Archiv der Kategorie ‘Umwelt‘

Quecksilber in jedem Haushalt zu finden

Energiesparlampen enthalten giftiges Quecksilber

Teil III der Serie “Schadstoffe in unserem Haus”

Man sollte annehmen, dass allgemein Abstand von Quecksilber genommen wird, wegen seiner Toxizität – zumindest in allgemeinen Verbrauchsprodukten. Dem ist aber bei weitem nicht so. In den seit geraumer Zeit eingeführten Energiesparlampen ist u.a. neben Phenol auch Quecksilber enthalten.

Bei einem EU-Gipfel unter Vorsitz von Angela Merkel wurde im März 2007 ein Aktionsplan zum Klimaschutz vorgestellt und die Glühbirne, die in jedem Haushalt vorhanden ist, als Beispiel par excellence zum Einsparen von Energie dargestellt. (1)

Im Jahr 2009 beschloss die Bundesregierung, Leuchtmittel geringerer Energieeffizienz vom Markt zu nehmen (Verordnung (EG) Nr. 244/2009 und Verordnung (EG) Nr. 245/2009) und gegen solche einzutauschen, die eine höhere Energieeffizienz und somit einen niedrigeren Energieverbrauch aufweisen. (2,3) Völlig außer Acht wurde hierbei die Tatsache gelassen, dass bei energiesparenden Leuchtmitteln, wie zum Beispiel der Energiesparlampe, nicht nur krebserregendes Phenol über die Plastikbestandteile abgegeben wird und eine erhöhte Strahlenbelastung durch elektrische Wechselfelder und UV-Licht zustande kommt (BAG empfiehlt daher auch einen Mindestabstand zum Leuchtmittel von 30 cm) sondern eben auch, dass bei einem Zerbrechen der Energiesparlampe das hochgefährliche Quecksilber austritt. Selbstverständlich zerbrechen Energiesparlampen ebenso wie die althergebrachte, schadstofffreie Glühbirne, da beide auch aus Glas sind und somit muss man deutlich betonen, dass jede genutzte Energiesparlampe ein hohes gesundheitliches Schadpotential mit sich bringt.

Hochtoxisches „Flüssiges Silber“

Die alten Griechen nannten Quecksilber „Flüssiges Silber“ (Hydrargyros), wovon auch das lateinische Wort „Hydrargyrum“ und davon wiederum die allgemein genutzte Abkürzung HG abstammt.

Quecksilber ist ein Schwermetall und das einzige Metall, das bei Normalbedingungen flüssig ist. Man findet Quecksilber trotz hoher Giftigkeit in einigen alltäglichen Dingen wie z.B. ältere Thermometer, Energiesparlampen, Amalgamfüllungen, Desinfektions- und Beizmitteln, antike Spiegel, bei der Goldwäsche, der Elektrolyse und selbst in der Kunst oder in der Medizin und vielem weiterem. Quecksilber ist äußerst giftig und umweltgefährlich. Es muss mit den GHS Gefahrstoffsymbolen für toxisch, gesundheitsgefährlich und umweltgefährlich gekennzeichnet sein. Das giftige Schwermetall verdunstet bereits bei Zimmertemperatur, was z.B. zu Bruch gehende Energiesparlampen oder auch Thermometer und andere Quecksilberprodukte besonders gefährlich macht. Die eingeatmeten Quecksilberdämpfe sind stark toxisch. Ebenso eine orale Aufnahme dieses Stoffes. Die Krankheitssymptome belaufen sich von akuten bis hin zu chronischen Vergiftungen. Das Nervengift kann Symptome wie Angstzustände, Depressionen, Müdigkeit, Aggressionsschübe, Nervosität, Tinitus, Sehstörungen, Schlaflosigkeit, Schwindel und einiges mehr auslösen. Zu den organischen Symptomen gehören z.B. auch Arthritis, Allergien, Durchfall, dauerhafte und erhöhte Infektanfälligkeit, Muskelschwäche, dauerhafte Nieren-, Herz- und/oder Atmungsstörungen, Schwächung des Urogenitalsystems, Haarverlust, Gliederschmerzen und Kopfschmerzen etc.. Selbst Multiple Sklerose ähnliche Vergiftungserscheinungen können auftreten. Neuere Forschungen zeigen, das Quecksilber bei Alzheimer und ALS eine entscheidende Rolle spielt ebenso wie bei spontanen Fehlgeburten.

Gefahr von Quecksilber im Alltag unterschätzt

Fallbeispiel I

Eine Gruppe junger Leute hatte für ihre Galerie ein ehemaliges Fabrikgebäude gemietet. In einem Raum hatten sie ein großes Glasbehältnis gefunden das eine silberfarbene Flüssigkeit enthielt. Weil die Flüssigkeit so wunderbar glänzte behielten sie den Glasbehälter und stellten ihn in ihrer Ruhezone auf. Ab und zu nahm einer der jungen Leute während der Pause den Glasbehälter und drehte ihn um das Fließen der silberfarbenen Flüssigkeit zu bestaunen, bei der es sich zweifellos um Quecksilber handelte. An jenem Nachmittag fiel einem der jungen Leute das Glas zu Boden und zerbrach. Die Flüssigkeit verteilte sich in in Form von winzigen Kügelchen im ganzen Raum. Sofort war den jungen Leuten klar, dass sie vor einem Problem standen. Die jungen Leute schlugen jeglichen Rat in den Wind und berichteten einige Zeit später, dass sie einiges aufgekehrt und dann einen Staubsauger zu Hilfe genommen hätten, um die Kügelchen aus allen Ritzen aufzusaugen. Der Gesundheitszustand der jungen Leute verschlechterte sich im Laufe der darauffolgenden Monate. Allen litten an Kopfschmerzen, Schwindel, teils auch an Depressionen und ihnen gingen die Haare aus. Ein junger Mann verlor sogar seine Zähne.

Fallbeispiel II

In einer Metzgerei war ein Gerät zum Einschweißen von Fleisch- und Wurstwaren umgefallen. Beim Aufrichten stellten die Angestellten fest, dass eine silbrige Flüssigkeit auslief und sofort in Form von winzigen Kügelchen durch den Raum spritze. Das Thermostat im Inneren des Einschweißgerätes war zu Bruch gegangen. Eine der Metzgereiangestellten nahm einen feuchten Lappen und wischte die silberfarbene Flüssigkeit vom Fleischpacktisch aus Edelstahl. Die Flüssigkeit „verschmierte“ sagte sie später. Der Geschäftsführer des Warenhauses in dem sich die Metzgerei befand wurde von den Angestellten gerufen und befragt wie man vorgehen solle. Er verwies auf die Technische Abteilung und fügte an, es könne nicht so viel Quecksilber gewesen sei, es sei ja nur ein Thermostat gewesen. Den Rest der Kügelchen versuchten die Mitarbeiter der Metzgerei und der technischen Abteilung aus den Ritzen des Bodens zu fegen. Die Mitarbeiterin, die versucht hatte das Quecksilber feucht aufzuwischen verstarb wenige Monate später an Leberzirrhose. Sie hatte nie auch nur einen Tropfen Alkohol getrunken.

Energieeffizienz

Neben der Toxizität des Quecksilbers in Energiesparlampen, gibt es ein weiteres Umweltproblem, das meist unerwähnt bleibt. Bei der Energieeffizienz schneiden Energiesparlampen nicht so gut ab wie oftmals suggeriert wird. Der bei langen Nutzungsphasen unstrittige Fakt der Energieeinsparung wird durch einen geringfügig höheren Energieverbrauch bei kurzzeitigen Nutzungen jedoch schon wieder etwas neutralisiert (während der Startphase ca. 50 x so viel Energie wie während des normalen Betriebes). Ist diese kurzzeitige Nutzung selten, ist der erhöhte Energieverbrauch nicht dermaßen dramatisch und auch vernachlässigbar, doch haben wir im alltäglichen Leben eine Vielzahl von solchen kurzfristigen Nutzungen und somit summiert sich auch der geringe Mehrverbrauch in entsprechende Höhe. Jeder kennt Situationen wie das kurze Einschalten des Lichts in einem Raum, aus dem man nur etwas holen möchte, die Außenleuchten, die auf Bewegungsmelder reagieren und auch nur eine kurze Zeit aktiviert werden, der Gang auf die Toilette, zu dem auch nur kurz das Licht eingeschalten wird und einige andere Situationen. Zwanzig solcher und ähnlicher kurzzeitigen Nutzungen pro Tag und Kopf sind keine Seltenheit, übers Jahr gesehen wären das schon 7.300, was wiederum in einem gewöhnlichen Haushalt nicht mehr als geringer Mehrverbrauch gewertet werden kann.

Zerbrochene Energiesparlampe setzen Schadstoffe frei

Wie sollte man vorgehen, wenn eine Energiesparlampe zerbricht und das Quecksilber austritt?

Allgemein wird angegeben, dass der Verbraucher die Bruchstücke vorsichtig mit einem angefeuchteten Papiertuch aufnehmen, in eine Plastiktüte oder Einmachglas luftdicht verpacken und zu einer Schadstoffsammelstelle bringen soll. Man sollte keinen Staubsauber benützen und Hautkontakt vermeiden. Der entsprechende Raum sollte anschließend mindestens 20 bis 30 Minuten gelüftet werden. Da Quecksilber schon bei Raumtemperatur verdampft, ist vorzuschlagen, sofort nach dem Bruch die Fenster zu öffnen und nicht erst noch während der Verdampfungsphase mit dem Gesicht über den Bruchstücken zu knien und den Bruch feucht aufzuwischen, um dabei eine Aufnahme über die Atemwege zu riskieren. (4,5) Mittlerweile gibt es auch Energiesparlampen mit zusätzlicher Kunststoffhülle als Splitterschutz und Modelle, in denen das Quecksilber in gebundener Form vorliegt, wodurch das Austreten von Quecksilber bei einem Bruch verringert wird. Fraglich ist aber, ob eine Verringerung des Austritts in diesem Fall wirklich ein Vorteil ist, denn auch noch so geringe Mengen Quecksilber sind gesundheitsschädlich.

Energiesparlampen enthalten Weichmacher, Schwermetalle und Lösungsmittel

Eine weitere Frage wäre in Bezug auf die Kunststoffummantelung zu stellen. Kunststoff beinhaltet diverse Weichmacher, und auch diese sind in erwärmten Zustand gerne bereit auszudünsten. Je nach Weichmacher- und Lösungsmittelart (wie z.B. Phenol) ergeben sich auch hier erhebliche gesundheitliche Gefahren. Ganze, aber nicht mehr funktionstüchtige Energiesparlampen sind aufgrund des beinhalteten Quecksilbers jedoch als Sondermüll klassifiziert, sie dürfen also nicht im Hausmüll oder Glascontainer entsorgt werden.

Wie man das Blatt der Energiesparlampe also dreht und wendet, es kommt bis auf eine mehr oder weniger große Energieeinsparung kaum ein weiterer Vorteil zu Tage, vor allem und besonders im privaten Haushalt.

Autoren:

Die Serie “Schadstoffe in unserem Haus” wird kontinuierlich fortgesetzt.

Falls Ihr zusätzliche Infos habt, bitte fügt sie als Kommentare unten an. Sozial Netzwerken heißt auch gegenseitig informieren.

Literatur:

  1. Der Westen, Wie Angela Merkel die Glühbirne ausknipste, 01.09.2011
  2. BMU, Verordnung (EG) Nr. 244/2009 der Kommission, 18.03.2009
  3. Amtsblatt der Europäischen Union, VERORDNUNG (EG) Nr. 245/2009 DER KOMMISSION, 18. März 2009, 24.03.2009
  4. UBA, Quecksilber aus zerbrochenen Energiesparlampen, Dessau, 02.12.2010
  5. UBA, Energiesparlampen: Bei Bruch ist Lüften das A und O, Dessau, 25.08.2011

Weitere CSN Artikel aus der Serie “Schadstoffe in unserem Haus”:

Waschmittel mit Duft setzen gefährliche Chemikalien frei

Die umsatzstärksten Flüssigwaschmittel und beduftete Trocknertücher enthalten schädliche Chemikalien, von denen zwei als krebserzeugend eingestuft sind

Die Wissenschaftlerin an der University of Washington, die chemische Detektivarbeit geleistet hat, um heraus zu bekommen, was in parfümierten Verbraucherprodukten enthalten ist, hat ihre Aufmerksamkeit nun auf jene parfümgeschwängerte Luft gelenkt, die aus den Abluftschläuchen der häuslichen Waschtechnik weht.

