Archiv der Kategorie ‘Chemical Sensitivity‘

Chemical Sensitivity ab Oktober in Japan eine offiziell anerkannte Krankheit

Chemical Sensitivity in Japan anerkanntZum ersten Oktober soll Chemical Sensitivity – MCS in Japan in das medizinische Abrechnungsregister aufgenommen werden. MEDIS – DC, das Medical Information System Developement Center, eine Organisation, die dem Ministerium für Gesundheit und dem Wirtschaftsministerium direkt unterstellt ist, plant, die Krankheit in einer Revision seines Krankheitsregisters wirksam zum 1. Oktober aufzunehmen. MEDIC-DC ist vergleichbar dem deutschen DIMDI. In Deutschland ist MCS – Multiple Chemical Sensitivity bereits seit Jahren mit dem Code T.78.4 versehen und im Kapitel 19 für Verletzungen, Vergiftungen als körperliche Krankheit im ICD-10 gelistet.

In Japan wird Chemikalien-Sensitivität mit der Aufnahme in das Register für Krankheiten erstmalig von Regierungsseite als Krankheit anerkannt. Wenn die Krankheit im Register aufgenommen ist, wird dies große Erleichterung für Chemikaliensensible bringen, denn davon ist abhängig, ob eine Krankenkasse eine medizinische Behandlung bezahlt oder nicht. Derzeit zahlen die Erkrankten ihre Behandlungen selbst. Man geht in Japan von rund 700 000 Menschen aus, die chemikaliensensibel sind.

Im Mai hatte eine in Tokio ansässige Organisation, das Sick House Syndrome Liaison Committee, das Ministerium für Gesundheit dazu aufgefordert, Chemical Sensitivity offiziell als medizinische Krankheit anzuerkennen. Die Organisation wurde am 1. Juni vom Ministerium kontaktiert und bekam mitgeteilt, dass vorgesehen ist, Chemical Sensitivity zum 1. Oktober in die offizielle Liste für Krankheiten aufzunehmen.

Für die Menschen in Japan, die an Chemical Sensitivity erkrankt sind, bedeutet diese offizielle Anerkennung als Krankheit in erster Linie eine moralische Unterstützung, sagte Hinobu Hirota aus Yokohama, der Leiter der Patientenorganisation „Chemical Sensitivity Syndrome Support Center“, die in Yokohama ansässig ist, gegenüber den Medien.

Autor:

Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 12. Juni 2009

Literatur:

Chemical sensitivity syndrome to make list of gov’t-insured medical conditions, Mainichi Daily News, 12. Juni 2009

Neuer CSN Blog online – Environmental Medicine Matters

Environmental Medicine Matters

Umweltmedizin ist zukünftig eine der wichtigsten medizinischen Fachrichtungen, denn sie schließt eine Lücke dort, wo die Medizin mit herkömmlichem Verständnis nicht weiterkommt. Die Einflüsse auf den Menschen vor allem durch Chemikalien in der Luft, die wir atmen, dem Wasser, das wir trinken, der Nahrung, die wir essen, und in den Produkten, mit denen wir uns im Alltag umgeben, wachsen stetig. Der Anstieg von Krankheiten, die durch Chemikalien ausgelöst werden, nimmt weltweit dramatische Formen an. Im Gegenzug beginnen eine steig wachsende Zahl von Wissenschaftlern sich der Erforschung dieser Krankheiten, ihrer Ursachen und Zusammenhänge zu widmen.

Mit dem CSN Blog Environmental Medicine Matters möchten wir über Studien, Fakten, neueste Diagnosemethoden und Wissenswertes, das sonst noch mit dem Themengebiet Umweltmedizin in Zusammenhang steht informieren. Der Blog richtet sich in erster Linie an Fachleser, insbesondere Ärzte. Environmental Medicine Matters ist in englischer Sprache abgefasst, um CSN die Möglichkeit zu geben, auf internationaler Ebene besser agieren zu können.

Wir wünschen allen Interessierten spannende Lektüre,

Silvia K. Müller

CSN – Chemical Sensitivity Network

Ein Ort an dem Chemikaliensensible beschwerdefrei sind

Chemiefreier Platz in der Natur

Dass sie auf Spuren von Chemikalien im Alltag zu reagieren, bedeutet für Menschen, die an Chemikalien-Sensitivität (MCS) erkrankt sind, dass es für sie kaum mehr einen Platz in unserer Gesellschaft gibt. Denn wo hält sich niemand auf, der beduftete Körperpflegemittel und Kosmetik benutzt hat, die eine Vielzahl von Chemikalien enthalten? Wo gibt es keine Abgase von Industrie, Autos und Heizungsanlagen? Wo gasen keine Chemikalien aus Baumaterialien und Mobiliar in Innenräumen aus? Wo wird nur chemiefrei gereinigt? Wo kann man an Feldern vorbei gehen die nicht mit giftigen Pestiziden gespritzt sind? Wo ist ein Strand ohne Menschen mit Sonnencreme?

Für Menschen mit MCS bedeutet die Flut von Chemikalien im ganz normalen Alltag, dass sie sich zurückziehen müssen um beschwerdefrei zu sein.

Thommy’s Blogfrage der Woche:

  • Habt Ihr als Chemikaliensensible einen Ort gefunden, wo es Euch gut geht trotz MCS?
  • Einen Platz an dem Ihr keine Symptome durch irgendwelche Chemikalien habt?
  • Wo ist Euer Ort oder Platz an dem es Euch gut geht? Wie sieht es dort aus?
  • Oder könnt Ihr Euch nur in Eurem eigenen Wohnraum mit Luftfilter aufhalten?

Umweltbewusstsein ist Pflichtprogramm, denn unser Planet ist nicht nur heute und morgen unser Zuhause

Wasser ist kostbar - Sauberes Wasser ist knapp

…unser Planet soll auch übermorgen und in tausenden von Jahren noch Menschen, Tieren und Pflanzen Lebensraum bieten.

„Wie gehen mit der Erde um, als hätten wir eine Zweite in der Hosentasche“. Dieser Spruch ist sehr leicht zu verstehen und drückt genau aus, wie die Mehrzahl der Menschen mit unserem Planeten umgeht.

