Archiv der Kategorie ‘Medizin‘

Mit Chemikalien-Sensitivität leben und nicht aufgeben

Mit Chemikalien-Sensitivität leben und nicht aufgeben

In den letzten zwei  Teilen dieser Beitragsserie soll noch einmal Pamela Reed Gibson zu Wort kommen. Sie geht in ihrem Buch „Multiple Chemical Sensitivity, a Survival Guide“ ausführlich auf das Thema Psychotherapie ein und gibt einige Tipps dazu und zur Selbsthilfe.

Ist das Glas nicht doch halb voll?

Nach Pamela Reed Gibsons Beobachtungen fordert MCS oft Unmögliches von den Betroffenen, während die Krankheit ihnen in ihrem Verlauf ihre Ressourcen wegzunehmen droht. Ein erster Schritt bei der Bewältigung der Herausforderungen besteht darin, den eigenen bisherigen Erfolgen Anerkennung zollen zu können.

Man halte sich vor Augen:

  • Was hat man bisher gut gemacht?
  • Welche Veränderungen hat man vorgenommen, um die MCS-bedingten Probleme zu bewältigen und eine weitere Verschlechterung zu verhindern?
  • Welche schwierigen Situationen hat man mit Kreativität und persönlicher Stärke meistern können?

Wenn man den bisherigen Leistungen mit Anerkennung begegnen kann, ist es leichter, weiter auf seinem Weg voranzuschreiten und neue Herausforderungen anzunehmen.

Andere Probleme nicht vernachlässigen

Obwohl MCS keine psychogene Erkrankung ist, schließt das die Möglichkeit nicht aus, dass der eine oder andere davon unabhängige psychische Lasten mit sich herumträgt, die auch bewältigt sein wollen. Das tun wir alle. Solange derartige Probleme ungelöst sind, können sie mit den krankheitsbedingten Herausforderungen interagieren und zusätzlichen Kummer bereiten. Sich um derartige unabhängige psychische Lasten zu kümmern, kann die seelische Gesamtbelastung reduzieren und zusätzliche Energie für die Bewältigung von MCS bereitstellen. Dass man lernt, wie MCS mit den eigenen psychischen Verwundbarkeiten interagiert, kann einem dabei helfen, das eigene Leben erfolgreicher zu bewältigen.

Durchsetzungsvermögen

Sind Sie ein Mensch, der typischerweise eher schüchtern und sensibel ist und nun vor der undankbaren Aufgabe steht, sich selbstbewusst für spezielle Anpassungen einsetzen zu müssen, um überleben zu können? Wenn Ihr persönlicher Stil bisher eher ein passiver war, d.h. etwas von sich zu geben, zu tun, was verlangt wird und sich nie zu beschweren, kann es sehr schwer sein, den Punkt zu erreichen, an dem man seine Not und Bedürfnisse selbstbewusst artikulieren und vertreten kann, ohne sich unwohl zu fühlen. Ob nun wegen des persönlichen Stils, Gewohnheit, Unbehagen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen oder der Überzeugung, keine „besondere Behandlung“ zu verdienen, die Aufgabe, das eigene soziale Leben positiv zu gestalten, wird ohne wenigstens etwas Arbeit im Bereich der Psyche schwieriger sein.

Ein Therapeut kann einem helfen, sich mit selbstbewusstem Durchsetzungsverhalten wohler zu fühlen. Es gibt auch diverse gute Selbsthilfebücher, die dabei helfen können. Eine andere Möglichkeit besteht darin, etwas zu praktizieren, was George Kelly, einer der wichtigen Persönlichkeitstheoretiker, „Fixed Role Therapy“ genannt hat. Dabei schreibt der Therapeut eine kleine Skizze oder einen Entwurf von einer Person, die die Qualitäten verkörpert, die der Klient entwickeln möchte. Also in diesem Falle würden Sie eine Seite lange Beschreibung einer Person anfertigen, die eine gute Durchsetzungsfähigkeit hat. In dieser kleinen Skizze sollten Sie sowohl die Gedanken als auch das Verhalten der Person beschreiben. Z.B.: „Sally findet es einfach, ihre Bedürfnisse zu beschreiben, da ihr klar ist, dass ihre Gesundheit davon abhängt. Negative Reaktionen von anderen regen sie nicht auf, da sie weiß, dass es normal ist, dass Leute, die anders sind, schlecht behandelt werden.“ Nach Besprechung der geschriebenen Skizze macht der Klient ein Rollenspiel mit dem Therapeuten, in dem er die ideale Person verkörpert. Weiter behält der Klient diese Rolle die nächsten zwei Wochen bei und bespricht bei einigen zwischenzeitlichen Terminen mit dem Therapeuten, wie es dabei vorangeht. Sie können mit diesem Ansatz auch selbst experimentieren und sehen, wie es sich anfühlt, in einem Lebensbereich einen anderen Verhaltensstil auszuprobieren. Wenn Sie es versuchen, sollten sie die Skizze mit sich tragen, oft darauf zurückgreifen und sich darüber klar werden, wie es ist, ein neues Verhalten auszuprobieren.

Eine andere Taktik, Durchsetzungsvermögen zu üben, wäre etwa, sich mit einem Tier zu identifizieren, zu dem man eine Beziehung hat, dass durchsetzungsfähig ist und das man bewundert (aber man lasse Vorsicht walten, bei der Auswahl der Personen, denen man davon erzählt. Manchen fehlt das nötige Verständnis). Sie könnten beispielsweise ein Löwe sein, der sich, sein Revier und seine Jungen zu beschützen weiß. Oder ein rauflustiger Dachs, der nicht zögert zuzubeißen, wenn er bedroht wird. Sich durchzusetzen bedeutet, seinen größten Ängsten ins Auge zu blicken –  z.B. zurückgewiesen zu werden. Meistens werden es die Leute jedoch respektieren, wenn Sie sich für sich selbst einsetzen, und wahrscheinlich wird man wenigstens den einen oder anderen Unterstützer haben.

Selbstachtung und Selbstwert

Probleme mit dem Selbstwert und der Selbstachtung können auftreten, wenn man schlecht behandelt wird, während man sich für seine Belange, etwa Bitten um Anpassungen, einsetzt. Menschen mit geringer Selbstachtung oder solche, die in der Vergangenheit oft schlecht behandelt worden sind, empfinden derartige Situationen oft als sehr schlimm, während Leute mit einer „dickeren Haut“ davon weniger mitgenommen werden. Zu lernen, wie man „hart im Nehmen“ wird und unabhängig von dem Verhalten anderer, wird einem helfen, bei den Anstrengungen, seine Bedürfnisse durchzusetzen, auf Kurs zu bleiben. Derartige Probleme können mit einem geeigneten Selbsthilfegruppen, Selbsthilfebüchern oder Selbsthilfegruppen angegangen werden. Es ist oft sehr nützlich zu hören, wie „dickhäutige“ Menschen über die Reaktionen anderer denken. Sie haben oft großartige Möglichkeiten entwickelt, um die Dinge in der richtigen Perspektive zu sehen, die Dinge nüchtern zu registrieren und dann den eigenen Weg weiterzugehen. Beispielsweise bei einer negativen Rückmeldung anzunehmen, man habe es mit einem Idioten zu tun, anstatt sich selbst in Frage zu stellen.

Leistungsorientierung

Sind Sie sehr leistungsorientiert? Beweisen sie sich Ihren Wert durch Leistung, schaffen, machen, machen und sich dabei übernehmen? Ist Ihre Dynamik die eines Workaholic? Dann ist eine Erkrankung, die Ihre Produktivität reduziert, etwas extrem Schmerzhaftes, da sie Ihre gewohnte Art und Weise, mit Problemen umzugehen, aushebelt. Wenn ihre Selbstachtung auf dem Erreichen wichtiger Ziele beruht und ihre Leistungsfähigkeit halbiert wird oder ganz verloren geht, müssen Sie entweder mit der halben (oder ganz ohne) Selbstachtung auskommen oder aber den Maßstab, an dem Sie Ihren Wert messen, ändern. Viele Menschen beziehen ihre Selbstachtung über ihre Arbeit. Sie können versuchen, ihre Karriere an ihre neuen reduzierten Möglichkeiten anzupassen, beispielsweise zu Hause arbeiten oder zu anderen Zeiten oder in einer anderen Gegend. Oder sie müssen eine andere geeignete Arbeitsmöglichkeit finden. Jeder hat irgendwelche Möglichkeiten, sich zu engagieren, und Ihre Produktivität muss nicht auf ewige Zeiten immer nur abnehmen.

Sachen aufschieben

Wenn Sie andererseits eher jemand sind, der Dinge, die zu erledigen sind, aufschiebt, liefern die Gesundheitsprobleme, die Sie haben, eine unendliche Menge an Gründen, um alles immer weiter aufzuschieben. Dann sollten Sie vielleicht zu „To Do“-Listen und einem Terminplan Zuflucht nehmen. Am besten mit eingebauten Belohnungen für das Erreichen wichtiger Ziele.