Forschungsergebnisse, die in der 4. Augustwoche 2011 im der US-Zeitschrift ‚Air Quality, Atmosphere and Health‘ veröffentlicht wurden belegen, dass die Abluft von Geräten, in denen die am Markt erfolgreichsten Flüssigwaschmittel und Trocknertücher mit Duft zum Einsatz kommen, gefährliche Chemikalien enthält, von denen zwei als krebserregend eingestuft sind.

„Dies ist eine interessante Quelle für Umweltbelastung, da es für das, was aus den Abzügen der Wäschetrockner kommt, absolut keine Vorschriften gibt und es nicht erfasst wird“, sagte die Hauptautorin Anne Steinemann, eine Professorin der University of Washington für Umwelttechnik und öffentliche Angelegenheiten. „Wenn das Zeug aus einem Schornstein oder Auspuff käme, gäbe es Vorschriften, doch wenn es aus einem Wäschetrockner kommt, gibt es diese nicht.“

Die Studie stützt sich auf eine frühere Forschungsarbeit, in der untersucht wurde, welche Chemikalien von Waschmitteln, Lufterfrischern, Reinigungsmitteln und anderen parfümierten Verbraucherprodukten abgegeben werden. Die Hersteller müssen die Inhaltstoffe von Düften und Waschmitteln nicht angeben.

Für die Studie, die sich mit den Chemikalien befasste, welche mit der Wäschetrockner-Abluft freigesetzt werden, kauften die Forscher zunächst vorgespülte Bio-Baumwollhandtücher. Sie baten zwei Wohnungseigentümer, mit ihren Waschmaschinen und Trocknern auszuhelfen, reinigten das Innere der Geräte mit Essig und ließen ganze Waschgänge nur mit Wasser [ohne Waschmittel] durchlaufen, um möglichst viele Rückstände zu entfernen.

In der einen Wohnung ließen sie einen normalen Waschgang laufen und analysierten die Abluft in drei Durchlauf-Varianten: einmal ganz ohne, einmal mit der führenden parfümierten Waschmittelmarke und schließlich sowohl mit dem Waschmittel, als auch mit der führenden Marke parfümierter Trocknertücher. Ein in die Abluftöffnung gesteckter Kanister fing die Abluft bei jedem Durchgang 15 Minuten lang auf. Danach wiederholten die Forscher die Prozedur mit einer anderen Waschmaschine und einem anderen Trockner in der zweiten Wohnung.

Die Analyse der eingefangenen Gase ergab, dass aus dem Abzug mehr als 25 flüchtige organische Bestandteile kamen, dazu gehörten sieben gefährliche Luftschadstoffe. Davon sind zwei – Acetaldehyd und Benzol – von der amerikanischen Umweltschutzbehörde als krebserregender Stoff klassifiziert, für welche die Behörde keine unbedenklichen Grenzwerte festgelegt hat.

„Die Erzeugnisse können nicht nur die persönliche Gesundheit beeinträchtigen, sondern auch die allgemeine, und die Umwelt. Die Chemikalien können in die Luft und über den Abfluss in die Gewässer gelangen“, sagte Steinemann.

Die Forscher schätzen, dass in der Region von Seattle, wo die Studie durchgeführt wurde, die von dieser Waschmittelmarke verursachten Acetaldehyd-Emissionen drei Prozent der gesamten Acetaldehyd-Emissionen des Straßenverkehrs entsprechen. Die Belastung durch die fünf beliebtesten Marken würde, so schätzen sie, etwa 6 Prozent der Acetaldehyd-Emissionen von Autos gleich kommen.

„Wir richten sehr viel Aufmerksamkeit darauf, wie man den Ausstoß von Schadstoffen durch Autos reduziert“, sagte Steinemann. „Und hier haben wir eine Schadstoffquelle, die verringert werden könnte.“

Auf der Internetseite des Forschungsprojektes findet man unter anderem Leserbriefe, in denen über gesundheitliche Auswirkungen parfümierter Verbraucherprodukte berichtet wird. Steinemann sagt, dass die Berichte der Leute über durch die Abluft der Trockner ausgelösten Gesundheitsbeschwerden sie zur Durchführung dieser Studie motiviert haben.

Steinemann empfiehlt, Waschmittel ohne irgendein Geruch oder Duftstoff zu verwenden.

Lisa Gallagher und Amy Davis von der University of Washington und Ian MacGregor vom Battelle Memorial Institute waren als weitere Autoren der Studie beteiligt.

Autor: Hannah Hickey, University of Washington

Literatur:

Ann Steinemann, Lisa Gallagher, Amy Davis, Ian MacGregor, University of Washington, Scented laundry products emit hazardous chemicals through dryer vents, Aug. 24, 2011

Übersetzung: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network

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Auswirkungen der Industrialisierung: Kolonien und Sklavenhandel

Industrialisierung: Besetzung verschiedener Kontinente durch europäische Einwanderer

Um die komplexen Auswirkungen der Industrialisierung auf die Freiheit, die Menschrechte, die Gesundheit, die Umwelt und auf die Besitzverhältnisse indigener Menschen besser verstehen zu können, hat Chris B. die Fortsetzungsserie „Die Vernichtung indigener Familien durch die Industrialisierung“ geschrieben.

Teil III:

Blütezeit der Kolonialisierung und  Sklavenhandel

Als die wirtschaftlichen Interessen an exotischen Waren in Europa stiegen, führte dies zu weltweiten Kolonialisierungen. Bereits seit den ersten Kolonialisten wie Christoph Columbus, wurden Ende des 14. Jahrhunderts die indigenen Familien gegen ihren Willen versklavt und zur Arbeit gezwungen. Nachdem Columbus unter der Führung des spanischen Königshauses im Jahre 1492 eigentlich Indien bereisen sollte, jedoch dann auf das wirtschaftlich hoch gewinnbringende Amerika stieß, geriet das mit Spanien damals in Konflikten stehende Portugal in Erfolgszwang. Daraufhin wurde am 8. Juli 1497 der adelige portugiesische Seefahrer Vasco da Gama mit seiner Schiffsmannschaft auf dem Seeweg nach Indien geschickt.

Indien und die Portugiesen

Vasco da Gama fuhr auf dem Weg nach Indien mit seiner Schiffsflotte vorbei an der Westafrikanischen Küste bis runter nach Südafrika, wo er am 22. November 1497 in der Südafrikanischen Bucht von Mossel Bay am Kap der Guten Hoffnung einen Stopp einlegte. Er ging mit seiner Mannschaft an Land und trat dort mit den südafrikanischen indigenen Familien in Tauschgeschäfte ein. Kurz darauf reiste er mit seiner Mannschaft weiter, bis sie in den Vereinigten Arabischen Emiraten strandeten. Von dort aus zeigte ihnen der Navigator und Gelehrte Ahmed Bin Majid den Seeweg bis nach Indien. Die Reise dauerte von dort aus noch 23 Tage an und am 20. Mai 1498 erreichten sie das indische Calicut. Inzwischen wurde die portugiesische Insel Madeira zur Zuckerinsel umfunktioniert, da auf ihr der Anbau von Rohrzucker besonders leicht fällt und die Portugiesen durch den starken Zuckeranbau der Spanier in Amerika in Bedrängnis auf dem Weltwirtschaftsmarkt kamen. Die portugiesischen Seefahrer nahmen daraufhin bei ihren Rückreisen von Indien vorbei an Afrika an den afrikanischen Küsten die indigenen afrikanischen Familien kurzerhand als Sklaven mit und ließen sie auf der portugiesischen Zuckerinsel Madeira unter harten Bedingungen arbeiten. So wurden die afrikanischen indigenen Familien, als erste Ureinwohner weltweit, aus ihren Heimatorten entführt und gezielt wirtschaftlich in andere Länder verschleppt, um dort unter unbarmherzigen Arbeitsmaßnahmen ein Leben in Versklavung fern ab der eigenen Heimat zu führen.

Neue Ansiedlungen in Nordamerika und der weltweite Sklavenhandel

Inzwischen siedelten sich auch immer mehr europäische Einwanderer in Nordamerika an. Nun waren es nicht mehr nur die Spanier, die den neuen Kontinent Amerika für sich haben wollten, sondern auch die Franzosen und die Engländer gerieten in den besetzten Kolonialgebieten immer mehr in Konflikt zwischen einander. Es fand ein reger Handel mit überwiegend Pelzwaren statt und jeder wollte die Handelsmacht ergreifen. Zur damaligen Zeit hatten die Europäer bereits die Biberbestände Europas und Russlands fast ausgerottet und daraufhin die Jagd in Nordamerika und Canada fortgeführt. Die Biberbestände waren damals in Nordamerika und Canada noch um die 60.000 Millionen Tiere und somit sehr lukrativ für den europäischen Warenhandel. Es herrschte eine regelrechte Kampfstimmung um das kostbare Pelzgut und um neue Anbauflächen für Landwirtschaft, sowie weitere Minen für den Abbau von Erz und Edelmetallen. Auch der Zuckerrohr- und Baumwollanbau erhielt neue Maßstäbe und wurde im immer größeren Ausmaß in Nordamerika etabliert. Mittlerweile wurden mehr Arbeitskräfte benötigt und die in Nordamerika einheimischen indigenen Familien waren den Kolonialisten zu wenige an der Zahl. So erschufen die Kolonialisten einen regen Sklavenhandel und führten den weltweiten Sklavenmarkt ein. Ab dem Jahr 1559 wurden nachweislich systematisch afrikanische indigene Familien, vor allem durch die Portugiesen, die den indischen Seeweg eroberten, aus Afrika als Sklaven nach Brasilien entführt. Es wurden von portugiesischen Kaufleuten, während diese von Indien an Afrika vorbei zurückfuhren, mehr als 3,5 Millionen indigene afrikanische Menschen an den Küsten gefangen genommen, nach Brasilien verschleppt und als Sklaven verkauft.

Konkurrenzkampf und Wirtschaftsgier

Der wirtschaftliche weltweite Handel über den Seeweg expandierte zu einem ungeahnten Ausmaß und führte letztendlich zwischen den Kolonialisten zu fortwährenden Auseinandersetzungen untereinander. Im Jahr 1683 kamen auch die ersten deutschen Siedler nach Nordamerika. Sie siedelten sich in der von Briten gegründeten Stadt Philadelphia an und gründeten den Vorort namens Germantown. Ab dem Jahr 1691 wurde die von den Spaniern als erste kolonialisierte Insel Hispaniola auch von Franzosen besetzt. Die Westküste der Insel wurde zur französischen Kolonie „Sainte Domingue“ erklärt, die Insel ist das heutige Haiti. Sie wurde von den Spaniern und Franzosen gleichzeitig belagert und die französische Kolonie Sainte Domingue wurde die reichste europäische Kolonie Amerikas. Auf der Insel wurden 450.000 Sklaven zur Arbeit gefangen gehalten. Der Zucker-, Baumwoll- und Kaffeeanbau erreichte Höchstmaße. Ab nun herrschte auch in Nordamerika gegenseitige Konkurrenz, die französischen und englischen Kolonien waren in Konflikte gegeneinander im Wirtschaftshandel und Seeweg geraten. Die wirtschaftliche Auseinandersetzung zwischen Beiden gipfelte, als sich seit dem Jahre 1750 immer mehr britische Kolonialisten sogar in Nordamerika in das bis dahin als französisch geltende Ohio-Gebiet wagten und sich dort ansiedelten. England wollte dieses Gebiet nun gegen Frankreich für sich beanspruchen, doch Frankreich sah diesen Landschaftsteil als einen Teil des Gebietes von Neufrankreich an. Inzwischen wurde auch Indien nicht nur von den Portugiesen, sondern auch von den Franzosen und Engländern besetzt. Auch das Königreich Niederlande schickte immer mehr Kolonialisten hinterher, die sich vor allem in Afrika ansiedelten. Die Engländer eroberten in mehreren Kriegen weite Teile einiger Kolonien, vor allem 13 Kolonien in Nordamerika.

