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Möge es für Brigitte sein…im Nachhinein…dass sich etwas ändert

Für Brigitte

Für Brigitte: Auszüge aus „Die Glasprinzessin – Leben mit MCS“

Wann begann eigentlich die Zeit der „Glasprinzessin“?

Fing es nicht schon in der Kindheit an?

Und die Zeit der vielen Fragen begann: Wann oder wo kam sie mit Stoffen in Kontakt, die ihr derart geschadet haben, so dass sie zur Glasprinzessin wurde? Es könnten unzählige gewesen sein, die ihr körperliches System derart „aus der Fassung“ brachten.

Nun ja, die Ursache herauszufinden schien nicht so wichtig, es kam eher darauf an mit den Auswirkungen zu leben.

Und so fing das Leben des Abgeschiedenseins auch ganz allmählich an:

Der Knackpunkt vor vielen Jahren. Schuhe, die mit einem Wildlederspray eingesprüht waren und nach dem Tragen dieser Schuhe stechende Schmerzen in den Kniegelenken und Armbeugen und am nächsten Tag große Blasen am Körper, beginnend von den Füßen über die Beine, Bauch, Arme bis unter die Brust. Dort hörte es auf.

Die vielen Besuche bei Medizinern wiesen auf eine Hautvergiftung hin, sehr gefährlich, aber niemand brachte es mit dem Schuhspray in Verbindung. Eine Heilpraktikerin glaubte ihr und riet ihr, mit Heilerde innerlich und äußerlich zu entgiften, viel zu trinken und sie nie mehr (!!!) mit solchen Stoffen zu umgeben.

Nun das war der Anfang, der Anfang vom Rückzug, aber die Glasprinzessin wusste noch nichts davon, was in ihrem eh schon immungeschwächten Körper vor sich gegangen war, dass sie solche Stoffe nicht mehr abwehren konnte.

Nach einiger Zeit funktionierten die Bronchien nicht mehr. Sie konnte nachts nicht mehr atmen, sie litt unter Spannungsschmerzen im Brustraum und musste die Arme ganz weit auseinander machen, um noch Luft zu bekommen.

Wiederum sagten die Mediziner – „das könne nicht sein“ – und machten einen Lungenfunktionstest. Er war viel zu schwach und so bekam sie ein Inhalationsspray. Das verbesserte die Sache aber nicht, sondern der Hals ging zu und die Schleimhäute trockneten aus.

Was war diesmal die Ursache?

Ein Jahr später wusste sie es, denn ein solches Versagen löste einen Forschungsdrang in ihr aus. Ein Insektizid mit dem Namen „Bio-Pyrethrum“ war in die Steckdose gesteckt worden zum Vertreiben der Mücken. Der toxische Stoff wurde frei und…

Es kam bald die Zeit, wo sie sich in beheizten Räumen nicht mehr aufhalten konnte, schon gar nicht, wenn Menschen anwesend waren.

Es begann immer auf die gleiche Weise: Kribbeln im Gesicht, hochroter Kopf, dann Herzrasen, Anschwellen der Augen und Schleimhäute und dann Atemnot.

An der frischen Luft wurde es wieder besser.

Zum ersten Mal kam dann der Begriff „M E I D E N“ auf von einer Ärztin.

Der Rat: Meiden sie Stoffe und Orte, auf die ihr Körper reagiert, wenn sie einigermaßen leben möchten und nicht immer schlimmer erkranken wollen.

Einige Zeit später begann die Leber, das Entgiftungsorgan, nicht mehr zu „funktionieren“. Sie schwoll jedes Mal an, wenn sie irgendwo mit Menschen zusammen war. Da die Glasprinzessin die Menschen liebte und gerne mit anderen zusammen war, traf sie sich öfters mit ihnen. Aber nun ging es weiter bergab in einem Kreislauf von Schmerzen, Anschwellen der Leber, Atemnot und Depressionen.

Nach jedem Kontakt mit Menschen die gleichen Reaktionen…

Die Glasprinzessin erinnerte sich daran, dass in einem Raum, wo sie sich viele Jahre mit Freunden traf, immer so ein Geruch von stechendem, sauerem Gas war. Nun wurde ein Umwelt-Analytiker damit beauftragt, eine Untersuchung vorzunehmen. Das Ergebnis: Die Deckenplatten waren sehr belastet mit Formaldehyd, weit über die Grenzwerte für Gesunde hinaus.

Sie begann nun, um von den Symptomen wegzukommen, sich gänzlich zurückzuziehen, aber das war ein schwerer Entschluss

Eines Tages las sie in einer Zeitschrift von einer Frau, die fast die gleichen Symptome hatte wie sie. Diese war in einer Fachklinik untersucht worden. Die Diagnose lautete: M C S.

Was war denn das?

MCS – eine sogenannte Multiple Chemikalien-Sensitivität.

So plante die Glasprinzessin auch die Reise in den Norden in diese Klinik und auch sie bekam ihre „Glashausdiagnose“: MCS.

Nun war es klar wie Glas – und die Umstellung begann.

Sie begann zu lesen über all diese Dinge – sie begann damit Erfahrungen auszutauschen mit anderen Glasprinzessinnen und Prinzen und erkannte, dass sie nicht alleine war mit dieser Diagnose.

Das war zwar ein Trost – trotzdem begann nun der Rückzug.

Sie fand ein altes Haus im Wald und zog mit ihrem Mann dorthin.

Sie stellte alles um: Nahrung – Körperpflege – Raumpflege – ja, das gesamte Umfeld. Das 300 Jahre alte Lehmfachwerkhaus war Teil eines Hofgutes und gehört einem alten Baron. Sie war sooo dankbar, es gefunden zu haben.

Aber auch da gab es mit der Zeit viele Herausforderungen und sie wurde dann auch noch elektrosensibel und konnte von da an kein TV, kein Radio, kaum ans Telefon und kaum noch kochen.

Viele von uns können nicht länger als 3-5 Minuten telefonieren, können nicht einmal mehr das Papier zum Schreiben tolerieren. Man kann sich mit keinem mehr treffen, weil fast jeder nach irgendetwas duftet, oder Chemie ausdünstet durch die Kleidung etc.

Was könnte man als Trost vermitteln und welche Hoffnung gibt es?

Die Glasprinzessin fasst es so zusammen:

  • „Wirklich rechtzeitig die Kurve kratzen“, um es mal mit Humor zu sagen.

Das bedeutet im Klartext:

  • Nicht erst warten, bis es immer schlimmer wird, bis man immer weniger verträgt, bis man nur noch mit Sauerstoff auskommt, sondern rechtzeitig alles meiden, was Symptome hervorruft…auch, wenn es noch so schwer fällt.

Und noch etwas ganz Wichtiges:

  • Intoleranz gegenüber MCS Betroffenen führt zu vermehrtem Leid und macht sie auch nicht gesünder. Im Gegenteil: Sie müssen sich immer mehr zurückziehen, um sich nicht auch noch seelischen Schmerzen auszusetzen
  • Deshalb lasst sie bitte so leben, wie sie noch können
  • Sagt ihnen nicht „sie sollen dieses oder jenes ausprobieren“, das haben sie alle schon getan, bevor sie sich zurückzogen
  • Habt Verständnis, behandelt sie liebevoll und vor allem:
  • GLAUBT IHNEN IHRE GESCHICHTE und ihre täglichen Erfahrungen
  • Seid bitte keine Ignoranten und helft ihnen, indem ihr sie akzeptiert.

Wenn ihr möchtet, gebt ihnen das, was sie wirklich brauchen: Schadstoffarme Luft, gute Nahrung und unbelastete Kleidung.

Das Hauptanliegen der Glasprinzessin ist, die Öffentlichkeit auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die Ärzte aufzuklären und die Krankenkassen wissen zu lassen, dass M C S genauso eine organische Krankheit ist wie Krebs, Multiple Sklerose oder Aids.

Wir bilden uns das nicht ein

Denn wer begibt sich freiwillig in die Isolation? Wer lebt im Winter freiwillig in einem Zelt im Wald? Wer geht freiwillig nicht mehr in Restaurants oder zum Essen? Nicht mehr zum Einkaufen? Nicht mehr zum Friseur, zur Post oder zur Massage?

Wer sieht denn freiwillig seine Familie, die Kinder und Enkelkinder nicht mehr (höchstens im Sommer im Freien mit genügend Abstand)? Wer teilt denn freiwillig nicht mehr mit seinem lieben Ehepartner das Zimmer (nur wenn dieser bei der Arbeit mit Stoffen in Verbindung kam, die für den MCS Kranken lebensgefährlich sind)?

Ja, wer würde das alles freiwillig tun?

Wir würden alle wieder sehr gerne aus unseren Glaspalästen herauskommen, wenn das in dieser Welt möglich wäre. Aber wir sind auch realistisch genug und sprechen aus jahrelanger Erfahrung:

Es wird in dieser umweltverschmutzten Welt wohl nicht mehr gehen.

Und so ging es auch unserer lieben Brigitte:

Sie konnte es vor Schmerzen und Qualen nicht mehr ertragen. Von Ort zu Ort zu fahren und zu spüren, auch da halte ich es nicht mehr aus.

Bei den 3 Telefongesprächen, die ich mit ihr führte, als sie in Fulda war, klang nur ein Ruf nach Hilfe, ein Ruf nach sauberer Luft, ein Ruf nach Ruhe, ein Ruf nach einem Leben ohne die vielen schrecklichen Symptome.

Ich wollte ihr so gerne helfen, sie hierher in den Wald holen, aber es war leider zu spät. Es tut weh und es macht unendlich traurig…

Aber wir kämpfen weiter, um menschenwürdige Behandlung, um menschenwürdige Wohnmöglichkeiten für uns Betroffene.

Wie können nie wissen, wann wir unseren Wohnraum nicht mehr tolerieren, wann wir auf Reisen gehen müssen und eine Notunterkunft brauchen…

Möge es für Brigitte sein…im Nachhinein…dass sich etwas ändert.

Mona, die Glasprinzessin für Brigitte, Juli 2009

Für Brigitte. Chemical Sensitivity – Eine Krankheit, die ein Zeichen für uns alle setzt

Menschen mit MCS wollen akzeptiert werden - Sie wollen leben

Die nachstehenden Seiten informieren über die Krankheit, an deren Folgen Brigitte S. starb. Sie dienen zur Information, zum Verständnis und tragen zum Andenken an Brigitte bei.