Persönlichkeitsstil

Der individuelle Persönlichkeitsstil kann bestimmen, woran man besonders leidet, wenn man MCS hat. Extrovertierte haben z.B. wahrscheinlich größere Probleme mit Isolation als Introvertierte. Introvertierte haben nun vielleicht mangels Gelegenheit größere Probleme, ihre Bedürfnisse mitzuteilen, und sich in Beziehungen zu schützen. Obwohl dies sehr schwierig sein kann, müssen Extrovertierte unbedingt erfinderisch und kreativ bei der Suche nach Kontaktmöglichkeiten mit anderen sein. Obwohl MCS einen ziemlich weit runterziehen kann, sollte man nicht vergessen, dass es dennoch ein paar Dinge gibt, die man tun kann, um sich nicht völlig zu isolieren.

Autor: Karlheinz, CSN – Chemical Sensitivity Network, 14. September 2009

Literatur: [1] Pamela Reed Gibson(2006). Multiple Chemical Sensitivity, a Survival Guide (second edition), Earthrive Books.

Serie: Psychiatrisierung bei MCS ein Irrweg Teil I – X

MCS – Psychotherapie und Psychiatrisierung

Künstliche Verwirrung über MCS lenkt von Ursachen ab

Jerome Frank kam zu dem Schluss (vgl. den letzten Beitrag), dass die drei genannten Punkte – Status des Heilers, emotionale Erregung und Verhaltensanweisungen – in allen Formen interpersoneller Einflussnahme und der Entwicklung von Überzeugungen eine Rolle spielen. Sie haben sich in Laborsituationen als bemerkenswert mächtig erwiesen und finden sich in vielen Formen sozialer Propaganda. Entsprechend kritisch sollte damit umgegangen werden.

Man bedenke

Um möglichen negativen Einflüssen im Zusammenhang mit einer geplanten Psychotherapie zu begegnen, sollte man nach Ansicht von McHugh überprüfen, ob die Autorität, die man akzeptieren soll, tatsächlich ein Experte auf dem jeweiligen Gebiet ist (dies aus seiner Perspektive auf das „Multiple-Personality Disorder“-Phänomen gesagt).

Zweitens sollte man sich fragen, ob der Betreffende aus der eigenen Kooperation einen Vorteil zieht.

  • Erhalten die jeweiligen Experten durch ihre spezifische Tätigkeit einen finanziellen Gewinn, z.B. indem sie eine Einrichtung aufbauen, eine Kirche oder eine Gefolgschaft für ihre Ansichten gewinnen?
  • Werden sie durch äußere Umstände unter Druck gesetzt, wie z.B. fiskalischer, institutioneller oder juristischer Art, um ihre Ideen zu verbreiten?
  • Erwähnen sie diese Hintergründe, wenn man Widerstand zeigt?

Jeder, der eine Psychotherapie in Erwägung zieht, sollte sie als eine Form von Einflussnahme betrachten und den Therapeuten sorgfältig auswählen. ([1], S. 214)

Im konkreten Fall von MCS könnte man vielleicht noch einige weitere Fragen allgemeinerer Art hinzufügen:

  • Was würde der Therapeut verlieren, wenn er/sie MCS nicht als psychogen betrachten und eine solche Position auch öffentlich einnehmen würde? Würde sein Ansehen leiden, etwa gegenüber seinen Kollegen?
  • Gibt es innere Konflikte etwa in Hinsicht auf internalisierte Autoritätsfiguren wie frühere akademische Lehrer oder Vorbilder?
  • Hätte er/sie Angst inkonsistent zu erscheinen, weil er sich früher mal anders geäußert hat?
  • Wäre die Universitätskarriere bedroht?
  • Wäre der Zugang zu Forschungsgeldern beeinträchtigt? Bedeutet es zusätzlichen lästigen Aufwand für Weiterbildung ohne damit verbundenen finanziellen Gewinn?
  • Ärger mit Standesverbänden oder Behörden?
  • Oder Frust über damit verbundene schlecht bezahlte Zusatzarbeiten wie unbequeme Gutachten, die anschließend sowieso ignoriert werden, und andere Unannehmlichkeiten durch Schikanen von Gerichten oder Kassenärztlichen Vereinigungen?

Belege für „Heilung“ bei MCS durch Psychotherapie?

Wie früher gezeigt, ist bei den bei MCS-Kranken diagnostizierten angeblichen psychiatrischen Erkrankungen bei allen Psychotherapieformen nach den vorliegenden einschlägigen Untersuchungen i.a. nicht mit einer nennenswert über dem Placeboeffekt bzw. der im Falle einer psychischen Ursache zu erwartenden Spontanremissionsquote liegendem „Behandlungserfolg“ zu rechnen.

Auch gibt es keine systematischen Berichte über Erfolge von Psychotherapie bei MCS-Kranken im Sinne einer Heilung (Suggestionseffekte mögen hier und da eine Verringerung von Symptomen oder deren Wahrnehmung bewirken. Wie im letzten Beitrag gezeigt wurde, überwiegen statistisch jedoch die Nachteile). Dies und das Fehlen von nennenswerter Spontanremission spricht an sich schon gegen die These einer psychischen Verursachung.

Nach McHugh und Slavney ([2], S.232) besteht der einzige überzeugende Beweis für das Bestehen einer hysterischen Erkrankung (ältere Bezeichnung für somatoforme Störung) in der Beseitigung ihrer Anzeichen durch psychosoziale Maßnahmen oder Gegensuggestion. Diesen Beweis ist die Psychiatrie bislang schuldig geblieben.

Bei hysterischen Erkrankungen ist es oft sehr effektiv, die symptombezogenen Verhaltensweisen der Patienten einfach zu ignorieren. [1] Dies wird auch von zahlreichen Ärzten empfohlen. Da MCS-Kranke mit ihren Problemen aber praktisch durchweg von jedermann ignoriert werden, sollte man bei Vorliegen einer solchen Erkrankung eigentlich mit einer schnellen Besserung bei den Betroffenen rechnen. Die Realität ist (leider) eine andere. Bisher ist jedenfalls noch niemand bekannt geworden, der durch seine derartigen (bei Hysterie ja doch gewiss „therapeutischen“) Lebensumstände wie Verlust von Arbeit, Familie, Freunden, ärztlicher Unterstützung etc. „geheilt“ worden wäre.

Insbesondere psychodynamische und existentielle Therapien behandeln nicht „Symptome“, sondern den ganzen Menschen. Daher wäre, sollte MCS eine psychische Erkrankung sein, systematisch bei einem gewissen signifikanten Anteil der MCS-Kranken, die eine Psychotherapie machen, auch mit einer Heilung zu rechnen. Dies ist jedenfalls aufgrund der immer wieder gefundenen Wirksamkeit von Psychotherapien unabhängig von der verwandten Methode (vgl. frühere Beiträge) zu erwarten. Und zwar auch, wenn eine „Heilung“ gar nicht das Ziel war (keine Symptombehandlung s.o.). Auch dies steht jedoch im Widerspruch zur Erfahrung.

Psychotherapie als Unterstützung sinnvoll

Sinn kann Psychotherapie jedoch als unterstützende Maßnahme für die Betroffenen machen. Denn deren „natürliche“ aus dem individuellen sozialen Netzwerk stammende Unterstützung ist aufgrund ihrer Erkrankung und der damit häufig verbundenen sozialen Isolation und Ablehnung oft verloren gegangen. Natürlich kann eine solche Unterstützungsmöglichkeit auch aus anderen Gründen fehlen oder verloren gegangen sein.

Hier ist nicht mit einer „Heilung“ der MCS zu rechnen, sondern bestenfalls mit einer Verringerung des sekundären seelischen Leids aufgrund von MCS als einer schweren chronischen Krankheit. Es kann dabei nur um eine Hilfe bei der Krankheitsbewältigung gehen.

Symptomreduktion durch Expositionsvermeidung

Demgegenüber bringt eine Expositionsvermeidungsstrategie für die Betroffenen i.a. in kurzer Zeit eine dramatische Verbesserung. Da viele in einer sauberen Umgebung wieder nahezu normal „funktionieren“, könnte so auch eine begrenzte Reintegration in normale gesellschaftliche Zusammenhänge erreicht werden. Insbesondere könnten viele unter geeigneten Bedingungen wieder selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen oder zumindest dazu beitragen. Die Kosten für den Unterhalt und für die weitere medizinische Behandlung würden dadurch minimiert und die Lebensqualität weitgehend wieder hergestellt.

Hierdurch wird auch das Vertrauen der Betroffenen, sich selbst helfen und ihr Leben sinnvoll meistern zu können („self-efficacy“, Selbstwirksamkeitserwartung), gestärkt. Dies gilt als wichtiges Element von erfolgreichen Psychotherapien und hat selbst zusätzliche positive Wirkungen und Folgewirkungen.

Psychiatrisierung schadet

Eine unkritische Verwendung von placeboanalogen Therapien ist dagegen nicht sinnvoll. Beim vorliegen physiologisch begründeter Grundkrankheiten kann dies die Entdeckung und Behandlung derselben verzögern oder sogar ganz verhindern. Und das kann bei den Betroffenen durch eine weitere Verschlechterung ihres Zustands zu großem Schaden führen. Die dafür geopferte Lebenszeit ist zusätzlich vertan.

Auch besteht die Gefahr einer psychologischen Abhängigkeit vom Therapeuten. McHugh [1] berichtet z.B. über das künstliche hervorbringen von Symptomen und das erfolgreiche Suggerieren von deren angeblichen Ursachen (das „Multiple-Personality-Disorder“-Phänomen, Hysterie).

Witthöft [4] fand bei angeblich an IEI („Idiopathic Environmental Intolerance“, womit MCS gemeint ist) Erkrankten eine hohe Suggestibilität („Absorption“). Allerdings fand er, dass „…an IEI leidende Individuen selbst nach der Vermeidung von direktem Kontakt mit den verdächtigten Auslösersubstanzen sich [in ihrem Gesundheitszustand] nicht verbessern…“ („…individuals suffering from IEI do not improve even after avoiding direct contact with suspected trigger substances…“). Das widerspricht aber allen gängigen Definitionen von MCS (und mithin IEI). Möglicherweise waren die angeblich IEI-Kranken einer ärztlichen Suggestion erlegen.

Psychotherapeutische „Heil“-behandlungen, die nicht zu erkennbaren Fortschritten führen, während den Betroffenen eine persönliche kausale Verantwortung suggeriert wird, erhöhen das Gefühl der Hilflosigkeit und der persönlichen Inkompetenz dem eigenen Leben gegenüber und steigern so die Demoralisierung der Betroffenen. Dies kann bekanntermaßen zu physischen Komplikationen und einer weiteren Verschlechterung des Zustands, evtl. sogar mit psychischen Folgeerkrankungen, beitragen. ([3], S. 123)

Die Verhinderung eines möglichst vollständigen Expositionsstops führt außerdem auf Dauer regelmäßig zu einer weiteren Verschlechterung des Zustands.

Und die Moral?

Auch wenn man den gewissermaßen unentschiedenen Standpunkt der veröffentlichten wissenschaftlichen Literatur einnimmt, dass die Ursachen für MCS gegenwärtig nicht geklärt sind und weiterer Forschungsbedarf besteht, was für einen „neutralen“ Beobachter durchaus angemessen ist, dürfte es gemäß der ärztlichen Maxime, zuerst keinen Schaden zuzufügen, moralisch kaum vertretbar sein, in Fragen des Umgangs mit den Betroffenen den Empfehlungen der Psychiatrisierer zu folgen.

Gilt es doch in der Medizin sonst durchweg als unmoralisch bei Erkrankungen, die man nicht ursächlich behandeln kann, symptomlindernde Maßnahmen zu verweigern.

Die teilweise versuchte Zwangstherapierung zwecks „Heilung“ des MCS, Reexpositionsempfehlungen sowie die Empfehlung, die Betroffenen in der Sache möglichst nicht ernst zu nehmen (wenn auch aus „taktischen“ Gründen manchmal nur versteckt), kann vor dem geschilderten Hintergrund im besten Falle nur als unterlassene Hilfeleistung angesehen werden, weniger nachsichtig betrachtet jedoch nur als ärztlicher Kunstfehler, Misshandlung oder Körperverletzung.

Autor: Karlheinz, CSN – Chemical Sensitivity Network, 7. September 2009

Literatur:

[1] McHugh, Paul R., Try to Remember, Dana Press 2008.

[2] McHugh & Slavney (1998). The Perspectives of Psychiatry, Johns Hopkins University Press.

[3] Frank, JB, Frank J. (1991). Persuasion and Healing: a Comparative Study of Psychotherapy, Johns Hopkins University Press.

[4] Witthöft et.al. (2008). Evidence for a Specific Link Between the Personality Trait of Absorption and Idiopathic Environmental Intolerance, Journal of Toxicology and Environmental Health, Part A, 71: 795-802, 2008.

Serie: Psychiatrisierung bei MCS ein Irrweg Teil I – IX

Gift am Arbeitsplatz – TV Beitrag des SWR jetzt online anschauen

Fernsehbeitrag über Gifte am Arbeitsplatz jetzt online

Gift am Arbeitsplatz – Wenn der Job Menschen krank macht

Gestern sendete der SWR den am Mittwoch gedrehten Beitrag „Gift am Arbeitsplatz“. Der Film ist jetzt auch online anzuschauen für alle, die den SWR nicht empfangen können.

Dargestellt wurde der Fall einer jungen Dekorateurin, die in einer bekannten Modehauskette krank geworden war. Nach Aufgabe der Arbeit geht es Ihr nun langsam besser. Der Arbeitgeber dementiert einen Zusammenhang ihrer Beschwerden mit ihrem ehemaligen Arbeitsplatz, wo sie häufig in einem kleinen geschlossenen Raum Kleidungsstücke aufbügelte. Die Chemikalien, die in Kleidungsstücken häufig vorkommen, waren in ihrem Blut nachweisbar.

Der Umweltmediziner Dr. Klaus Runow vom Institut für Umweltkrankheiten erläuterte sehr anschaulich, dass Umweltkrankheiten und insbesondere MCS -Multiple Chemical Sensitivity sehr ernst genommen werden sollten und dass es keinen nachvollziehbaren Grund gibt, die Erkrankung in Richtung Psyche zu rücken.

Dreharbeiten Fernsehbeitrag Gift am Arbeitsplatz mit CSN Für CSN kam der Anruf des SWR überraschend. Die Redakteurin hatte im Internet recherchiert und sich nach Selbsthilfegruppen umgeschaut. Es gab keine Zeit zum Überlegen, der Drehtag sollte schon zwei Tage später sein. Silvia Müller, selbst durch Pestizide am Arbeitsplatz krank geworden, sollte die Arbeit des CSN kurz darstellen, warum sie sich der Aufklärung über MCS gewidmet hat und durch was Menschen, die sich bei CSN melden, krank wurden.

Für die Redakteurin Sabine Rappen war klar, dass ganze Team würde sich größte Mühe geben und am Mittwoch duftfrei zum Drehtermin zu CSN kommen. Nach ein paar Stunden war der Beitrag dann im Kasten und es ging weiter zu Dr. Runow. Noch keinen Tag später kam die Sendung schon im Fernsehen und gab auch Menschen, die vorher noch nie von MCS und Krankheit durch Chemikalien im Alltag gehört hatten, einen sehr anschaulichen Einblick und viel zum Nachdenken mit auf den Weg.

SWR Beitrag zum Online anschauen,

einfach anklicken >>> SWR Ländersache – Wenn der Job Menschen krank macht

Autor: CSN Redaktion, 4. September 2009

CSN im TV – Wenn der Job Menschen krank macht – Gift am Arbeitsplatz

Gift am Arbeitsplatz

Heute wurde ein TV Beitrag gedreht, in dem auch CSN und Dr. Klaus Runow vom Institut für Umweltkrankheiten mitgewirkt haben. Die Reportage „Gift am Arbeitsplatz“ wird morgen schon gesendet. Wer den SWR nicht empfangen kann, ab Freitag wird der Beitrag auch online zu sehen sein.

SWR Ländersache – Sendung am Donnerstag, 03.09.2009, 20.15 bis 21.00 Uhr

Wenn der Job Menschen krank macht – Gift am Arbeitsplatz

Sie darf weder Weichspüler noch Haarspray benutzen, und wenn Besucher kommen, bittet sie sie, kein Parfum aufzulegen. Silvia Müller ist krank – ihr Körper reagiert allergisch auf immer mehr Chemikalien. Der Grund: Ihr früherer Arbeitgeber, ein großes Warenhaus, versprühte jede Nacht Insektengift, Silvia Müller und mehrere ihrer Kollegen wurden dadurch offensichtlich vergiftet. Inzwischen ist sie schwerbehindert und Frührentnerin.

Kein Einzelfall: Auch verschiedene Mitarbeiter einer Modekette in Mainz wurden krank: Beim Auspacken und Aufbügeln der frisch gelieferten Ware kamen sie zu oft in Kontakt mit Chemikalien in Kleidung und Verpackung. Eine junge Dekorateurin musste mit gerade einmal Mitte 20 ihren Beruf aufgeben.

Viele Menschen werden krank durch ihren Arbeitsplatz – auf Hilfe von außen können sie meist nicht hoffen; Berufsgenossenschaften und Staatsanwälte scheuen sich offenbar, Präzedenzfälle zu schaffen. Sabine Rappen über das Tabuthema Berufskrankheit.

Text SWR: Sabine Rappen

Bild: SWR

Was an Psychotherapien hilft

Was hilft an Psychotherapie? Hilft sie wirklich?

Es sei nochmals kurz an die Methodik der Psychotherapieforschung erinnert, Gruppen, die mit Psychotherapie behandelt werden, mit solchen zu vergleichen, die nicht behandelt werden (in der Praxis am ehesten wohl Wartegruppen). Derartige nicht behandelte Gruppen erhalten auch keine Placebobehandlung.