Die Gründung der United States of Amerika (USA)

Im Jahr 1764 führte Großbritannien mehrere Zwangsgesetze ein, an denen sich die bis dahin unter dem englischen Königshaus befindenden Kolonien in Nordamerika halten sollten. U.a. sollten die Kolonialisten kein eigenes Papiergeld erhalten. 1765 beschlossen sie deshalb, dass ihnen die gleichen Rechte zustünden, wie in ihrer ursprünglichen Heimat Großbritannien den Briten, also auch das Recht, die Steuern selbst festzulegen. Dies erlaubte die Großmacht England nicht und erlaubten den Briten in der eigenen Heimat mehr, als den britischen Kolonialisten Nordamerikas. Daraufhin riefen die Kolonien im Widerstand gegen England auf und es kam zu mehren Auseinandersetzungen zwischen den Kolonialisten und den Briten. Sie riefen den 1. Kontinentalkongress aus. Bereits Anfang des Jahres 1775 kam es dann zum ersten Kampf zwischen britischen Soldaten und der patriotischen Miliz der Kolonien. Es begann der Nordamerikanische Unabhängigkeitskrieg.

Am 04. Juli 1776 trafen sich die Kolonialisten in Philadelphia zum 2. Kontinentalkongress und verkünden dort ihre Unabhängigkeitserklärung, die Thomas Jefferson entworfen hatte. Dieser Moment gilt als Geburtsstunde der Vereinigten Staaten von Amerika. Ab nun sahen sich die Kolonialisten als eigenständige und von Großbritannien unabhängige Bewohner Amerikas, die sich in eigene Staaten einteilten, obwohl dies von Großbritannien nicht erlaubt wurde. Es wurde der Aufbau einer eigenen Kolonialarmee beschlossen. Der aus Virginia stammende Plantagenbesitzer George Washington wurde zu deren Oberbefehlshaber ernannt und erlangte die exekutive Gewalt über alle Kolonien Nordamerikas. Die Kolonialherrschaft appellierte darüber hinaus an die britische Regierung, eine friedliche Beilegung der Auseinandersetzung herbeizuführen und den Kolonialisten das Land Nordamerikas als das Ihrige Land zu geben und sie zu eigenständigen Amerikanern werden zu lassen, ohne Machtführung Großbritanniens. Doch zu einer friedlichen Lösung kam es allerdings leider nicht. Großbritannien schickten ca. 32.000 Soldaten zum Kampf gegen die eigenen Kolonialisten, während den Kolonialisten nur 23.000 Soldaten zur Verfügung standen. Inzwischen kamen auch immer mehr Deutsche in die Kolonien und siedelten sich dort mit an. Der deutsche Offizier Baron Wilhelm von Steuben bildete eine neue Kontinentalarmee im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Gemeinsam erzwungen etwa 9.000 britisch abstammenden amerikanische Kolonialtruppen, zusammen mit den einst verhassten Franzosen, die Briten des englischen Königshauses. Bis die Briten am 19. Oktober 1781 als britische Kolonialmacht kapitulierte und Amerika den Kolonialisten überließ. Es wurde der Friedensvertrag von Paris am 03. September 1783 unterzeichnet, so dass nun auch Frankreich mit den britisch abstammenden Kolonialisten im Einklang war, und Großbritannien gab den amerikanischen Kolonien die Unabhängigkeit. Viele Anhänger Großbritanniens, die sich weiterhin die Herrschaft Großbritanniens über die Kolonien wünschten, verließen daraufhin Nordamerika und flohen in das weiterhin britische Kanada. Die 13 ehemals britischen Kolonialorte wurden Gründungsstaaten der USA. Der einstige Plantagenbesitzer und Oberbefehlshaber der Kolonialarmee, George Washington, wurde zum ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt.

Befreiung Haitis vom Sklavenhandel

Der Sklavenhandel war jedoch immer noch in Gange. Während sich die britischen Kolonialisten bereits vom britischen Königshaus befreit hatten, bestand die Insel Hispaniola aus einem französischen Teil im Westen und aus einem spanischen Teil im Osten. Bei den Spaniern war das spanische Sklavengesetz Repartimiento immer noch gültig. Bei den Franzosen galt das vom französischem König Ludwig XIV bereits im Jahre 1685 zugelassene Gesetz „Code Noir“. Es hatte ein durchgehend menschenverachtendes Grundprinzip, zum Beispiel war die Folterung von Sklaven zwar verboten, aber es wurde gesetzlich gestattet, Sklaven zu fesseln und zu schlagen, wobei dies einer Folterung gleich kommt. Mehr als 90% der Bewohner der Insel waren damals Sklaven. Die Insel galt durch den marktführenden Handel als reichste Insel der Welt und ist das heutige Haiti. Der größte Anteil der Sklaven stammte noch immer aus Afrika, wo die Menschen gegen ihren Willen gefangen genommen wurden und nach Amerika verschifft wurden.

Im August 1791 rief der Sklave Dutty Boukman im französischem Teil der Insel zum Sklavenaufstand gegen die auf der Insel lebenden französischen Kolonialisten auf. Er wurde zum Anführer des ersten entscheidenden Sklavenaufstandes. Die haitianische Revolution gegen die Kolonialisten brach los, Dutty Boukman wurde hingerichtet, was die Revolution der Sklaven jedoch nicht aufhielt. Ende des gleichen Jahres schloss sich der ehemalige Sklave François Dominique Toussaint Louverture der Bewegung zur Befreiung der Sklaven im französischen Teil der Insel Hispaniola an. Er wurde von seinem „Herrn“ freigelassen. Toussaint Louverture schaffte es, auf der Insel im Jahr 1793 die Sklaverei abzuschaffen und erschuf eine eigene Sklavenarmee, die sich gewaltsam die Rechte der dort lebenden Sklaven zurück erkämpfte. Er gilt seitdem als Unabhängigkeitskrieger in der Befreiung der Sklaven auf Haiti und verbannte auch die Herrschaft der Briten und Spanier von seiner Insel. Nun war er Herrscher über die gesamte Insel und erstellte im Jahre 1801 eine eigene Verfassung, in der er sich als Gouverneur der Insel und Alleinherrscher auf Lebenszeit eintrug. Die Insel wurde Haiti genannt und war frei. Da allerdings die Wirtschaft auf der Insel weitergeführt werden musste, setzte er die früheren Sklaven als Arbeiter weiterhin ein. Doch das neugewonnene Glück dauerte nicht lange an. Bereits ein Jahr später schickte der französische Kaiser Napoléon Bonaparte den General Charles Leclerc d’Ostin mit 25.000 Soldaten nach Haiti. Dieser Schachzug wurde mit Sympathie von dem seit 1800 regierenden Präsidenten der USA Thomas Jefferson unterstützt, da dieser befürchtete, dass andere Sklaven weltweit von der Revolution auf Haiti erfahren könnten und sich dadurch selbst in solchen Gruppen organisieren würden. Napoleons französische Truppen marschierten auf Haiti ein, der Befreier Toussaint wurde gefangen genommen und nach Frankreich deportiert, wo er am 7. April 1803 im Gefängnis verstarb. Toussaint Streitmächte kämpften unterdessen unermüdlich in einer Aufstandsarmee erbittert gegen die Franzosen weiter und brannten letztendlich alle Städte auf der Insel nieder, in der Hoffnung, damit die Franzosen nichts Nützliches mehr hatten und somit die Insel freiwillig wieder verließen.

Es entstand ein haitianischer Krieg unter der Leitung von dem aus Afrika stammendem Rebellenführer Jean-Jacques Dessalines, der gleichzeitig der erste Kaiser auf Haiti wurde. Der haitianische Krieg endete in der Niederlage Napoleons gegen die ehemaligen Sklaven und führte in die endgültige Unabhängigkeit Haitis. Die damalige französische Kolonie „Saint Domingue“, wurde zur weltweit ersten Republik afrikanischer indigener Familien, die einst als Sklaven darauf angesiedelt wurden. Doch ein ehemaliger Sklave mit Namen Henri Christophe ließ den neuen Kaiser Dessalienes aus Habgier ermorden, um dann anstelle dessen der neue Kaiser Haitis zu werden. Diese Tat führte zu erbitterten Kämpfen untereinander und ein Bürgerkrieg der eigenen Leute entflammte. Die nördliche Hälfte Haitis wurde nun unter Henri Christophe geführt, der den Kaiser ermorden ließ. Die südliche Hälfte der Insel wurde unter der Führung des dort geborenen, von einem Franzosen und einer Schwarzsafrikanerin abstammenden Alexandre Sabès Pétion geleitet. Beide Fronten gerieten in haarsträubende Konflikte. Damit war Haiti erneut in zwei Lager gespalten. Diesmal nicht in ein französisches und ein spanisches Lager, sondern in zwei gleichen Machtverhältnissen, die eigentlich das gleiche Ziel verfolgten: Die Befreiung Haitis. 1810 kam es zu einem Friedensschluss, indem beide Männer einsahen, dass der Eine die nördliche Hälfte und der Andere die südliche Hälfte regieren darf.

Im Jahr 1818 starb Pétion, der einst die südliche Hälfte Haitis regierte, an einer Gelbfiebererkrankung. Seinem Nachfolger Jean Pierre Boyer gelang bereits zwei Jahre später im Jahr 1820 die Wiedervereinigung der beiden Teile Haitis zu einem Ganzen. Der neue Staat Haiti zahlte jedoch eine hohe Last für seine Freiheit. Der französische König Karl X. stellte die Regierung Haitis vor eine Wahl, entweder Haiti zahlt für die Anerkennung als eigener Staat 150 Millionen France an Frankreich, oder die französischen Streitkräfte werden erneut mit einer noch größeren Anzahl an Soldaten einmarschieren und die Bevölkerung erneut versklaven. Haiti war jedoch damals gezeichnet vom vergangenen harten Krieg und auch während der Bürgerkriege starben sehr viele Menschen. So nahm die Regierung Haitis daraufhin diese hohen Schulden auf sich. Diese Last bestimmt bis heute die finanzielle Situation der Insel und war der Grund für die bis ins heutige Datum vorhandene Armut und dem Elend der Bevölkerung. Die hart erkämpfte Freiheit, die in eine abhängige Unabhängigkeit führen sollte, endete letztendlich in einem fortwährenden Schicksal.

Das Elend der indigenen Familien durch die Unterdrückung europäischer Einwanderer und Europa ging weiter. Es fand auch Anfang des 19. Jahrhunderts bis heute seinen Verlauf. Darüber wird in Teil 4 berichtet.

Autor: Chris B. für CSN – Chemical Sensitivity Network, 27. August 2011-08-27

Die Vernichtung indigener Familien durch die Industrialisierung:

Die Urwälder gehören den indigenen Familien

Die Vernichtung indigener Familien durch die Industrialisierung – Teil 2

Seit etlichen tausenden von Jahren leben auf den außereuropäischen Kontinenten einheimische Familien im Einklang mit der Natur. Diese Urvölker, sogenannte indigene Familien, werden bis heute unterdrückt und verfolgt. Ihnen wurde und wird der Großteil ihrer Lebensgrundlage, die Natur und Umwelt, durch europäische Einwanderer vernichtet.

