Verschiedene Zeitungen berichten aktuell über den Tod eines 15-jährigen Jungen. Er starb durch Inhalieren von Deo. Der Junge, der unter seinen Schulkameraden und Freunden sehr beliebt war, ist nicht der erste Fall. Sein Vater hat nun Strafanzeige gegen den Hersteller gestellt und hat sich zur Aufgabe gesetzt, Eltern, Jugendliche und Lehrer aufzuklären über die Gefahren des Schnüffelns von Deodorant, was seinen Sohn sinnlos umgebracht hat. Eigentlich wäre dies die Aufgabe unserer Behörden. Vor einem Jahr hatte das BfR – Bundesinstitut für Risikobewertung durch eine Anfrage bei CSN dargelegt, dass man auf die Problematik aufmerksam gemacht wurde und sich darum kümmern wolle.
Deo-Schnüffeln, ein „uncooler Trend“ bei Jugendlichen
Es war eine eher ungewöhnliche Anfrage, die eine Mutter vor etwa einem Jahr bei CSN stellte. Sie bat um Hilfe, weil sie selbst nicht mehr weiter wusste. Sie hatte ihre Tochter dabei erwischt, wie sie unter der Bettdecke Deo schnüffelte. Ihr war aufgefallen, dass ihre Tochter sich verändert hatte und es in ihrem Zimmer extrem nach Deo roch. Innerlich alarmiert ging sie in Beobachtungsposition und wurde schnell mit der Realität konfrontiert, dass sie in ihrer Vermutung richtig lag. Ihre Tochter schnüffelte Deo um high zu werden.
Eltern müssen auf Veränderungen achten
Die Mutter war durch den Artikel „Erneut Herzversagen durch Deo bei einem Jugendlichen“ auf CSN aufmerksam geworden. Nun wollte sie Rat, wie sie ihre Tochter von dieser Sucht, die offensichtlich vorlag, befreien könnte. Ich gab der Mutter den Rat, ihre Tochter ganz in Ruhe, aber unter knallharter Konfrontation mit den Fakten, mit allen zu erwartenden Risiken des Deo-Schnüffelns zu konfrontieren, vor allem, dass sie sich rasch in Lebensgefahr bringen kann. Und dass sie ihr verdeutlichen möge, dass die in vielen Deos enthaltenen Lösungsmittel und Treibgase auch schwerste Hirnschäden auslösen können.
Als ich der Mutter damals erläuterte, dass Merkfähigkeits- und Konzentrations-störungen zu den ersten Auffälligkeiten gehören, bestätigte sie, dass diese schon seit geraumer Zeit bei ihrer Tochter bemerkbar waren, sie sich nur keinen Reim darauf machen konnte. Das Vorliegen weiterer Symptome, die ich aufzählte, konnte sie ebenfalls bejahen: Auffallende Blässe, häufig Nasenbluten, Kopfschmerzen, Schwindel, erweiterte Pupillen, Wesensveränderungen mit aggressiven Anfällen, Leistungsabfall in der Schule, etc. Was mir noch aus dem Telefonat von damals im Gedächtnis ist, die Tochter hatte ihrer Mutter erzählt, dass Deo-Schnüffeln ein Trend unter den Jugendlichen an ihrer Schule sei. Ich sagte ihr, dass sie ihrer Tochter erklären solle, dass man nicht jeden und schon gar nicht einen solchen „Trend“ mitmachen müsse, er sei nicht nur total „uncool“, sondern würde im geringsten Fall zu Verblödung führen, weil Inhalieren dieser Chemikalien das Gehirn nachhaltig schädigt.
Todesfälle durch Deo-Schnüffeln dem BfR bekannt
Kurze Zeit später, am 3. März vergangenen Jahres, erhielt CSN eine E-Mail einer für die Bewertung von Vergiftungen zuständigen Mitarbeiterin des BfR – Bundesinstitut für Risikobewertung:
Sehr geehrte Frau Müller,
Durch eine Anfrage an uns haben wir von dem Todesfall eines 12 jährigen Jungen in England durch Deo-Spray erfahren. In dieser Anfrage wurde ihr Artikel vom 21. November 2008 erwähnt, in dem Sie von dem Todesfall durch Versprühen des Deo Lynx Vice (Axe) und weitere Todesfälle in England und auch in Deutschland berichten.
Im Rahmen unserer gesetzlichen Aufgabe (Registrierung und Auswertung der Vergiftungs-Meldungen gemäß § 16 e des ChemikalienGesetzes) sind diese Fälle für uns von besonderer Bedeutung. Wir möchten Sie daher bitten, uns den entsprechenden Artikel noch einmal zu zu mailen und fragen an, ob Ihnen weitere Informationen über diesen Todesfall vorliegen. Zum Beispiel wäre es sehr hilfreich, wenn Sie uns einen Ansprechpartner oder die Klinik in England nennen könnten. Wir hätten dann die Möglichkeit dort die Epikrise anzufordern.