Der Anteil von positiven Ergebnissen bei Mitgliedern von Psychotherapiegruppen, der über den bei solchen unbehandelten Gruppen gefundenen hinausgeht, reflektiert Effekte, die auf allgemeine Faktoren sozialer Unterstützung zurückgehen, die allen Therapieformen gemein sind [4]. Dazu zählen z.B. Empathie, Wärme und Ermutigung. Jackson [1] zählt zu den Qualitäten, die man für effektives seelisches Heilen braucht: „eine respektvolle, interessierte Weise des Zuhörens; spürbare Vertrauenswürdigkeit; eine einfühlsame und mitfühlende Reaktion auf das leidende Gegenüber; die Fähigkeit Hoffnung zu erwecken und aufrecht zu erhalten sowie eine besonnene Reaktion auf angsteinflössende Krankheitsbilder.“

Jerome Franks Ergebnisse

Jerome Frank von der Johns Hopkins Medical School fand, dass demoralisierte Menschen, die um Psychotherapie nachsuchen, dies aus denselben Gründen tun, aus denen sie sich traditionell an Personen wandten, die sie für weiser oder für ihnen überlegene Experten im Umgang mit den Problemen des Lebens hielten, und von denen sie Bestätigung, Hoffnung und Unterstützung erwarteten. Menschen glauben, dass Psychotherapeuten ihnen diese Hilfe geben können, wie sie dies traditionell von Priestern, Rabbis und Geistlichen geglaubt hatten. [2]

Im Detail

Diese Beobachtungen unterstützen die Auffassung, dass die psycho-therapeutische Wirkung im Wesentlichen auf allgemeinen Charakteristiken unterstützenden Sozialverhaltens beruht. Das erklärt auch, warum so viele Menschen derartige Krankheitsepisoden ohne professionelle Hilfe überwinden können.

Jerome Franks wichtigstes Ergebnis war vielleicht, dass es nicht darauf ankam, ob die den Patienten gemachten Vorschläge („suggestions“) besser, wahrer oder besser wissenschaftlich etabliert waren als irgendwelche andere. Was auf die Patienten heilsam wirkte, war das, was auf sie einen überzeugenden Eindruck machte und plausibel erschien, nicht was ihnen gegenüber als faktisch wahr bewiesen werden konnte. Traditionelle Heiler in vergangenen oder anderen Kulturen waren offensichtlich in der Lage, ähnliche Heilungserfolge wie Psychotherapeuten zu erreichen. Und zwar mit Ideen und Praktiken, die heutzutage niemals akzeptiert werden würden.

Drei wichtige Faktoren

Jerome Frank identifizierte schließlich drei wichtige Faktoren für den Erfolg einer Therapie, die sie auch mit traditionellen Heilern gemein haben ([3], S. 201ff.):

  1. Psychotherapeuten betonen in ihrem Verhalten gewisse Statusattribute und ihr Verhaltensstil, ihre Kleidung und ihre Titel helfen den Patienten, sie als jemanden zu sehen, der mit der Macht und der Autorität, sie zu heilen, ausgestattet ist. Das Tragen von weißen Kitteln, das Aufhängen von Diplomurkunden an Bürowänden, und das Tragen von Titeln wie „Doktor“ oder „Professor“ spielen eine Rolle bei der Erzeugung des nötigen Vertrauens in die Autorität des Therapeuten und das Psychotherapieprogramm, das er oder sie verschreibt.
  2. Effektive Psychotherapie beinhaltet gewöhnlich ein Bemühen, ein gewisses Maß an emotionaler Erregung in dem Patienten zu erzeugen. Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass Menschen in derartigen Zuständen leichter dazu gebracht werden können, ihre ihr Verhalten bestimmenden Grundannahmen zu ändern.
  3. Schließlich machen effektive Therapeuten ihren Patienten Vorschläge, wie sie handeln und auf die Umstände reagieren könnten.

Die Kraft des Mythos

Ein wichtiger Bestandteil einer Psychotherapie ist nach Frank ([2], S. 42) ein Schema oder ein Mythos, der eine plausible Erklärung für die Symptome des Patienten liefert, und ein Ritual oder eine Prozedur vorschreibt, um dieselben zu beseitigen.

Frank verwendet den Begriff „Mythos“ zur Charakterisierung psychothera-peutischer Theorien, weil solche Theorien in wenigstens zwei Gesichtspunkten Mythen ähneln:

  • Sie liefern die Vorstellung fesselnde Formulierungen sich wiederholender und wichtiger menschlicher Erfahrungen
  • Sie können nicht empirisch bewiesen werden

Man nimmt gemeinhin (oft fälschlicherweise) den Erfolg des abgeleiteten Heilverfahrens als Beweis für den Wahrheitsgehalt des zugrunde liegenden Mythos. Fehlschläge werden wegerklärt. Soweit bekannt hat sich noch keine therapeutische Schule wieder aufgelöst, weil empirische Ergebnisse die Verfechter von ihrem Irrtum überzeugt haben. Freud, ein großer Mythenmacher, hatte buchstäblich recht, als er die von ihm eingeführten Instinkte als „unsere Mythologie“ bezeichnete.

Die rationalen Grundlagen und Prozeduren erlangen ihre Plausibilität durch ihre Verbindung mit der dominanten Weltanschauung der jeweiligen Kultur. Im Mittelalter bezogen therapeutisch wirksame Symbole ihre Kraft aus ihrer Verbindung mit dem christlichen Glauben. Die Heilungsriten von Ureinwohnern aus nichtwestlichen Gesellschaften stützen sich auf die Kosmologie ihrer spezifischen Kultur. Psychotherapien, die auf mystischen oder religiösen Doktrinen beruhen, haben für die Anhänger dieser Doktrinen nie an Anziehungskraft verloren.

Darüber hinaus erhöhen die ästhetischen und dramatischen Qualitäten einiger Konzepte, besonders jener aus Freuds und Jungs Tradition, ihre Effektivität. Die farbenfrohen Metaphern und Bilder dieser Formen der Psychoanalyse implizieren, dass der Patient keine unbedeutende Kreatur ist, sondern das Schlachtfeld für titanische Kräfte oder aber ein Repositum für die akkumulierten Mythen und die Weisheit aller Zeitalter. In gewisser Weise verbinden diese Konzepte das Individuum mit überpersönlichen Kräften und spiegeln somit die Ideen, die in kultischen Gemeinschaften und religiösen Formen des Heilens wichtig sind. ([2], S. 210 )

In den heutigen Vereinigten Staaten (und anderswo) scheint der Glaube an die Wissenschaft die dominierende Quelle heilender Kräfte zu sein.

Autoritäten

Einige Psychotherapieschulen suchen Plausibilität durch Verknüpfung ihrer Theorien mit angesehenen Figuren der Szene zu erlangen in der Vergangenheit Freud, Jung, Adler und ihre Schüler, in jüngerer Zeit z.B. Skinner, Rogers und Erickson. Die letzten beiden repräsentieren Richtungen, die ihre Plausibilität auf die Schriften existentialistischer Philosophen gründen. Vielleicht verliert die Wissenschaft ja zumindest teilweise an Begründungsmacht.

Philosophien

Religiös basierte Psychotherapien beinhalten Rituale, um die wohlmeinende Intervention übernatürlicher Kräfte zu erlangen. Die Grundlagen der meisten säkularen amerikanischen Therapien beinhalten eine optimistische Philosophie der menschlichen Natur. Diese Therapien haben das Ziel, die Personen in die Lage zu versetzen, ihre sie behindernden und destruktiven Emotionen und Verhaltensweisen zu überwinden und dadurch ein volleres, befriedigenderes und sozial konstruktives Leben zu führen.

In der Psychoanalyse erfolgt die Erlösung durch den Glauben an die befreiende Kraft der Wahrheit. Die Wahrheit war Freuds Gott. Von der Psychoanalyse, als der wissenschaftlichen Suche nach der Wahrheit, nimmt man an, dass sie die Menschen in die Lage versetzt, die rationale Kontrolle über die Impulse des Unbewussten zu erlangen, und sich dadurch von dem Übel zu befreien.

Existentialistische Philosophien betonen die Sinnlosigkeit des Daseins und sind von daher eher pessimistisch. Sie schaffen es jedoch, diesen Ausblick ins Heroische zu wenden und sehen die Therapie als einen Prozess, der den Menschen in die Lage versetzt, dem Leben Sinn und Bedeutung abzuringen. ([2], S. 42 ff.)

Und schließlich gibt es noch die Auffassung von psychischen Erkrankungen als Ergebnis biochemischer Fehlfunktionen des Gehirns. Hier besteht das heilende Ritual in der Nutzbarmachung der Kraft der Wissenschaft in der materialisierten Form von Pillen oder Spritzen. Wie in einem früheren Beitrag erwähnt wurde, ist der Beitrag der aktiven Inhaltsstoffe in den meisten Fällen vermutlich zu vernachlässigen.