Handelsgeschäfte und Sklaverei

Die Anfänge des wirtschaftlichen Handels sind so alt wie die Menschheit. Bereits um 2500 vor Chr. bereisten Seeschiffe eine Binnenverkehrsstrecke in Nordafrika auf dem Nil, unter der Führung von Pharao Sahu-Re. Es fand ein reger Tauschhandel zwischen Ägypten und dem östlichen Orient statt. Um die Kosten für Arbeitskräfte zu sparen, wurden bereits damals viele Menschen gegen ihren Willen als Sklaven gefangen genommen. Größtenteils waren diese Sklaven Menschen aus der eigenen Gegend, überwiegend handelte es sich um Gefangene und Schuldner. Auch in Europa wurden schon damals Sklaven gehalten, vor allem in Griechenland und Rom. Sklaven galten als eine Art Zahlungsmittel. Sie wurden getauscht, bildeten den Teil einer Mitgift und wurden oft weiterverliehen, um eine Schuld zu begleichen. Die Anfänge der Sklaverei sind demnach genauso alt wie der wirtschaftliche Handel an und für sich. Beides hat seine Quelle und seinen Ursprung miteinander. Damals fand allerdings noch kein weitläufiger Seehandel statt.

Columbus und das Geschäft des Metallhandels

Im Jahre 1492, das Geschäft mit exotischen Gewürzen und Edelmetall blühte, wollte der spanische Seefahrer Christoph Columbus das weit entfernte Indien besegeln, um dort eine passende Stelle zum Abbau von Edelmetallen zu finden. Sein Plan war von handfestem wirtschaftlichem Interesse geprägt und er setzte alles daran, dieses durchzusetzen. Unterstützt wurde er von der Königin Isabella von Spanien, diese unterschrieb einen Vertrag. Darin wurde festgelegt, dass sie 90% der Edelmetalle bekommt, die Kolumbus erhoffte in Indien zu entdecken. Kolumbus erblickte jedoch nicht wie geplant Indien, sondern ohne sein Wissen die Westküste Mittelamerikas. Er dachte, er sei in Westindien angekommen und hoffte auf indische Bewohner zu treffen.

Unfaire Tauschgeschäfte mit den Einheimischen

Als er am 12. Oktober 1492 auf einer Insel der Bahamas an Land ging, ahnte er noch nicht, dass er in Mittelamerika strandete. Die ersten Begegnungen mit den indigenen Familien, der dort heimischen Arawak-Indianer, waren freundlich. Diese Familien sind sehr friedvoll und leben seit jeher im Einklang mit der Natur; sie sehen sich als verbündete Freunde aller Menschen und haben großen Respekt vor jeglichem Leben. Daher trugen die Arawak-Indianer keine Waffen und begrüßten die Fremden, die auf einmal in ihrer Heimat gestrandet waren, mit großer Freude. Es wurden Tauschgeschäfte durchgeführt, die Mannschaft von Columbus tauschte unwertige Glasperlenketten gegen hochwertige Baumwolle und viele andere Dinge. Columbus beschrieb die Bewohner der Insel in seinem Logbuch als tauschfreundlich. Danach reiste er mit seiner Mannschaft ein kleines Stück weiter und traf auf eine Halbinsel mit 6 Hütten. Die dort ansässigen Bewohner beschrieb er ebenfalls als sehr liebenswürdig und friedvoll, ohne jegliche Waffen. Er schlug der spanischen Königin vor, sollte sie den Befehl erteilen, alle Inselbewohner nach Kastilien bringen zu lassen oder sie auf der Insel als Sklaven zu halten,dies wäre kein Problem, da ein solcher Befehl leicht durchzusetzen wäre und die Inselbewohner zu allem zwingbar seien.

Ausbeuterei und Unterdrückung auf Mittelamerikanischen Inseln

Columbus hatte einige Inselbewohner gefangen genommen und mit auf sein Schiff bringen lassen. Er vollzog nun das, was bisher eigentlich nur Kriegsgefangenen passierte, sie wurden als Sklaven gefangen genommen. Die Mannschaft reiste weiter zu den Inseln der Antillen, die direkt vor Mittelamerika neben Cuba und Jamaica liegen. Inzwischen flohen einige der gefangengehaltenen Inselbewohner von den Schiffen Columbus, indem sie ins Wasser sprangen und um ihr Leben davon schwommen. Columbus ließ auf die Inselbewohner schießen und schickte einige seiner Mannschaftsmänner auf die Inseln, um Jagd auf die geflohenen Einheimischen zu machen. Danach segelte er mit seiner Mannschaft weiter die Inselgruppen vor den Küsten Mittelamerikas ab. Columbus sah, dass auf diesen Inseln einige Bewohner Goldschmuck trugen. Gold war genau das Edelmetall, das er suchte. Er fuhr nach und nach alle Inseln ab und nahm den Bewohnern ihren Goldschmuck ab. Um vorerst einigen Streitigkeiten aus dem Weg zu gehen, fand dies im Tausch gegen andere wertlose Gegenstände statt.

Sklaverei auf der besetzten Insel Hispaniola

Am 05. Dezember 1492 traf Columbus mit seiner Mannschaft auf der Insel Hispaniola ein und fanden wahre Goldschätze vor. Columbus ließ dort aus den Holzteiles eines seiner Schiffe, dem defekten Schiff „Santa Maria“, die erste Kolonie mit dem Namen „La Navidad“ bauen. Gleich darauf wurden die ersten Einheimischen von der Mannschaft versklavt und zur Arbeit gezwungen. Am 16. Januar 1493 fuhr Columbus mit einem Teil seiner Mannschaft zurück nach Europa, während er den anderen Teil seiner Mannschaft als Bewohner der Kolonie zurückließ. Die zurückgebliebene Mannschaft geriet jedoch bald untereinander in Streit. Sie verteilten sich allmählich über die gesamte Insel. Columbus kehrte erst später zurück, während dessen baute sein Bruder im Jahre 1496 die zweite Kolonie mit dem Namen „La Isabella“ auf, als Homage an die Königin Isabella von Spanien. Auf der gesamten Insel war Columbus bis ins Jahr 1500 der alleinige Gouverneur der Insel. Auch genannt „Vizekönig von Westindien“, da man sich noch immer sicher war, in Indien angekommen zu sein. Einige Zeit danach ergriff der spanische Kolonialverwalter Francisco de Bobadilla die Stellungnahme als Gouverneur der Insel und setzte Columbus kurzerhand ab. Columbus wurde in Ketten gefesselt zurück nach Spanien geschifft, da er am Spanischen Königshof in Ungnade fiel, wegen einer Beschuldigung der Unterschlagung von Gold- und Perlenschmuck. Die einheimischen Familien blieben dennoch auch unter dem neuen Gouverneurs Bobadilla versklavt und mussten harte Arbeiten mit viel Leid erdulden.

Unmenschlichkeit im Namen des Spanischen Königshauses

Ab dem Jahr 1503 führte der Spanische Königshof die Sklaverei sogar gesetzlich als ein Muss ein und eröffnete das unmenschliche Sklavenarbeitssystem „Encomienda“ , unter diesem Gesetz mussten die indigenen Familien für die Spanier eine harte Sklavenarbeit verrichten. Laut diesem damals von den Spaniern eingeführtem Sklavenarbeitssystem, wurden alle indigenen Einwohner automatisch die Sklaven der dort niedergelassenen Europäer in den angesiedelten Kolonien. Die Europäer waren jetzt nicht nur Kolonialisten der Kolonien, sondern sie waren auch Menschenhändler und Sklaventreiber unter der Flagge des Spanischen Könighofes, sogenannte Encomenderos. Sie ließen Plantagen und Mienen bauen, um von dort aus eigene Handelsgeschäfte zu führen und den Seeweg nach Europa für sich zu erobern. Die von den Europäern eingeschleppten Erkrankungen schwächten die bis dahin völlig ausgebeuteten und qualvoll geschundenen indigenen Bewohner noch mehr, so dass bis zum Jahre 1508 so viele indigene Familien gestorben waren, dass nur noch 60.000 indigene Menschen auf der Insel knapp überlebten und um ihr Leben flehten.

Das Interesse anderer Geschäftsleute wurde geweckt

Aufgrund von Berichten über die Kolonialisierung der Insel Hispaniola interessierte sich nun auch der italienische Händler Giovanni Caboto für die Eroberungen neuer Kontinente. Seine Geschäftsbeziehungen waren vor allem verfestigt im Gewürzhandel. König Heinrich VII von England unterstützte ihn tatkräftig durch einen königlichen Schutzbrief. Fortan trug er den Namen John Caboto und verblieb zusammen mit seinen Drei Söhnen unter Königlichem Schutze in Bristol. Caboto erhielt bald darauf den Auftrag einen nördlichen Seeweg nach China zu finden und entdeckte während der Forschungsfahrt die Insel Neufundland vor den Küsten des heutigen Canadas. Damit war das Schicksal für die dortigen Bewohner ab dem Jahre 1497 eingetroffen und die Unterdrückung der indigenen Familien fand ihren furchtbaren Verlauf.

Die Besetzung des Festlandes Südamerikas

Cabotos Sohn, Sebastiano Caboto, erkundete die Ost- und Südküste Amerikas. Der spanische Handelsmann Hernán Cortés wird neugierig und plant nun auch, endlich nach Amerika zu reisen. Sein erstes Ziel soll die von den Europäern besetzte Insel Hispaniola sein. Zu dieser reist er im Jahre 1504 und ließ sich dort nieder. Im Jahre 1511 schließt sich Cortés unter der Anweisung des Spanischen Königshauses dem aristokratischem Offizier Diego Velázquez de Cuéllar bei der Besetzung Kubas vor den Küsten Mittelamerikas an, wo er eine Zeitlang zu dessen Sekretär ernannt wird. Im Jahre 1519 segelte Cortés zur Insel Cozumel vor der Küste Yucatáns in Mittelamerika. Er drang dabei immer weiter bis zum Festland Mittelamerikas vor. Es kam zu einer Welle der Gewalt und Gräueltaten gegen die dortigen indigenen Familien, die Schlacht von Tabasco war eröffnet. Auf diesem Schlachtfeld entstand die Stadt Santa Maria de la Victoria, das heutige Ciudad Victoria in Tamaulipas Mexico. Cortés nahm sich ein indigenes Mädchen als Eigentum, sie sprach die Sprache der Azteken und die Sprache der Maya, daher wurde sie seine Übersetzerin.

Die Vernichtung der Azteken durch die Spanischen Kolonialisten

Es kam zu Verhandlungen zwischen Cortés und dem dort ansässige König der Azteken Moctezuma der II. . Die Azteken hatten bereits ein gut funktionierendes Geschäftssystem und Städte aufgebaut, die in ihrer Struktur mit damaligen Städten in Europa vergleichbar waren. Sie hatten Beamte und Stadträte, Handelsgeschäfte und Güterwaren. Um die Spanier vom Eindringen in die aztekischen Hauptstadt Tenochtitlan abzuhalten, boten die Handelsmänner der Azteken ihnen Gold und Edelsteine an. Doch die Spanier drangen mit Waffen ausgerüstet zu Pferd, sogar unter Kanonenbeschuss, in die Stadt ein. Die Schlacht der Spanier führte zum völligen Untergang des Reiches der Azteken. Der Azteken König Moctezuma der II. wurde während eines aztekischen Festes vom Conquistador Pedro de Alvarado getötet. Cortés beauftragt ihn, nun weiter ins Land einzudringen und alle Reiche im heutigen Guatemala zu erobern.

Die Vernichtung an der indigenen Bevölkerung nahm immer größere Züge an

Es war das Jahr 1524 als Pedro de Alvarado zum heutigem Guatemala kam, das Land dass er unter der spanischen Krone erobern sollte. Er wurde von Cortés dazu auserwählt, da er sich während der Tötung der Aztekenstämme als besonders brutal herausstellte. Die dort ansässigen indigenen Familien der Maya-Stämme wurden von ihm hemmungslos und ohne jegliche Rücksicht angegriffen. Während dem Kampf zwischen den Soldaten Pedro de Alvarados und den Männern des Maya Königs Tecún Umán, hatte er den König mit einer Lanze durchbohrt und dessen Stamm nach spanischem Recht des damals seit dem Jahre 1503 schon herrschenden Sklavenarbeitssystem Encomienda als Untertanen versklavt.