Als ich vor 17 Jahren durch eine Pestizidintoxikation fast starb, tolerierte mein Körper auch kaum noch Nahrung. Forelle gehörte zu den fünf Nahrungsmitteln, die mein Immunsystem tolerierte. Ein Freund meines Vaters war sehr betroffen, und hoch motiviert mir zu helfen. Trotz seiner knapp bemessenen Freizeit ging er an seinen gepachteten Bachlauf und angelte Forellen für mich. Er hatte Anglerglück an diesem Tag und zog neben ein paar kleineren Fischen, eine wirklich große Regenbogenforelle aus dem Bach. Mit strahlendem Gesicht kam er an unsere Haustür und schenkte mir sein Prachtexemplar von Forelle und für meine Eltern noch einige kleinere. Sie sollten gleich in der Pfanne landen, und ich freute mich schon riesig auf eine Abwechselung im Speiseplan. Doch dann kam die Enttäuschung, ich konnte den Fisch nicht essen. Warum? Die Forelle war wie getränkt mit Weichspüler und Waschmitteln. Sie schmeckte nicht nur total nach den Waschmitteln, sie roch auch danach. Wir schauten uns alle betroffen an…

Das Wasser des Baches aus dem die Forellen stammten ist eigentlich ganz klar und fließt durch eine nahezu unberührte Wald- und Wiesenlandschaft. Außer zwei kleinen Dörfern gibt es keine Zivilisation bis zur Quelle im Hochwald hin. Zwischen dem gepachteten Bachlauf und diesen kleinen Orten ist eine Kläranlage, die eigentlich für sauberes Wasser sorgen müsste. Das Wasser des Baches ist auch sauber, aber trotzdem ist dieses natürliche Gewässer durch Waschmittel und Weichspüler kontaminiert, weil keine Kläranlage diese Chemikalien herausfiltert.

Eine Gruppe von Studenten von einer Universität analysierte das Wasser des Baches wenige Zeit später. Die jungen Leute hatten die Aufgabe, Flüsse und Bäche in ganz Deutschland zu untersuchen. Sie ließen unseren Freund und einen Anwohner des Baches wissen, dass es sich um einen der saubersten Bäche handle die sie analysiert hätten.

Zur gleichen Zeit mussten meine Eltern und Freunde regelmäßig für mich nach Luxemburg fahren, um dort Wasser für mich zum Trinken zu kaufen. Weil mein Körper auf Spuren von Chemikalien reagierte, konnte ich nur zwei Wässer trinken, die nicht belastet waren und schwere körperliche Symptome auslösten.

Sauberes Wasser ist so kostbar wie saubere Luft zum Atmen, doch leider durch das Handeln der Menschen, kaum noch auf unserem blauen Planeten zu finden.
Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, zum Welt-Umwelttag 5. Juni 2009

Weltumwelttag – World Environment Day

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Umweltschutz für unsere Gesundheit

Am Tag der Umwelt – World Environment Day beteiligen sich jährlich seit dem Eröffnungstag des ersten Weltumweltgipfel am 5. Juni 1972 in Stockholm, 150 Staaten. Der diesjährige Weltumwelttag der Vereinten Nationen findet unter dem Motto „Dein Planet braucht dich – Gemeinsam den Klimawandel bekämpfen“, statt.

Das Umweltbundesamt betitelt den diesjährigen Tag der Umwelt „Umweltschutz – für unsere Gesundheit“. In Anbetracht der enormen Zunahme an Umweltkrankheiten, wie Multiple Chemical Sensitivity, kurz MCS genannt, ist dieser Leitsatz sehr begrüßenswert. Die weltweit existierenden MCS-Kranken verdeutlichen, dass nicht nur die Betroffenen durch Umwelteinflüsse schwer krank geworden sind sondern auch, dass die Natur und Umwelt ebenfalls kränkelt und zwar nicht zu knapp. Die vielen MCS-Kranken stellen somit ein nicht zu ignorierendes Mahnmal der globalen Umweltzerstörung dar und verdeutlichen, dass sich das globale Umweltverhalten grundlegend ändern und nachhaltig verbessern muss. Die weltweit tendenziell steigende Zunahme an MCS-Neuerkankungen belegt, dass es bei weitem nicht ausreicht, sich schwerpunktmäßig der Bekämpfung der Erderwärmung anzunehmen. Zusätzlich gibt es weitere wichtige Herausforderungen und Aspekte, die es im globalen Umweltschutz einzubeziehen gilt, damit auch unsere Folgegenerationen eine lebenswerte Zukunft in einer lebensfreundlichen Umwelt vorfinden.

Nachhaltigen Umweltschutz leben – Gesetzgeber ist in der Verantwortung

Viele Dinge unseres täglichen Lebens belasten unnötig die Luft und unsere Gewässer. Auf umweltschädliche Produkte, wie z. B. desinfizierende und chemische Reinigungsmittel, Raumduftsprays, Weichspüler, Parfum, Chemikalien im Garten, chemische Schädlingsbekämpfungsmittel, um nur einige wenige zu nennen, könnte / sollte man ohne großen Aufwand besser verzichten. Die Umwelt und unsere Gesundheit würden durch diese Verhaltensweise bereits beim Produktionsprozess wie auch beim Gebrauch vieler Produkte nachhaltig geschont, nicht zu vergessen beim Entsorgungsprozess. Doch wir Verbraucher können leider keinen grundsätzlichen allumfassenden Umweltschutz leisten, vielfach erwerben wir hochtoxische Produkte, ohne dass wir davon wissen. Hier ist der Gesetzgeber in der Verantwortung, endlich Rahmenbedingungen zu schaffen, um einer unnötigen Gefährdung der Umwelt und unserer Gesundheit vorzubeugen. Leider gerät Umweltschutz aus Kostengründen oft ins Hintertreffen. Dieser negativen Entwicklung muss dringend entgegengewirkt und stattdessen versucht werden, den Umweltschutz bei der Bewältigung der drastischen Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise, als unabdingbare Herausforderung und Chance intensiv zu integrieren.