Autor: Karlheinz, CSN – Chemical Sensitivity Network, 31. August 2009

Serie: Psychiatrisierung bei MCS ein Irrweg Teil I – VIII

Literatur

  1. Jackson (1999). Care of the Psyche: A History of Psychological Healing, Yale University Press.
  2. Frank, JB, Frank J. (1991). Persuasion and Healing: a Comparative Study of Psychotherapy, Johns Hopkins University Press.
  3. McHugh, Paul R. (2005), Try to Remember, Dana Press.
  4. Horwitz, Allen V. (2002), Creating Mental Illness, University of Chicago Press.

Die Kasse klingelt, die Menschen leiden – Warum Krankenkassen Kranke brauchen

Das Gesundheitssystem muss Kranke haben um zu funktionieren, keine Gesunden

Die Krankenkassen haben sich noch nie für die Anerkennung von MCS eingesetzt. Man könnte denken, dumm. Chemikaliensensitive vertragen keine Chemikalien. Also auch keine desinfizierten Arztpraxen mit zehn Parfümierten im Wartezimmer und schon gar keine chemischen Mittelchen. Viele MCS-Patienten haben exakt Null Zugang zu medizinischer Versorgung. Die idealen Patienten für die Kasse, oder? Versicherte, deren Beiträge reinkommen, ohne dass sie jemals etwas kosten, weil sie keine Behandlung vertragen?

Sagen wir es anders: MCS-Patienten sind nicht profitabel. Da zieht keine Apparatemedizin, keine Mittelchen. Klingelt keine Pharma-Kasse. Braucht man eine saubere Wohnung und Biolebensmittel. Das Einzige, was man so richtig absetzen könnte, wären Wasserfilter und Luftfilter für unsere verdreckte Luft und das verschmutze Wasser. Dürfen die Kranken alles selbst zahlen. Oder bekommen sie nicht, weil sie von Hartz IV leben, will sagen sterben, müssen.

An Depressiven oder anderen Psycho-Patienten verdient man mehr. Also, MCS lieber „fehldiagnostizieren“. Müsste den Menschen, die krank sind und keine Ahnung haben warum, mal einer sagen „Wir brauchen Sie noch als Rohstoff für die Pharma-Industrie, wir können Ihnen nicht helfen, tut uns gar nicht Leid, sie müssen noch mal in die Psychiatrie bzw. xy einnehmen.“

Kassen mögen keine Gesunden – Für Kranke gibt’s Euros vom Steuerzahler

Warum ziehen die Krankenkassen da mit? Die zahlen doch für die Profite der Pharmafirmen, oder nicht? Klar tun sie. Und werden dafür hoch entlohnt. 2006 gab es 4,1 Millionen auf Depression diagnostizierte Menschen in Deutschland. Pro Nase gab das 1500 Euro. Nein, nicht für den Patienten, dessen Stimmungslage durch die 1500 vielleicht etwas aufpoliert worden wäre. Für die Krankenkasse. Aus dem staatlichen Gesundheitsfonds!

Das Selbe gilt für Diabetes, Bluthochdruck usw. Ein Patient, der durch Sport und gesunde Ernährung wieder gesund wird, gefällt der Kasse nun nicht mehr. Kranke sind doch viel teurer. Auch Krebs wird gut belohnt.

Krankheitsorientierte Zuschläge

Morbiditätsorientierter Risikozugschlag nennt sich das ganze Prinzip. Morbiditätsorientiert heißt krankheitsorientiert. Sollen wir, also sozusagen die dummen Bauern, alle krank werden? Aber klar, am Besten gerade so krank, dass wir noch arbeiten und Mehrwert produzieren, den sowieso nur Andere kassieren, und trotzdem von einem sich wunderbar einigen Gesundheitssystem ausgenommen werden können.

Aufwandsentschädigung heißt das, wenn Menschen verkauft werden

Die Ärzte spielen fleißig mit. Sie sollen jetzt sogar ihre Diagnosen noch mal überdenken. Das Schönste wären doch Patienten, die relativ gesund und auf dem Papier schwer krank sind – keine Kosten, trotzdem Zuschlag. Daher: Bereitwillig stellen die Kassen vorgefertigte Formulare zur Verfügung. Der Arzt braucht nur noch seine Kontonummer einzutragen. Der Arzt bekommt noch zehn Euro dazu! Wirklich, da wird knallhart gehandelt.

Aufwandsentschädigung ist in Kreisen der Medizin-Industrie der Begriff dafür, wenn Menschen eiskalt verkauft werden. 250 Euro Aufwandsentschädigung gibt es für die Versuchskaninchen bei der Schweinegrippeimpfung, die arm genug sind, um dann die Nebenwirkungen wie Fieber, schwerste Entzündungsreaktionen und Bluthusten dulden müssen. Meint der saubere Professor, solche Reaktionen seien normal bei dem neuen Wirkungsverstärker in der Impfung.

Illegal? Aber nicht doch, Formulierung nach vorn und hinten wasserdicht!

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar warnte sogar noch die Krankenkassen, das Einholen zusätzlicher Daten sei illegal. Von einem Prozess hat man nichts gehört. Kommt ja immer auf die Auslegung an. Jeder Chefetagenanwalt kommt durch den Schweizer Käse der Gesetze durch, und falls nötig, werden mal ein paar Augen mehr zugedrückt. Man kennt sich ja. Die Ärzte sollen ja nur ihre Diagnosen nochmal überprüfen, von mehr Diagnosen stellen steht da ja nichts.

Der Markt wird’s schon regeln?

So kann’s gehen. Der Markt wird’s schon regeln? Die soziale Marktwirtschaft wird’s richten? Weder der Markt noch seine steuerfinanzierten Profitmaximierungshelfer regeln irgendwas zum Wohl der Bevölkerung. Wir sind das Rohmaterial bei der Profitgewinnung. Wir zahlen die Profite. Mit Geld, Zeit, Gesundheit und Leben.

Zu der Studie, die zeigt, dass MCS-Patienten das Gesundheitssystem weniger beanspruchen als der Durchschnitt:

Zusammengefasst besagt die Studie, dass – bei insgesamt 563 Studienteilnehmern an einer Kohortenstudie über drei Jahre – bei den MCS-Patienten die Inanspruchnahme medizinischer Dienstleistungen im Jahresdurchschnitt um 8,7% sank, während dieser Jahresdurchschnitt bei der nicht chemikaliensensiblen Bevölkerung des Ortes nur um 1,3% sank. Es wurden durch die geringere Inanspruchnahme von medizinischen Dienstleistungen durch die chemikaliensensiblen Personen insgesamt 77.440 Dollar gespart. Es lässt sich errechnen, dass so pro chemikaliensensibler Person im Vergleich zum Durchschnitt der nicht chemikaliensensiblen Bevölkerung 137,55 Dollar gespart wurden.


Das entspricht einer Ersparnis von 52680 Euro insgesamt oder einer Ersparnis von 93,57 Euro pro chemikaliensensibler Person, wenn man von den Devisenkursen des 08.01.08 ausgeht.

Autor: Amalie, CSN – Chemical Sensitivity Network, 29. August 2009

Weitere interessante Artikel von Amalie:

Literatur:

Mechanismus, der erklärt, warum Sauna-Therapie bei MCS, CFS und FMS hilft

Sauna hilft bei MCS - Multiple=

Sauna-Therapie wird seit Jahrzehnten auch in der Umweltmedizin erfolgreich zur Entgiftung eingesetzt. Ein kürzlich in einer medizinischen Fachzeitschrift erschienener Artikel, geschrieben von Prof. Dr. Martin L. Pall, begründet einen ungewöhnlichen Mechanismus für die Wirkungsweise von Sauna-Therapie. (1)

Sauna lässt BH4 ansteigen

Pall argumentiert in seinem Artikel, dass Sauna-Therapie in erster Linie seine Wirkung entfaltet, indem die Verfügbarkeit einer Verbindung namens Tetrahydrobiopterin (BH4) im Körper ansteigt. Von BH4 wird berichtet oder angenommen, dass es bei einer Reihe von medizinischen Gesundheitszuständen vermindert ist, von denen ebenfalls berichtet wird, dass sie positiv auf Saunatherapie reagieren. Dazu gehören Multiple Chemical Sensitivity, Fibromyalgie, Chronic Fatigue Syndrom, erhöhter Blutdruck, vaskuläre endothele Funktionsstörung und Herzversagen. Dieses Wirkungsmuster kann offensichtlich erklärt werden, wenn Saunatherapie die Verfügbarkeit von BH4 im Körper ansteigen lässt.