Missionierung der indigenen Bevölkerung

Etwa zu dieser Zeit wurde es auch zur Pflicht, die indigene Bevölkerung zum christlichen Glauben zu bringen. Missionierung an und für sich muss nichts schlechtes sein und kann durchaus auch gute Taten vollbringen, jedoch war es wohl eher ein „zwingen“, als wirklich ein „bringen“. Denn es wurde untersagt, dass die indigenen Familien ihren eigenen Glauben frei ausüben dürfen. Gleichzeitig fand jedoch in Europa die Reformation statt, es entstanden neue Konflikte in der Frage der Theologie und dies führte zur Spaltung des Christentums in verschiedene Konfessionen (katholisch, evangelisch lutherisch, reformiert). Der Bischof Bartolomé de Las Casas reiste im Jahre 1511 in einer Expedition nach Kuba und bekam die Verurteilung des Häuptlings Hatuey mit. Dieser wurde wegen seines Widerstandes gegen die Kolonisatoren zum Tode verurteilt. Bischof Bartolomé de Las Casas sollte ihn noch während des Ganges zum Christentum bekehren. Dies lehnte der Häuptling ab. Ihm wurden unmögliche Fragen gestellt, die unter der Berücksichtigung des Hintergrundgeschehnisses wohl eher einer Qual dienten. So sollte er auf die Frage, ob es im Himmel Weiße gebe, mit „Ja“ antworten. Doch wie sollte es denn dort solche Menschen geben, die ihm und seinem Stamm bisher nur Unheil und viel Leid brachten, diese Frage war somit mehr als völlig unangebracht. Bischof Bartolomé de Las Casas erkannte, dass er sich unbedingt für die Rettung und Befreiung der indigenen Familien einsetzen muss. Er versuchte seit dem Jahr 1515 zu erreichen, dass das Sklavenarbeitssystem Encomienda abgeschafft wird. Dies wurde jedoch durch das spanische Königshaus strikt abgelehnt.

Eine kleine Hoffnung die vernichtet wurde

Ab dem Jahr 1520 erhielt Bischof Bartolomé de Las Casas die Erlaubnis, in Venezuela einige eigene Kolonie unter seinen eigenen Vorstellungen mit der Freiheit und dem friedlichen Zusammenleben der indigenen Familien und ihm einzurichten, was jedoch schon wegen anderer Eroberer nur zwei Jahre danach im Jahr 1522 scheiterte. Er versuchte dennoch weiterhin, das Sklavenarbeitssystem der Spanier abzuschaffen, er kritisierte die Kolonialpraxis scharf und stellte sich immer wieder gegen sein eigenes Land. Zunehmend befreundete er sich als erster Spanier mit den indigenen Familien und verfasste im Jahr 1524 seine dreibändige „Geschichte der Indianer“. Leider wurde die Veröffentlichung untersagt und erst über dreihundertdreißig Jahre später, im Jahr 1875 erlaubt. Zusätzlich schrieb er den Bericht über die unfassbar hemmungslose Kolonisation mit dem Titel „Die Tränen der Indianer“. 1537 bekehrte er einige Stämme des nördlichen Guatemalas zum Christentum und konnte somit das spanische Könighaus auf seine Seite ziehen, deshalb wurde endlich im Jahr 1542 durch den Kaiser Karl V. die „Neuen Gesetze“ des Sklavenarbeitersystems zugelassen. Der Bischof wurde fortan bis heute „Vater der Befreiungstheologie“ genannt. Das System der Sklaverei wurde endlich aufgehoben, aber die indigenen Bevölkerungen erhielten anstatt dessen nun einen Status, vergleichbar mit dem von Minderjährigen. Somit schlug der spanische Königshof ein Schnippchen, denn damit waren die Ureinwohner Amerikas zwar nicht mehr als Sklaven bezeichnet und erhielten leichte Arbeitsschutzrechte, aber dennoch mussten sie unter der Kontrolle und Gefangennahme der Kolonialisten leben. Doch diese waren mit dem neuen Gesetzt überhaupt nicht zufrieden und es wurde von den meisten Kolonialisten schlichtweg umgangen. Daher wurde es schon wieder im Jahr 1545 aufgehoben und 1550 durch das System des Repartimiento abgelöst. Was dem Sklavenarbeitersystem in nichts nachstand und zu weiteren ungeahnten Folgen führte.

Von der Bezeichnung „Sklave“, hin zur Bezeichnung „Arbeiter“

Die Ureinwohner der besetzten Orte Amerikas mussten daraufhin dennoch weiterhin unter Zwang für die Kolonialisten, die sich einfach in ihrem Land ausbreiteten, arbeiten. Sie erhielten keinen Lohn und keine Hilfe. Sie wurden in ihrem eigenen Land noch immer gezwungen, ihre Freiheit aufzugeben. Sie wurden jetzt zwar nicht mehr als Sklaven, sondern als Arbeiter bezeichnet, waren aber im Grunde genommen immer noch Sklaven. Bischof Bartolomé de Las Casas kritisierte das „Neue Gesetzt Repartimiento“ als ein menschenunwürdiges und menschenvernichtendes System an. Denn die zur Arbeit gezwungenen indigenen Männer wurden in weit entfernte Mienen geschafft und die indigenen Frauen in weit entfernten Plantagen, wo sie über mehrere Monate hinweg hart arbeiten mussten, bis sie nach ca. 10 Monaten völlig ausgemergelt und kraftlos in „den Urlaub“ nach Hause geschickt wurden. Die Babys waren völlig unterernährt, die Mütter sahen als Notlösung aus völliger Verzweiflung, weil ihnen die Muttermilch fehlte, nur noch den Mord am eigenen Kind. Die Männer, Frauen und kleinen Kinder wurden von den Arbeiten in den Minen, durch Staub und giftige Gase, schwer krank. Das schwere Leid, was den indigenen Familien zugefügt wurde und bis heute wird, ist unbeschreibbar.

Dies war erst der Anfang einer neuen Geschäftsidee der europäischen Einwanderer. Denn anstatt einer Verbesserung folgte ein weiterer Alptraum für die indigenen Familien der Welt, darüber wird in Teil 3 berichtet.

Autor: Chris B. für CSN – Chemical Sensitivity Network, 20. August 2011

Teil I der Serie: Die Vernichtung indigener Familien durch die Industrialisierung

Wie die Atombombe die Wissenschaft entstellt hat

Die Atomwolke über Hiroshima, 2 Minuten nach der Explosion, 8 Uhr 17 morgens.

Die Vereinigten Staaten hüllten sich sofort in den Mantel der westlichen Zivilisation, nachdem sie am 6. und 9. August 1945 über Japan Atomwaffen explodieren ließen. Diese Waffen haben Wissenschaftler hergestellt. Dadurch haben Wissenschaftler Wissenschaft gefährlich gemacht, sich selbst, Amerika und die Welt für immer verändert.

1963 brachte David Lilienthal, Vorsitzender der US-Atomenergiekommission, die Vorläufer des Department of Energy war, wegen der Bombe große Bedenken gegenüber Wissenschaft und Wissenschaft- lern zum Ausdruck. Er sagte, die Bombe hat den Wissenschaftlern an den Universitäten sehr viel Geld beschert, sie von Forschung und Lehre abgelenkt und zu exklusiven Experten für Kriegswaffen gemacht. Diese neue Funktion hat „den Geist des unabhängigen Forschens“ aufgeweicht und Wissenschaftler zu „unkritischen Verfechtern und sogar zu Lobbyisten für zahlreiche große ‚programmatische‘ technische Unternehmen gemacht“. Dies war insbesondere am Verhalten jener Atomwissenschaftler zu erkennen, welche die Bombe ins Leben riefen.

Nach Lilienthal nahm der Atomwissenschaftler „manche Eigenschaften seiner welterschütternden Kreation“ selber an. „In der Öffentlichkeit umgab ihn etwas unwirkliches, etwas Übermenschliches und etwas Frucht einflößendes.“

Lilienthal sagte, dass die immensen Programme, welche die Wissenschaft in sich aufgesogen haben, die Unabhängigkeit der Wissenschaftler korridieren, indem sie sowohl beeinflussen, wie sie sich selber sehen, aber auch, wie dies wissenschaftliche Laien tun. Er beschreibt den neuen, „unfehlbaren“ Wissenschaftler nach der Bombe als „Organisationsmenschen“ und Wissenschaft als „an der Börse höchst gefragter Wachstumswert“. (1)

Über 30 Jahre später bestätigte Sir Joseph Rotblat, ein Friedensnobelpreisträger von 1995, das Unbehagen – und zwar die Furcht – die Lilienthal bezüglich der von der Bombe gemachten Wissenschaftler zum Ausdruck gebracht hatte. Er sagte, dass die Bomben nicht nur die Wissenschaftler, sondern auch die Kreativität der Wissenschaft korrumpiert haben, indem sie ihre Anwendung „zu etwas, das der Menschheit schadet“ gemacht haben. Rotblat wirft Wissenschaftlern vor, die Hauptkraft im Atomwaffenwettlauf geworden zu sein, was „eine völlige Perversion der erhabenen Ideale der Wissenschaft“ ist.

Rotblat erklärte nicht, was diese Ideale sein könnten, doch er brachte die Sorge zum Ausdruck, dass der wissenschaftliche Fortschritt oder die uneingeschränkte wissenschaftliche Forschung zur völligen Zerstörung führen könnte, einschließlich des Endes von Leben auf der Erde. Um so ein Desaster zu verhindern empfahl er, der Forschung für Physik und Biologie Beschränkungen aufzuerlegen. Zusätzlich, sagte er, sollten Wissenschaftler eine Art hippokratischen Eid ablegen, wissenschaftliche Erkenntnisse nicht zum Schaden der Menschheit einzusetzen. (2)

Wissenschaft ist potentiell tödlich, da sie in vielerlei Hinsicht nicht dem Wohl der Bürger dient. Stattdessen ist sie ein Tochterunternehmen des Krieges; sie hält ein Gesundheitssystem am Funktionieren, bei dem es um den Vertrieb von Heilmitteln und nicht um Heilung geht; sie versorgt eine industrialisierte Landwirtschaft, die von Breitband-Toxinen (Bioziden) abhängig ist, die Menschen, Tiere, Lebensmittel und Trinkwasser des Landes vergiften. Zahlreiche andere schädliche Industrien könnten ohne Wissenschaft nicht existieren.

1974 bezweifelte Elting E. Morison, ein Professor am Massachusetts Institute of Technology, ob die moderne Wissenschaft und Technik den Bedürfnissen der Menschen gerecht wird. Er war sich weitgehend sicher „dass der unaufhörliche Strom neuer Artefakte“ mit der Natur des Menschen nicht vereinbar ist. Deshalb sagte er: „Es gibt anscheinend das zunehmende Auseinanderklaffen zwischen unserem sich ausweitenden Wissen, was wir mit den Materialien und Energien der uns umgebenden Welt machen können und unserem älteren, jedoch weniger sicherem Verständnis von dem, was wir zu tun haben und wir selber zu sein. Und aus diesem Missverhältnis – auf der einen Seite das Leistungsvermögen unserer Maschinerien und auf der anderen unsere Konfusion über das, was wir wirklich brauchen – werden wir höchstwahrscheinlich als Verlierer hervorgehen – zerschlissen, zerstört, völlig verbogen, in per Computer-Design entworfene Räume eingepfercht, zu Tode gelangweilt.“ (3)

Dieses gefährliche und tragische Dilemma ergänzt und ergibt sich aus den verdrehten Werten, welche die Bombe Wissenschaft und Technik eingeimpft hat. Atomkraftwerke, die zivilen Partner der Bombe, veranschaulichen eine menschliche Zwangslage des 21. Jahrhunderts. Nehmen wir beispielsweise das nukleare Elektrizitätswerk Edison in San Onofre, Südkalifornien.

Ace Hoffman, ein Software-Programmierer und einer, der seit vielen Jahrzehnten über Atomkraft schreibt, ist davon überzeugt, dass die Anlage in San Onofre unsicher ist und sofort geschlossen werden sollte. Am 10 Januar 2010 erklärte er warum:

Atomkraft ist nicht billig, ist nicht Co2-frei und ist nicht sicher. Das Problem mit dem Abfall ist unlösbar. Eine Kernschmelze, die ein Gebiet der Größe von Pennsylvania verseuchen könnte, kann jederzeit in jedem Atomkraftwerk passieren. Riesige Geldbeträge werden heimlich ausgegeben, damit Atomkraftwerke weiter betrieben werden dürfen. Riesige Mengen Wasser und andere Ressourcen werden täglich verschwendet und riesige Mengen Kohle und Öl werden verbraucht, um den Brennstoff, der in Atomkraftwerken verwendet wird, zu fördern und aufzubereiten. Sehen Sie sich die Kosten der Sanierung unserer Produktionsstätten für Atomwaffen an, wie etwa Hanford in Washington, um eine Vorstellung zu bekommen, wie hoch die wirklichen Kosten des Rückbaus von Atomkraftwerken sein werden (die sogar MEHR Atommüll als unsere militärischen Programme produzieren). Während den vergangenen vierzig Jahren hat San Onofre tausende Tonnen tödlichen radioaktiven Müll produziert. Es handelt sich um Gifte, deren Gefahren nicht verschwinden, egal ob man sie backt, verbrennt, kühlt, zusammenpresst, expandiert, mischt, schockt, schüttelt, verflüssigt, vergast oder verfestigt. Gifte, die jeden Behälter, in die man sie steckt, physikalisch zerstören… Es gibt keinen Grund, San Onofre noch länger in Betrieb zu halten und viele gute Gründe, es für immer zu schließen – dazu gehören die NEUEN über 200 Kilo (500 Pound) an hochaktivem Atommüll, die es jeden Tag produziert, an dem es weiter in Betrieb bleibt. (4)

Regierung und nukleare Industrie ignorieren diese berechtigten Bedenken und halten an den fragilen nuklearen Fabriken fest. Möglicherweise sind sie in dieser tödlichen Politik gefangen, damit sie die Kontrolle über Atomwaffen aufrecht erhalten können.

Barack Obamas Präsidentschaftswahlkampf war von einem gesunden Misstrauen gegenüber der Atomkraft geprägt. Nun, in seiner Rede zur Lage der Nation am 27. Januar 2010, versprach er Staatszuschüsse für den Bau „einer neuen Generation sicherer, sauberer Atomkraftwerke“.

Die Verkehrung von Werten, was Obama betrifft, und die Tragödie und die Fehler, die sich unweigerlich aus dem Atomkurs des Landes ergeben, haben ihren Ursprung in einem Geflecht mächtiger ökonomischer und militärischer Interessen, die sich alle um die Auffassung und Manipulation der Wissenschaft drehen, die mit der Bombe verheiratet wurde. Man stellt fest – und Lilienthal hat dies sehr deutlich ausgesprochen – dass die Wissenschaft in Amerika, besonders wenn es um Atomwaffen und Energie geht, groß und gefährlich ist.

Die nukleare Katastrophe in Japan im März 2011 bekräftigt das Eindruck, dass dieses militärische Spiel nun weit genug gegangen ist, Atombomben mit dem Lippenstift der Atomkraftwerke unter dem Anstrich der friedlichen Nutzung der Kernkraft zu verstecken. Die Zeit ist reif, diese tödliche nukleare Gefahr abzuschaffen.

Der Weltrat für erneuerbare Energien (World Council for Renewable Energy) drängte die Welt am 13. März 2011, „das sich auf die Atomkraft verlassen und den Handel mit dieser unglaublich gefährlichen Technologie zu beenden… Es ist ‚Fünf nach Zwölf‘ wenn wir den giftigen, todbringenden nicht erneuerbaren Ressourcen, die den Ruin für die Menschheit bedeuten, den Rücken kehren wollen.“ (5)

In der Tat wäre das Beenden der Atomenergieerzeugung der erste Schritt der Befreiung von der Bombe. Sonnenenergie ist sowohl machbar als auch unerschöpflich. Deutschland hat sich auf diesen Weg begeben.

Genau so wichtig ist, die Abwesenheit der nuklearen Bedrohung würde die Wissenschaft befreien, zu ihren Wurzeln zurück zu kehren, d.h. das Universum erforschen und das Wohl der Menschen verbessern. Schließlich würde sich die Wissenschaft selbst von der Bombe scheiden.

Autor: Evaggelos Vallianatos für Truthout, 7. August 2011

Übersetzung: BrunO für CSN-Chemical Sensitivity Network

Der Orignialartikel „Science Distorted by the Bomb“ steht unter einer Creative Commons Lizenz: by-nc.

Für diese Übersetzung gilt das entsprechende deutsche Lizenzmodell.

Artikel-Foto: UN-Photo/Mitsuo Matsushige CC: by-nc-nd

Ph.D. Evaggelos Vallianatos ist gebürtiger Grieche, studierte und lebt in den USA, wo er Bücher über griechische Geschichte schreibt. Neben anderen Ämtern, u.a. als Berater der Vereinigten Nationen für nachhaltige Entwicklung, arbeitete er bis 2004 für die EPA. Neben griechischer Geschichte gelten seine Interessen globaler Umwelt- und Agrarpolitik.

Referenzen:

  1. David Lilienthal, „Change, Hope, and the Bomb“ (Princeton, NJ: Princeton University Press, 1963) 61-72, 76.
  2. Joseph Rotblat, „Science and Humanity in the Twenty-First Century“ Nobelprize.org.
  3. Elting E. Morison, „From Know-How to Nowhere: The Development of American Technology“ (New York: New American Library, 1977) 137.
  4. Personal communication from Dr. Janette Sherman, January 11, 2010. Ace Hoffman is the author of „The Code Killers.“ See www.acehoffman.org.
  5. Peter Droege, University of Liechtenstein, www.wcre.org.

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Die Vernichtung indigener Familien durch die Industrialisierung

Skrupelose Zerstörung nur für den Profit

Indigene Familien sind die Ureinwohner der jeweiligen Länder. Diese Familien werden seit mehreren hundert Jahren bis heute durch europäische Einwanderer vernichtet und unterdrückt. Sie wurden durch diese versklavt, der Großteil ihrer Familien wurde getötet, ihnen werden die Rechte bis heute genommen und ihre Lebensgrundlagen werden erheblich einschränkt. In Amerika sind von diesem schweren Schicksal beispielsweise die Indianer-Stämme in Nord- und Südamerika betroffen, in Polarregionen wie Alaska und Kanada sind es die Stämme der Inuit, in Neuseeland die Maori, in Australien die Aborigines, in Indien die Andamanen und Nikobaren, auf den Philippinen die Palawan und Batak, in Malaysia die Stämme der Pelan und in Peru, Guinea, Brasilien, sowie Afrika stammen etwa noch die Hälfte der Bevölkerung von indigenen Familien ab. Diese Bevölkerungsgruppen sind nur einige wenige von insgesamt ca. 5.000 verschiedenen Stämmen, mit 300 bis 500 Millionen Mitgliedern, die zur Zeit in gut 70 Ländern der Welt versuchen so gut es geht zu überleben.

Mit der Entdeckung kam die Zerstörung

Mit dem Einzug europäischer Einwanderer in die jeweiligen Länder kamen nicht nur Unterdrückung und schreckliche Ereignisse in die bis dahin unberührte Idylle, sondern auch weiterhin anhaltende große Lebenseinflüsse für die indigenen Familien. Die europäischen Einwanderer brachten viele Krankheiten, Armut, Leid und durch die spätere Industrialisierung auch chronische Intoxikationen mit sich. Den einheimischen Familien wurde ihr Land entrissen, ihnen wird ihre eigene wirtschaftliche Lebensgrundlage bis heute genommen und ihre Kultur wird zunehmend unterdrückt. Ihnen wurde nicht nur ihre Heimat zerstört, sondern teilweise werden sie dazu gezwungen, ihren eigenen Glauben und ihre Familientraditionen nicht mehr ausüben zu dürfen. Sie sind bis heute der zwangsweisen Industrialisierung ausgesetzt.

Kein Kontakt zur Zivilisation

In einigen Urwäldern weltweit gibt es noch ungefähr hundert Stämme, die bisher keinerlei Kontakt zur Zivilisation hatten und weitgehend versteckt leben können, da an ihren Aufenthaltsorten jetzt erst nach und nach die Industrialisierung stattfindet. Diese wenigen Stämme sind derzeit akut gefährdet, ihr Leben und ihre Familien ebenfalls zu verlieren. Sie kennen bisher keinerlei Zivilisation und erstellen ihre Produkte selbst, Töpfe aus gebranntem Lehm, Jagdinstrumente aus Stein und Knochen, Nahrungsmittel aus gesammelten Früchten und Obst. Bisher hatten diese wenigen Stämme noch keine Zivilisationskrankheiten und auch ansonsten, soweit ersichtlich, sind sie noch kerngesund. Von diesen 100 Stämmen, die ohne jeglichen Kontakt zur Zivilisation auf der gesamten Welt verstreut leben, gibt es alleine im westlichen brasilianischen Urwald schätzungsweise über 60 Stämme, die ohne Kontakt zur Zivilisation leben.

Industrie, Holzfällarbeiten sind eine Bedrohung für unberührte Stämme

Doch diese bis heute weitgehend unberührten Familienstämme sind nun auch vom Tod und Leid schwer bedroht, da die dortige Industrie und illegale Holzfäller, den Lebensraum dieser Ureinwohner massivst bedrängen und sie sogar töten. Sie werden bereits seit etlichen Jahrzehnten durch die Einwanderung von europäischen Kolonialisten vertrieben. Diese europäischen Einwanderer siedelten sich in die bis dahin unberührten Naturlandschaften ein und wurden zu brasilianischen Siedlern, weil sie den Urwald für sich und ihre industrielle Errungenschaften erobern wollen. Der Höhepunkt der Massenvernichtungen in Brasilien und Peru fing mit dem sogenannten „Kautschuk-Boom“ Anfang der 20. Jahre an. Europäische Einwanderer nahmen sich viele Ureinwohner als Sklaven und vertrieben deren Familien. Es fanden ganze Massaker statt, die Familien wurden auseinander gerissen, Kinder getötet, Frauen verkauft, Männer zur Arbeit auf den Farmen und in den Fabriken versklavt.

Gewalt, Krankheiten, Mord

Mittlerweile hat der Bergbau und der Abbau von Braunkohle im brasilianischen Urwald begonnen. Bergleute, Farmer und Siedler bringen Gewalt und Krankheiten mit in die bis dahin unberührte Idylle. Viele Ureinwohner werden bis heute verfolgt und ihre Familien getötet. Karapiru, ein Mann der brasilianischen Awà-Indianer, hat ein Massaker der europäischen Farmer überlebt. Er konnte entkommen und sich im Wald verstecken. Hungrig, durstig, verängstigt und auf der Flucht, musste er jahrelang im tiefsten Urwald versuchen zu überleben. Er ist der einzige Überlebende seiner gesamten Familie. Seine Frau, seine Kinder, seine Geschwister, seine Mutter, alle wurden bestialisch hingerichtet. Nun lebt er mit seiner neuen Familie und seiner Tochter, noch immer unterdrückt durch die Einwanderer, im Gebiet der brasilianischen Urwälder. Dieses schreckliche Leid finden heute im 21. Jahrhundert statt, durch die Industrialisierung ganzer Urwälder.