Artensterben ein Problem unserer Zeit, hat sich beschleunigt

Aktuell findet in Bonn die UN-Konferenz zur Vorbereitung des Kyoto-Anschlussabkommens statt. Die Schäden der Klimaerwärmung werden meistens nur in Zahlen ausgedrückt und mit hohen finanziellen Schäden beziffert. Wobei es festzustellen gilt, die besorgniserregenden Folgen der Erderwärmung lassen sich nicht nur abstrakt als Zahlen darstellen. Die globale Biodiversität bzw. das dramatische Artensterben müssen ebenfalls als Folge des Klimawandels miteinbezogen werden. Es ist weltweit ein intensiver Rückgang der Artenvielfalt zu verzeichnen, mit unüberschaubaren Auswirkungen für uns alle. Durch unsere exzessive Nutzung der Natur und Umwelt, der drastischen Zunahme der Umweltverschmutzung und dem ungebremsten Einsatz von Pestiziden, der Vernichtung natürlichen Lebensraums, wie z. B. Heckenbepflanzungen um unsere Äcker, aber auch durch neue Bebauungen und Straßen, hat sich lt. WWF das Artensterben in letzter Zeit drastisch beschleunigt, täglich sterben 150 Arten aus. Ohne großen Aufwand und Recherche lässt sich das Artensterben an dem nicht mehr Vorhandensein von Wildblumen an unseren Äckern leicht erkennen. Doch nicht nur die Wildblumen sind verschwunden, mit ihnen auch die Insektenvielfalt.

Die Teilnehmer der UN-Konferenz sind gefragt, ernstgemeinte und nachhaltige Signale zum Klimaschutz zu setzen. Die vielen in Deutschland geplanten neuen Kohlekraftwerke sind mit Sicherheit der falsche Weg und kein Beitrag zur Abschwächung der Klimaerwärmung.

Autor: Maria, CSN – Chemical Sensitivty Network, 5. Juni 2009

Neurogene Weiterschaltung: Relevanz bei Chemical Sensitivity (MCS)

NeuronEs gibt zwei miteinander vernetzte Körpersysteme, über die körperfremde Materialien Entzündungen hervorrufen können und bei Chemical Sensitivity (MCS) Relevanz besitzen können.

Immunogene Entzündung entsteht, wenn ein Antigen an einen Antikörper oder Leukozytenrezeptor bindet und dann eine entzündungsstimulierende Reaktionskaskade auslöst. Dabei ist eine vorherige Sensibilisierung erforderlich und die Entzündungsantwort kann verschiedene Formen annehmen, darunter sofortige und zellvermittelte Überempfindlichkeit.

Neurogene Entzündung (vgl. Blogbeitrag dazu) tritt auf, wenn eine chemische Substanz an einen Rezeptor für irritierende Chemikalien auf den sensorischen Nervenenden bindet und die Freisetzung von Substanz P und anderen entzündungsfördernden Neuropeptiden auslöst. Neurogene Entzündung kann auch auftreten, wenn ein Nervenimpuls bis ans Ende eines Axons eines sensorischen Nervs läuft und dort Substanz P freisetzt.

Wechselwirkung von Endzündungen

Es gibt eine Wechselwirkung zwischen immunogener und neurogener Entzündung. Substanz P (von der Nervenzelle) kann Mastzellen degranulieren und Histamin (von der Mastzelle) kann sensorische Nervenenden aktivieren. Vgl. Bild 1 (Chemikalien (C) binden an Rezeptoren der Nervenenden, Substanz P (SP) wird ausgeschüttet, Mastzellen schütten Histamin aus (H), können direkt durch Allergene stimuliert werden (Ag)).

Das Bild ist eine Vereinfachung. Eine Menge anderer Zellen und Mediatoren sind daran beteiligt. Die in Bild 1 dargestellten Zellen und Mediatoren dominieren jedoch die Typ I Allergie vom Soforttyp gegenüber Allergenen und die Überempfindlichkeitsreaktionen gegenüber Chemikalien. Klinisch können die beiden Formen zu demselben Resultat führen. Z.B. kann Asthma durch Allergene oder aber auch durch irritierende chemische Substanzen ausgelöst werden.

Das Rätsel der „Weiterschaltung“ der Symptome

Eine rätselhafte Erscheinung bei der Entzündungsreaktion ist, dass betroffenes Gewebe manchmal zu einer Entzündungsreaktion an einer anderen Stelle der Körpers führen kann. Nahrungsmittelallergien sind ein Beispiel. Das Verschlucken eines Nahrungsmittelallergens kann durch direkte Degranulation von Mastzellen des Darms mit lokaler Mediatorfreisetzung gastrointestinale Symptome verursachen (mit Durchfall, Bauchschmerzen, Blähungen und Erbrechen).

Ein kleiner Protzentsatz von Patienten mit Nahrungsmittelallergie entwickelt aber auch Symptome an anderen Stellen des Körpers. Das manifestiert sich dann als Asthma, Rhinitis oder Urtikaria. Lebensmittelüberempfindlichkeiten können auch zu Arthritis und Migräne führen. Dabei könnte das Histamin von den Mastzellen des Darmes an sensorische Nervenfaserenden binden und ein afferentes (in Richtung Gehirn laufendes) Signal verursachen, das dann über das Zentralnervensystem an eine andere Körperstelle weitergeleitet werden kann. Diese neurogene Weiterschaltung („neurogenic switching“) könnte auf diese Weise die verschiedenen Manifestationen von Nahrungsmittelallergien erklären.

Anaphylaktische Reaktionen

Systemische anaphylaktische Reaktionen könnten eine weitere Manifestation neurogener Weiterleitung sein. Impfung der Haut mit einem Antigen, z.B. durch einen Bienenstich, oder des Darms durch Verschlucken eines Nahrungsmittels oder eines Medikaments kann sofort multiple Organsysteme betreffen. Eine Beteiligung der Atemwege mit Bronchospasmen, Bronchorrhö, Kehlkopfödem, gastrointestinalen Symptomen, Hautreaktionen an Stellen, die von der geimpften entfernt liegen, und Herzkreislaufsymptome mit niedrigem Blutdruck durch Gefäßerweiterung können dabei auftreten. In Tiermodellen konnte eine Beteiligung des Nervensystems gezeigt werden. Das Durchtrennen des Vagusnervs schützt Ratten vor einem tödlichen anaphylaktischen Schock, ohne die Produktion von Antikörpern oder die Histaminfreisetzung zu verändern. Experimentelle Beschädigungen des vorderen Hypothalamus vermindert die anaphylaktische Reaktion beim Meerschweinchen. Neurogene Weiterleitung könnte der Mechanismus für diese Modulation der Anaphylaxe durch das Nervensystem sein. Alternativ käme hierfür jedoch auch eine generalisierte Verminderung der parasympathischen Aktivierung in Frage.