Für Ihre Bemühungen danken wir Ihnen im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. med. Regine Burger
– –
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
Fachgruppe 32: Vergiftungs- und Produktdokumentation
Bewertungsstelle für Vergiftungen
Thielallee 88-92
14195 Berlin
CSN Antwort an das BfR – Bundesinstitut für Risikobewertung vom 4. März 2009
Sehr geehrte Frau Dr. Burger,
es gab in den vergangenen Jahren mehrere Todesfälle durch Einatmen von Deo, dies fanden wir durch eine Recherche im Internet heraus. Meinen Originalartikel mit den entsprechenden Referenzen zum Anklicken können Sie diesen Link einsehen:
http://www.csn-deutschland.de/blog/2008/11/21/erneut-herzversagen-durch-deo-bei-einem-jugendlichen
Ich erinnere mich, dass ich bei der Recherche für den Artikel noch weitere Fälle sah. Es wäre daher sicherlich für Ihre Nachforschung sinnvoll, wenn Sie jemanden für eine ausführliche Recherche abstellen würden.
In meiner Beratungstätigkeit für Chemikaliensensible erreichen mich seit etwa drei Jahren immer häufiger Anrufe von Müttern und auch von Lehrern, die sich über die teils extensive Deo- und Parfümbenutzung in Schulen beschwerten. Teilweise können Kinder und Jungendliche aufgrund der massiven Duftstoffverwendung von Mitschülern dem Unterricht nicht mehr beiwohnen, oder können nur noch tageweise in die Schule gehen und sind dann wieder für Tage wegen schwerster Migräne, Schwindel, starker Übelkeit etc. Zuhause. Uns sind auch Lehrer bekannt, die aufgrund ihrer Beschwerden durch Duftstoffe nicht mehr unterrichten können und in Pension geschickt wurden.
Meine Organisation hat sich aus diesen Gründen schon des Öfteren mit amerikanischen und kanadischen Organisationen über das in deren Ländern immer häufiger durchgeführte Duftstoffverbot an Schulen und Universitäten ausgetauscht. Gerade in Hinblick auf Barrierefreiheit für Behinderte mit Asthma, Chemikaliensensitivität und Duftstoffallergikern, wäre eine solche Maßnahme auch für unser Land ein großer Fortschritt für diese Behindertengruppe, um wieder am öffentlichen Leben teilhaben zu können.
In Bezug auf den gefährlichen Missbrauch und die oft übermäßige Verwendung von Deospray in Schulen liegt es vielleicht in Ihrem Möglichkeitsbereich, dass an Schulen zumindest die Verwendung von Deosprays verboten wird und stattdessen auf den Gebrauch von Deorollern und Deosticks verwiesen wird. Noch besser wäre ein gänzlicher Verzicht auf Duftstoffe an Schulen und an Universitäten, da es als erwiesen gilt, dass viele der in Parfüms, Deos, Body Lotion, etc. enthaltenen Chemikalien das Lernverhalten in erheblichem Maße negativ beeinträchtigen können, ganz abgesehen von den Langzeitfolgen, die manche dieser Chemikalien, die z.T. neurotoxisch, gentoxisch, kanzerogen, immuntoxisch, hormonimmitierend etc. sind, nach sich ziehen.
Sollten Sie weitere Informationen benötigen, steht meine Organisation Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüssen,
Silvia K. Müller
CSN – Chemical Sensitivity Network
Aufklärung in Schulen dringend erforderlich
In welcher Weise das BfR damals tätig wurde, ist nicht bekannt. Dass jetzt ohne zeitliche Verzögerung gehandelt werden muss, wird durch den aktuellen Todesfall des 15-jährigen Jungen aus Überlingen zwingend.
Geeignete Maßnahmen um Risiken zu minimieren:
- Schulung von Lehrpersonal bezüglich der Risiken von Deos und Duftstoffen und der Früherkennung von Symptomen einer Intoxikation durch Inhalieren von Deos, Parfums, Lösungsmitteln oder Ähnlichem
- Aufklärungsarbeit der Schüler durch Lehrer und entsprechendes Aufklärungsmaterial, z.B. Plakate und Flyer oder Schulungsfilme
- Warnhinweise auf Deosprays, so wie man sie von Zigarettenpackungen her kennt
- Abgabeverbot von Deosprays an Jugendliche unter 16 Jahren
- Generelles Verbot von Deosprays und Duftstoffen in verschiedenen öffentlichen Bereichen
- Deosprays in Haushalten mit Kindern und Jugendlichen verbannen, statt dessen nur Verwendung von Deorollern und Deosticks
Dass man Maßnahmen wie Deospray- und Duftstoffverbote anordnen kann, macht das Ausland uns schon seit Jahren vor. Immer häufiger liest man Meldungen, dass an Schulen, Universitäten, in Krankenhäusern und bei Behörden die Verwendung von Duftstoffen untersagt wurde. Sind Duftstoffe und Deosprays erst einmal verbannt, wird schnell offenkundig, dass dies sehr positive Auswirkungen hat, beispielsweise, dass Schüler und Studenten sich wesentlich besser konzentrieren können und bessere Leistungen erzielen, wie Lehrer und Universitätsprofessoren mehrfach bekundeten. Besorgnis erregende Trends wie das Inhalieren von Deodorants bei Jugendlichen, Beduftung von Klassenräumen und „Deo-Schlachten“ an Schulen würden durch solche rigorosen Maßnahmen und nachhaltige Aufklärung mit einer ziemlich hohen Wahrscheinlichkeit im Keim erstickt werden.
Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 19. März 2010
Infomaterial: CSN Informationskarte zu Gefahren durch Duftstoffe zum Ausdrucken oder anfordern
Weitere CSN Artikel zum Thema: