir das irgendwoher? Zensurfreudige Industriefreunde, die das halbe Internet auf die Schwarze Liste setzen würden?

Größter Feind: Freies Internet

Wer zu den Vorlieben und Meinungen des Arztes Mesenchym mehr wissen will, sollte auf den von ihm verlinkte YouTube-Kanal klicken: User MontyPython

„For 3 years you YouTubers have been ripping us off, taking tens of thousands of our videos and putting them on YouTube. Now the tables are turned. It’s time for us to take matters into our own hands.

We know who you are, we know where you live and we could come after you in ways too horrible to tell. But being the extraordinarily nice chaps we are, we’ve figured a better way to get our own back: We’ve launched our own Monty Python channel on YouTube.

No more of those crap quality videos you’ve been posting. We’re giving you the real thing – HQ videos delivered straight from our vault.

What’s more, we’re taking our most viewed clips and uploading brand new HQ versions. And what’s even more, we’re letting you see absolutely everything for free. So there!

But we want something in return.

None of your driveling, mindless comments. Instead, we want you to click on the links, buy our movies & TV shows and soften our pain and disgust at being ripped off all these years.“

Kürzen wir es ab, statt es ganz zu übersetzen. Die YouTube-User, die Allgemeinheit, die YouTube nutzt, stellt Videos ein, die Elite-Standards nicht entsprechen. „Wir wissen wer ihr seid, und wir könnten euch verfolgen, auf Arten, die so schlimm sind, dass man sie besser nicht erwähnt“, übersetzt sich ein Teil davon. Das spricht Bände über Netzüberwachung und Einstellungen, was? Eine Hasspredigt darauf, dass das „gemeine Volk“ nun YouTube nutzt.

Aber man sei ja gnädig. Und stelle einfach einen Kanal in hoher Qualität ein – MonthyPhyton genannt. Nur hohe Qualität.

„Aber wir wollen etwas zurück dafür. Keine von euren hirnlosen Kommentaren. Stattdessen sollt ihr auf die Links klicken, unsere Filme & TV-Shows kaufen und damit unseren Schmerz und Ekel (!) der letzen Jahre lindern.“

Na also. Wer ist das wohl, „wir“, die sich davor ekeln, wenn es ein freies Internet gibt?

Quellen für diesen Blog sind Wikipedia-Artikel, die mittlerweile längst editiert sind. Wer ein bisschen genauer reinlesen will, kann sich hier informieren: CSN Forum Thread „Hat da wer Panik vor MCS? Wiki“

Autor: Amalie für CSN – Chemical Sensitivity, 12. August 2009

Chronische Intoxikation – Sensibilisierung – Allergien

Seit dem 2. Weltkrieg sind Allergien um das 20- bis 30-fache gestiegen. Die Belastung der Bevölkerung wird in Bayern mit 20 – 30% angegeben (zugegeben). Die deutsche Allergietestung missachtet immer noch den Allergietyp IV, das ist der Allergietyp einer zellulären Immunreaktion. Dieser spielt in Sachen Umweltmedizin eigentlich die Hauptrolle.

In Zusammenhang mit dem so umstrittenen MCS ist anzumerken, dass MCS in aller Regel – Rea gibt 80% an – in Verbindung mit Nahrungsmittelallergien vorkommt.

Wirkschwellenmodulation

Die Sensibilisierung ist also eine Form der Wirkschwellenmodulation. Mit einfachen Worten: Die toxikologischen Wirkschwellen sind innerhalb eines Individuums zeitlich nicht konstant (s.a. Chronische Intoxikation/Entgiftung).

Allergische Reaktionen auf Chemikalien

Die Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe (MAK-Kommission) der deutschen Forschungsgemeinschaft hat vor über 10 Jahren eine besondere Liste der „sensibilisierenden Arbeitsstoffen“ eingeführt. Diese Liste wächst mit jeder Ausgabe und zwar exponentiell.

Im Text findet sich folgende Beschreibung:

„Bis heute lassen sich weder für die Induktion einer Allergie (Sensibilisierung) noch für die Auslösung einer allergischen Reaktion beim Sensibilisierten allgemein gültige, wissenschaftlich begründbare Grenzwerte angeben. Die Induktion ist um so eher zu befürchten, je höher die Konzentration eines Allergens bei der Exposition ist. Für die Auslösung einer akuten Symptomatik sind in der Regel niedrigere Konzentrationen ausreichend als für die Induktion einer Sensibilisierung. Auch bei Einhaltung der MAK-Werte sind Induktion oder Auslösung einer allergischen Reaktion nicht sicher zu vermeiden.“ (MAK-Liste 2006).

Diese Formulierungen sind etwas umständlich, aber es ist eine mögliche Beschreibung von MCS. Zwar beschränkt sich die MAK-Kommission im Kontext auf humorale Immunmechanismen, erfasst also nur die halbe Wahrheit, aber dennoch ist es ein Schritt in die richtige Richtung und eine Bestätigung dafür, dass gar nicht die Rede davon sein kann, dass MCS eine psychische Erkrankung sei.

MCS-Definition

Die MCS-Definition, die heute als die Konsensdefinition gilt, stammt von dem amerikanischen Arbeitsmediziner Cullen, und ist ähnlich umständlich, wie sich die MAK-Kommission ausgedrückt hat:

Konsensuskriterien für multiple chemische Sensitivität (MCS) sind :

[Cullen 1987, Cullen et al. 1995, UBA 2003]

  1. Die Symptome treten nach Chemikalienexposition reproduzierbar auf.
  2. Das Beschwerdebild ist chronisch
  3. Das Beschwerdebild wird bereits durch niedrige – zuvor tolerierte – Konzentrationen, die allgemein gut vertragen werden, hervorgerufen.
  4. Die Beschwerden bessern sich bzw. verschwinden nach Elimination des Agens.
  5. Reaktionen treten gegenüber zahlreichen, chemisch nicht verwandten Substanzen auf.
  6. Die Symptomatik umfasst zahlreiche Organsysteme.