Wir können und wollen nicht akzeptieren, dass liebe Mitmenschen so aus dem Leben scheiden müssen.

„Wir verstehen das Leid, dass Du mitgemacht hast und wünschen Dir Frieden.“

CSN – Chemical Sensitivity Network

Chemical Sensitivity – Eine Krankheit, die ein Zeichen für uns alle setzt

Es war im Jahr 1945, als die erste Veröffentlichung über Menschen, die plötzlich auf minimale Spuren von Alltagschemikalien reagierten, mit denen sie zuvor keine Probleme hatten, in einer medizinischen Fachzeitschrift für Allergologen in den USA erschien. Theron Randolph, der Autor des Artikels, stand damals noch in den Anfängen seiner Beobachtungen, doch lernte er durch seine Patienten rasch hinzu.

Das Schlüsselerlebnis

Randolph’s in Fallbeschreibung aus dem Jahr 1947:

Eine 41jährige Kosmetikverkäuferin, die Frau eines Arztes, litt unter häufigen Kopfschmerzen, chronischer Erschöpfung, ständigem Schnupfen, Ausschlag, Irritiertheit, etc. Jedes Mal, wenn sie Nagellack auftrug, bekam sie spontan Ödeme und Ausschlag an den Augenlidern. Sie hatte ganz offensichtlich eine Hypersensitivität gegenüber Parfums, Kosmetika mit Duftstoffen und vielen Medikamenten.

Das Spektrum der Substanzen, auf die die Frau Reaktionen entwickelte, weitete sich immer weiter aus. Randolph berichtet, dass diese Frau beispielsweise jedes Mal, wenn sie zu ihm nach Chicago zur Behandlung fuhr, akuten Husten, Asthmaanfälle und Kopfschmerzen bekam, wenn sie eine Gegend im nördlichen Indiana erreichte, in der eine große Ölraffinerie ihren Stützpunkt hatte. An nebligen oder regnerischen Tagen ging es ihr noch schlechter, weil die Emissionen der Ölraffinerie nach unten gedrückt wurden.

Auch auf Autoabgase, insbesondere Dieselabgase, reagierte die ehemalige Kosmetikverkäuferin sehr stark. So konnte sie im Hotel nur im obersten Stockwerk übernachten, wo sie keinen Abgasen ausgesetzt war. Hielt sie sich im zwanzigsten Stock des Hotels auf, verbesserte sich ihr Zustand innerhalb vierundzwanzig Stunden. Hielt sie sich im Parterre des Hotels auf, ging es ihr zunehmend schlechter. Randolph musste zusehen, wie sich die Gesundheit der Frau zunehmend verschlechterte. Sie bekam Phasen, in denen sie wie betrunken herum torkelte und das Bewusstsein verlor. Dreimal lief sie in einen Wagen in einem solchen Zustand.

Karenz – doch wie und wo?

Der Allergologe Randolph verschrieb eine möglichst weiträumige Karenz gegenüber allen Auslösern der Reaktionen, die ihm und der Patientin bekannt waren, und siehe da, die Frau stabilisierte sich und Randolph war klar, dass Vermeidung ein Grundpfeiler der Behandlung von Patienten sein musste, die besondere Empfindlichkeit gegenüber Alltagschemikalien zeigten.

Theron Randolph, der Autor dieses Fallberichtes, stand damals noch in den Anfängen seiner Beobachtungen, die er im weiteren Verlauf intensivierte und die er 1962 im ersten Buch über die Krankheit Chemikalien-Sensitivität ausführlich darlegte. Wenig später sollte der Allergologe die erste Umweltklinik weltweit gründen. Diese Klinik hatte sehr streng kontrollierte Umweltbedingungen, die bis heute in ihrer Perfektion nicht oft erreicht wurden. In Deutschland gibt es bis heute keine Umweltklinik mit solchen Umweltbedingungen, wie sie Randolph damals schon als essentiell erachtete.

Der Aufschrei blieb bis heute aus

Eigentlich hätte mit Erscheinen von Randolphs erstem Buch und seinen vielen damaligen Publikationen in medizinischen Zeitschriften ein Aufschrei erfolgen müssen, und gleichzeitig hätte die Medizin beginnen müssen, diese anschaulich vermittelten Erkenntnisse in die Praxis einfließen zu lassen. Doch weit gefehlt, nichts geschah, denn man befand sich gerade im Rausch der Möglichkeiten, die ständig neu auf den Markt kommende Chemikalien boten. Nylonstrümpfe, Haarspray, Nagellack, Putzmittel, die im Nu jeden Fleck tilgen, erste synthetische Parfums, wetterfeste Farben und wunderschöne chromblitzende, benzinfressende Straßenkreuzer, die Statussymbol einer ganzen Ära wurden.

Das Wirtschaftwunder hatte sich seinen Weg gebahnt und wollte nicht durch Menschen gestört werden, die auf das „Wunder Chemie“ reagierten, welches einer aufstrebenden Industrie größten Profit versprach. Man wollte den Zweiten Weltkrieg vergessen, man wollte leben, das Leben in vollen Zügen genießen.

Seit der damaligen Zeit ist die Zahl der auf dem Markt befindlichen Chemikalien rasant angestiegen, man geht von über 70.000 Chemikalien aus, mit denen wir uns umgeben. Eine Welt ohne synthetische Chemikalien ist undenkbar geworden. Wir profitieren davon, müssen aber längst die Kehrseite der Medaille bezahlen, wie durch Chemikalien induzierte Krankheiten beweisen.

Wissenschaftler in den USA gehen davon aus, dass bereits zwischen 15 – 30 % der Allgemeinbevölkerung, darunter versteht man Personen, die nicht am Arbeitsplatz geschädigt wurden, leicht bis mittelschwer und 4 – 6 % schwer auf Alltagschemikalien, wie z.B. Parfum, Zigarettenrauch, frische Wandfarbe, Duftstoffe, Zeitungsausdünstungen, Autoabgase, etc. mit vielfältigen Symptomen reagieren. Die Krankheit kann schwere Ausmaße erreichen. Eine wissenschaftliche Studie, die im September 2003 in der Zeitschrift Environmental Health Perspectives erschien, belegt, dass 12,6% der Gesamtbevölkerung in den USA unter Chemikalien-Sensitivität (MCS) leiden. Von dieser Bevölkerungsgruppe die eine Hypersensitivität auf Chemikalien haben, laut dem Wissenschaftlerteam, 13,5% (oder 1,8% des gesamten Kollektivs) wegen der Erkrankung ihren Job verloren.

Um eine Vorstellung zum Ausmaß der Krankheit zu geben: Umgerechnet auf die US Gesamtbevölkerung leiden demnach rund 36,5 Millionen Amerikaner an MCS und mehr als 5,2 Millionen, das sind etwa 1,8% der Gesamtbevölkerung, können infolgedessen ihren Arbeitsplatz aufgrund ihrer Chemikalien-Sensitivität verlieren. Studien über die Situation in Deutschland gibt es nicht.

Das Endstadium einer MCS

Im Endstadium der Erkrankung kämpfen Betroffene täglich rund um die Uhr um ihr Überleben. Sie finden oftmals keinen Ort mehr, an dem ihr Körper zu Ruhe kommt, sprich symptomfrei ist. Das Nervensystem ist bei ihnen häufig so stark geschädigt, dass Chemikalien in allergeringster Konzentration ausreichen, um schwerste Reaktionen und Anfälle, auch Bewusstlosigkeit auszulösen. Als Vergleich zu den in Mitleidenschaft gezogenen Nerven kann man sich ein beschädigtes Starkstromkabel vorstellen, das bei jeder Berührung einen Kurzschluss verursacht. Nichts funktioniert mehr.

In den USA lebte eine junge Medizinstudentin namens Cindy Duering. In ihrem Studentenapartment wurden in ihrer Abwesenheit Pestizide gegen Schädlinge versprüht. Die Schädlingsbekämpfer behandelten sogar ihre Kleidung. Die junge Frau hatte keinen Schimmer, in welcher Gefahr sie schwebte, als sie ihr Apartment nach dem Einsatz wieder betrat und darin lebte. Sie brach zusammen, konnte nicht mehr weiter studieren und musste in einem speziell für sie errichteten Haus leben. Sie kämpfte täglich um ihr Überleben und versuchte trotz schwerster Reaktionen, ihrer Krankheit auf den Grund zu gehen. Sie gründete mit einer anderen Frau zusammen eine Organisation, die sich fortan für die Rechte der MCS Erkrankten einsetzte und sie beschaffte sich medizinische Studien, trat mit Wissenschaftlern in Kontakt, um Licht ins Dunkel zu bringen. Cindy Duering schrieb viele Artikel, in denen sie den Erkrankten die medizinischen Aspekte der Erkrankung vermittelte.

Ihre Krankheit verschlimmerte sich, trotz, dass sie hermetisch abgeriegelt in einem schadstofffreien Haus mit Luftfiltern lebte. Die Schädigung schritt fort, und eine bekannte amerikanische Ärztin und Wissenschaftlerin sagte einmal weinend: „Wir hätten alles für sie getan, ohne auch nur einen Cent dafür zu verlangen. Sie hat so sehr gekämpft, sie war so brillant, in dem was sie schrieb, es wäre uns eine Ehre gewesen. Aber ihr Zustand war so schwerwiegend, dass man sie bildlich gesehen, auf einen anderen Planeten hätte verfrachten müssen, und selbst das wäre ungewiss gewesen.“

Cindy Duering bekam für ihre außerordentlichen Leistungen den Alternativen Nobelpreis verliehen. Ihr Mann nahm ihn in Stockholm für sie entgegen. Cindy war in einem Zustand der Hypersensitivität. Ihr Mann konnte nur alle paar Tage durch den Briefschlitz mit ihr kommunizieren, weil er von seiner Arbeit Stoffe ausdünstete, die bei ihr Anfälle auslösten. Es sollte noch schlimmer kommen. Cindy bekam durch die fortschreitende Nervschädigung nun schon Anfälle, wenn ein Geräusch auftrat. Das Klingeln des Telefons, sogar ihre eigene Stimme hinterließ sie in stunden bis tage-lang anhaltenden Krämpfen und schwersten Schmerzen. Sie konnte nur noch durch Schreiben auf ein Stück Pergamentpapier mit Bleistift mit anderen kommunizieren. Dann ging auch das nicht mehr, denn es löste Anfälle aus.