Landstriche durch Entlaubungsmittel verseucht

Ganze Landstriche werden zusätzlich durch chemische Produkte wie Entlaubungsmittel vernichtet, Bäume sterben ab, Krankheiten finden Einzug. Die Zerstörung von Natur und Wald dient dazu, um dort Staudämme zu bauen. Diese sind notwendig, um einer Überflutung vorzubeugen und somit die Ansiedlung von Bergleuten, Farmern und Siedlern zu ermöglichen. Auch die zum Abtransport von Holz, Kohle und anderen Produkten notwenigen Eisenbahnstrecken vernichten zunehmend den gesamten Lebensraum der dort lebenden Tiere und der Natur. Die einheimischen Menschen, die indigene Bevölkerung, ist durch die Industrialisierung gesundheitlich am Ende und die Folgen sind bis dato noch völlig unvorhersehbar.

Erste Endecker waren bereits von Habgier getrieben

Angefangen hatte die ganze Zerstörung des Lebensraumes einheimischer Familien durch die Habgier skrupeloser, europäischer Geschäftsleute, die der Meinung waren, nicht nur Europa zu besitzen, sondern auch andere Länder erobern zu müssen, um dort weitere industrielle Standorte aufbauen zu können. Bereits in den Jahren der ersten Kolonialisierungen Mitte des 14. Jahrhunderts, nachdem Christoph Kolumbus Amerika entdeckte, siedelten sich zunächst Spanier in Zentralamerika an. Kolumbus war keinesfalls nur ein harmloser Abenteurer der auf Durchreise war, wie er gerne dargestellt wird, sondern er war in erster Linie ein eifriger Geschäftsmann, der auf der Suche nach einem neuen industriell nutzbaren Standort war. Seine Aufzeichnungen in den Logbüchern und Briefen belegen, dass er vorrangig auf der Suche nach Edelmetall-Vorkommen war, die er vornehmlich in Indien vermutete, allerdings dann mit seinen Schiffen in Amerika strandete. Sein Vorhaben bestand in erster Linie darin, Bergwerke zum Abbau von Metall auf dem von ihm entdeckten Kontinent zu erschaffen, um diese Metalle über den Schiffweg dann in Europa verkaufen zu können.

Teil II wird über die geschichtliche Katastrophe Nordamerikas berichten, mit der das ganze Schicksal hunderttausender indigener Menschen begann.

Autor: Chris B. für CSN – Chemical Sensitivity Network, 15. August 2001

Weiterführende Informationen über die Situation indigener Völker und wie sie ihrer Rechte beraubt werden: Intercontinental Cry

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Deutsche Umwelthilfe verklagt Baumarktkette wegen zu viel Quecksilber in Energiesparlampen

Energiesparlampen der Hornbach-Eigenmarke „Flair Energy“ überschreiten Grenzwerte für Quecksilber

Baumarktkette lehnt Unterlassungserklärung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zur künftigen Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen ab – DUH erhebt Klage gegen Hornbach wegen Nichteinhaltung von Umweltgesetzen

Von der Baumarktkette Hornbach verkaufte Energiesparlampen der Eigenmarke „Flair Energy“ enthalten regelmäßig zu viel giftiges Quecksilber. Dies ergaben Produkttests der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH). Die Untersuchungen weisen bei den geprüften „Flair Energy“ Kompaktleuchtstofflampen durchgehend mehr als die gesetzlich erlaubten 5 Milligramm (mg) Quecksilber auf. Der gemessene Höchstwert lag mit 13 mg um mehr als das Doppelte über dem gesetzlich erlaubten Grenzwert.

Zwar nahm Hornbach inzwischen die Energiesparlampen seiner Eigenmarke „Flair Energy“ vom Markt, doch schließt dies nach Überzeugung der DUH eine Wiederholung nicht aus. Deshalb fordert die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation von Hornbach die Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung, mit der sich das Unternehmen verpflichtet, nur noch Energiesparlampen in Verkehr zu bringen, die weniger als 5 mg Quecksilber enthalten. Dies lehnt Hornbach jedoch ab und verweigert somit jede Garantie, dass künftig alle angebotenen Energiesparlampen tatsächlich die gesetzlichen Quecksilbergrenzwerte einhalten. „Hornbachs Weigerung, verbindlich zu versprechen, zukünftig nur noch Energiesparlampen zu verkaufen, die die gesetzlichen Höchstwerte für Quecksilber erfüllen, ist nicht hinnehmbar“, sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.

Die modernen Energiesparlampen (Gasentladungslampen) sparen gegenüber Glühlampen 80 Prozent des Stroms ein, enthalten aber technisch bedingt geringe Mengen des giftigen Schwermetalls Quecksilber. Qualitätshersteller schaffen es heute, den Quecksilbergehalt auf ca. 2 mg zu reduzieren. Um mögliche schädliche Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit zu minimieren, ist die zugelassene Quecksilbermenge in Gasentladungslampen auf maximal fünf Milligramm je Lampe begrenzt. „Mit so genannten Quecksilber-Dosierpillen bei der Herstellung von Gasentladungslampen stellt die präzise Einhaltung der Grenzwerte heute kein technisches Problem mehr dar. Die Händler müssen nicht fürchten, unbeabsichtigt zu viel Quecksilber in ihren Energiesparlampen zu haben“, erklärt Thomas Fischer, aus dem DUH-Bereich Kreislaufwirtschaft. Lediglich bei Ramschware sei Vorsicht geboten, denn bei dieser werde das Quecksilber gelegentlich noch mit der veralteten und ungenauen Flüssigdosierung eingebracht. Dies sei jedoch nicht mehr zeitgemäß und ein Zeichen minderer Qualität.

Weil Hornbach seinen Kundinnen und Kunden trotz technischer Machbarkeit keinen Schutz vor zu hohen Mengen des Schwermetalls Quecksilber in Energiesparlampen garantieren will, erhebt die DUH nunmehr Klage gegen Hornbach vor dem Landgericht Landau. „Mit unserem Gang vor Gericht wollen wir erreichen, dass Hornbach die geltenden Quecksilber-Grenzwerte für alle angebotenen Energiesparlampen einhält und sicherstellen, dass zukünftig Hornbach-Kunden unbedenkliche Lampen kaufen können“, so Resch.

Literatur:

Deutsche Umwelthilfe e.V., Deutsche Umwelthilfe verklagt Baumarktkette Hornbach wegen zu viel Quecksilber in Energiesparlampen, Berlin, 9. August 2011

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Radioaktivität: Die Macht der Fahrlässigkeit

Ganze Wohnviertel radioaktiv verstrahlt

Es war September 1987, als der wahrgewordene Alptraum die brasilianische Stadt Goiânia heimsuchte. Bis heute wird versucht, dieses Schicksal, das dort mehreren Menschen das Leben kostete und hunderten weiteren Menschen ein unendlich großes Leid verschaffte, möglichst zu verschweigen. Es ereignete sich im Armenviertel der Stadt und kaum jemand hat hier in Europa wirklich je etwas davon erfahren. Die Auswirkungen dieses Unglücks sind bis heute aktuell und brisant.

Diebstahl für das blanke Überleben

Zwei jungen Männer, Wagner Mota und Roberto Santos Alves, grade einmal 19 und etwas über 20 Jahre jung, waren wie so oft auf einem Streifzug durch das nächtliche Viertel unterwegs. Auf der Suche nach Gegenständen, die sie zu Geld machen könnten. Sie hatten sich auf das Sammeln von Altmetall und Papierresten spezialisiert, um dies bei einem Schrotthändler gegen Geld einzutauschen. Manche mögen diese beiden jungen Männer als Diebe bezeichnen, doch das macht ihr Schicksal nicht einfacher. Sie waren verzweifelt und zu Hause warteten ihre Familien auf ein Stück Lebenskraft. Die Nahrungsmittel und das Trinkwasser waren knapp und fast unerschwinglich.

Strahlender Sondermüll

Es war ein wunderschöner Abend des 13. September 1987, als die Beiden in das verlassene Goiânische Institut für Radiotherapie eindrangen. Dieses Institut war eine verlassene Privatklinik in der Stadt, dort entwendeten sie mit einer Schubkarre ein seit zwei Jahren ausgedientes Strahlentherapiegerät, weil sie das Metall für wertvoll hielten und nicht wussten, was es für ein Gerät war. Beide hatten so ein Gerät niemals zuvor gesehen, denn eigentlich müssen diese Geräte als Sondermüll entsorgt werden und kaum ein Armer bekommt so etwas jemals zu Gesicht, da sich diese Menschen kostenaufwendige Therapien nicht leisten können. Die Entsorgung dieses Gerätes hätte eigentlich durch die 4 ärztlichen Leiter der Privatklinik stattfinden müssen, diese hatten das Gerät jedoch sich selbst überlassen, vermutlich aufgrund der hohen Entsorgungskosten. Wagner und Roberto schoben das Gerät mit Hilfe ihrer Schubkarre in Robertos Hinterhof und fingen an, es nach und nach auseinander zu bauen.

Leuchtendes Pulver

Es gelang ihnen nicht, das Gerät vollständig ganz klein zu hauen und in Einzelstücke auseinander zu nehmen. Nach fast zwei Wochen, nachdem sie das Gerät entdeckten und mitnahmen, versagten ihre Kräfte immer mehr und sie wurden krank. Sie verkauften das Gerät am 25. September kurzerhand komplett, an den Schrotthändler Desair Ferreira, um daraus wie üblich Profit zu schlagen. Der Schrotthändler fing an das Gerät eigenhändig mit seinem eigenem Werkszeug weiter auseinander zu bauen. Er entdeckte in dem Gerät einen Bleibehälter, diesen schlug er mit einem Meißel auf und entdeckte darin ein Pulver, das in der Dämmerung wunderschön leuchtete. So etwas Schönes hatte er vorher noch nie gesehen, er rief seine Frau, seine Nachbarn und alle herbei. Von diesem herrlich leuchtenden Pulver waren alle sehr begeistert, wie Kinder die ganz besondere Süßigkeiten entdeckten, wollten nun alle etwas von dem leuchtendem Pulver haben, das aussah wie Salz und fast wie von selbst auf der Haut kleben blieb.

Spaß, so kostbar wie ein Diamant

Sie rieben sich damit ein, malten sich Herzchen auf die Backen, Sterne auf die Stirn, sie zeichneten Zeichen auf die Wände, sie tanzten, lachten, waren fröhlich wie schon so lange nicht mehr in ihrem armen trostlosem Leben, das vom schweren Alltag der brasilianischen Slums gezeichnet war. Endlich hatten sie etwas, was niemand zuvor jemals gesehen hatte, etwas das ihnen vielleicht ein bisschen Glück bringt, etwas wie ein kostbarer Diamant. Das musste gefeiert werden. Es wurde aus den letzten Habgütern ein Abendessen organisiert, dieser Abend sollte der schönste Abend ihres Lebens werden.

Rätselhafte Erkrankung im Slum

Plötzlich wurden alle Menschen krank. Maria Gabriela Ferreira, die Frau des Schrotthändlers, bemerkte, dass diese Erkrankung aller Freunde gleichzeitig auftrat. Sie führte es zuerst auf ein gemeinsames Getränk des Abends zurück. Alle litten unter Erbrechen, Durchfall, Fieber, Hautausschläge und vieles mehr. Man dachte an eine Lebensmittelvergiftung, oder an eine neuartige Tropenkrankheit, an Allergien, an alles Mögliche, nur nicht an das Eine, das Undenkbare. Die konsultierten Ärzte tappten im Dunkeln, sie waren völlig ratlos, fanden keine Viren und keine Bakterien, keine Anzeichen einer Immunreaktion. Diese plötzliche Erkrankung war ein großes Rätsel.

Das schöne Pulver in Verdacht

Am 28. September verdächtigte die Frau des Schrotthändlers, Maria Gabriela Ferreira, das schöne Pulver als Krankheitsursache. Sie brachte den Bleibehälter, worin sich das Pulver befand, in ein Krankenhaus. Der diensthabende Arzt vermutete sofort korrekterweise, dass es sich bei dem Pulver um radioaktives Cäsium-137 handeln könnte. Er brachte den Behälter außerhalb des Krankenhauses in den Garten. Maria hatte den Behälter zum Glück während des Transportes in das Krankenhaus nicht geöffnet, sie transportierte den Behälter in einer Plastiktüte im Bus und hatte ihn auch im Krankenhaus nicht geöffnet, was vielen Menschen das Leben rettete. Aus dem Behälter waren bis dahin ca. 90% der Radioaktivität entwichen. Laut offiziellen Angaben war die Strahlung im Bus nicht gesundheitsgefährdend.