Eleganter und treffender ist die Definition der amerikanischen Umweltbehörde EPA: „MCS sind Reaktionen auf Chemikalien, die vorher vertragen worden sind.“ (Wirkschwellenmodulation). Die amerikanische Arbeitsmedizinerin Grace Ziem betont einen anderen Aspekt: „Reaktionen auf Chemikalien, die von der Allgemeinbevölkerung vertragen werden“.

Beide Definitionen zusammen ergeben eine ausreichende Definition, nämlich eine, die markiert, dass hier eine Wirkschwellenmodulation innerhalb eines Individuums stattgefunden hat und andererseits, dass die üblichen Bewertungsgrößen wie etwa ADI-, BAT- oder MAK-Werte für die Bewertung nicht mehr herangezogen werden können.

MCS-Diagnose ist sehr einfach

Prof. Ross vom EHC, Dallas, definierte auf Anfrage: „Chemical Sensitivity is Sensitivity to Chemicals“. Es ist in der Tat so einfach:

„Bei mir stellte sich einmal ein Mann vor, der immer von Elektromotoren die Wicklungen abgebrannt hat. Durch die Brandgase hat er eine toxische Enzephalopathie entwickelt. Er konnte sich u.a. keine Graphiken und keinen Zeichnungen mehr merken – schlimm für einen Techniker. „MCS habe ich aber nicht“, sagte er. Meine Gegenfrage „Wie fühlen Sie sich, wenn Sie in einem Kaufhaus an der Parfümtheke vorbeigehen?“ – Gedankenpause – „Wenn meine Frau den Haarspay nimmt, dann krieg‘ ich die Krise“…

Dass man sich in Deutschland so schwer tut, MCS zu diagnostizieren, liegt also daran, dass man sich nicht traut. Das Phänomen ist ganz einfach zu erkennen, nur wenn man daran zweifelt, dass es das Phänomen überhaupt gibt, dann hat man natürlich Probleme und möchte gerne eine möglichst komplizierte Definition, damit sie den Anschein von Wissenschaftlichkeit hat. Die WHO subsumiert MCS unter Allergien.

Der Stand der Wissenschaft zu MCS entnehmen Sie bitte meinem MCS – Papier. Die Lektüre ist für Strategiefestlegungen in Rechtverfahren unerlässlich.

Autor: Dr. Tino Merz, Sachverständiger für Umweltfragen, www.dr-merz.com

Weitere wichtige Artikel zum Thema:

Gesundheitsvorsorge einfach und billig – Das steht dahinter

Nachgedacht

Wenn Sie die Blogserie „Gesundheitsvorsorge einfach und billig“ verfolgt haben, haben Sie viel darüber gelesen wie man mit auch mit wenig Geld und wenig Zeit die Schäden minimieren kann, die unser Alltag an unserer Gesundheit verursacht. Sie haben über die richtige Auswahl von Lebensmitteln gelesen, über mehr Bewegung und Entspannung im Alltag und über die Vermeidung von Schadstoffen.

Die Tipps waren immer an Normalverdiener ohne Managergehalt, orientiert. In diesem Blog wurde nicht davon ausgegangen, dass uns Allen die Mittel zur Verfügung stehen, die wir brauchen, weil es nicht so ist.

Und in diesem letzten Teil des Blogs geht es um den Hintergrund, der so eine Blogserie notwendig macht. Bevor Sie nun aufhören, weiterzulesen, der praktische Ansatz bleibt erhalten. Artikel, die sagen „So isses – Ja und jetzt?“ gibt es genug, dieser Blog ist keiner davon. Das Weiterlesen macht also wirklich Sinn.

In dieser Blogserie ging es um Schadensbegrenzung. Wäre es nicht ideal, wenn es hochqualitätive Biolebensmittel für Alle gäbe, öffentliche Möglichkeiten für mehr Sport und Spaß an der frischen Luft? Wenn es solide Wohnungen und schadstoffarme, praktische Möbel und ebensolche Kleidung gäbe? Und Arbeitsplätze, mit denen alle Beteiligten zufrieden sein können? Qualitätssicherung für alle Produkte? Ein Traum, den unsere Wirtschaft nicht gerade in Erfüllung gehen lässt.

Belastende Arbeitsplätze

Die Realität sieht anders aus. Auf der Arbeit werden wir ständig mit Bedingungen konfrontiert, die unsere Gesundheit gefährden oder uns zumindest unangenehm sind. Zeitdruck, Schichtarbeit, Überstunden, Lärm, Staub und Schadstoffdämpfe, Hitze oder Kälte, und so weiter.

Im schlimmsten Fall lassen wir unseren Frust gegenseitig aneinander aus, und ein furchtbares Betriebsklima entsteht – was wirklich nicht sein muss, aber es gibt auch positive Beispiele, gute Teams, die sich verstehen. Das ist leider Zufall, auch wenn wir selbst nicht über andere lästern und Streit anfangen müssen.

Zeitungen berichteten vor einiger Zeit von einem Mann, der an einer Papierwalze gearbeitet hat. Er wurde von der Maschine erfasst und überlebte wie durch ein Wunder, ist aber schwer verletzt und wird nie wieder ganz gesund. Wie wäre der Unfall zu verhindern gewesen? Durch das Anbringen eines Geländers vor der Maschine…

Gespart wird wirklich an allen Ecken und Enden. Viele Bedingungen am Arbeitsplatz, egal ob Büro, Fabrik oder Handwerksbetrieb, könnte man verbessern. Woran es hängt? An den Euros natürlich…

Auch nach Feierabend: Die Misere geht weiter

Und an den Euros hängt auch unser Leben nach Feierabend, unser Essen, Trinken, Wohnen und letztendlich unser Zusammenleben in der Familie oder unsere Freundschaften. Kontakte leiden unter Hetze, Erschöpfung, Frust, Krankheit und wenig Zeit.

Konventionelle, also mit Chemikalien künstlich so billig wie möglich produzierte Lebensmittel, bestimmen den Markt. Bio, viel gesünder, ist teuer. Wer wenig Geld hat, muss sich eine Wohnung mieten, so billig es geht. Schimmel und Schadstoffe sind oft dabei, irgendeinen Haken hat so eine Wohnung immer. Billige Kleidung wird unter erbärmlichen Bedingungen in Fernost produziert und ist voller Schadstoffe, das Gleiche gilt für Möbel.

Profitable Kranke

Werden wir unter all diesen Bedingungen krank, ist das kein Wunder. Hier wird gespart, dort wird gespart, und je billiger, desto schädlicher. Wer Geld hat, kann sich ein gesundes Leben leisten, wer keines hat, hat Pech. Und die Behandlung wird auch zum Privileg. Schonende, gründliche Behandlung ist oft ein Privileg für Selbstzahler und Privatversicherte. Gesundheit ist Privileg für die wenigen mit Geld, das muss man so sagen. Gesundheit muss man sich leisten können.

Aber nicht, dass Normalversicherte nicht behandelt werden. Nein. Mit Kranken wird eine ganze Medizinindustrie betrieben. An Kranken können Ärzte, Pharmakonzerne, Kliniken, Psychotherapeuten, usw. usw. massenhaft Geld verdienen.

Psychopharmaka betäuben problematische Patienten. Je mehr operiert, therapiert, verschrieben wird, desto mehr wird verdient. Haben diese Leute ein Interesse an unserer Gesundheit? Ist der Bock nicht längst Gärtner?

Wer uns den letzten Cent aus der Tasche zieht

Die gleiche Industrie, die sich mit all den oben genannten Fakten äußerst unbeliebt macht, hat aber noch ein paar Trümpfe in der Tasche. Diese Trümpfe heißen Werbung und Luxusprodukte, oft minderer Qualität. Einerseits haben viele von uns zu wenig Geld. Andererseits gibt ein eine Werbung, die ständig neue Trends ausruft, uns neue Dinge kaufen lässt.

Uns fehlt was – Und die Industrie kann es nicht ersetzen!

Uns fehlt was. Uns fehlt Sicherheit, Geborgenheit. Uns fehlt die solide Grundlage einer Gesellschaft, in der – kurz gesagt – Leben wachsen und gelebt werden kann. Unser Leben wird zum brutalen Markt. Und wenn uns was fehlt, haben wir ständig das Gefühl, dass wir was brauchen.

Glauben wir nur nicht, mit diesem Gefühl könnte man nicht kräftig Profit machen. Die Werbung zeigt uns ständig neue Dinge, und wir kaufen Vieles, was wir nicht brauchen. Dabei brauchen wir doch unser Geld!

Aber unser Gefühl, dass uns etwas fehlt, wird ausgenutzt, und irgendetwas Schönes muss es in unserem Leben doch geben! Ständige neue Moden und neue billige Kleidung, neue Lebensmittel, die uns als „wie hausgemacht“ und so weiter angeboten werden, und tatsächlich aus eiskalten Fabriken stammen, Alkohol und Fernsehunterhaltung um uns zu betäuben, Zuckerzeug, dass krank und abhängig macht, Zigaretten, die laut Packungshinweis sogar töten können, Düfte die uns in geschlossenen Gebäuden Sommer und Natur aus der Chemiefabrik vorgaukeln, nichts, was beim näheren Hinsehen irgendwie gut ist, nur Dinge, die eine kurze Befriedigung und einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen, Zeitungen, die aus dem Tod von Menschen reißerische Sensationen machen, Filme, die – Stopp! Sei still, Amalie, hör auf, das Letzte zu zerreden, was uns Allen noch bleibt! Sei ganz besonders still, wenn du die Wahrheit sagst!

Man kann nicht still sein. Was wir brauchen, ist nicht käuflich, aber die Profitgier kann es zerstören. Produkte können unsere menschlichen Bedürfnisse sowenig ersetzen, wie Prostitution Liebe ersetzt. Und doch – Kritik zerläuft im Sand. Kritik wird in Zeitungen, im Radio, im Fernsehen, ebenso eiskalt vermarktet wie alles andere auch.

Chancen auf Verbesserung gleich Null?

Unsere Chancen auf Verbesserung scheinen auf Null zu stehen. Also hat sich eine höchst problematische Haltung durchgesetzt – „Die Welt geht unter, na und, ich besauf mich noch mal“, kann man das überspitzt ausdrücken. Wir besaufen uns, mit krankmachenden Lebensmitteln, Alkohol, Zigaretten, Mode, Medien. Nichts im Leben scheint möglich, ohne die Industrie zu bezahlen, die uns soviel genommen oder besser gesagt nie gegeben hat. Wenn das alles so ist, wieso sollen wir aufhören, uns zu besaufen? Kritik geht ohnehin unter, wird noch mit verkauft.

… oder doch nicht?

Würde, um in der überspitzen Darstellung zu bleiben, die Welt auch untergehen, wenn wir uns nicht mehr besaufen? Angenommen, das kollektive Besäufnis wäre vorbei, wir kaufen nur noch, was wir wirklich brauchen. Dann hätten wir erst mal ein dickes Wirtschaftsproblem. Und dann wäre Umdenken gefragt. Veränderung, neue Möglichkeiten, vielleicht doch Verbesserung? Chancen, Achtung vor uns selbst und unseren Mitmenschen zu gewinnen?

Wirtschaftssanktionen für die Industrie

Verbraucher haben Macht und müssen diese zeigen. Kritik kann untergehen oder vermarktet werden. Die Verweigerung von Luxusprodukten kann keiner mehr vermarkten, und keiner bestrafen. Sie wird schon gezwungenermaßen häufiger. Deutschland wird ärmer. Viele Menschen können sich nur noch das Nötigste leisten.

Man kann nur alleine anfangen, und versuchen, Andere zu überzeugen. Das Internet bietet als einem großen Teil der Bevölkerung zugängliches Medium unglaubliche – kostenlose – Chancen.

Seinen Lebensstil zu verändern, überhaupt Veränderung, ist nie leicht. Aber die Aussicht auf ein Leben im kollektiven Besäufnis ist auch alles andere als anziehend. Geldnot hier, Konsumzwang da – ja, und wo ist für uns noch Platz? Wir müssen einfach Raum schaffen, für uns selbst, für die Natur und für Menschlichkeit, auch wenn die Industrie diesen Raum scheinbar felsenfest besetzt hält.


Autor: Amalie für CSN – Chemical Sensitivity Network, 10. August 2009 

SERIE: Gesundheitsvorsorge einfach und billig

Neue strikte Dienstanweisung im Krankenhaus: Parfum, Tops, Miniröcke, Flipflops verboten

Krankenschwestern ab sofort ohne Parfum im Dienst

Neue strikte Dienstanweisung im Krankenhaus: Parfum verboten

Die Leitung des königlichen Krankenhauses in Aberdeen ist dabei, neue strikte Richtlinien hinsichtlich Kleidung und Auftreten des Personals herauszugeben. Das Personal der im östlichen Teil Schottlands befindlichen Klinik hätte jederzeit auch äußerlich ein professionelles Image zu wahren und müsse stets bestrebt sein, Infektionen zu verhindern.

Neben legerer Kleidung wie Tops, Miniröcken, T-Shirts mit Aufdruck, verwaschenen Jeans, durchsichtige Kleidung und Armbanduhren, soll zukünftig auch die Benutzung von Parfum beim Personal untersagt sein. In Kürze wird der Entwurf für diese Dienstanweisung von der Krankenhausleitung nochmals beraten und dann endgültig entschieden.

Literatur: Evening Express, Aberdeen hospital dress code would ban sexy outfits, New strict guidelines for health staff, 04.08.2009

Duftstoffe lassen Asthmatikern, Allergikern und Umweltkranken im Alltag keine Chance

Duftstoffe lassen manchen nur noch die Einsamkeit

Duftstoffe lassen manchen Menschen nur noch die Einsamkeit

Vielen Verbrauchern ist nicht offensichtlich, dass es sich bei synthetischen Duftstoffen um Chemikalien handelt. Den Anwendern ist es völlig unbewusst, dass Duftstoffe viele gesundheitliche Langzeitschäden, wie z. B. Asthma und Allergien verursachen können. Viele in Parfums bzw. parfümierter Kosmetika beinhaltete chemischen Zusätze sind in der Medizin als Auslöser für Krebs, Immunschäden, Kontaktekzeme, neurotoxische Schädigungen, lebenslange Duftstoff-überempfindlichkeit, Genschäden etc., bekannt.

Gesundheitsschäden durch sorglosen Umgang mit Parfum & Co.

Zahlreiche in Parfums, parfümierter Kosmetika sowie in parfümierten Alltagsprodukten zum Einsatz kommenden Inhaltsstoffe / Chemikalien, gelangen durch Aufnahme über die Atemwege sowie über die Haut in den menschlichen Organismus, wo sie sich schleichend im Fettgewebe einlagern können. Sogar in Muttermilch sind manche der Chemikalien nachweisbar.

Parfum, Kosmetika und andere mit Duftstoffen versehene Produkte erlangten in den letzten Jahren bei den Verbrauchern stark zunehmende Beliebtheit. Die Werbetrommel für Aromatherapie, Wellness und Dergleichen wurde in groß angelegten Kampagnen intensiv betrieben, was nun Früchte zu tragen scheint.

Die Verbraucher vermuten sich mit Düften etwas Gutes zu gönnen. Doch dieser Luxus kann viele unangenehme Folgen haben – die Konsumenten wiegen sich in trügerischer Sicherheit. Dass die Anwendung von Parfum negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben könnte, ist der Mehrheit völlig unbekannt.

Derzeit bringt fast jeder Star und jedes Sternchen eine eigene Duftserie auf den Markt – das schafft solches blindes Vertrauen beim Kunden. Doch bekanntlich ist nicht alles Gold was glänzt und der sorglose, wie auch an Intensität zunehmende Umgang mit Duftstoffen, kann für die ahnungslosen Verbraucher schwerwiegende Gesundheitsschäden, mit kaum vorstellbaren Einschränkungen für das ganze weitere Leben zur Folge haben.

Duftstoffe nach Nickel häufigste Auslöser von Allergien

Die Zahl der Duftstoffallergiker nimmt drastisch zu. Duftstoffe zählen nach Nickel zu den häufigsten Auslösern von Allergien. Massive Einschränkungen im persönlichen Lebensumfeld sind die unumgänglichen folgenschweren Konsequenzen einer Duftstoffallergie.

Duftstoffe in der Kritik des UBA

Aus einer Pressemeldung des UBA aus dem Jahr 2004 geht bereits hervor, dass rund 2500 verschiedene Duftstoffe in unseren Alltagsprodukten wie z. B. wie in Wasch- und Reinigungsmitteln, Kosmetikprodukten, Parfum, Raumsprays, Raumluftverbesserern und Duftkerzen, Müll- und Staubsaugerbeutel, aber auch an öffentlichen Plätzen, Räumen, Geschäften durch sogenanntes „Airdesign“, Anwendung finden.

UBA warnt vor Einsatz chemischer und natürlicher Duftstoffe

Aufgrund des starken Allergie-Potentials verschiedener Duftstoffe – das wissenschaftliche Beratungskomitee der Europäischen Union (SCCNFP) hat einige als besonders stark Allergie auslösend eingestuft – empfiehlt das Umweltbundesamt, lieber zu lüften anstatt zu beduften. Das UBA empfiehlt explizit den zurückhaltenden Einsatz von parfümierten Produkten, z. B. der anderenorts so hochgelobten Wellness- und Aromatherapie, wie auch von Duftlampen, Räucherstäbchen und Ähnlichem. Auch gibt das UBA an, dass Menschen mit umweltbezogenen Gesundheitsstörungen, wie z. B. MCS – Multiple Chemikalien Sensitivität, oft stark unter Duftstoffen leiden. Das UBA räumt bestimmten Duftstoffen eine schwere Abbaufähigkeit in der Umwelt sowie ein Anreichern in Umwelt, Mensch und Tier, ein.

Einsatz von chemischen Duftstoffen ohne gesetzliche Grenzen

Da Raumbeduftung über Lüftungsanlagen oder Duftsäulen nicht der Gefahrstoffverordnung unterliegt, sind die Hersteller nicht verpflichtet die Inhaltsstoffe ihrer Duftgemische zu deklarieren. Der Geschäftszweig des Airdesigns bzw. Duftmarketings hat also völlig freie Bahn im Einsatz ihrer chemischen Duftstoffe, sprich Chemikalien, mit denen die ahnungslose Kundschaft in so manchem Geschäft oder Wellness-Tempel usw., oft ohne deren Wissen und Einfluss, konfrontiert wird.

Das UBA empfiehlt im Jahr 2008 in einer Pressemeldung, Wasch- und Reinigungsmittel ohne Duftstoffe zu verwenden und berichtet über die Vermarktung von inzwischen 2500 bis 3000 verschiedenen Duftstoffen durch die Industrie. Das UBA gibt an, dass, wenn der Gehalt der als besonders Allergie auslösenden Duftstoffe (Chemikalien) in Waschmitteln, von 0,01 Prozent überschritten wird, dies durch die Hersteller auf der Verpackung angeben werden muss. Ebenfalls führt das UBA an, dass neben möglichen Kontaktallergien durch Duftstoffe, auch weitere Unverträglichkeiten entstehen können.

Stiftung Warentest zu natürlichen und künstlichen Aromastoffen

Auch die Stiftung Warentest kritisiert künstliche wie auch natürliche Aromastoffe und spricht in ihrem Test aus dem Jahr 2004 von Raumluft-belastenden Chemikalien, beim Einsatz von Duftkerzen und Duftölen in Räumen. Die Raumluftbelastung an Terpenen wurde bei der Anwendung von Duftölen als besonders hoch eingestuft und überschritt den vorgegebenen Richtwert für Terpene in Wohnräumen um ein mehr-hundertfaches. Die Tatsache, dass Duftstoffe flüchtige organische Verbindungen sind, ist den meisten Käufern derartiger Produkte wohl kaum bewusst.

Mögliche Auswirkungen von Duftstoffallergie und MCS unterschätzt

Das Krankheitsbild der Duftstoffallergie hört sich für gesunde Menschen im ersten Moment nicht so schlimm an. Allergien und Unverträglichkeiten haben doch viele, werden manche denken.

Es gibt neben Duftstoffallergikern zunehmend auch mehr MCS-Kranke (Multiple Chemical Sensitivity), die Duftstoffe häufig als Hauptauslöser ihrer Beschwerden bezeichnen. Über die vielen folgeschweren gesundheitlichen und sozialen Konsequenzen einer solchen Duftstoffallergie und / oder Chemikalien-Sensitivität für das weitere eigene Leben, macht sich keiner so recht Gedanken bzw. es ist sich niemand des massiven Ausmaßes bewusst.

Die Realität und der Alltag für diese Personengruppen sind hart

Auf Grund der Tatsache, dass Duftstoffe fast allgegenwärtig sind, ist es für Duftstoffallergiker und Chemikaliensensible kaum noch möglich, am öffentlichen Leben teilzuhaben. Die in gesunden Zeiten möglichen Freizeitaktivitäten werden in unvorstellbarem Ausmaß eingeschränkt.

Weil es jeden treffen kann, sollte man sich Gedanken darüber machen, wie sich das eigene Leben plötzlich ändern und was es tatsächlich bedeuten könnte, wenn auf einmal bspw. Folgendes nicht möglich wäre:

  • Kino- und Theaterbesuch,
  • Einkaufsbummel
  • Weggehen mit Freunden und Bekannten
  • Besuche derjenigen in ihren Wohnungen
  • Mitfahren in anderen PKW’s bzw. in Öffentlichen Verkehrsmitteln
  • Vereinssport oder Fitnessstudio
  • Essengehen im Lieblingsrestaurant
  • Faulenzen am Strand oder Baggersee

Nicht zu verschweigen, sogar der Besuch einer öffentlichen Toilette wird zum Alptraum, weil diese zumeist mit bedufteten WC-Steinen oder automatischen Duftspendern ausgestattet sind.

Wenn Selbstverständliches zum Gesundheitsproblem wird

Vieles das für andere selbstverständlich ist, wird für Duftstoffallergiker und Chemikaliensensible zum Problem.

Einige Beispiele aus dem Alltag:

Die Betätigung der Wischanlage im Auto: Durch die zugesetzten Duftstoffe in Scheibenreinigungs- und Frostschutzmittel kann dies zur Qual werden und möglicherweise einen Asthma-Anfall, starken Schwindel, Migräne und vieles mehr auslösen.

Duftstoffe von Kollegen am Arbeitsplatz: Sie können zum unüberwindbaren Hindernis werden. Das kann sogar bedeuten, dass man den Job aufgeben muss. Und das „nur“, weil man plötzlich hochallergisch und in unvorstellbarer Intensität, mit starken Gesundheitsbeschwerden auf Duftstoffe reagiert.

Die gemeinschaftlich genutzte Waschküche im Mietshaus: Sie kann nicht mehr betreten werden, weil die Chemikaliengerüche der durch die Mitbewohner benutzten Waschmittel- und Weichspüler und Trocknertücher Gesundheitsreaktionen hervorrufen.

Aufenthalte auf Balkon oder Terrasse: Plötzlich unmöglich, wenn der Nachbar seine duftende Wäsche aufgehängt hat oder Duftkerzen verwendet.

Der Gang durchs Treppenhaus zur eigenen Wohnung: Wegen der Ausdünstungen aus der Waschküche eskaliert er zum Spießrutenlaufen.

Einbuße der Lebensqualität bei Duftstoffallergikern und MCS-Kranken

Richtig vorstellen, was es heißt ein Leben als Duftstoffallergiker oder MCS-Patient führen zu müssen, können sich gesunde Menschen höchstwahrscheinlich nicht. Die zuvor beschriebenen Auswirkungen von Chemikaliensensitivität und Duftstoffüberempfindlichkeit auf die eigene Lebensqualität sind wirklich enorm.

Der Gesetzgeber ist gefragt zeitnah dafür Sorge zu tragen, dass krankmachende Produkte aus den Regalen verschwinden. Im Hinblick darauf, dass es jeden treffen kann, wäre man sicherlich gut beraten das eigene Konsumverhalten von Duftstoffen kritisch zu überdenken und sich zu überlegen, ob der Gebrauch dieser Alltagschemikalien tatsächlich notwendig ist. Schließlich gibt es mittlerweile viele unparfümierte Produkte, die die eigene Gesundheit aber auch die der Mitmenschen, sozusagen ohne Aufwand äußerst positiv und nachhaltig beeinflussen können.

Autor: Maria, CSN – Chemical Sensitivity Network, 5. August 2009

taz Panter Preis 2009 – Jetzt Stimme abgeben: Umweltkranke und Chemikaliengeschädigte unterstützen

Unermütlicher Einsatz für Menschen die durch Chemikalien erkrankten

Nominiert für den taz Panter Preis 2009

Silvia K. Müller, CSN, und Dr. Peter Binz, Neurologe aus Trier, sind für den diesjährigen taz Panterpreis nominiert. Ihr Engagement gilt seit vielen Jahren Menschen, die durch Chemikalien auf ihrem Arbeitsplatz, durch Wohngifte in ihrem Haus oder anderweitige Chemikalienexposition erkrankten. Viele dieser Erkrankten leiden dadurch unter MCS – Multiple Chemical Sensitivity, einer Hypersensibiltät auf Chemikalien. Sie reagieren auf geringste Spuren von Alltagschemikalien und müssen deshalb oft sozial vollig isoliert leben. Die seit den Vierziger Jahren bekannte Krankheit betrifft mindestens 10% der Bevölkerung (internationale Studien sprechen von 10-30%), sie wird jedoch weitgehend verschwiegen und bagatellisiert. Von Behörden, Insitutionen und Versicherungen bekommen Menschen, die durch Chemikalien erkrankten, in den seltensten Fällen Hilfe, im Gegenteil, man rückt ihre Beschwerden häufig sogar mit Kalkül in Richtung Psyche, um so auf subtile Weise Ansprüche abzuwehren. Die taz berichtete in ihrem Artikel „Gegen Gifte, die das Hirn zerfressen“ über die Arbeit und die Beweggründe der beiden Nominierten.

Jetzt an der Wahl der Preisträger beteiligen

Stimme für Umweltkranke und Chemikaliengeschädigte abgeben

Die LeserInnenwahl für den taz Panter Preis hat am Samstag, den 1. August 2009, begonnen. Bis zum 29. August 2009 ist es möglich, das Projekt zu wählen, das einem am Wichtigsten erscheint. Jeder kann mitmachen, man muss dazu kein taz Abonennt sein. Auch Stimmen aus dem Ausland sind zulässig.

Die Nominierten >>> Panter Preis 2009

taz Präsentation >>> Bericht über Silvia K. Müller und Dr. Peter Binz

Bericht im CSN Blog >>> Nominiert für den taz Panther Preis: Silvia K. Müller – CSN und Neurologe Dr. Peter Binz

Man kann online oder per Briefpost abstimmen. Jeder kann nur einmal wählen. Es zählen nur Stimmabgaben, die mit Absender versehen sind. Es ist möglich, dass mehrere Personen aus einem Haushalt unter Angabe des vollen Namens abstimmen.

Wer Silvia K. Müller und Dr. Peter Binz wählen möchte, klickt online die Namen über dem Adressfeld im taz Formular an, und wer per Post abstimmt, schreibt einfach die beiden Namen und seine eigene Adresse auf eine Karte (ohne ist ungültig).

Online Stimme abgeben >>> taz Panterpreis

Die Postadresse der taz:

taz, Rudi-Dutschke-Straße 23, 10969 Berlin

Preisverleihung taz Panter Preis 2009

Der taz Panter Preis wird am 19. September in der Komischen Oper Berlin verliehen. Es gibt zwei Preise, die verliehen werden, einen, den die taz Jury vergibt und einen, bei dem die Leser die Entscheidung treffen. Die Nominierten haben also eine doppelte Chance, den Preis zu erhalten. Die Gewinner und Gewinnerinnen des taz Panter Preises werden auf der Preisverleihung bekannt gegeben.

taz Panter Preis - CSN und Umweltmediziner nominiert

Wir würden uns freuen, wenn Sie mit Ihrer Stimme das Engagement von Silvia K. Müller und Dr. Peter Binz, und damit Menschen die durch Chemikalien erkrankten, unterstützen.

Für Brigitte. Chemical Sensitivity – Eine Krankheit, die ein Zeichen für uns alle setzt

Menschen mit MCS wollen akzeptiert werden - Sie wollen leben

Die nachstehenden Seiten informieren über die Krankheit, an deren Folgen Brigitte S. starb. Sie dienen zur Information, zum Verständnis und tragen zum Andenken an Brigitte bei.

Wir können und wollen nicht akzeptieren, dass liebe Mitmenschen so aus dem Leben scheiden müssen.