Die junge Frau, der einst die Welt der Medizin offen stand, starb an ihrer MCS und den toxischen Schäden, die Organophosphat-Pestizide hinterlassen hatten. Der Zustand von Cindy Duering kommt dem von Brigitte nahe. Auch ihr Körper reagierte auf immer mehr und zum Schluss reichte das Zirpen einer Grille in weiter Entfernung, das Auftreffen von Wind auf ihrer Haut, um schwerste kaskadenartige Schmerzzustände und Anfälle auszulösen. Ist dieser Punkt – Point of no Return – erreicht, gibt es kein zurück. Kein Arzt ist in der Lage zu helfen. Medikamente führen nur zu weiterer Verschlechterung, unerträglichen Schmerzen und Leiden, weil auch sie aus Chemikalien bestehen.

Verständnis, Akzeptanz und Prävention

Cindy und Brigitte sind keine Einzelfälle, sie gehören zu den wenigen Fällen, die bekannt wurden, Sie setzen ein Zeichen, dass wir sorgsamer mit Chemikalien umgehen müssen. Wir sind als Menschen dort angelangt, wo wir Chemikalien-Sensitivität nicht mehr ignorieren oder als Hysterie, psychische Störung oder ähnliches abtun sollten. Akzeptieren, dass es innerhalb unserer Gesellschaft Menschen gibt, die den Tribut für den sorglosen Umgang mit toxischen Chemikalien zahlen, könnte ein Beitrag sein, den jeder von uns leisten kann. Chemikaliensensible Menschen, die in allen industrialisierten Ländern anzutreffen sind, Verständnis und Hilfe entgegenbringen und sie als Zeichen sehen, dass darauf hinweist, dass wir präventiv agieren und über Risiken aufklären müssen, wäre zum Wohle aller, vor allem der kommenden Generationen.

Für Brigitte.

Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, Juli 2009

In Gedenken an Brigitte S.

Dieser Blog erscheint mit Absicht am Tag und zur Stunde der Trauerfeier. Er soll uns daran erinnern, dass das Leiden von Brigitte S. und ihr Tod nicht umsonst sein dürfen.

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Es beginnt

Brigitte arbeitete seit ihrer Lehre als Zahntechnikerin. Dabei hatte sie Kontakt mit einer Reihe von Stäuben, Metallen, Desinfektionsmitteln, Kunststoffen, Klebern, Lösungsmitteln u.v.m. Sie hatte keine Ahnung von den Gefahren ihres Berufs, wusste nichts über die Auswirkungen auf ihren Körper. Sie beobachtete psychische Veränderungen an ihren Arbeitskollegen, viele waren cholerisch. Aber sie erkannte den Zusammenhang zwischen der Arbeitsumgebung, der Arbeitsbelastung und dem Verhalten ihrer Kollegen nicht als krankheitsauslösend. „Beruflicher Stress“ war die gängige Erklärung.

Bis Ende 2003 zwang Brigitte sich zum Durchhalten im Job, dann zeigte ihr Körper sehr deutlich seine Grenzen: Gewichtsabnahme, Schmerzen am ganzen Körper, Tinnitus, Übelkeit, Schlaf- und Sehstörungen, Müdigkeit, Gedächtnisabfall und Desorientierung. Die Symptome traten nicht alle gleichzeitig auf. Immer mal eines, dann ein anderes. Ihr Körper veränderte sich, das spürte sie ganz deutlich.

Wie jeder Kranke ging Brigitte von Arzt zu Arzt: Hausarzt, Augenarzt, HNO, Internist… Sie bekam Einzeldiagnosen auf die Symptome und Medikamente. Nur wirksame Hilfe bekam sie nicht. Sprüche hörte sie häufiger: „So viele Allergien wie Sie kann kein einzelner Mensch haben.“ Kein Arzt durchschaute die Zusammenhänge, untersuchte mögliche Ursachen, nichts. Interdisziplinäre Konsultationen – was ist das denn?

Die Psychiatrisierung

Anfang 2004 begann das, was MCS-Kranke nur zu gut kennen: Erst eine ambulante psycho-therapeutische Behandlung, dann ein mehrmonatiger Klinikaufenthalt.

Für Brigitte muss die Zeit in der Klinik schwer gewesen sein. Stationäre Aufnahme bedeutete für sie: Keine Außenkontakte zum Ehemann oder Verwandten, nur am Wochenende Besuch, Medikamentengabe bar jeder Verträglichkeitsprüfung, Umnebelung, Ruhigstellung,…Wer aufmuckte, oder sich beschwerte, wer seiner Verzweiflung über die sich nicht ändernde Krankheitssymptome zum Ausdruck brachte, wer den Druck nicht aushielt, der wurde auffällig und machte sich unbeliebt. Die Medikamentengabe führte zu einer Sedierung, die Umnebelung nahm zu, Bauchkrämpfe traten auf, und einen klaren Gedanken fassen konnte sie nur selten.

Der Klinikaufenthalt hat schlussendlich an den zahlreichen körperlichen Symptomen nichts geändert. Brigitte wurde mit der gleichen Diagnose entlassen, mit der sie ihren Aufenthalt begann. Behandlungsvorschlag für die Zeit danach: „…vor allem Antidepressivabehandlung unbedingt sinnvoll, aktuell keine Rehaindikation, derzeit auch noch keine erhebliche Minderung der Erwerbstätigkeit.“

Auf sie wirkten kurze Zeit später die Worte eines Gutachtens wie Hohn. Zitat:

„… Sie erlebte die Klinikzeit wie einen Neubeginn des Lebens, wo sie wünschen und wollen darf, statt nur zu funktionieren und zu gehorchen. Ihre körperlichen Schmerzen begannen, sich in seelische Schmerzen zu verwandeln….“

Kann das wahr sein? Schmerzen bleiben Schmerzen, egal welche Ursache sie haben! Brigitte wurde aus medizinischer Sicht auf Zeit als arbeitsunfähig eingestuft. Andererseits schloss man eine Erwerbsminderung aus. Verstehe das, wer will.

Die wahre Diagnose: MCS

Im September 2004 besuchte Brigitte einen Qi Gong-Kurs. Voller Hoffnung hatte sie daran teilnehmen wollen, um etwas Ablenkung von ihren Sorgen und Schmerzen zu bekommen, um ihrem Körper etwas Gutes zu tun. Doch schon die Autofahrt dorthin, obwohl nicht sehr lang, machte ihr Schwierigkeiten. Im Laufe der Übungen traten vermehrt Schmerzen auf.

Durch eine andere Kursteilnehmerin mit MCS erfuhr Brigitte zum ersten Mal, dass ihre Krankheitssymptome auch ganz andere Ursachen haben könnten. Im Oktober 2004 besuchte sie zusammen mit ihrem Ehemann zum ersten Mal Dr. Binz in Trier. Im Februar 2005 lagen die kompletten Untersuchungsergebnisse vor:

„Schwere Neuropathie, schwere Myopathie, Ataxie, Hörminderung, Überempfindlichkeit gegenüber lauten Tönen, schwere Störung der Leistungen in der Psychometrie, schwere und vielfältige chemische Überempfindlichkeit, schwere Störung der Glukose-Utilisation im PET nach insgesamt 35 Jahren Arbeit als Zahntechnikerin.“ Mit anderen Worten: Brigittes Gehirn war auch noch schwer geschädigt. Und es war eine Erklärung für viele Beeinträchtigungen der Sinnesorgane.

Was dann?

Jetzt hatte Brigitte zwar eine exakte Diagnose, wusste, dass sie nie mehr arbeitsfähig sein würde und einen Rentenantrag stellen sollte – mehr aber nicht. Der Begriff „Expositionsvermeidung“ sagte ihr nicht viel. Noch schlimmer – sie bezog es auf die alte Arbeitsumgebung. Arbeiten konnte sie nicht mehr – also war alles gut. Auf die Idee, dass noch etwas anderes damit gemeint sein könnte, kam sie nicht. Die „Überprüfung der Lebensbereiche nach möglichen weiteren Auslösern“ ging in anderen, für sie wichtigeren Aktivitäten unter. Es gab und gibt keine Schulung, die Menschen mit dieser Diagnose auf ihre neuen Lebensumstände vorbereitet. Keine Stelle erklärte die Zusammenhänge, die notwendigen Veränderungen in der Lebensführung, und all das Notwendige zur Verbesserung der eigenen Situation.

Das Pragmatische – der Rentenantrag – wurde gestellt und führte zu neuen, seelischen Belastungen. Weil die Diagnose von Dr. Binz so nicht anerkannt wurde, musste Brigitte zur Begutachtung zum Medizinischen Dienst. Wie sie dort behandelt wurde, welche zum Teil dreisten und überflüssigen Fragen gestellt wurden, brachte sie fast zur Verzweiflung. Die Krönung: Ihrem Rentenantrag wurde Monate später nur aufgrund des Entlassungsberichtes aus der stationären psychotherapeutischen Behandlung stattgegeben. Mit der Diagnose MCS allein wäre der Antrag nicht bewilligt worden. Aber zu welchem Preis: Brigitte erlebte, dass sie als MCS-Kranke stigmatisiert und einmal mehr psychiatrisiert wurde.

Sie fühlte sich allein gelassen, ohne Unterstützung und Hilfe. Ein Neurologe vor Ort, den Sie wegen der langen Fahrt zu Dr. Binz als Alternative kontaktierten, zog alle Diagnosen in Zweifel und verdammte diese als Scharlatanerie. Als Höhepunkt bekam sie ein Rezept über Psychopharmaka in die Hand gedrückt.