Gustatorische Rhinitis ist ein anderes Phänomen, bei dem neurogene Weiterleitung eine Rolle spielen könnte. Bei diesem Syndrom entwickeln sich Nasenlaufen, verstopfte Nase und Schwitzen im Gesicht nach dem Verschlucken pikanter Nahrungsmittel (Meerrettich?). Verschluckte irritierende Substanzen wie Capsaicin interagieren dabei mit trigeminalen Nervenendungen in der Mundhöhle. Das efferente (vom Gehirn weglaufende) Signal wird zur Nase und zum Gesicht weitergeleitet.

Neurogene Weiterschaltung bei Sick Building Syndrome

Auch das Sick Building Syndrom, bei dem verschiedene Symptome wie Kopfschmerzen und Konzentrationsschwierigkeiten begleitet von Schleimhautirritationen bei Bewohnern/Nutzern schlecht belüfteter Gebäude auftreten, könnte auf neurogene Weiterschaltung zurückgehen. Der Ort der Entzündung könnte von den Atemwegen zum Gehirn weitergeschaltet werden, wodurch sich dort die Gefäße erweitern und ein Ödem entsteht. Eine alternative Hypothese besagt, dass Lymphozyten am Ort, an dem die ersten Irritationen ausgelöst werden, entzündungsvermittelnde Substanzen ausschütten, die dann über die Körperflüssigkeiten zum Gehirn gelangen und dort Symptome auslösen. Von Interleukin 1 und Interleukin 2 weiß man, dass sie in Tiermodellen die Gehirnfunktion beeinträchtigen. Dieser zweite Mechanismus könnte analog „immunogene Weiterschaltung“ genannt werden.

Man vermutet, dass neurogene Entzündung auch bei rheumatoider Arthritis, Migräne und Fibromyalgie eine Rolle spielt. Die Basis für diese Erkrankungen könnte darin bestehen, dass entzündungsverursachende Stimuli über neuronale Signalwege zu den Gelenken, den Gefäßen des Gehirns oder den Muskeln weitergeleitet werden. Dann könnten entzündliche Stimuli von Allergenen, irritierenden chemischen Substanzen oder infektiösen Keimen zu einem Entzündungsschub an den betroffenen Körperpartien führen. Emotionaler Stress könnte ebenfalls zu neuronalen Signalen führen, die dann an empfänglichen Partien des Körpers zu Entzündungen führen.

Auch bei MCS?

Neurogene Weiterschaltung könnte auch bei MCS eine Rolle spielen, von dem man annimmt, dass es durch neurogene Entzündung vermittelt wird. Bei diesem Syndrom löst eine Exposition gegenüber irritierenden Chemikalien über die Atemwege Symptome in mehr als einem Organsystem aus. Ein Patient mit Chemikalienüberempfindlichkeiten hat oft an wiederkehrenden Stellen des Körpers Symptome und Entzündungen, die einem wohl definierten Muster folgen. Muskelschmerzen im Nacken, Entzündungen an bestimmten Gelenken oder Symptome des Verdauungstrakts können bei einem bestimmten Patienten immer wieder auftreten. Die Etablierung eines neuronalen Signalwegs, über den beispielsweise eine Stimulation von Rezeptoren für irritierende Substanzen in den Atemwegen via Weiterschaltung über das Zentralnervensystem in einem anderen Gewebe zu einer Entzündungsreaktion führt, könnte der Mechanismus sein, über den weitere Organe in das Krankheitsgeschehen einbezogen werden.

Hinweise für das Vorhandensein von neurogener Weiterschaltung bei Menschen mit Chemikaliensensitivitäten fanden sich auch in einer blinden, placebokontrollierten Studie, bei der die Bindehaut des Auges mit Parfüm geimpft wurde, während die Patienten frische Luft atmeten. Obwohl kein Parfüm in die Atemwege gelangte, löste das Parfüm Symptome der Atemwege aus. Dieser Effekt trat in der Placebogruppe nicht auf. In einer anderen Studie wurden bei Katzen die oberen und unteren Atemwege isoliert. Schwefeldioxid in den oberen Atemwegen produzierte dabei Bronchospasmen, obwohl es keinen direkten Kontakt des Schwefeldioxids mit den unteren Atemwegen gab.

Zusammengefasst

Die für das Verständnis so problematische Beteiligung multipler Organsysteme bei MCS tritt also auch bei Allergien auf. Dem Weiterleiten der Entzündung an andere Körperpartien könnte ein einzelner Mechanismus zu Grunde liegen, der sowohl bei Allergien als auch bei Chemikaliensensitivität auftritt: die neurogene Weiterschaltung.

Hypothesen

Es wird die Hypothese aufgestellt, dass die neurogene Weiterschaltung einen solchen Mechanismus darstellt.

Eine alternative Hypothese wäre die immunogene Weiterschaltung durch die Freisetzung von Zytokinen, die dann auf entfernte Zellen einwirken. Die Geschwindigkeit hängt dabei von den Zirkulationszeiten und den Diffusionsgeschwindigkeiten der Zytokine in den verschiedenen Körperflüssigkeiten und Geweben ab, während bei der neurogenen Weiterschaltung der zeitliche Verlauf von der Nervenleitgeschwindigkeit bestimmt wird. Neurogene Weiterschaltung würde gezielt und nach einem sich wiederholenden Muster bestimmte Organe betreffen, während immunogene Weiterschaltung einen eher diffusen Effekt haben dürfte. Der Mechanismus, über den die Weiterschaltung erfolgte, kann experimentell bestimmt werden, sowohl durch kontrollierte Exposition betroffener Erkrankter als auch in Tiermodellen. Solch ein Forschungsprogramm könnte unser Verständnis dieser Erkrankungen voranbringen und dabei zu Verbesserungen bei Diagnostik und Behandlung führen.