Weiterer Mechanismus beteiligt

Prof. Pall spricht sich für zwei verschiedene Mechanismen aus, von denen man annimmt, dass durch sie Sauna-Therapie die Verfügbarkeit von BH4 im Körper ansteigen lässt. Beide funktionieren mittels einer Verstärkung der Synthese eines Enzyms, das als GTP Cyclohydrolase I bekannt ist – dem begrenzenden Faktor bei der Biosynthese von BH4. Sauna-Therapie ist dafür bekannt, die Blutzirkulation in den erhitzten äußeren Körperteilen stark zu erhöhen. Der dadurch bedingte Anstieg der vaskulären Scherbeanspruchung führt bekanntermaßen zu einem starken Anstieg der Aktivität der GTP Cyclohydrolase I und folglich von BH4.

Zweiter Mechanismus läuft über Hitzeschockproteine ab

Ein zweiter derartiger Mechanismus wird durch die Aktivität des Hitzeschockproteins Hsp90 vermittelt, einem Protein von man weiß, dass es bei mäßiger Erhitzung von Körpergewebe gebildet wird. Dieses Protein ist funktionell in einen GTP Cyclohydrolase I enthaltenden Komplex von Proteinen einbezogen. Das Hsp90 Protein reduziert den proteolytischen Abbau des GTP Cyclohydrolase I Proteins, was zu einer verstärkten BH4 Synthese führt und es hat sich gezeigt, dass dies wiederum auf die eNOS Stickoxid-Synthase wirkt.

Auch andere Krankheiten sprechen auf Sauna an

Durch den Anstieg in der BH4 Synthese, als Reaktion auf diese beiden Mechanismen, kann erwartet werden, dass dadurch die verschiedenen Körpergewebe mit BH4 beliefert werden, auch die, die nicht direkt durch die Sauna-Therapie beeinflusst werden. Die gesundheitlichen Vorteile von aktivem körperlichem Training können ebenfalls teilweise über die gleichen Mechanismen vermittelt werden. Über eine Anzahl weiterer Krankheiten wird berichtet, dass bei ihnen ebenfalls eine BH4 Verminderung stattfindet. Hierzu gehören Alzheimer, Parkinson, Asthma, Schizophrenie, Bipolar Disorder, pulmonale Hypertonie (Lungenhochdruck) und Typ II Diabetes. Die genannten Krankheiten könnten ebenfalls auf Sauna-Therapie ansprechen.

Sauna-Therapie erhöht die Entgiftungsleistung

Prof. Pall resümiert am Ende seines Artikels, dass für gewöhnlich angenommen wird, dass ein Ansprechen von MCS Fällen auf Sauna-Therapie durch einen Entgiftungsprozess vermittelt wird, der über Ausscheidung funktioniert. Der Wissenschaftler führt an, dass es einige publizierte Belege dafür gibt, dass Sauna-Therapie die Entgiftungsleistung erhöht. Der Haupteinfluss von Sauna-Therapie bei MCS-Fällen und sicherlich auch bei diesen anderen Erkrankungen könnte, so schließt Pall, jedoch sehr gut auf der erhöhten Verfügbarkeit von BH4 beruhen.

Zusammenfassung und Übersetzung: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 20. August 2009

Literatur:

Pall ML. Do sauna therapy and exercise act by raising the availability of tetrahydrobiopterin? Med Hypotheses. 2009 Jul 4.

Effektstärken von Psychotherapie und Expositionsvermeidung bei MCS

Psychologin und Patient

Wie man im letzten Beitrag dieser Reihe sehen konnte (Interpretation 3a), profitiert etwa ein Drittel der Teilnehmer von einer Psychotherapie. Zwei Drittel erholen sich ohne eine derartige Maßnahme genau so gut. Sie profitieren hierbei von der Unterstützung, die sie aus ihren sozialen Netzwerken sowie von sonstigen mutmaßlich kompetenten Helfern und Heilern erfahren, wie in einem weiteren Beitrag ausgeführt werden wird.

Da MCS-Kranke durch ihre Erkrankung oft in besonderem Maße ihres angestammten sozialen Netzwerks beraubt werden, sollte eine Psychotherapie hier theoretisch überdurchschnittlich häufig nützlich sein, wenn man in eine psychische Krise gerät, ob nun krankheitsbedingt oder nicht. Das setzt allerdings die Verfügbarkeit eines mit MCS vertrauten Psychotherapeuten und verträgliche Räumlichkeiten voraus. Pamela Reed Gibson gibt in ihrem Buch [1] einige Ratschläge dazu, wovon ebenfalls später noch berichtet werden soll.

Zunächst soll jedoch versucht werden, vorhandene Daten über Behandlungserfolge bei MCS zu den geschilderten Ergebnissen für Psychotherapie in Relation zu setzen.

Expositionsvermeidung

Wir erinnern uns noch einmal an die Ergebnisse von Pamela Reed Gibson für die Expositionsvermeidung sowie für Psychotherapie.

Sie fand [2], dass 94,5% der Befragten die Vermeidung von Auslösern ihrer Symptome sehr oder etwas hilfreich fanden. Psychotherapie als Mittel, um MCS zu „heilen“, fanden dagegen nur 20,2% sehr oder etwas hilfreich. Psychotherapie als Hilfe, um mit der Erkrankung besser zurecht zu kommen, fanden 65% sehr oder etwas hilfreich.

Es soll nun versucht werden, hieraus Effektstärken abzuschätzen.

Es gibt hier jedoch ein prinzipielles Problem bei der Abschätzung von Korrelation und Effektstärke anhand einer Kontingenztabelle, und zwar das Fehlen einer „unbehandelten“ Kontrollgruppe in der Studie von Pamela Reed-Gibson. Es wird sich jedoch zeigen, dass eine plausible Abschätzung auch so möglich ist.

Expositionsvermeidung

Für den Fall der Expositionsvermeidung fehlt wie gesagt eine Vergleichsgruppe. Geht man versuchsweise auf das BESD-Schema (vgl. Teil 7 der Reihe) zurück, so müsste die Kontingenztabelle lauten:

Tabelle 8.1

Die eingetragenen Werte für die Kontrollgruppe ergeben sich aus den Festlegungen für das Schema.

Es ist jedoch bekannt, dass es bei MCS praktisch keine Spontanremission gibt. Die sich aus dem Schema ergebenden Werte für die Vergleichsgruppe von 5,5% Erfolg und 94,5% Misserfolg sind also durchaus plausibel.

Man erhält so einen Behandlungseffekt von 89% und eine (korrekte) Effektstärke von 3,2. (mit den gängigen tabellierten Werten erhält man 3,9 (vgl. Teil 7)). Die nächste Graphik zeigt die Verhältnisse. Die gelbe Fläche repräsentiert jeweils erfolgreiche, die blaue nicht erfolgreiche Populationsanteile.

Bild 8.1

Wegen der besseren Anschaulichkeit wurde wieder auf die Verhältnisse bei der NIMH-Studie [5] als Analogon zurückgegriffen. In einem absoluten Sinne haben die angegebenen Werte keine Bedeutung, vermitteln aber vielleicht näherungsweise ein Gefühl für die Bedeutung der Ergebnisse für die Betroffenen.

Für die Kurve zur Expositionsvermeidung (in der Graphik violett) diente wegen der fehlenden Spontanremission der Ausgangszustand vor jeglicher Behandlung als Bezugspunkt (hier schwarz, m=18,9). Durch die fiktive Behandlung mit Expositionsvermeidung verschiebt sich das Zentrum der Kurve nach links zu m= -0,7.

Psychotherapie

Um eine Effektstärke für den Vergleich zwischen

Psychotherapie als Hilfe um mit der Erkrankung besser zurecht zu kommen

und

Psychotherapie als Mittel um MCS zu „heilen“

abzuschätzen, ist es erforderlich, zusätzliche Annahmen über das jeweils angelegte Erfolgskriterium und über ein statistisches Modell zu machen.

Es wird angenommen, dass das Kriterium für beide Gruppen das Gleiche ist und auf einem Messinstrument beruht, dass normalverteilte Ergebnisse mit gleicher Standardabweichung liefert.

Dann erhält man, z.B. aus den einschlägigen Tabellen für „z“ , bezogen auf die Lage des Kriteriums für

Psychotherapie als Hilfe um mit der Erkrankung besser zurecht zu kommen einen z-Wert (entspricht hier praktisch „d“ relativ zum Kriterium) von z1 = 0,385

und für

Psychotherapie als Mittel um MCS zu „heilen“ ist z2 = -0,835.

Daraus folgt dann eine Effektstärke „d“ von d = z1 – z2 = 1,22.

In der NIMH-Studienanalogie ergibt das bei Heranziehung der synthetischen unbehandelten Gruppe als Vergleichsgruppe für Psychotherapie als Hilfe, um mit der Erkrankung besser zurecht zu kommen einen Punktewert von 9,4 und für Psychotherapie als Mittel, um MCS zu „heilen“ einen Punktewert von 16,4. Das Erfolgskriterium stimmt dabei mit dem Mittelwert für die unbehandelte Gruppe von 11,6 Punkten überein. Die nachfolgenden Graphiken zeigen die Verhältnisse. Die gelben Flächen repräsentieren jeweils den Anteil der nach dem Kriterium als „erfolgreich“ klassifizierten Populationsanteile. Die blauen Flächen die „nicht erfolgreichen“.