„Wir verstehen das Leid, dass Du mitgemacht hast und wünschen Dir Frieden.“

CSN – Chemical Sensitivity Network

Chemical Sensitivity – Eine Krankheit, die ein Zeichen für uns alle setzt

Es war im Jahr 1945, als die erste Veröffentlichung über Menschen, die plötzlich auf minimale Spuren von Alltagschemikalien reagierten, mit denen sie zuvor keine Probleme hatten, in einer medizinischen Fachzeitschrift für Allergologen in den USA erschien. Theron Randolph, der Autor des Artikels, stand damals noch in den Anfängen seiner Beobachtungen, doch lernte er durch seine Patienten rasch hinzu.

Das Schlüsselerlebnis

Randolph’s in Fallbeschreibung aus dem Jahr 1947:

Eine 41jährige Kosmetikverkäuferin, die Frau eines Arztes, litt unter häufigen Kopfschmerzen, chronischer Erschöpfung, ständigem Schnupfen, Ausschlag, Irritiertheit, etc. Jedes Mal, wenn sie Nagellack auftrug, bekam sie spontan Ödeme und Ausschlag an den Augenlidern. Sie hatte ganz offensichtlich eine Hypersensitivität gegenüber Parfums, Kosmetika mit Duftstoffen und vielen Medikamenten.

Das Spektrum der Substanzen, auf die die Frau Reaktionen entwickelte, weitete sich immer weiter aus. Randolph berichtet, dass diese Frau beispielsweise jedes Mal, wenn sie zu ihm nach Chicago zur Behandlung fuhr, akuten Husten, Asthmaanfälle und Kopfschmerzen bekam, wenn sie eine Gegend im nördlichen Indiana erreichte, in der eine große Ölraffinerie ihren Stützpunkt hatte. An nebligen oder regnerischen Tagen ging es ihr noch schlechter, weil die Emissionen der Ölraffinerie nach unten gedrückt wurden.

Auch auf Autoabgase, insbesondere Dieselabgase, reagierte die ehemalige Kosmetikverkäuferin sehr stark. So konnte sie im Hotel nur im obersten Stockwerk übernachten, wo sie keinen Abgasen ausgesetzt war. Hielt sie sich im zwanzigsten Stock des Hotels auf, verbesserte sich ihr Zustand innerhalb vierundzwanzig Stunden. Hielt sie sich im Parterre des Hotels auf, ging es ihr zunehmend schlechter. Randolph musste zusehen, wie sich die Gesundheit der Frau zunehmend verschlechterte. Sie bekam Phasen, in denen sie wie betrunken herum torkelte und das Bewusstsein verlor. Dreimal lief sie in einen Wagen in einem solchen Zustand.

Karenz – doch wie und wo?

Der Allergologe Randolph verschrieb eine möglichst weiträumige Karenz gegenüber allen Auslösern der Reaktionen, die ihm und der Patientin bekannt waren, und siehe da, die Frau stabilisierte sich und Randolph war klar, dass Vermeidung ein Grundpfeiler der Behandlung von Patienten sein musste, die besondere Empfindlichkeit gegenüber Alltagschemikalien zeigten.

Theron Randolph, der Autor dieses Fallberichtes, stand damals noch in den Anfängen seiner Beobachtungen, die er im weiteren Verlauf intensivierte und die er 1962 im ersten Buch über die Krankheit Chemikalien-Sensitivität ausführlich darlegte. Wenig später sollte der Allergologe die erste Umweltklinik weltweit gründen. Diese Klinik hatte sehr streng kontrollierte Umweltbedingungen, die bis heute in ihrer Perfektion nicht oft erreicht wurden. In Deutschland gibt es bis heute keine Umweltklinik mit solchen Umweltbedingungen, wie sie Randolph damals schon als essentiell erachtete.

Der Aufschrei blieb bis heute aus

Eigentlich hätte mit Erscheinen von Randolphs erstem Buch und seinen vielen damaligen Publikationen in medizinischen Zeitschriften ein Aufschrei erfolgen müssen, und gleichzeitig hätte die Medizin beginnen müssen, diese anschaulich vermittelten Erkenntnisse in die Praxis einfließen zu lassen. Doch weit gefehlt, nichts geschah, denn man befand sich gerade im Rausch der Möglichkeiten, die ständig neu auf den Markt kommende Chemikalien boten. Nylonstrümpfe, Haarspray, Nagellack, Putzmittel, die im Nu jeden Fleck tilgen, erste synthetische Parfums, wetterfeste Farben und wunderschöne chromblitzende, benzinfressende Straßenkreuzer, die Statussymbol einer ganzen Ära wurden.

Das Wirtschaftwunder hatte sich seinen Weg gebahnt und wollte nicht durch Menschen gestört werden, die auf das „Wunder Chemie“ reagierten, welches einer aufstrebenden Industrie größten Profit versprach. Man wollte den Zweiten Weltkrieg vergessen, man wollte leben, das Leben in vollen Zügen genießen.

Seit der damaligen Zeit ist die Zahl der auf dem Markt befindlichen Chemikalien rasant angestiegen, man geht von über 70.000 Chemikalien aus, mit denen wir uns umgeben. Eine Welt ohne synthetische Chemikalien ist undenkbar geworden. Wir profitieren davon, müssen aber längst die Kehrseite der Medaille bezahlen, wie durch Chemikalien induzierte Krankheiten beweisen.

Wissenschaftler in den USA gehen davon aus, dass bereits zwischen 15 – 30 % der Allgemeinbevölkerung, darunter versteht man Personen, die nicht am Arbeitsplatz geschädigt wurden, leicht bis mittelschwer und 4 – 6 % schwer auf Alltagschemikalien, wie z.B. Parfum, Zigarettenrauch, frische Wandfarbe, Duftstoffe, Zeitungsausdünstungen, Autoabgase, etc. mit vielfältigen Symptomen reagieren. Die Krankheit kann schwere Ausmaße erreichen. Eine wissenschaftliche Studie, die im September 2003 in der Zeitschrift Environmental Health Perspectives erschien, belegt, dass 12,6% der Gesamtbevölkerung in den USA unter Chemikalien-Sensitivität (MCS) leiden. Von dieser Bevölkerungsgruppe die eine Hypersensitivität auf Chemikalien haben, laut dem Wissenschaftlerteam, 13,5% (oder 1,8% des gesamten Kollektivs) wegen der Erkrankung ihren Job verloren.