Autor: Karlheinz für CSN – Chemical Sensitivity Network, 4. Juni 2009

Literatur:

William J. Meggs, Neurogenic Switching: A Hypothesis for a Mechanism for Shifting the Site of Inflammation in Allergy and Chemical Sensitivity, Environmental Health Perspectives Volume 103, Number 1, January 1995

W. Meggs, Immunologic Principles, in: Goldfrank’s Toxicologic Emergencies, McGraw-Hill Professional; 7. Auflage (Mai 2002), S. 231 ff

Insektizideinsatz im Ferienflieger – Welche Ansprüche hat der Passagier?

In den Urlaub mit dem Flugzeug - Pestizide fliegen oft mit

Würzburg, 26.05.2009. So mancher Passagier wundert sich vor dem Rückflug aus fernen Ländern, dass das Flugpersonal vor Abflug und lediglich nach einer kurzer Ankündigung unerwartet ein Insektizid über die Köpfe der Passagiere hinweg versprüht, ohne dass diese sich – beispielsweise durch eine Atemmaske – dagegen schützen können.

Wer zum ersten Mal eine Fernreise gebucht hat, ist in aller Regel mehr als überrascht, nun plötzlich vor dem Rückflug aus dem Urlaubsland von einem Mittel eingenebelt zu werden, dessen Namen, Wirkung und Risiko er nicht kennt und das nach den Angaben des Flugpersonals angeblich in keiner Weise gesundheitsschädlich ist Denn keine oder kaum eine Airline weist ihre Passagiere bereits vor der Buchung ausdrücklich auf die Anwendung dieses im Fachjargon „Blocks-Away-Method“ genannten Verfahrens und etwaige Risiken hin. Es fragt sich, welche Rechte dem Passagier gegen die Airline im Zusammenhang mit dieser sog. „Desinsektion“ zustehen.

I. Urteil des Amtsgericht Frankfurt am Mai v. 04.12.2008 (Az. 29 C 1524/08 – 46)

Am 04.12.2008 entschied das Amtsgericht Frankfurt am Main in einem von mir gegen die Air France geführten Verfahren über Auskunftsansprüche eines Passagiers. Das Urteil ist nach meiner Kenntnis deutschlandweit das erste überhaupt zu dieser Fragestellung. Zur Hälfte wurde der Klage stattgegeben, im Übrigen wurde sie zurückgewiesen. Die Zurückweisung wurde damit begründet, dass der Kläger nach Ansicht des Gerichts in Bezug auf zwei Klageanträge kein Rechtsschutzbedürfnis hatte, u.a., weil er sich über das von der Beklagten angeblich verwendete Permethrin:

(…) vorprozessual bereits selbst umfassend und mit einer Gründlichkeit informiert hatte, wie sie von der Beklagten nur schwer überboten werden dürfte“.

Erst kurz vor Ende des Verfahrens stellte sich heraus, dass nicht Permethrin, sondern d-Phenothrin versprüht worden war, also ein gänzlich anderes Insektizid als dasjenige, das zunächst von der Air France angegeben wurde. Dennoch wurde die Klage zum Teil abgewiesen.

Das Amtsgericht Frankfurt am Main verurteilte die Beklagte, dem Kläger darüber Auskunft zu erteilen:

1. welche Konzentration an Permethrin und ggf. welche weiteren Inhaltsstoff ein welcher Menge das von der Beklagten auf dem Rückflug des Klägers von Kuba nach Paris Charles de Gaulle versprühte Produkt enthält.

2. in welcher Menge dieses Insektizid auf diesem Flug versprüht wurde.

II. Rechtsgrundlage des Anspruchs und Feststellungen des Gerichts

Das Amtsgericht leitete den Auskunftsanspruch des Klägers aus dem mit der Airline abgeschlossenen Beförderungsvertrag in Verbindung mit den Grundsätzen von Treu und Glauben her und führt in seinem Urteil wörtlich aus:

Dem Kläger steht zunächst grundsätzlich ein Auskunftsanspruch über Zusammensetzung, Intensität, Menge, Wirkweise und Gesundheitsrisiken des von der Beklagten anlässlich des streitgegenständlichen Fluges verwendeten Mittels zu. Insoweit ist die Beklagte aus vertraglicher Nebenpflicht des Luftbeförderungsvertrages heraus verpflichtet, zumindest auf konkrete Anfrage eines über gesundheitliche Beschwerden nach dem Flug klagenden Fluggastes umfassend Auskunft über das eingesetzte Desinsektionsmittel zu erteilen, um es dem betroffenen Fluggast zu ermöglichen, sich ein Bild über mögliche gesundheitliche Risiken zu verschaffen, ggf. angemessene ärztliche Behandlungsmaßnahmen einzuleiten und für sich zu entscheiden, ob künftig Flüge dieser Art für ihn noch verträglich sind.“

Das Gericht stellt weiter fest:

„Hierbei kann es für die Bejahung eines solchen, individuellen Anspruches des Klägers dahinstehen, ob von dem durch die Beklagte verwendeten Desinsektionsmittel üblicherweise keine Gesundheitsgefahren ausgehen und der ganz überwiegende Großteil aller Fluggäste nicht über Beeinträchtigungen der Gesundheit klagt.

(…) Hier ist die Frage entscheidungserheblich, ob die Beklagte auf Nachfrage eines über gesundheitliche Beeinträchtigungen aufgrund der durchgeführten Desinsektion klagenden Fluggastes nachträglich verpflichtet ist, umfassend Auskunft über das verwendete Desinsektionsmittel zu erteilen.

(…) Ein Anspruch des Fluggastes besteht bereits auch, um zu ermitteln, ob diese Beschwerden auf das Desinsektionsmittel oder auf andere Ursachen zurückzuführen sind. (…) Denn es ist dem derart betroffenen Fluggast nicht zuzumuten und auch nicht ohne weiteres möglich, sich die erforderlichen Informationen eigenständig zu beschaffen, um die für ihn von dem Desinsektionsmittel ausgehenden Gesundheitsrisiken einzuschätzen.

(…) Die Erteilung solcher Informationen in Einzelfällen wie dem hier gegenständlichen ist der Beklagten auch zuzumuten. Hierbei fällt wesentlich ins Gewicht, dass die Versprühung des Desinsektionsmittels durch die Beklagte veranlasst wird und davon auszugehen ist, dass sich die Beklagte im Klaren darüber ist, welche inhaltliche Zusammensetzung in welcher Konzentration und Menge mit welchen möglichen Gesundheitsrisiken über die Köpfe ihrer Fluggäste versprüht wird.“

III. Aufklärungspflicht bereits vor Buchung der Reise?

Über die Frage, ob Passagiere auch Anspruch darauf haben, bereits vor Abschluss des Luftbeförderungsvertrags darüber aufgeklärt zu werden, dass vor dem Rückflug aus dem Urlaubsland eine Desinsektion durchgeführt werden wird, hatte das Gericht nicht zu entscheiden. Nach meiner Ansicht muss jedoch auch ein solcher Anspruch bejaht werden und zwar aus den folgenden Gründen:

Nach den Grundsätzen der sog. culpa incontrahendo (vorvertragliches Verschulden) ist der eine Vertragspartner dem anderen gegenüber verpflichtet, diesen unaufgefordert über solche Umstände aufzuklären und zu informieren, die für dessen Entscheidung erheblich sind. (1) Tut er dies nicht, dann kann sich hieraus eine Schadensersatzpflicht ergeben.

Die Frage, ob die von den Airlines eingesetzten Insektizide beim Menschen oder auch nur bei manchen Menschen wie beispielsweise Asthmatikern oder Chemikaliensensiblen, Gesundheitsbeschwerden hervorrufen können, wird in der Wissenschaft zwar nicht einheitlich beantwortet, aber in der Literatur sind eine ganze Anzahl von Fällen dokumentiert, in denen Fluggäste oder auch Bordpersonal nach Durchführung einer Desinsektion im Flugzeug über Gesundheitsprobleme klagten. (2)

Dies ist auch den Airlines bekannt oder muss ihnen jedenfalls bekannt sein. Mir liegen Berichte von drei weiteren Personen vor, die angaben, nach Durchführung einer blocks-away-Desinsektion unter gesundheitlichen Problemen gelitten zu haben. Eine diese Personen gab an, nach der Desinsektion auf einem Flug für rund eine Viertelstunde ohnmächtig gewesen zu sein. Eine weitere dieser Personen, die nach einer Desinsektion zusammen mit ihrem Ehemann unter starken Atemproblemen litt, beschwerte sich nach einem Flug von Dubai nach Paris schriftlich bei der Air France und schrieb zudem einen Leserbrief an das Magazin Stern (Nr. 18/2008).

Da die Airlines also wissen, dass die von ihnen zur Desinsektion verwendeten Mittel zumindest bei einer Anzahl von Personen zum Teil erhebliche Beschwerden hervorrufen können, ergibt sich nach meiner Ansicht nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo und dem Grundsatz von Treu und Glauben eine Pflicht der Airlines, ihre potentiellen Passagiere bereits vor Buchung einer Reise in geeigneter Weise – z.B. auf den Internetseiten – auf das Verfahrender Desinsektion und die damit etwaig verbundenen Risiken hinzuweisen.

Nur so ist sichergestellt, dass sich beispielsweise ein Asthmatiker, Allergiker oder chemikaliensensibler Mensch bereits vor Antritt einer Reise bei seinem Arzt informieren kann, ob er den Strapazen einer solchen Flugreise gesundheitlich überhaupt gewachsen ist. So fern es in diesem Punkt Zweifel gibt, kann er sich noch gegen eine Buchung entscheiden, anstatt vollkommen uninformiert zu buchen und dann erst vor Antritt des Rückflugs aus heiterem Himmel und ohne Möglichkeit, sich zu schützen, von einem Insektizid eingenebelt zu werden und womöglich einen Asthmaanfall zu erleiden.

Unterlässt es eine Airline, ihre Passagiere bereits vor Buchung entsprechend aufzuklären und zu informieren, so kann sie sich nach meiner Ansicht gegenüber Passagieren, die nach einer Desinsektion unter Gesundheitsbeschwerden leiden, schadensersatzpflichtig machen.

IV. Verpflichtung zur Ermöglichung des Selbstschutzes?

Selbst wenn man aber eine solche Aufklärungspflicht vor Buchung der Reise verneint, so muss nach meiner Ansicht jedenfalls folgendes gelten:

Da die Airlines wissen, dass eine Desinsektion – insbesondere unter Anwendung der „Blocks-Away-Method“ – bei manchen Menschen gesundheitliche Beschwerden hervorruft, sind sie verpflichtet, ihre Passagiere durch ihr Bordpersonal zumindest direkt vor Versprühung des Insektizids so rechtzeitig zu informieren, dass sich diese noch gegen das Insektizid schützen können, z.B. durch Luftanhalten, Abschirmen von Mund und Nase, Schließen der Augen und/oder Abdecken der Haut.

Eigentlich sollte man in diesem Zusammenhang auch erwarten können, dass Airlines im Sinne eines Services am Kunden ihren Passagieren eine Atemmaske anbieten, damit sie sich auf diese Weise schützen können, wenn sie dies möchten.

Wenn eine Airline ihre Passagiere weder vor Buchung des Fluges noch unmittelbar vor Versprühen des Insektizids informiert und aufklärt und ihren Passagieren zudem nicht die Möglichkeit gibt, sich zu schützen, dann kommen bei Passagieren, die nach einer Desinsektion an Beschwerden leiden, Schadensersatzansprüche in Betracht.

V. Kleine Anfrage der FDP-Fraktion vom 18.03.2009

Vor Kurzem wurde das Thema der Desinsektion von Flugzeugen auch von der FDP-Fraktion aufgegriffen. Auf deren Kleine Anfrage antwortete die Bundesregierung am 28.04.2009 und teilte u.a. folgendes mit:

1. Sie schließt sich der Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), das Inflight-Spraying berge Gesundheitsrisiken für die Flugzeuginsassen, an.

2. Es hängt von der Entscheidung des Staates des Zielflughafens ab, ob eine Desinsektion von Luftfahrzeugen verlangt wird oder nicht, die Anlage 5Abs. 2 Satz 1 der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005) enthält in Bezug auf die Befreiung von Flugzeugen von Insekten nur eine Soll-Vorschrift.

3. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, wie viel Prozent der Personen, die sich an Bord von Flugzeugen befinden, in denen Inflight-Spraying-Desinsektionen durchgeführt werden, durchschnittlich darauf zurückzuführende Beschwerdeanzeichen zeigen.

4. Ein Inflight-Spraying wird nach Erkenntnissen der Bundesregierung von Deutschen Fluggesellschaften nicht angewandt.

Nach Auskunft der Bundesregierung zwingen also die internationalen Gesundheitsvorschriften weder dazu, gerade das Inflight-Spraying anzuwenden noch zwingen sie dazu, überhaupt eine Desinsektion durchzuführen. Dass eine solche zur Verhinderung der Ausbreitung gefährlicher Krankheitserreger sinnvoll sein kann, steht sicherlich außer Frage. Es gilt dann jedoch, zumindest ein solches Verfahren anzuwenden, das die Passagiere weitest möglich schont. Das vom BfR entwickelte Preembarkation-Verfahren ist nach dessen Bewertung sicher wirksam, dabei aber für die Passagiere schonender als das Inflight-Spraying. Trotzdem wird dieses Verfahren auch weiterhin nicht offiziell von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen.

Einige Airlines berufen sich offenbar darauf, sie seien deshalb gezwungen, nur die Verfahren anzuwenden, die von der WHO empfohlen werden, die WHO zwinge sie hierzu. Dies aber ist so nicht richtig. Die WHO hat in Bezug auf die Desinsektion von Flugzeugen lediglich Empfehlungen ausgesprochen, die nicht rechtsverbindlich sind. Entsprechend wendet z.B. die Lufthansa das Preembarkation-Verfahren an, (3) ohne dass dies Sanktionen durch die WHO oder andere Institutionen zur Folge hätte.

Kein Staat, der eine Desinsektion für unverzichtbar hält, wäre demnach gehindert, Rechtsvorschriften zu erlassen, die die Anwendung des Preembarkation-Verfahrens vorsehen. Sehr interessant in diesem Zusammenhang ist dabei auch die folgende Mitteilung der Bundesregierung in deren Antwort vom 28.04.2009:

„Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit des gewählten Mittels gelten ferner Artikel 22 Abs. 3 IGV sowie Annex 9 Punkt 2.25 des ICAO-Abkommens: Die Befreiung von Insekten wird so durchgeführt, dass u.a. Verletzungen und soweit möglich Unannehmlichkeiten für Personen verhindert werden.“

Danach ließe sich die Auffassung vertreten, dass aus Gründen der Verhältnismäßigkeit sogar eine Pflicht zur Anwendung des Preembarkation-Verfahrens besteht, eben weil dies schonender ist und feststeht, dass zumindest die blocks-away-method Beschwerden hervorrufen kann, die man wohl sicherlich als Verletzungen in diesem Sinne werten muss.

Offenbar existieren in Frankreich nationale Vorschriften, die ausschließlich die Verfahren „blocks-away“ und „top-of-descent“ erlauben, dies jedenfalls geht aus einem Information Paper aus dem Jahr 2001 hervor, das mir im Verfahren vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main von der Beklagtenseite vorgelegt wurde. Beide Verfahren beinhalten ein Inflight-Spraying, also eine Desinsektion in Anwesenheit der Passagiere.

Es steht zu hoffen, dass es in diesem Punkt zu einem Umdenken und einer Änderung der einschlägigen Bestimmungen kommt, denn sonst wird Passagieren, die befürchten, empfindlich auf eine Desinsektion zu reagieren, wohl nur übrig bleiben, sich gezielt zu informieren, ob auf einer bestimmten Flugroute eine Desinsektion durchgeführt wird, in welchem Verfahren diese erfolgt und sich dann im Zweifel für die Airline zu entscheiden, die das schonendere Verfahren anwendet oder gänzlich von der Reise abzusehen.

Autor:

RA Dr. jur. Burkhard Tamm

Medizinrecht-Versicherungsrecht-Lebensmittelrecht

Bohl & Coll. Rechtsanwälte

Franz-Ludwig-Str. 9

97072 Würzburg

Tel. 0931 – 796 45-0 E-Mail: tamm@ra-bohl.de

Internet: www.tamm-law.de und www.ra-bohl.de

Literatur:

  1. Vgl. Palandt, 67. Aufl., § 242, Rn. 37 und § 280, Rn. 30.
  2. Vgl. z.B. State of California Health and Human Services Agency, Department of Health Services „Occupational Illness Among Flight Attendants due to Aircraft Desinsection“, October 23, 2003.2

CSN Blog Top 10 – Die beliebtesten Artikel im Mai 2009

Top 10 Artikel im CSN Blog

CSN Blog Top 10 – Die beliebtesten Artikel im Mai

Auf Platz Eins landete im Mai der Artikel über die von CSN entwickelte Infokarte über Gefahren durch Duftstoffe. Die Infokarte selbst wurde von allen Dokumenten auf der CSN Hauptseite am zweithäufigsten angeklickt.

Wie im Vormonat waren auch im Mai Blogs von Amalie über natürliche Behandlungsmethoden sehr gefragt. Alles steht in voller Blüte, da sind vor allem Heuschnupfenallergiker dankbar für die wertvollen Tipps.

Doch lest selbst, welche Artikel das Rennen machten.

Zum Lesen der CSN Top 10 Artikel einfach anklicken:

Die Top 10 der letzten drei Monate

Vertigo – Sonntagsgedicht der Glasprinzessin

Schwindel durch Duftstoffe

Vertigo

Wie benommen

alles verschwommen


der Blick

nicht mehr klar

Besuch war da.


Wie lange ersehnt

den Duft nicht erwähnt

zusammen gesprochen

die Gefahr kaum gerochen

die Einsicht zu spät.