Bild 8.2 Bild 8.3

Psychotherapie zwecks Hilfe zur Krankheitsbewältigung (orange) verschiebt die „unbehandelt“-Kurve (oben grün) zu einem Mittelwert von m=9,4. Das ist etwa so gut wie die Placebogruppe der NIMH-Studie (m=8,8). Die Interpersonale Therapie erreichte nach der Behandlung einen HRSD-Punktewert von 6,9.

Dass hier nicht die Bestwerte von etwa 7 Punkten erreicht werden (soweit man die Analogie ernst nehmen möchte) ist leicht verständlich, wenn die MCS als Grunderkrankung und Ursache eines Teils des seelischen Leids bestehen bleibt, während die Psychotherapie nur auf hierzu sekundäre und sonstige Komponenten des seelischen Leids Auswirkungen hat.

In der BESD-Interpretation

Die (korrekte) BESD-Interpretation ([3], vgl. Teile 6 u. 7) führt zu folgender Kontingenztabelle:

Tabelle 8.2

Die graphische Darstellung dieser Interpretation sieht folgendermaßen aus:

Bild 8.4

Der (korrekte) relative Behandlungseffekt für

Psychotherapie als Hilfe um mit der Erkrankung besser zurecht zu kommen

im Vergleich zu

Psychotherapie als Mittel um MCS zu „heilen“

liegt bei dieser Interpretation damit bei 72,9%-27,1%= 45,8%. Nach den üblichen Tabellen (vgl. Teil 7) erhält man einen Behandlungseffekt von 52%.

Zum Vergleich: die Werte für Psychotherapie gegenüber unbehandelt waren 31,8% bzw. 38% (s. Teil 7).

Fazit

Um via Quantifizierung zu einer Vergleichbarkeit zu kommen, bedient sich die psychologische Forschung zahlreicher „Messinstrumente“ wie z.B. Intelligenz- oder Persönlichkeitstests. Jede quantitativ arbeitende Studie greift auf derartige Instrumente oder ad hoc formulierter Kriterien, die sich statistisch quantitativ auswerten lassen, zurück, um die Haltbarkeit der jeweils untersuchten Hypothesen zu beurteilen.

In den Verhaltenswissenschaften bleibt die Validität derartiger Ergebnisse in Abhängigkeit von der Validität der Messinstrumente immer mehr oder weniger in der Schwebe. Denn die numerischen Werte korrespondieren zu keinerlei bekannten fundamentalen* oder abgeleiteten numerischen Zuordnungen ([4], S. 21). Man kann daher fragen „was wird durch die Verwendung solch eines Instruments erreicht? Allgemein gesprochen scheint die Antwort zu sein, dass das Instrument in der Lage sein könnte, zukünftige Ereignisse von praktischer Bedeutung vorherzusagen. „Die Rechtfertigung der Verwendung solcher Instrumente würde dann einzig in dem Ausmaß liegen, in dem sie in der Lage sind, bedeutsame Ereignisse vorherzusagen…“ ([4], S.21).

Wie in den zurückliegenden Beiträgen gezeigt wurde, führten die konsistenten Ergebnisse von 50 Jahren Psychotherapieforschung nach diesem Maßstab bislang zu keinem Rest an Effekten, der sich auf Bestandteile der den Therapien zugrunde liegenden Theorien zurückführen ließe. Mithin gibt es keinen wirklichen Hinweis auf den wissenschaftlichen Nutzen dieser Theorien. Abgesehen vielleicht vom subjektiven Gefühl der Befriedigung angesichts einer mit der sonstigen eigenen Weltanschauung einigermaßen verträglichen Analyse. Doch dieser Nutzen bleibt rein subjektiv und ganz beim Analysierenden und erreicht nicht den Analysierten. Vom Realitätscharakter der Konstrukte ganz zu schweigen, denn der hätte ja meßbare Unterschiede zumindest zur Voraussetzung. (Alternativ könnte man die Validität der verwandten Messinstrumente verneinen, was jedoch wissenschaftlich zu keiner erstrebenswerteren Situation führt. Denn beide sind meist nicht voneinander zu trennen, da die theoretischen Konstrukte nur durch reproduzierbar objektiv identifizierbare Muster in den Phänomenen begründet werden können. Und gerade dazu sollen eben die in Frage stehenden Messinstrumente dienen. Es bliebe nur, der Psychologie als Wissenschaft einen Platz in der Metaphysik zuzuweisen.)

Etwas strikt anderes ist der praktische Nutzen in Form eines Mythos, auf den im Lauf der Therapie zurückgegriffen werden und aus dem das Ritual der Psychotherapie Kraft und Glaubwürdigkeit schöpfen kann (vgl. auch den nächsten Beitrag). Derartige Mythen als zu rechtfertigende Mittel wissenschaftlicher Analyse anzusehen wäre aber ein krasses Missverständnis.

Die oben beschriebenen Ergebnisse für Psychotherapie bei MCS geben keinen Hinweis auf eine Relevanz von Theorien, die psychische Ursachen unterstellen, was immer darunter zu verstehen sein mag (abgesehen davon, dass sie auf Theorien Bezug nehmen, die sich empirisch nicht validieren lassen). Ganz im Gegenteil. Derartige Grundannahmen führen zu drastisch schlechteren Ergebnissen in der Psychotherapie.

Mit diesen Verhältnissen sind die ungleich größeren positiven Effekte für Expositionsvermeidung zu vergleichen. Dies deutet im Verhältnis zu den verschiedenen psychologischen Theorien auf einen deutlich höheren Nutzen und Realitätswert für Theorien über MCS hin, die von der Annahme ursächlicher Umweltnoxen ausgehen.

Deren Probleme liegen gegenwärtig in der Vereinbarkeit mit anderen verbreitet als wahr geglaubten Lehrmeinungen über die Menschliche Physiologie. Und wie immer, wenn die Phänomene nicht weichen wollen, werden schließlich Teile unseres mutmaßlichen Wissens einer Revision unterzogen werden müssen.

* Ein fundamentale Messung kann informell etwa als Abbildung eines empirischen relationalen Systems auf ein numerisches relationales System definiert werden ([4], S. 16). In der Psychologie fehlen jedoch die empirischen relationalen Systeme. Sie werden umgekehrt gerade mit Hilfe von letztlich auf Abzählen basierenden statistischen Messinstrumenten zu konstruieren versucht. Die damit beschäftigten Theoretiker weisen auch regelmäßig darauf hin, dass den zahlreichen verwendeten Konstrukten (z.B. die Big Five) kein eigener Realitätscharakter zuzusprechen ist (d.h. abgesehen von der Realitätshaftigkeit, die man Abstrakta generell ggf. zuzubilligen bereit ist). In der Praxis wird dies jedoch zumindest in der Sprechweise nicht beachtet und auch von den Fachleuten häufig nicht verstanden und damit bei Laien und wissenschaftstheoretisch unbeschlageneren Fachleuten gegenteiliges suggeriert. In den nicht quantitativ begründeten psychologischen Theorien (z.B. psychodynamische) ist leider nicht einmal dieses rudimentäre Bewusstsein hinsichtlich dessen, was man da tut, vorhanden. So werden neue Mythen geboren.

Autor: Karlheinz, CSN – Chemical Sensitivity Network, 24. August 2009

Tabellen: Karlheinz

Teil I – VII

Literatur

[1] Pamela Reed Gibson (2006), Multiple Chemical Sensitivity: A Survival Guide, Earthrive Books.

[2] Gibson, P. R., Elms, A. N. M., & Ruding, L. A. (2003). Perceived treatment efficacy for conventional and alternative therapies reported by persons with multiple chemical sensitivity. Environmental Health Perspectives, 111, 1498-1504.

[3] Randolph & Edmondson (2005). Using the Binomial Effect Size Display (BESD) to Present the Magnitude of Effect Sizes to the Evaluation Audience. Practical Assessment Research & Evaluation, Vol 10, No 14.

[4] Patrick Suppes, Joseph L. Zinnes (1963). Basic Measurement Theory in: Luce, Bush, Galanter, Handbook of Mathematical Psychology, Volume I, John Wiley & Sons.

[5] Elkin et. al. (1989). NIMH Treatment of Depression Collaborative Research Program: General Effectiveness of Treatment, Archives of General Psychiatry 46:971-82.

Neues Buch über MCS – Multiple Chemical Sensitivity in Arbeit, erster Blick über die Schulter des Autors

Neues Buch über Multiple=

Neues Buch in Arbeit, erster Blick über die Schulter des Autors

Dr. Hans-Ulrich Hill ist dabei, ein neues Buch über MCS – Multiple Chemical Sensitivity und Umweltkrankheiten zu schreiben und lässt uns schon jetzt ein wenig über die Schulter schauen. Der Autor ist selbst betroffen und gründete vor Jahren in Wiesbaden eine Selbsthilfegruppe. Das Thema MCS brennt ihm unter den Nägeln, und wenn er neue wissenschaftliche Erkenntnisse liest, gibt es für ihn einfach nichts anderes, als sofort loszulegen und zu schreiben.