Um eine Vorstellung zum Ausmaß der Krankheit zu geben: Umgerechnet auf die US Gesamtbevölkerung leiden demnach rund 36,5 Millionen Amerikaner an MCS und mehr als 5,2 Millionen, das sind etwa 1,8% der Gesamtbevölkerung, können infolgedessen ihren Arbeitsplatz aufgrund ihrer Chemikalien-Sensitivität verlieren. Studien über die Situation in Deutschland gibt es nicht.

Das Endstadium einer MCS

Im Endstadium der Erkrankung kämpfen Betroffene täglich rund um die Uhr um ihr Überleben. Sie finden oftmals keinen Ort mehr, an dem ihr Körper zu Ruhe kommt, sprich symptomfrei ist. Das Nervensystem ist bei ihnen häufig so stark geschädigt, dass Chemikalien in allergeringster Konzentration ausreichen, um schwerste Reaktionen und Anfälle, auch Bewusstlosigkeit auszulösen. Als Vergleich zu den in Mitleidenschaft gezogenen Nerven kann man sich ein beschädigtes Starkstromkabel vorstellen, das bei jeder Berührung einen Kurzschluss verursacht. Nichts funktioniert mehr.

In den USA lebte eine junge Medizinstudentin namens Cindy Duering. In ihrem Studentenapartment wurden in ihrer Abwesenheit Pestizide gegen Schädlinge versprüht. Die Schädlingsbekämpfer behandelten sogar ihre Kleidung. Die junge Frau hatte keinen Schimmer, in welcher Gefahr sie schwebte, als sie ihr Apartment nach dem Einsatz wieder betrat und darin lebte. Sie brach zusammen, konnte nicht mehr weiter studieren und musste in einem speziell für sie errichteten Haus leben. Sie kämpfte täglich um ihr Überleben und versuchte trotz schwerster Reaktionen, ihrer Krankheit auf den Grund zu gehen. Sie gründete mit einer anderen Frau zusammen eine Organisation, die sich fortan für die Rechte der MCS Erkrankten einsetzte und sie beschaffte sich medizinische Studien, trat mit Wissenschaftlern in Kontakt, um Licht ins Dunkel zu bringen. Cindy Duering schrieb viele Artikel, in denen sie den Erkrankten die medizinischen Aspekte der Erkrankung vermittelte.

Ihre Krankheit verschlimmerte sich, trotz, dass sie hermetisch abgeriegelt in einem schadstofffreien Haus mit Luftfiltern lebte. Die Schädigung schritt fort, und eine bekannte amerikanische Ärztin und Wissenschaftlerin sagte einmal weinend: „Wir hätten alles für sie getan, ohne auch nur einen Cent dafür zu verlangen. Sie hat so sehr gekämpft, sie war so brillant, in dem was sie schrieb, es wäre uns eine Ehre gewesen. Aber ihr Zustand war so schwerwiegend, dass man sie bildlich gesehen, auf einen anderen Planeten hätte verfrachten müssen, und selbst das wäre ungewiss gewesen.“

Cindy Duering bekam für ihre außerordentlichen Leistungen den Alternativen Nobelpreis verliehen. Ihr Mann nahm ihn in Stockholm für sie entgegen. Cindy war in einem Zustand der Hypersensitivität. Ihr Mann konnte nur alle paar Tage durch den Briefschlitz mit ihr kommunizieren, weil er von seiner Arbeit Stoffe ausdünstete, die bei ihr Anfälle auslösten. Es sollte noch schlimmer kommen. Cindy bekam durch die fortschreitende Nervschädigung nun schon Anfälle, wenn ein Geräusch auftrat. Das Klingeln des Telefons, sogar ihre eigene Stimme hinterließ sie in stunden bis tage-lang anhaltenden Krämpfen und schwersten Schmerzen. Sie konnte nur noch durch Schreiben auf ein Stück Pergamentpapier mit Bleistift mit anderen kommunizieren. Dann ging auch das nicht mehr, denn es löste Anfälle aus.

Die junge Frau, der einst die Welt der Medizin offen stand, starb an ihrer MCS und den toxischen Schäden, die Organophosphat-Pestizide hinterlassen hatten. Der Zustand von Cindy Duering kommt dem von Brigitte nahe. Auch ihr Körper reagierte auf immer mehr und zum Schluss reichte das Zirpen einer Grille in weiter Entfernung, das Auftreffen von Wind auf ihrer Haut, um schwerste kaskadenartige Schmerzzustände und Anfälle auszulösen. Ist dieser Punkt – Point of no Return – erreicht, gibt es kein zurück. Kein Arzt ist in der Lage zu helfen. Medikamente führen nur zu weiterer Verschlechterung, unerträglichen Schmerzen und Leiden, weil auch sie aus Chemikalien bestehen.

Verständnis, Akzeptanz und Prävention

Cindy und Brigitte sind keine Einzelfälle, sie gehören zu den wenigen Fällen, die bekannt wurden, Sie setzen ein Zeichen, dass wir sorgsamer mit Chemikalien umgehen müssen. Wir sind als Menschen dort angelangt, wo wir Chemikalien-Sensitivität nicht mehr ignorieren oder als Hysterie, psychische Störung oder ähnliches abtun sollten. Akzeptieren, dass es innerhalb unserer Gesellschaft Menschen gibt, die den Tribut für den sorglosen Umgang mit toxischen Chemikalien zahlen, könnte ein Beitrag sein, den jeder von uns leisten kann. Chemikaliensensible Menschen, die in allen industrialisierten Ländern anzutreffen sind, Verständnis und Hilfe entgegenbringen und sie als Zeichen sehen, dass darauf hinweist, dass wir präventiv agieren und über Risiken aufklären müssen, wäre zum Wohle aller, vor allem der kommenden Generationen.

Für Brigitte.

Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, Juli 2009