Wie massiv die Folgen

nun nicht mehr auf Wolken


dafür stets am Wanken

und Sauerstoff tanken


die Freude ist weg.


Wie benommen

alles verschwommen


die Zukunft

ist klar


kein Besuch mehr da.


Autor: Mona für CSN – Chemical Sensitivity Network, 30. Mai 2009

Dieses Gedicht wurde von Mona, der „Glasprinzessin“ geschrieben. Mona hat schwere Chemikalien-Sensitivität / MCS und muss fast die ganze Zeit draussen in der Natur verbringen.

Mona’s Geschichte: Mona die „Glasprinzessin“ – ein einsames Leben mit Wind und Wetter

Weitere Gedichte und eine Geschichte der Glasprinzessin:

Naturchaos * Heilung * Rotkehlia, das Rotkehlchen erzählt aus seinem Leben * Dazwischen * Sonntagsgeschichte: Papo Mio’s Oase für Umweltkranke * Isolation – Sonntagsgedicht der Glasprinzessin

Chemikalien in Textilien

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Textilien sind mit vielen toxischen Chemikalien belastet

Viele unterschiedliche Chemikalien in unseren Textilien sind an der Tagesordnung. Laut BR-online Ratgeber werden schätzungsweise 7000 unterschiedliche Chemikalien in der Textilbranche verarbeitet. Mittlerweile sind in Deutschland einige krebserzeugende und erbgutschädigende Chemikalien bei der Textilverarbeitung verboten, jedoch kommen sie in den Erzeugerländern weiterhin ungehindert zum Einsatz und gelangen somit auch bei uns zum Kunden, da nicht alle Importsendungen, sondern nur Stichproben auf Schadstoffe untersucht werden. Die für unsere Gesundheit negativen Auswirkungen der beim Anbau der Baumwolle wie auch bei der Veredlung der Stoffe eingesetzten, zum Teil hochgiftigen Pestizide, krebserregenden Farbstoffe, Bleichmittel und anderen Chemikalien, sind nicht abschätzbar.

Behandelte Kleidung

Einlaufsichere Baumwolle, knitterfreie Hemden, fließende Stoffe, stoned-washed-Jeans, schweißhemmende, antibakteriell ausgestattete Sportbekleidung, Kleidung mit Wash-out-Effekt, etc., die Eigenschaften moderner Bekleidung sind vielfältig, wie auch die der eingesetzten Chemikalien die benötigt werden, um diese Trageeigenschaften realisieren. Laut Einkaufsnetz – Greenpeace, landen etwa ein Viertel der weltweit produzierten Chemikalien in unserer Bekleidung, z. B. Flammschutzmittel, bakterienhemmende Chemikalien wie Triclosan, Formaldehyd, Azofarbstoffe, schwermetallhaltige Farben, Farbbeschleuniger, Antischimmelmittel, Nervengifte und Pestizide für den Transport.

Das Gift auf unserer Haut

Über die Haut gelangen die Chemikalien dann in unseren Organismus. So bleibt es nicht aus, dass immer mehr Verbraucher an Allergien, Hautjucken, Neurodermitis, Kopfschmerzen, Schleimhautreizungen und langfristigen Gesundheitsschäden wie Beeinträchtigung der Fortpflanzungsfähigkeit, Krebs und Multipler Chemikalien Sensitivität (MCS) leiden. Die Reaktionen der verschiedenen eingesetzten Chemikalien untereinander sind kaum erforscht, sie sind derzeit noch ein Buch mit sieben Siegeln.

Zeigt her Eure Schuhe

Auch Lederschuhe sind häufig mit allergieauslösendem und gesundheitsschädigendem Chrom behandelt. Chrom steht in Verdacht, krebserregend zu sein. Outdoor-Schuhe sind in den meisten Fällen mit Fungiziden ausgerüstet. Hinzukommen bei Schuhen mit Gummisohlen dann noch PVC, Lösungsmittel, etc.

Ökologische Kleidung sorgt für nachhaltigen Umwelt- und Gesundheitsschutz

Beim Kauf von Baumwollbekleidung glaubt die Mehrheit der Verbraucher, ein gesundes Naturprodukt zu erwerben. Kaum jemand weiß, dass die Baumwolle bereits beim Anbau hochgradig mit Pestiziden belastet ist. Im Hauptanbauland von Baumwolle, in Indien, kommen weiterhin längst verbotene toxische Chemikalien zum Einsatz. Kurz vor der Baumwollernte werden Herbizide, sog. Entlaubungsmittel gespritzt, um eine leichtere maschinelle Ernte der Baumwolle zu gewährleisten. Diese Chemikalien schädigen nicht nur die Gesundheit der Arbeiter, sondern auch die Böden, das Grundwasser und letztendlich das Trinkwasser. Viele Arbeiter sterben an den Folgen des ungehinderten Einsatzes an Chemikalien.

Beim Kaufentscheid für biologisch erzeugte und nach ökologischen Kriterien verarbeitete Textilien unterbindet man die für uns kaum vorstellbaren Zustände in den Textilerzeugerländern, wie auch den immensen Einsatz von Chemikalien bei der weiteren Verarbeitung, wie der Film „Das Gift kehrt zurück“ verdeutlichte und zuvor der Beitrag aus dem Jahr 2005 von Inge Altemeier und Beate Greindl „Giftige Kleider“ zum Ausdruck brachte. Die Gesundheit der Arbeiter in der Textilbranche, die extreme Umweltverschmutzung und die Gefährdung unserer eigenen Gesundheit sollten uns alle zum Umdenken bewegen. Biobaumwolle und ökologisch weiterverarbeitete Textilien sind nicht nur umweltverträglicher, sondern auch die Arbeitsbedingungen sind sozialverträglicher als bei der konventionellen Textilproduktion. MCS-Kranken und vielen Allergikern bleibt keine andere Wahl, sie vertragen konventionelle Bekleidung meistens nicht mehr, was bei der Vielzahl der angewandten toxischen Chemikalien nicht verwunderlich ist.

Autor: Maria, CSN – Chemical Sensitivity Network, 30. Mai 2009


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