Neue Umgebung

Zu diesem Zeitpunkt begannen sie und ihr Mann die Suche nach einem neuen Zuhause. Nach sechs Monaten Suche fanden sie eine aus ihrer Sicht geeignete Mietwohnung. Die mit der Wohnungssuche verbundenen Belastungen wie Besichtigungen, altes Haus ausmisten, Kartons packen, Kartons in die neue Wohnung fahren, neue Wohnung einrichten, altes Haus herrichten und verkaufen, all das für Nicht-Kranke Übliche, waren für Brigitte zu viel. Regenerationskuren folgten, aber nachhaltige Linderung brachten sie nicht.

Ein behandelnder Arzt stellte zu den vorhandenen Symptomen eine „Potenzierung der psychischen und toxischen Schäden“ fest. Dazu kamen diverse Nahrungsmittelunverträglichkeiten, weitere Minderung des Hörvermögens und der Durchhaltefähigkeit, Medikamentenunverträglichkeiten u.w.m.

Verschlimmerung

Brigittes Zustand in der neuen Wohnung verschlechterte sich kontinuierlich. Sie verstand nicht warum. Die neu eingerichteten Räume sahen gut aus: Parkett- und Linoleum-Böden, Flur, Küche und Bad gefliest. Vinyltapeten frisch gestrichen. Sie putzte die Wohnung, hielt alles in Ordnung. Sogar für einen Computerkurs fand Sie Zeit. Sie fing an, sich bei CSN und auf anderen Webseiten über MCS zu informieren, aber ihre geringe mentale Aufnahmefähigkeit verhinderte, dass sie verstand, was sie las. Sie konnte die Zusammenhänge nicht dauerhaft erkennen, manches wurde schlichtweg vergessen.

Nebenher unterstützten Brigitte und ihr Mann Bewohnerinnen des gegenüberliegenden Seniorenheimes. Sie lasen ihnen vor, unterhielten sich mit ihnen, gingen zusammen spazieren. Sie versuchten ein ihren Vorstellungen entsprechendes Leben zu führen, soweit Brigittes Krankheit es eben zuließ.

So merkte sie lange Zeit nicht, dass verschiedene Ausdünstungen zur Vernebelung des Geistes beitrugen. Sie ahnte nicht, dass die Weichspülerdüfte aus der gemeinsamen Waschküche ihr zusetzten. Sie wusste zwar, dass es Elektrosensibilität gibt. Sie sah die Sendemasten für Mobilfunk, maß ihnen aber zunächst keine Bedeutung bei. Später einmal wird Brigitte schreiben: „Ich habe die Krankheit lange nicht verstanden und jetzt im Schnelltempo erleben müssen, was es heißt.“

Der Zusammenbruch

Der örtliche Wasserversorger musste im Jahr 2008 seine Talsperre sanieren. Die Stadt, in der sie wohnte, stellte die Versorgung auf Grundwasserbrunnen um. Keime im Wasser führten dazu, dass das Trinkwasser gechlort abgegeben werden musste. Brigitte nutzte dieses Wasser täglich: Waschen, duschen, kochen, trinken.

Zudem war Brigitte mitten in die Einflugschneise des Köln-Bonner Flughafens gezogen. Tag und Nacht flogen die Flugzeuge über ihr Haus. Da der Flughafen über ein radargesteuertes automatisches Landesystem (ILS) verfügt, kam zum Funkverkehr und übermäßigem Lärm eine ständige Radarbelastung hinzu.

Im Herbst 2008 besuchten Brigitte und ihr Mann ein Konzert in Siegburg. Der Saal war voll, Besucherinnen trugen Parfüm, die Männer umwaberte Deogeruch. Das Konzert war großartig, mit einer Bühnenshow, die als Höhepunkt ein Lichtgewitter, Nebelschwaden und ein Minifeuerwerk vorsah. Mitten in diesem Höhepunkt musste Brigitte schlagartig den Saal verlassen. Sie konnte den Gestank, den Rauch, einfach alles nicht mehr auszuhalten!

In den nächsten Tagen und Wochen fühlte sich Brigitte einfach nur schlecht. Die Schlafstörungen nahmen zu, das Brennen im Körper, ihr Körpergewicht reduzierte sich. Alles tat weh. Ohnehin schon lärmempfindlich sorgte der Fluglärm für eine Kakophonie in Brigittes Ohren.

Nur ganz langsam konnte sie sich mit Hilfe ihrer Freundin, die ebenfalls MCS hatte, mit Abwehrmaßnahmen beschäftigen: Gegen die Weichspüler-Düfte wurde ein Untertürschutz angebracht. Das DECT-Telefon wurde zunächst gegen ein Eco-DECT-Telefon ausgetauscht, dann nochmals gegen ein ISDN-Tastentelefon. WLAN wurde komplett abgeschaltet und der Internetzugang per Kabel hergestellt; Energiesparbirnen gegen normale Glühlampen ausgewechselt. Doch Brigittes Zustand stabilisierte sich nicht. Sie spürte die Batterie in einer Armbanduhr. Außenkontakte wurden eingestellt. Nur die Freundin durfte sie noch besuchen, weil sie „nach nichts roch“.

Ihr Ehemann sah die Veränderungen, aber er verstand sie nicht. Im nagelneuen Auto konnte er Brigitte nicht mehr zu einem der wenigen, verständigen (!) Umweltärzten fahren, die es in Deutschland gibt und die vielleicht noch hätten helfen können.

Mitte 2009 wog Brigitte nur noch 46 Kilogramm. Die Symptome hatten Sie fest im Griff. Sie konnte sich nicht allein waschen, kam nicht in die Badewanne hinein, geschweige denn hinaus. Dazu die ständigen Schmerzen, die Hoffnungslosigkeit, jemals aus dieser Wohnung herauszukommen. Kein Fenster durfte mehr geöffnet werden, wenn Brigitte im Raum war, die Haustür nur ganz kurz für ein schnelles Raus/Rein. Jedes kleinste Geruchsmolekül wurde von Brigitte wahrgenommen, jedes elektrische Gerät. Die Atemschutzmaske war ihr ständiger Begleiter.

Silvia Müller telefoniert mit ihr, schickte Sauerstoff und Keramikmaske. Dazu weitere Ratschläge. CSN half! Kein Arzt, keine Krankenkasse, kein Nachbar, kein Angehöriger und schon gar keine andere Stelle.

Ganze Tage hat sie ihr Schlafzimmer nicht verlassen. Die Hypersensibilisierung nahm zu. Zwei neue Schränke rochen zu stark. Also raus mit den Schränken, Nachbarn aus dem Ort konnten sie gebrauchen.

Brigittes stellte ihre Nahrung um und zog einen Baubiologen hinzu: Er fand heraus, dass im Mietshaus ein DECT-Telefon 1000-fach (!!!) über dem Normwert strahlte. Die Wohnung lag im Mittelpunkt der Radarstrahlen. Die Fußböden aus Linoleum gasten ebenso aus wie die Vinyltapeten und der Kleber des Parketts. Die Katastrophe war perfekt. Wohin mit der total geschwächten Brigitte?

Erste Verlegung

Der Baubiologe empfahl ein Seminarhaus mit Netzfreischaltung in Hessen. Sofort wurde Kontakt aufgenommen, ein Doppelzimmer reserviert, sich nach der Netzfreischaltung erkundigt. Die Wartezeit bis ein Zimmer frei war, dauerte zu lange. Per Telefon setzte sie verzweifelt ihren Hilferuf ab: „Ich halte es hier nicht mehr aus! Holt mich dringend ab! Mit jedem Flugzeug zittert mein Körper und es hört nicht auf.“ Brigitte war schreiend vor Schmerzen zusammengebrochen. Was tun? Kurzfristig wurde sie zu ihrer Freundin gebracht, wo sie nur eine Nacht verbrachte. Die Wohnung war auch nicht perfekt, aber in Bezug auf den Elektrosmog besser und sie lag nicht mehr in der Einflugschneise. Laut war es immer noch.

Am 23. Mai startete die Verlegung nach Hessen. Alles sah nett aus. Das Haus von außen schön, das Zimmer innen einfach, sauber, für Nichtkranke keine übermäßigen Gerüche. Doch welch ein Schock! Es wurde gebaut. Ein Teil der Baustelle lag direkt unter dem Zimmer und das wurde bei der Reservierung nicht erwähnt. Für Brigitte war es zu laut, der Schulweg und die Waldschule in unmittelbarer Nähe, der Bauer mähte und fuhr mit dem Trecker dauernd hin und her. Brigitte kam nicht mehr aus dem Zimmer, der total geschwächte Körper ließ nur wenige Schritte zu. Das Essen war auch nicht richtig, die Angestellten rochen nach Parfüm,…Wiederholte sich die Katastrophe?

Zweite Verlegung

Mit einem Wort – Ja! Zwei Tage brauchte es, um für Brigitte einen neuen Aufenthaltsort zu finden. Es gibt in Thüringen einen Platz, an dem sich Elektrosensible aufhalten können. Kein Strom auf dem Zimmer, nicht auf der Etage, nur in den Servicebereichen des Hauses. Damit auch: Kein Radio, kein Fernsehen. Noch wichtiger: Kein Radar und in unmittelbarer Nähe keine Landwirtschaft. Mobilfunkverbot im Haus, keine großen Straßen, kein Fluglärm, ein Naturschutzgebiet.

27. Juni 2009: Zum Glück liegt der neue Ort nur eine knappe Autostunde entfernt. Wieder hoffte Brigitte, dass diesmal alles klappen würde. Aber tief drinnen hatte sie Zweifel, die sie ihrer Freundin im letzten Telefonat schilderte. Sie lebte mit einem immer schwächer werdenden Körper und der ständigen Zunahme der Empfindsamkeit.

Die letzten Tage

Jetzt war ihr Ehemann noch mehr gefordert. Kochen, einkaufen, sie nach draußen begleiten. Drei Wochen lang versuchte er alles für sie zu tun. Auf dem Zimmer lagen am ersten Tag kleine Seifenstückchen. Voller Verzweiflung forderte Brigitte, dass diese entfernt werden.

Dennoch hatte sie stundenlange Zitteranfälle, Sprach- und Schlafstörungen. Sie wurde gereizter und aggressiver. Brigitte war nicht mehr Herrin ihrer selbst. Vor allem nachts traten schreckliche Halluzinationen auf. Mehrfach konnte ihr Mann verhindern, dass sie sich aus dem Fenster stürzte.

Alle Mühen waren vergebens. Die Hypersensibilität schlug erbarmungslos zu.

Brigittes letzte Worte waren:

„Liebe Freundin!

Ich erleide Höllenqualen, ich bin verzweifelt, habe unendliche Schmerzen. Mein Körper richtet sich gegen sich selbst. Meine eigenen Berührungen lösen Schmerzen aus. […] jedes Geräusch bedeutet Schmerzen. Selbst wenn ich esse, habe ich Schmerzen.

Ich habe Heimweh wie verrückt, aber ich habe kein Zuhause mehr, ich weiß nicht einmal wohin. Ohne Maske kann ich nicht raus. In den Wald kann ich nicht, soweit kann ich nicht gehen.

[…] Ich kann mit niemanden sprechen, tut auch schon weh und alle haben irgendeinen Duft an sich.

Nachts läuft die Hölle auf Hochtouren. Panik! Dann stehe ich im Fensterrahmen und will springen. Ich kann nichts dagegen tun, es läuft automatisch ab. Zittern ohne Ende und Schmerzen. Schreien ins Kissen, weil ich es nicht mehr aushalten kann. […]“

Brigitte schied am 21. Juli 2009 gegen 11:00 Uhr aus dem Leben.

Autoren: Bea und Michael Muth für CSN – Chemical Sensitivity Network, 30. Juli 2009

Stellungnahme des UBA zu Duftstoffe in Farben und Wandabwicklungen

Duftstoffe in Farben können Gesundheitsbeschwerden auslösen

Statt Abbau von Barrieren für Behinderte werden neue unüberwindbare Barrieren geschaffen

Das Umweltbundesamt (UBA) warnt seit Jahren von dem Einsatz von Duftstoffen und weist auf Gesundheitsgefahren hin. Ein Umdenkprozess konnte dadurch leider noch nicht eingeläutet werden. Die Zahl der Asthmatiker, Duftstoffallergiker und Menschen mit Chemikalien-Sensitivität hat in den letzten Jahren zugenommen. Einer der Gründe hierfür ist der zunehmende Einsatz von Duftstoffen auch außerhalb der privaten Haushalte. Raumbeduftung, Einsatz von Duftsprays, gelgefüllte Duftspender, automatische Duftvernebler und die Verwendung von Parfums, duftstoffhaltigen Wasch- und Pflegeprodukten hat dramatisch zugenommen.

Duftstoffe in Wandfarben – Eine neue Barriere für manche Behinderten

Als innovative Neuheit wurde zu Anfang des Jahres von einer Firma ein Patent für Farben und Wandabwicklungen vorgestellt, diese enthalten Duftstoffe, die über Jahre an die Umgebungsluft freigegeben werden. CSN nahm dies zum Anlass, das UBA zu konsultieren und um Stellungnahme zu bitten, da davon auszugehen ist, dass solche duftstoffhaltigen Farbsysteme dafür sorgen, dass sich z.B. Personen, die unter MCS oder Asthma leiden, in solchen Gebäuden nicht aufhalten können. Entsprechende wissenschaftliche Literaturhinweise, Studien und Abstracts wurden beigefügt.

Der Offene Brief des CSN nebst Anlagen wurde nachrichtlich auch an die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., Dr. Michael Müller MdB – Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Umwelt Natur und Reaktorsicherheit – und an den Deutschen Allergie- und Asthmabund e.V. gesendet.

Die Antwort des Umweltbundesamtes drückte Sorge über den Einsatz von Duftstoffen in Innenräumen aus. Der Antwortbrief des UBA ist im Anschluss an die nachfolgende CSN Anfrage zu lesen.

Offener Brief bzgl. Pressemitteilung der Firma Wacker Chemie AG vom 31.3.2009

Sehr geehrter Herr Dr. Straff,

am 31. März 2009 informierte die Firma Wacker Chemie AG, München, in einer Pressemitteilung über eine Neuentwicklung zum Einsatz von Duftstoffen in der Bauindustrie.

Im Wortlaut:

„Unter dem Motto „Inspired By Excellence“ präsentiert der Münchner WACKER-Konzern auf der vom 31. März bis 2. April 2009 in Nürnberg stattfindenden European Coatings Show (ECS) nachhaltige Produktlösungen aus den Kompetenzbereichen Coatings, Construction und Adhesives

CAVAMAX®/CAVASOL® Cyclodextrin-Duftstoff-Komplexe für innovative Coatings

WACKER hat ein System entwickelt, mithilfe von Cyclodextrinen Duftstoffe in Bauanwendungen trotz der hohen Flüchtigkeit und der chemischen Empfindlichkeit dieser Stoffe effektiv einzusetzen. Die ringförmigen Zuckermoleküle schützen empfindliche Substanzen in ihrem Inneren und setzen sie nach dem Trocknen und Abbinden des Beschichtungsstoffes kontrolliert frei. Damit bietet sich erstmals die Möglichkeit, ätherische Öle und andere Duftstoffe in unterschiedlichen

nichthydrophoben Anwendungen der Bauindustrie, wie Beläge, Putze, Anstriche, Spachtelmassen und andere Beschichtungen sowie Dichtstoffe, einzusetzen.“

Im Hintergrundpapier April 2006, „Duftstoffe: Wenn Angenehmes zur Last werden kann“ stellte das Umweltbundesamt fest:

„Aus Gründen der Vorsorge empfiehlt das UBA, Duftstoffe in öffentlichen Gebäuden – wie Büros, Kaufhäusern und Kinos – nicht einzusetzen, um die Gesundheit empfindlicher Verbraucherinnen und Verbraucher nicht zu beeinträchtigen. Sofern trotzdem Riech- und Aromastoffen in die Raumluft sollen, darf dies nur mit Zustimmung aller Raumnutzer erfolgen, um Belästigungen zu vermeiden. …

Das UBA rät davon ob, Riech- und Aromastoffen gezielt über Lüftungs- und Klimaanlagen in Gebäuden zu verbreiten, vor allem, falls dies ohne Kenntnis der Raumnutzerinnen und -nutzer erfolgt. Aus Sicht des UBA birgt ein solcher Zusatz im Zweifelsfall – bei bisher weitgehend unbekannten Risiken – eher gesundheitlichen Schaden als Nutzen für die Verbraucherinnen und Verbraucher. „

Cyclodextrin-Duftstoff-Komplexe können in Belägen, Putzen, Anstrichen, Spachtelmassen, Beschichtungen sowie Dichtstoffen eingesetzt werden.

Bitte teilen Sie uns mit, wie der Verbraucher in Zukunft davor geschützt werden kann/soll, dass er unwissend in Innenräumen wohnt, arbeitet, oder Gebäude betreten muss, die durch den Einsatz von CAVAMAX®/CAVASOL® beduftet werden.

Bestimmte Personengruppen in unserer Bevölkerung haben erhebliche Probleme mit Duftstoffen, hierunter fallen bekannterweise auch Schwangere und Chemotherapie-Patienten. Für weitere Personengruppen stellen Cyclodextrin-Duftstoff-Komplexe eine regelrechte Gesundheitsgefahr dar, hierzu zählen Allergiker, Asthmatiker als auch für jene Menschen, die an einer Multiplen Chemikalien Sensitivität (MCS) erkrankt sind. Mithin ist durch den Einsatz solcher Systeme mit einem Anstieg gerade eben dieser Erkrankungen zu rechnen.

Nicht nur chemische Duftstoffe können zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Durch neuere Studien wurde bekannt, dass ätherische Öle ebenfalls nicht unbedenklich sind. Neben luftgetragenen Risiken für Allergiker, wird von Wissenschaftlern auch für gesunde Raumbenutzer Bedenklichkeit signalisiert. Insbesondere in den Sommermonaten mit höherer Ozonbelastung ist in Räumlichkeiten in denen ätherische Öle in der Raumluft enthalten sind, mit Schadstoff- und Feinstaubeintrag durch Oxidationsprozesse zu rechnen. Erkenntnisse, die u. a. in Studien von Nazaroff et al/ Berkeley University (2006) und Weschler et al/ University Texas (2004) nachgelesen werden können. (Anlage)

Abschließend möchten wir noch darauf hinzuweisen, dass der Einsatz von Farbsystemen die Duftstoffen enthalten, in öffentlichen Gebäuden im Rahmen der am 23.03.09 auch in Deutschland in Kraft getretenen UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen festgeschriebene Nichtdiskriminierung verstößt, da er insbesondere in Gebäuden wie Schulen, Krankenhäusern,

Pflegeeinrichtungen, Behörden und Veranstaltungsgebäuden für Teile der oben angesprochenen Personengruppen, neue (teils unüberwindbare) Barrieren errichtet.

Auch Personen, die unter Einfluss von Duftsstoffen bisher noch keine gesundheitlichen Probleme entwickelt haben, empfinden Duftstoffe oft als lästig und störend. Mithin will niemand durch Duftstoffe beeinflusst werden.

Dieser offene Brief wird zeitgleich im Blog des Chemical Sensitivity Network http://www.csn-deutschland.de/blog veröffentlicht.

Wir bitten Sie um eine Stellungnahme.

Mit freundlichen Grüßen

Silvia K. Müller

CSN – Chemical Sensitivity Network

Das Umweltbundesamt schrieb eine Antwort auf die CSN Anfrage vom 24.06.2009:

Umweltbundesamt, Dr. Wolfgang Straff, Dessau, 15.07.2009

Sehr geehrte Frau Müller,

vielen Dank führ Ihr Schreiben. Es zeigt uns, wie wichtig unsere Arbeit in diesem Bereich ist. Wie Sie richtig zitieren, empfiehlt das UBA, Duftstoffe in öffentlichen Gebäuden nicht einzusetzen. Diese Empfehlung gilt nach wie vor.