Nachfolgend das Vorwort und die bisherige Inhaltsangabe des neuen Buches von Dr. Hans-Ulrich Hill:

Vorwort

Seit Jahren häufen sich Befunde und Erkenntnisse, dass industriell hergestellte Chemikalien, aber auch natürliche Stoffe aus bestimmten Pflanzen und Tieren, neben akut toxischen Wirkungen auf den Menschen auch Langzeitwirkungen ausüben können, die zu chronischen Krankheiten führen können. Viele dieser Wirkungen betreffen ausgerechnet das Gehirn, das „Zentralorgan“, das zur Steuerung bewusster und unbewusster Lebensvorgänge dient, und das dem Menschen nur in intaktem Zustand eine optimale Bewältigung seiner Alltagsaufgaben gewährleistet. Chemikalienwirkungen im Gehirn, besonders solche chronischer Art, können die Lebensqualität des Menschen auf Dauer stark beeinträchtigen. Viele chronische Krankheiten, die langsam fortschreiten und zu zunehmenden Allgemeinbeschwerden führen, wurden in den letzten Jahren als Folge von oder im Zusammenhang mit andauernden Expositionen der Betroffenen gegenüber Umweltchemikalien beschrieben, darunter das Chronische Erschöpfungssyndrom, die Toxische Enzephalopathie, das Lösungsmittel- und Holzschutzmittel-Syndrom, die Multiple Chemikalien-Sensitivität (MCS), um nur einige zu nennen. Aber auch die in der Häufigkeit innerhalb der Bevölkerung rasant zunehmenden Demenzerkrankungen wie die Parkinson-Krankheit, die Alzheimer-Krankheit, die Multiple Sklerose und andere, werden durch eine zunehmende Zahl von wissenschaftlichen Befunden mit Expositionen gegenüber Umweltchemikalien in Zusammenhang gebracht.

Die Wissenschaft hat vielfältige Hinweise dafür geliefert, dass als Folge der Wirkungen dieser Chemikalien chronisch entzündliche Krankheitsprozesse im Gehirn ablaufen, die sich selbst verstärken und verselbständigen, und dies auch dann, wenn in den Körperflüssigkeiten die auslösenden Chemikalien mit den gängigen laboranalytischen Methoden schon lange nicht mehr nachweisbar sind.

Gutachter argumentieren aber bis heute (2009) vor Gericht im Rahmen eines Kausalitätsverständnisses, das diese Langzeitwirkungen von Chemikalien außer Acht lässt und einen direkten Nachweis eines Zusammenhangs zwischen Chemikalien-Exposition und toxischer Wirkung im Körper in zeitlich überschaubarem Zusammenhang verlangt. Leider aber verhalten sich die chronischen Wirkungen von Chemikalien besonders im Gehirn und Nervensystem nicht so, wie dies die kurze Halbwertszeit der Erkenntnis zeitlicher Zusammenhänge bei Gutachtern, Richtern, Vertretern des Gesundheitswesens und Politikern zulässt.

Immerhin hat die Erkenntnis der Langzeitwirkungen neurotoxischer Chemikalien Eingang in die Liste der Berufskrankheiten der Gesetzlichen Unfallversicherung gefunden, indem 1997 mit der BK Nr.1317 die Enzephalopathie und Polyneuropathie durch organische Lösungsmittel aufgenommen wurde. Im Merkblatt zur BK 1317 wurde erstmals ausdrücklich anerkannt, dass auch Jahre nach Beendigung einer beruflichen Tätigkeit, die mit Belastungen durch bestimmte neurotoxische Stoffe, insbesondere organische Lösungsmittel, verbunden war, eine Zunahme der Beschwerden sowie eine Verschlechterung der Ergebnisse psychologischer Testverfahren und neurologischer Untersuchungsbefunde festgestellt werden kann. Bislang wurde argumentiert, dass gesundheitliche Beschwerden und Krankheiten, die nach Beendigung der belastenden Tätigkeit auftreten, in keinem kausalen Zusammenhang mit dieser Tätigkeit stehen könnten. Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse der Neurotoxikologie zu chronisch-entzündlichen und degenerativen Krankheiten des Zentralen Nervensystems machen jedoch ein Umdenken notwendig.

Das vorliegende Buch will diese Erkenntnisse anhand einer Auswertung der Fachliteratur dokumentieren und dazu ermutigen, diese Erkenntnisse in der täglichen Praxis der Beurteilung neurologischer Krankheitsfälle, die in Zusammenhang mit Umweltbelastungen stehen, im Interesse der Betroffenen anzuwenden und diesen zu einer gerechten Entschädigung für ihre nicht durch sie selbst verschuldete Krankheit zu verschaffen. Das Buch ist somit durchaus parteilich zu verstehen, es verzichtet dabei dennoch nicht auf die mit Sorgfalt und Objektivität aus aktueller wissenschaftlicher Fachliteratur entnommenen Erkenntnisse.

Der Schwerpunkt der Darstellung liegt in der Beschreibung chronischer neurologischer Krankheitsbilder und dem Nachweis des Zusammenhangs mit Belastungen durch Umweltchemikalien. Vorangestellt ist ein Kapitel, in dem lediglich exemplarisch die neurotoxischen Wirkungen einiger wichtiger Chemikalien dargestellt werden. Dabei liefern die Erkenntnisse über die Wirkungen von Insektiziden vom Typ der organischen Phosphorverbindungen (Organophosphate) einen geeigneten Übergang zu den im Gehirn ablaufenden Mechanismen, die zu den so verheerenden chronisch-degenerativen Erkrankungen des Gehirns führen. Es zeichnet sich ab, dass diese und andere Umweltchemikalien dafür verantwortlich sein werden, dass Zig Millionen von Menschen zukünftig ihr Lebensende in einem Zustand zunehmenden Gedächtnis-, Denk- und Bewusstseinsverlustes fristen müssen. Sie verlieren dabei als Alzheimer- oder Parkinson-Patienten alles, was das Leben auch an seinem Ende noch lebens- und würdevoll machen kann, und dies nur, weil aus Gründen angeblicher wirtschaftlicher Notwendigkeiten nicht auf die Produktion chronisch neurotoxischer Chemikalien, z.B. vieler Pestizide in der Landwirtschaft, verzichtet werden könne.

Hans-Ulrich Hill, Wiesbaden, im September 2009

Ein Blick auf die vorläufige Inhaltsangabe:

Inhalt

Vorwort

Einleitung

1. Neurotoxische Wirkungen von Chemikalien

1.1. Beispiel Quecksilber: Das Amalgam-Problem

1.2. Organische Zinnverbindungen

1.3. Drogenwirkungen

1.4. Organophosphat-Insektizide

1.4.1. Der Wirkungsmechanismus der Organophosphat-Pestizide: Ein

Zusammenspiel verschiedener Rezeptoren im Gehirn

1.4.2. Auslösung chronischer Entzündungsprozesse im Gehirn

2.         Chronisch degenerative Erkrankungen des Zentralen Nervensystems

2.1. Die Toxische Enzephalopathie (TE), ein Krankheitsbild mit Langzeiteffekten

2.1.1 Symptome und Merkmale der Krankheit

2.1.2 Schweregrade der Krankheit

2.1.3 Wirkungsmechanismen, die zur Toxischen Enzephalopathie führen

2.2 Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADHS)

2.3. Degenerative Demenz-Erkrankungen des Zentralnervensystems (ZNS)

2.3.1 Multiple Sklerose (MS)

2.3.2. Die Alzheimer Krankheit

2.3.3. Die Parkinson-Krankheit

2.3.3.1. Chemikalien als Auslöser bei der Parkinson-Krankheit

2.3.3.2. Befunde zum biochemischen Pathomechanismus der Parkinson-Krankheit

2.3.3.3. Epigenetische Umprogrammierung von Genaktivitäten und sich selbst verstärkende Krankheitsmechanismen

2.3.3.4. Genetische Veranlagung für die Parkinson-Krankheit

2.3.4. Weitere neurodegenerative Erkrankungen: Das Steele-Richardson-Olzewski-Syndrom und verwandte Krankheiten

2.3.4.1. Gemeinsame Merkmale

2.3.4.2. Die Lewy-Körperchen-Demenz

2.3.5. Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)

3. Zusammenfassung: Viele Chemikalien wirken neurotoxisch als Auslöser chronischer Krankheitsprozesse.

4. Therapie und Prävention

4.1. Prävention als umwelt- und gesundheitspolitische Aufgabe

4.2. Zur Therapie von neurodegenerativen Erkrankungen

4.2.1. Maßnahmen im Anfangsstadium

4.2.1.1. Training

4.2.1.2. Medikamente der Naturheilkunde:

4.2.2. Therapie in fortgeschrittenen Stadien

4.2.2.1. Multiple Sklerose

4.2.2.2. Parkinson-Krankheit

4.2.2.3. Alzheimer-Krankheit

Literatur

Adressen