Als wissenschaftliche Bundesoberbehörde gehört es zu unseren Aufgaben, sowohl die politischen Entscheidungsträger, als auch die allgemeine Öffentlichkeit über Fragen des Umweltschutzes und auch der gesundheitlichen Zusammenhänge zu informieren und Empfehlungen auszusprechen. Aus diesen Empfehlungen ergibt sich allerdings keine rechtliche Verbindlichkeit – weder für private, noch für juristische Personen. Wir beurteilen die Anwendung von Duftstoffen in Innenräumen – insbesondere dann, wenn dies zur Maskierung mangelhafter Raumluftqualität erfolgt – aus lufthygienischen Gründen kritisch. Trotzdem teilen wir nicht Ihre Auffassung, dass eine Exposition gegenüber Duftstoffen zwangsläufig mit gesundheitlichen Problemen bestimmter Personengruppen verbunden sein muss. Dies gilt nach unserer Auffassung auch nicht für Schwangere und Chemotherapiepatienten und -patientinnen.

Besorgte Verbraucherinnen und Verbraucher sollten darauf achten, dass bei Renovierungsmaßnahmen solche Produkte zur Anwendung kommen, die keine unerwünschten Inhaltsstoffe enthalten. Eine Orientierung gibt das Umweltzeichen „der blaue Engel“, bei dessen Vergabekriterien Aspekte des Umwelt- und des Gesundheitsschutzes eine Rolle spielen.

Sowohl Qualität der Außen- als auch der Innenraumluft ist für das UBA ein wichtiges Thema. Es wird sich auch weiterhin mit der hygienischen Problematik der Anwendung von Duftstoffen befassen.

Mit freundlichen Grüßen,

Im Auftrag

Dr. W. Straff

MCS – Die Zahnpasta lässt sich nicht mehr in die Tube zurückdrücken

MCS: Die Zahnpasta lässt sich nicht mehr in die Tube zurückdrücken

Durch das Internet ist die Welt zum Dorf geworden, in kürzester Zeit sind Infos rund um den Erdball gejagt. Für Organisationen wie CSN ist das ein sehr großer Gewinn, denn ohne dieses Medium läge manche Information nur verstaubt in einem Aktenordner, und die chemikaliensensiblen Menschen da draußen würden sie nie erfahren. Das war einmal, diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei. Jetzt dauert es oft weniger als einen Tag, bis sich eine wichtige Information über den ganzen Globus verteilt hat. Nicht nur das, sie ist dann meist schon in diverse Sprachen übersetzt, wenn sie wichtig ist. Ein Schreiben über die Klassifizierung von MCS – Multiple Chemical Sensitivity als Krankheit im ICD-10, dem Internationalen Register für Krankheiten, wurde bspw. in mindestens fünf Sprachen übersetzt.

Heute Morgen kam eine Meldung herein, dass mehrere Dokumente, die CSN vor einiger Zeit online stellte, jetzt auch ins Japanische übersetzt wurden.

Eine Organisation hat sich die Mühe gemacht, das Antwortschreiben von DIMDI zu übersetzen, bzgl. des Krankheitscodes ICD-10 T78.4 für MCS, und dass MCS in Deutschland als körperlich bedingte Krankheit klassifiziert ist. Außerdem hat die japanische Organisation auch das Schreiben des BMAS -Bundesministerium für Arbeit und Soziales übersetzt, hinsichtlich der Anhaltspunkte bei der Begutachtung von MCS.

Das Schreiben von DIMDI an CSN bzgl. des ICD-10 für MCS: Original

wurde ins Japanische übersetzt: Übersetzung

Das Schreiben des BMAS bzgl. der Anhaltspunkte bei der Begutachtung von MCS: Original

gibt es auch auf Japanisch: Übersetzung

Die japanische Organisation hat noch weitere Infos und Auszüge aus CSN Blogs übersetzt. Die Welt ist, wie man sieht, dank Internet wirklich zum Dorf geworden, das ist spitze. Der Informationsfluss über MCS, Umweltkrankheiten und chemikalieninduzierte Krankheiten geht täglich weiter. Die Zahnpasta ist nicht mehr in die Tube zurückzudrücken, das sollten auch diejenigen gemerkt haben, die Tag für Tag ihren Lobbyjob ausüben und für ihren Arbeitgeber oder Dienstherren versuchen zu bagatellisieren oder Krankheiten wie MCS in Abrede zu stellen – sie täten besser, daran zu akzeptieren und mitzuhelfen, die Situation für alle zu verbessern. Wie gesagt, in die Tube zurückdrücken ist nicht.

Autor: Thommy, CSN – Chemical Sensitivity Network, 29. Juli, 2009

Sonntagsgedicht der Glasprinzessin: Tausendschönchen

Alle kleinen Kinder sind Tausendschönchen und bedürfen unserem Schutz

Tausendschönchen   

 

Es gab da ein Mädchen und es war wunderschön.

Zart von Gestalt mit roten Haaren und heller Haut und vielen Sommersprossen.

Jeder mochte sie und schloss sie ins Herz.

Wenn sie die Strasse entlang tanzte mit ihrem kleinen Sonnenschirmchen freuten sich die Menschen.

Sie war eine Gabe.

Man nannte sie Tausendschönchen.

 

Irgendwann veränderte sich alles.

Das Mädchen war nicht mehr so beschwingt.

Manchmal taumelte sie nun, wenn sie die Strasse entlang lief.

Und sie musste sich an den Laternenpfählen

festhalten und dann einen Fuß

vor den anderen setzen,

um nach Hause zu kommen.

Besonders wenn einige Autos an ihr vorbeifuhren

oder andere Menschen an ihr vorbeigingen.

Aber sie winkte noch immer den bekannten Gesichtern.

 

Dann sah man sie eine Weile nicht mehr.

 

Etwas später kam sie wieder die Strasse entlang.

Sie versuchte zu springen und zu hüpfen

aber

die Beine wollten nicht so

und

sie fiel hin

und kam nicht mehr hoch.

Das kam, als sie beim Rasenmäher vorbeispringen wollte.

 

Was ist nur aus unserem Tausendschönchen geworden?

 

Wieder eine Zeit später

sah man sie

mit einer Schutzmaske

vor ihrem lieblichen Mund

sie tastete sich die Strasse entlang

und floh vor engen Begegnungen.

 

Keiner konnte dies verstehen.

 

Das liebe Tausendschönchen

was war mit ihm geschehen?

 

Dann sah man sie nicht mehr

und das Herz wurde vielen schwer

und zu denen

die wirklich fragten voller Liebe

sagte man

Tausendschönchen

ist hier weggegangen.

Sie lebt jetzt in einem alten Wohnwagen

im Wald

mit ihrer Großmutter

die sie umsorgt.

 

Was war da geschehen

keiner konnte es verstehen

Tausendschönchen nicht mehr zu sehen?

 

Wir wissen alle, was es war

auch die Kinder trifft es,

sonnenklar

wir wollen an sie denken

und ihnen Freude schenken.

 

Tausendschönchen

braucht auch Freunde

und sie sagt uns, wie wir`s machen

um mit ihr im Wald zu lachen

und zu spielen..

 

      Wisst Ihr, wie?       

 

—-

 

Dieses Gedicht wurde von Mona, der “Glasprinzessin” für Lasse geschrieben. Mona hat schwere Chemikalien-Sensitivität / MCS und muss fast die ganze Zeit draußen in der Natur verbringen.

 

Mona’s Geschichte: Mona die “Glasprinzessin” – ein einsames Leben mit Wind und Wetter

 

Weitere Gedichte und eine Geschichte der Glasprinzessin:

Naturchaos * Heilung * Rotkehlia, das Rotkehlchen erzählt aus seinem Leben * Dazwischen * Sonntagsgeschichte: Papo Mio’s Oase für Umweltkranke * Isolation – Sonntagsgedicht der Glasprinzessin * Vertigo * Wohlig * Am Bug * Ich nehm Dich mit* KinderlachenEinsicht – Aussicht Im Walde

 

Nominiert für den taz Panter Preis: Silvia K. Müller – CSN und Neurologe Dr. Peter Binz

Der taz Panter Preis wird 2009 zum fünften Mal verliehen. Zu den 6 Nominierten gehören in diesem Jahr Silvia K. Müller, Leiterin des CSN – Chemical Sensitivity Network und der Trierer Neurologe Dr. Peter Binz.

Nominiert für taz Panter Preis 2009 - Silvia K. Müller / CSN und Dr. Peter Binz

Was ist der taz Panter Preis? taz Panter Preis

Wer ist für den taz Phanter Preis 2009 nominiert? Die Nominierten

Die LeserInnenwahl beginnt am 1. August 2009. Die Jury, die den zweiten taz Panter Preis vergibt, trifft sich kurz vor der Preisverleihung im September. Die letztendlichen Gewinner und Gewinnerinnen des taz Panter Preises werden auf der Preisverleihung am 19. September 2009 bekannt gegeben.

Die taz berichtet: Gegen Gifte, die das Hirn zerfressen

taz-logoSilvia Müller und Peter Binz, die Patientin und der Arzt: Seit Jahren setzen sie sich für die Rechte der Menschen ein, die durch aggressive und hochgefährliche Chemikalien am Arbeitsplatz krank geworden sind.

Dass Silvia Müller schwerbehindert und deshalb mit 46 Jahren schon Rentnerin ist, merkt man erst an ihrer langsamen, leicht undeutlichen Sprache. Und an den Hörgeräten, die sie seit 17 Jahren tragen muss, auf beiden Ohren, klein, aber unübersehbar. Silvia Müller ist „chemikaliensensibel“, wie es im Fachjargon heißt. Das bedeutet: Sie reagiert auf die Stoffe in Deos, Weichspülern, Haarsprays und vielen anderen Chemikalien extrem empfindlich; wenn es schlimm kommt, verliert sie das Bewusstsein. Spontan das Haus verlassen, wie es andere tun, zum Einkaufen, ins Theater, zu Freunden – völlig ausgeschlossen. „Ich vermisse das sehr“, sagt sie. Es hat lange gedauert, bis sie herausfand, was sie in diese Isolation getrieben hat.

Zwölf Jahre hatte Silvia Müller als Dekorateurin bei einem großen Warenhaus gearbeitet. Anfangs hatte sie „nur“ rasende Kopfschmerzen, ihr wurde schwindelig und sie war schnell müde. Später wurde der Atem schwer, sie begann schlecht zu hören und einmal setzte ihr Herz für kurze Zeit aus. Sie hatte keine Ahnung, dass sie sich an ihrem Arbeitsplatz systematisch vergiftete.

Durch einen Zufall erfuhr sie, dass ihr Arbeitgeber nachts toxische Insektizide versprühen ließ – Nervengift. „Ich fing früh um 6 Uhr an, um diese Zeit war noch nicht gelüftet worden.“ Sie war nicht als Einzige betroffen. Von 40 Kolleginnen erlitten einige Fehlgeburten, vier bekamen behinderte Kinder. Die Ärzte konnten oder wollten keinen Zusammenhang erkennen. „Die waren feige und wollten mit Berufskrankheiten nichts zu tun haben.“

Durch eine Empfehlung kam Silvia Müller zu dem Trierer Neurologen Peter Binz. Er ermutigte sie, ihren ehemaligen Arbeitgeber anzuzeigen. „Er hat so eine tiefe Überzeugung ausgestrahlt, ohne ihn hätte ich den Kampf wohl nicht aufgenommen.“

Der 68-jährige Binz ist ein stämmiger Mann, sein Gesicht läuft rot an, wenn er über seine „feigen Kollegen“, die „korrupte Politik“ und die „geldgeile Großindustrie“ redet. Die Wut hat sich in ihm angestaut. „Sie glauben nicht, wie viele Arbeiter durch Chemikalien vergiftet und schwer geschädigt sind.“

Seit 30 Jahren macht Binz nichts anderes als das, was das Gesetz vorschreibt und was eigentlich für alle Ärzte selbstverständlich sein sollte: Wenn er den Verdacht hat, dass ein Mensch bei seiner Arbeit vergiftet wurde, meldet er das der Staatsanwaltschaft – meist jedoch folgenlos. „Das Kartenhaus bräche zusammen, würden die einen Präzedenzfall schaffen.“

Fast alle Kollegen scheuen sich zu diagnostizieren, dass der Patient während der Arbeit vergiftet wurde. Sie würden unter Druck gesetzt: von den Kassen, Ärztekammern und Berufsgenossenschaften.

Anfang der 80er-Jahre eröffnete Binz seine Praxis. Schnell erkannte er, dass viele seiner Patienten täglich mit gefährlichen Substanzen arbeiten. Allein mehr als 150 Arbeiter einer deutschen Schuhfabrik hat er bis heute behandelt – viele sind frühzeitig gestorben. Die lokale Presse berichtet darüber nicht.

„Giftberufe“ nennt er die Jobs, die die Gehirne innerhalb weniger Jahre zerfressen können: Schreiner, Lackierer, Maler und Metallarbeiter, aber auch Putzfrauen und Bademeister gehören dazu. Binz spricht aus, was viele nicht hören wollen, und macht sich damit Feinde, die ihn fast zerstört haben: Mehrfach wollte man ihm die Approbation entziehen. Ein Ermittlungsverfahren wegen angeblichen Abrechnungsbetrugs hat ihn bisher 400.000 Euro gekostet – und ihn an den Rand seiner Kraft gebracht. Die Lobby gegen ihn ist mächtig. Noch ein Jahr will er durchhalten, dann ist sein ältester Sohn bereit, seine Praxis zu übernehmen und sie in seinem Sinne weiterzubetreiben.

Warum er seit mehr als 30 Jahren gegen diese massiven Widerstände ankämpft? „Ich kann doch den Burschen nicht das Feld überlassen, ich würde ja mitspielen, wenn ich schweigen würde“, sagt der ehemalige Klosterinternatsschüler. „Vieles auf meiner Schule war weltfremd, aber Grundwerte wie Gerechtigkeit, Gleichheit und Demut habe ich bis heute verinnerlicht.“ Mehrere tausend Fälle hat er dokumentiert, unermüdlich Anzeigen erstattet und in Vorträgen und auf Kongressen über die Folgen von Vergiftungen am Arbeitsplatz informiert. Gemeinsam mit Silvia Müller versucht er aufzuklären, zu informieren, die Patienten über ihre Rechte aufzuklären. Denn nur wer weiß, was ihm passiert sein könnte, kann sich wehren.

Vor 13 Jahren gründete Silvia Müller das Chemical Sensitivity Network (CSN), eine Internetplattform, auf der sich Betroffene austauschen und informieren können. 3.000 Besucher hat die Seite täglich. Viele Stunden am Tag übersetzt Silvia Müller Studien, recherchiert oder hört einfach zu, was sich die Anrufer von der Seele reden müssen.

Als Anlaufstelle ist CSN mittlerweile unverzichtbar geworden. „Chemikaliensensible sind oft völlig verzweifelt und isoliert.“ Neben den körperlichen Symptomen quälten die psychischen „Nebenwirkungen“. Menschen, die ihren Verdacht äußern, sich wehren, würden verleumdet, als irre abgestempelt, ihrer Würde beraubt.

Silvia Müller ist umso entschlossener, gegen die „Lügen der Industrie“ anzukämpfen. CSN nimmt keine Spenden entgegen, zu groß sei die Gefahr der Einflussnahme. „Vielleicht bin ich nur eine kleine Ameise in dieser großen Maschinerie.“ Aber auch Ameisen, sagt sie und klingt sehr entschieden, können manchmal Großes bewegen.

taz Artikel: PAUL WRUSCH

Photo: Anja Weber

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: MCS – Multiple Chemical Sensitivity im Thesaurus „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat einen alphabethischen und einen systematischen Thesaurus „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ herausgegeben. Erstellt wurde der Thesaurus in langjähriger Zusammenarbeit von Dokumentaren, Bibliothekaren und Wissenschaftlern der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.

Die Erkrankung MCS – Multiple Chemical Sensitivity (ICD-10 T78.4) ist im Thesaurus „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ Alphabetischer Teil, Stand Mai 2009, folgendermaßen aufgeführt:

MCS Multiple=Multiple Chemical Sensitivity (B02.19.00)

Im systematischen Teil findet man MCS – Multiple Chemical Sensitivity in der Rubrik B02:

„Arbeitsbedingte Erkrankung und Berufskrankheit/ Krankheit“,

eingegliedert im Bereich:

  • * B02.19 Sonstige Erkrankung
  • * B02.19.00 Multiple Chemical Sensitivity

Das Chronic-Fatigue-Syndrom (CFS) ist analog eingegliedert.

MCS ist nicht als psychisch bedingte Krankheit eingeordnet

Um ggf. auftretende Zweifel auszuräumen, ist hervorzuheben, dass MCS – Multiple Chemical Sensitivity nicht dem Kapitel B02.15: Psychische Erkrankung, Depression, Neurose, Posttraumatische Belastungsstörung oder psycho-somatische Erkrankung zugeordnet ist.

Thesaurus „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“

Der Thesaurus bietet einen schnellen Überblick zu dem umfassenden Themenkomplex „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“. Er enthält ca. 3500 Hauptschlagwörter und ist die Zusammenführung der Schlagwörter aus den beiden bisherigen Thesauri „Arbeitsschutz“ und „Arbeitsmedizin“. Der Thesaurus basiert auf der praktischen Arbeit der Gruppe Bibliothek, Dokumentation bei der inhaltlichen Erschließung und Recherche von Fachliteratur. Er ist ein Hilfsmittel für die Dokumentation.

Gedacht ist der Thesaurus für alle, die Literatur zur Thematik „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ suchen. Er soll unterstützend zur Vorbereitung von Rechercheanfragen in der Datenbank LITDOK genutzt werden und kann für die Suche in anderen fachlich ähnlichen Datenbanken hilfreich sein.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 18. Juli 2009

Literatur:

Thesaurus „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ Alphabetischer Teil, Systemischer Teil, Dortmund/Berlin/Dresden 2009

Opfer der Medizinindustrie – „Then it will all have been worth it…“

Teenager als Opfer der Medizin

CFS ist als chronisches Erschöpfungssyndrom bekannt. Darunter stellt man sich Müdigkeit vor. Aber CFS ist mehr als Müdigkeit. Zur ständigen Erschöpfung kommen noch weitere Symptome, unspezifische wie Schwindel oder Kopfschmerz, aber auch Licht-, Berührungs- oder Geruchsempfindlichkeit, Schmerzen im ganzen Körper, und gefährliche Immunschwächezustände. Viele CFS-Patienten können nicht mehr selbst für sich sorgen, werden zu Pflegefällen, in schweren Fällen sind sie bettlägerig.

Nichtsdestoweniger wird CFS oft fehldiagnostiziert. Depressionen und andere psychische Störungen sind häufige Diagnosen, hinter denen eigentlich CFS steckt. Viele CFS Patienten erfahren nie von ihrer Krankheit, sondern werden jahrzehntelang z.B. auf Depressionen behandelt.

Forschung fördern – Ohne Wirtschaftssponsoren

Die 1997 gegründete, US-amerikanische „National CFIDS (Chronic Fatigue Immune Dysfunction Syndrome) Foundation“, kurz NCF, versucht, Forschung über CFS zu fördern, mit dem Ziel, dass CFS Anerkennung findet und einmal eine Behandlung gefunden wird. CFIDS ist auch bekannt als CFS (Chronic Fatigue Syndrome) oder ME (Myalgic Encephalomyelitis). Krankheitsbilder wie das Golfkriegssyndrom (Gulf War Ilness, GWI) oder MCS (Multiple Chemical Sensitivity) gelten als verwandt.

Das NCF hat keine Großsponsoren in der Wirtschaft und wird rein ehrenamtlich betrieben. Das Geld der Foundation kommt aus privaten Spenden. Auf der Website wird zu kleinen Spenden von 10 bis 20 Dollar im Jahr aufgerufen. Alles nicht dringend zur Erhaltung der Foundation benötigte Geld kommt direkt der Forschung zugute. Durch dieses Spendengeld wurden schon mehrere Studien finanziert, zum Beispiel zu Infektionen als möglichem CFS-Auslöser.

Die Website der Foundation: The National CFIDS Foundation

Gedenkliste für verstorbene CFS-Patienten

Auf der Seite der „National CFIDS Foundation“ (NCF) gibt es eine Gedenkliste für verstorbene CFS-Patienten. Todesursachen unterschiedlich, Fehlbehandlung spielte fast immer eine große Rolle. Die Seite berichtet von jungen Menschen, teilweise Jugendlichen, die heute noch leben könnten, wären sie nicht mit psychiatrischen Diagnosen in Kliniken eingewiesen worden und durch unverträgliche Medikamente schwer krank geworden.

Lesen kann man die Liste mit beschriebenen Fällen unter: Fallbeispiele

Emily, 20 Jahre alt, CFS, Psychiatrieopfer, verstorben 2006

Im Februar 2006 starb eine junge Frau Emily Louise Chapman, erst 20 Jahre alt. Sie war 13, als ihre CFS-Erkrankung begann. Ohnehin schwerst krank, musste sie 15 Monate lang ohne jeden Behandlungserfolg in Kliniken leiden, wurde massiv fehlbehandelt. Danach durfte sie eine Zeit lang nach Hause. Sie weigerte sich, wieder in eine Klinik zu gehen. Ihre Eltern mussten darum kämpfen, dass ihre Tochter nicht gegen ihren Willen aus der Familie gerissen und in ein Krankenhaus gebracht wurde.

Nach sieben schweren Jahren kam sie wieder ins Krankenhaus. 8 Wochen musste sie dort unter Fehlbehandlung in jeder Hinsicht leiden, und sie, ohne jede Hoffnung auf Verbesserung ihrer Lage, nahm sich schließlich dort das Leben. Emily könnte noch leben. Sie war eine intelligente junge Frau, die selbst von zu Hause von ihrem Bett aus noch Kontakt mit einem Netzwerk von Brieffreunden hielt, war auf dem neuesten Stand von Umwelt, Politik und Sozialem und wurde Mitglied der New Writers Group Inc.

Sophia Criona – „Then it will all have been worth it…“

Emelys Fall ist kein Einzelfall. So starb zum Beispiel die junge Britin Sophia Criona, 32 Jahre alt, 2005, durch Fehlbehandlung und medizinische Vernachlässigung. Sie erkrankte mit 26 Jahren nach einer „Grippe“, von der sie sich nicht mehr erholte, an CFS und wurde innerhalb von drei Monaten bettlägerig. Sie war extrem licht- und berührungsempfindlich. Doch verantwortliche Ärzte behaupteten, dass sowohl Sophia als auch ihre Mutter nur Krankheit vortäuschen würden. Sophia kam in eine psychiatrische Klinik, in die „Geschlossene“.

Sophie hatte das Glück, noch einmal entlassen zu werden und ihr Zuhause noch mal zu sehen, aber die Schäden nach dieser Fehlbehandlung waren so groß, dass sie in Folge starb. In diesem Fall gab es eine Autopsie, die angeblich nichts zur Todenursache zeigte, aber eindeutige entzündliche Veränderungen wurden gefunden.

Sophias letzte Worte, nachdem ihre Mutter ihr gesagt hatte, dass sie mit Sophias Geschichte an die Öffentlichkeit gehen würde, waren „Then it will all have been worth it…“ („Dann war es das Alles wert…“). Ihre Mutter ging auch nach Sophias Tod an die Öffentlichkeit, an den Britischen TV-Sender Meridian Television.

Tracy – Bestraft für Krankheit

Ein anderer tragischer Fall, der von Tracy Lynn Harmon, die 2004 im Alter von 36 Jahren verstarb, fand in North Carolina statt. Auch sie starb durch Fehlbehandlung. In ihrem dritten Schuljahr wurde sie als psychisch krank eingestuft und ihr wurden unnötigerweise Psychopharmaka verabreicht. Als Jugendliche wurde schließlich die Diagnose CFS und Fibromyalgie gestellt. Wegen ihrer langen Fehlzeiten wurde sie mit 16 von der Schule entlassen. Die Psychiater gaben ihr Medikamente, von denen sie Halluzinationen bekam, und behaupteten, ihre Mutter sei das Problem („Münchhausensyndrom“).

In ihrer Zeit in der Anstalt wurde Tracy bestraft, wenn sie morgens zu müde zum frühen Aufstehen war. Trotz dieser Behandlung überzeugten die Ärzte sie, dass sie ohne die Medikamente sterben würde. Deshalb nahm Tracy die Mittel auch zu Hause weiter, bis sie schließlich starb.

Chemotherapiepatienten, Medikamententester…

In der langen Gedenkliste, aus der hier drei Fälle junger Frauen ausgewählt wurden, findet sich durchaus eine „CFS-Risikogruppe“, wenn man darauf achtet, was diese Patienten früher in ihrem Leben getan oder erlitten haben. Sportler, Chemotherapiepatienten, aber auch Medikamententester finden sich auf dieser Liste. Gleich zwei Tester, ein Mann und eine junge Frau, die das Mittel Ampligen von HEM Pharmaceuticals getestet hatten, starben an den Folgen von CFS.

Medikamententester sind Menschen, die dringend Geld benötigen und verkaufen daher ihre Gesundheit an Pharmafirmen, die ihre nächsten Kassenschlager mit Studien für unschädlich erklären.

Warum begehen Kranke Selbstmord?

Die hohe Zahl von Selbstmorden ist nicht nur auf die Schmerzen durch die Krankheit zurückzuführen. So wurde zum Beispiel Stephem S. Czerkas durch Armut und dazu noch Rechtsstreite in den Tod getrieben. Armut ist ein Stichwort. Was macht ein CFS-Patient, der keine Rente oder ausreichendes Sozialgeld, sowie wenn nötig eine Pflegeperson, zugestanden bekommt? Und mit z.B. Depressionen diagnostiziert wird? Ein CFS-Patient kann sich nicht ohne Geld auf der Straße durchschlagen. Der muss sich dann in eine psychiatrische Klinik einweisen lassen, als profitables „Rohmaterial“ der Pharmaindustrie und der Kliniken, und sich dort „behandeln“ lassen. Und was, wenn das Geld noch da ist? Dann kann man den Patienten immer noch mit einer Zwangseinweisung in die Psychiatrie bringen. Das klappt nicht nur mit Minderjährigen. Wen wundert es, wenn Menschen sich umbringen, die außer Leid und Entwürdigung in ihrem Leben nichts mehr zu erwarten haben?

Klartext reden – Auf YouTube

Der YouTube-User „luminescentfeeling“ spricht zum Thema CFS klare Worte. Er bezieht sich auf England, aber die gezielte Psychiatrisierung von CFS-Patienten wie vieler anderer Kranker ist sicher kein spezifisch britisches Problem. Die Videos von luminescentfeeling gehören zu den ergiebigsten Infoquellen zu CFS auf YouTube. Sie zeigen echte Forschung zu CFS, ebenso wie Informationen zur Psychiatrisierung.

In seinem Profil vergleicht luminescentfeeling die Psychiater, die gezielt und wissentlich CFS-Patienten psychiatrisieren, als Diebe, die für Profit über Leichen gehen. Er bezeichnet England bzw. dessen Medizinlandschaft, als „kleptocracy“, d.h. eine Herrschaft von Dieben.

Kein Land in Sicht

Gibt es jemals Hoffnung für die Opfer unseres Wirtschaftssystems?

Beim Schreiben dieses Blogs war es schwer, mich zu entscheiden, welche Beispiele aus der Gedenkliste ich auswählen sollte. Jeder Mensch sollte in Erinnerung bleiben. Ich habe mich bei den ausführlich beschriebenen Beispielen bewusst auf besonders junge Personen festgelegt. Bedenken wir, wie viele Jahre diese Menschen noch hätten leben können, wenn nicht ein rücksichtsloses Wirtschaftssystem mit Kranken Profit machen würden. Stattdessen mussten sie jung und qualvoll sterben.

Es sind sicher viele Millionen Menschen, die in diesem System „unter die Räder kommen“, die nichts tun können als verzweifelt auf Veränderung zu hoffen, und die eine solche nicht mehr erleben werden, sollte es sie jemals geben, weil sie, sozusagen als Opfer der Wirtschaft, in jungen Jahren sterben. Was macht es für einen Unterschied, ob ein Mensch an CFS in der Psychiatrie stirbt, durch Umweltgifte an Krebs oder in einem armen Land verhungert?

Wir können nur hoffen, dass Sophia Criona irgendwann, und so bald wie möglich, Recht behält, mit dem Satz „Then it will all have been worth it…“

Autor: Amalie, CSN – Chemical Sensitivity Network, 22. Juli 2009

Weitere interessante Blogs von Amalie:

MCS – Multiple Chemical Sensitivity im Römpp Nachschlagwerk Chemie

Multiple Chemical Sensitivity in Fachbuch Chemie

Den RÖMPP kennt jeder, er ist das Nachschlagewerk zur Chemie schlechthin. In der aktuellen Version wurde die Erkrankung „Multiple Chemical Sensitivity“ und der in Deutschland ebenfalls häufig synonym gebräuchliche Begriff „Multiple Chemikalienüberempfindlichkeit“ als Stichworte aufgenommen.

Das renommierte Nachschlagwerk der Chemie wurde 1947 von Dr. Hermann Römpp gegründet. Anfangs bestand der Römpp aus einem einbändigen Chemie-Lexikon, das von der Franckh’schen Verlagshandlung in Stuttgart vertrieben wurde. Heute erscheint der Römpp im Thieme Verlag und gilt als die renommierteste und umfangreichste Enzyklopädie zur Chemie und den angrenzenden Wissenschaften in deutscher Sprache.

Das größte deutschsprachige Chemie-Lexikon wird kontinuierlich weiterentwickelt und ist wissenschaftlich und technisch stets auf dem neuesten Stand. Das Nachschlagwerk gilt als wissenschaftlich gesichert, da es von Experten auf dem Gebiet zusammen mit der hochqualifizierten Römpp-Redaktion erstellt wird.

Römpp hat im renommierten Nachschlagwerk Chemie im Fachgebiet Umwelt- und Verfahrenstechnologie folgende Krankheitsbegriffe neu aufgenommen:

  • Multiple Chemical Sensitivity
  • Multiple Chemikalienüberempfindlichkeit

Die Aufnahme des Stichwortes „Multiple Chemical Sensitivity“ im Römpp verdeutlicht, dass die Erkrankung in Fachkreisen bekannt ist und ernst genommen wird.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 19. Juli 2009

Literatur:

Römpp, Stichwort Multiple Chemical Sensitivity, Enzyklopädie Chemie im Fachgebiet Umwelt- und Verfahrenstechnologie, 2009