Ganze Viertel verstrahlt

Einen Tag später, am 29. September 1987, wurde durch den Spezialisten Walter Mendes mittels eines Szintillationszählers die Verstrahlung der Familie Ferreiras und deren Wohnumgebung festgestellt. Das gesamte Viertel war betroffen. Die Radioaktivität war über mehrere Wohnbezirke verschleppt worden, ganze Straßenzüge und Plätze waren kontaminiert. Zuerst hieß es, die Strahlenwerte seien nicht gravierend. Die Regierung wurde beschuldigt, der Zivilbevölkerung alarmierende Daten vorzuenthalten, um den Unfall zu vertuschen. Vor allem auch zu vertuschen, dass die Klinik das Gerät nicht sorgfaltsmäßig entsorgte.

Tote und schwer Verletzte – alles unter Kontrolle

Die fast 2.000 Menschen der unmittelbaren Umgebung wurden in das naheliegende Olympiastadion gebracht und dort versorgt. In der Zwischenzeit erlitten zahlreiche Personen zum Teil so hohe Strahlendosen, dass vier Personen in unmittelbarer Zeit starben und 28 Personen strahlungsbedingte Hautverbrennungen erlitten. Die am schwersten verstrahlten Opfer, darunter auch Kinder, wurden in einem der Krankenhäuser der Stadt in einem leer geräumten Flügel separiert abgeliefert, sie blieben dort zunächst ganz auf sich allein gestellt. Ärzte und Pfleger wagten sich nicht zu ihnen, wegen der hohen Strahlung, die von diesen kontraminierten Patienten ausgingen. Die Behörden, die viel zu lange versucht hatten den Vorfall möglichst vor der Öffentlichkeit geheim zu halten, versuchten sich in Beschwichtigung. Man habe die Lage unter Kontrolle, alles sei in Ordnung, es gebe keinerlei Strahlungsgefahr.

Verstrahlte Menschen und Tiere, kontaminierte Häuser und Plätze

Insgesamt wurden in den darauffolgenden Wochen 112.800 Personen untersucht, 249 wurden als kontraminiert ermittelt. Von den Häusern der Umgebung wurden 85 Häuser als kontaminiert ermittelt, davon waren 41 Häuser massiv kontaminiert und wurden letztendlich komplett abgerissen. Die Tiere der Familien mussten getötet werden, der Boden von Gärten und öffentlichen Parkanlagen abgetragen, Grundstücke zubetoniert. Das Leben war noch schlechter geworden, als es in diesem Alptraum sowieso schon war. Vierzehn stark verstrahlte Patienten wurden schließlich nach Rio de Janeiro ins dortige Marinehospital geflogen, wo ein internationales Spezialisten-Team, das auf Strahlenschäden durch Kriegsverletzungen spezialisiert ist, auf sie wartete. Vier Patienten kehrten schon kurze Zeit später in schweren Bleisärgen zurück, sie waren an den Folgen der Kontamination verstorben. Darunter auch die kleine Tochter der Familie des Schrotthändlers, Leide Ferreira. Sie verstarb am 23. Oktober, nur wenige Wochen nach dem Unglück. Leide war das allererste Todesopfer dieser schweren Tragödie. Sie wurde nur 6 Jahre alt.

Qualvoller Strahlentod

Wenige Stunden nach ihr verstarben ihre Mutter, Maria Gabriela Ferreira (38), die Frau des Schrotthändlers. Sie starb ebenso qualvoll an inneren Blutungen und multiplem Organversagen, wie ihre kleine Tochter Leide. Kurz darauf starben auch die zwei jungen Gesellen des Schrotthändlers, Admilson und Israel, die beiden wurden nur 18 und 22 Jahre alt. Ihr Tod war ebenfalls aufgrund der Strahlenkrankheit furchtbar qualvoll.

Ausschreitungen auf Beerdigungen

Die Beerdigungen verliefen ebenso schrecklich, so als wenn das alles was geschehen war, nicht schon genug des Alptraumes war. Mitten in der Trauer kam es auf dem Friedhof zu gewalttätigen Ausschreitungen, bei denen tausende Menschen aus Wut, Verunsicherung und Angst vor weiterer Verseuchung, gegen die Beerdigung und die Familie demonstrierten. Sie warfen Steine, schlugen mit Knüppel auf die Särge und den Trauerzug. Die Spezialsärge bestanden jedoch aus einem Bleimantel, so dass keine Radioaktivität ausweichen konnte, sie wogen bis zu 700 kg und mussten mit Hilfe eines Krans in die vorbereiteten Betongruben versenkt werden und vollständig einbetoniert werden.

Fahrlässigkeit verursachte jahrzehntelange, andauernde Folgen

Noch heute leiden die Menschen, die in diesem Gebiet wohnen, unter den gesundheitlichen Folgen der Strahlenbelastung, nur weil ein unverantwortlich arbeitendes medizinisches Personal aus der Privatklinik sich nicht um die Entsorgung des hochgefährlichen Strahlentherapiegerätes kümmerte und dies der unwissenden Zivilbevölkerung zum Verhängnis wurde.

Nichts kann dieses Schicksal rechtfertigen. Auch nicht das Argument, dass das Gerät von zwei jungen Männern aus ihrer Armut heraus, aus einem leer stehenden Abrissgebäude gestohlen wurde. Ein solches Gerät gehört, genau wie andere Gefahrgüter, sachgemäß entsorgt. Die vier Ärzte, die verantwortlich für das Gerät waren, wurden von der Stadt verklagt.

Autor: Chris B. für CSN – Chemical Sensitivity Network, 5. August 2011

Informationsquellen, Dokumentationen: „Cesio 137“ – „Goiânia 1987“

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Fukushima: Japanischer Professor belegt Inkompetenz der Regierung

“Ich bebe vor Wut!” – Prof. Kodama zur Kontamination nach Fukushima

Im Ausschuss für Arbeit, Soziales und Gesundheit, Japanisches Unterhaus, 27. Juli 2011, morgens/Transkript.

Der Nächste bitte, Zeuge Kodama:

Mein Name ist Kodama, ich bin der Chef des Radioisotopen-Zentrums der Universität von Tokyo. Am 15. März war ich sehr bestürzt. Wir von der Universität Tokyo haben 27 Radioisotopen-Zentren und sind verantwortlich für Strahlenschutz und Dekontamination. Ich selbst bin Mediziner und war über einige Jahrzehnte hinweg an Dekontaminationsarbeiten bei Einrichtungen der Universitätskliniken in Tokyo beteiligt.

Gegen 9:00 morgens am 15. März maßen wir eine Strahlung von 5 microsievert/h in Tokai-mura in der Präfektur Ibaraki und unterrichteten das Ministerium für Erziehung und Wissenschaft gemäß des Artikel 10 der Maßnahmen bezüglich Nuklear- notfallmaßnahmen. [japanisches Gesetz zum Strahlenschutz] Später wurden Strahlungen in Tokyo gemessen, die 0,5 microsievert/h überschritten. Dieser Stand ging bald zurück. Und dann, am 21. März regnete es in Tokyo, und mit dem Regen kam eine Strahlenbelastung von 0,2 microsievert/h. Meiner Meinung nach ist dies der Grund für die bis heute erhöhte Strahlenbelastung.

Zu dieser Zeit sagte Generalstaatssekretär Edano: „Es gibt keine direkten Auswirkungen auf die Gesundheit.“ Ich dachte eigentlich, das werde ein großes, großes Problem werden. Warum war ich so besorgt? Weil das gegenwärtige Strahlenschutzgesetz darauf basiert, kleine Mengen radioaktiven Materials zu behandeln, die sehr hohe Strahlendosen emittieren. In diesem Fall ist die Gesamtmenge des radioaktiven Materials von geringer Bedeutung. Wichtig ist die Höhe der Strahlendosis. Im Fall des Nuklearunfalles im AKW Fukushima I jedoch haben wir 5microsievert/h innerhalb eines 100km-Radius [er bezieht sich auf Tokai-mura], 0,5 microsievert/h innerhalb eines 200km-Radius [bezüglich der Tokyo-Gegend] und Strahlung weit darüber hinaus, sogar in Tee aus Ashigara und Shizuoka [über 300km], wie jetzt jedermann weiß.

Wenn wir Strahlungsverletzung und -Krankheit untersuchen, achten wir auf die Gesamtmenge des radioaktiven Materials. Aber es gibt keinen definitiven Bericht von TEPCO oder der japanischen Regierung über die genaue Menge des radioaktiven Materials, das in Fukushima freigesetzt wurde. Also haben wir auf Grundlage unserer Wissensdatenbank am Radioisotopen-Zentrum unsere Berechnungen angestellt. Bezüglich des thermischen Ausstoßes ist er 29,6-mal höher als die Menge, die beim Atombombenabwurf in Hiroshima freigesetzt wurde. Das Uran-Äquivalent beträgt 20 Hiroshima-Bomben. Beängstigender ist, dass die Strahlung von einer Atombombe innerhalb eines Jahres auf ein Tausendstel abnimmt, während die Strahlung von einem Kernkraftwerk nur auf ein Zehntel abnimmt. In anderen Worten: wir sollten von Anfang an erkennen, dass – genau wie Tschernobyl – das Atomkraftwerk Fukushima I radioaktives Material freigesetzt hat, das der Menge von 10 Atombomben entspricht und dass die resultierende Kontamination viel schlimmer ist als die Kontamination von einer Atombombe.

Von Standpunkt eines Systembiologen muss man, wenn die Gesamtmenge klein ist, nur die jeweilige Menge für jede einzelne Person berücksichtigen. Wenn jedoch große Mengen radioaktiven Materials freigesetzt werden, bestehen sie aus Partikeln. Die Verbreitung von Partikeln ist nicht-linear, und ihre Berechnung ist eine der schwierigsten Aufgaben der Fluiddynamik [Teilgebiet der Strömungslehre]. Kernbrennstoff ist wie in Kunstharz eingeschlossener Sand, aber wenn die Brennstäbe schmelzen, wird eine große Menge kleinster Partikel freigesetzt.

Was passiert dann? Probleme wie das kontaminierte Reisstroh passieren.

Zum Beispiel wurde in Fujiwara-cho in der Präfektur Iwate Reisstroh mit 57.000 Bq/kg gefunden. In Osaki in der Präfektur Miyagi 17.000 Bq/kg, in Minami-Soma City in der Präfektur Fukushima 106.000 Bq/kg und in Shirakawa City in der Präfektur Fukushima 97.000 Bq/kg und in Iwate 64.000 Bq/kg. Das Kontaminationsmuster folgt keinen konzentrischen Kreisen. Es hängt vom Wetter ab. Die Kontamination hängt auch davon ab, wo die Partikel landen – zum Beispiel auf Material, das Wasser absorbiert.

Wir vom Radioisotopen-Zentrum haben der Stadt Minami Soma City bei Dekontaminations-Maßnahmen geholfen. Bisher haben wir sieben Dekontaminationen durchgeführt. Als wir das erste mal nach Minami Soma kamen, gab es nur einen Geigerzähler. Am 19. März, als das Ministerium für Agrikultur, Waldwirtschaft und Fischerei vermutlich die Anweisungen [bezüglich der Viehfütterung] ausgab, gingen in der Stadt gerade Lebensmittel, Wasser und Benzin zur Neige. Der Bürgermeister von Minami Soma veröffentlichte ein Hilfsgesuch im Internet, das weltweit gesehen wurde.

In solch einer Situation hätte niemand auf ein Papier des Ministeriums geachtet, niemand hätte etwas gewusst. Die Bauern wussten nicht, dass Reisstroh im Begriff war, kontaminiert zu werden. Trotzdem kauften sie Futter von außerhalb, gaben hunderttausende Yen aus, fütterten ihr Vieh damit und gaben ihm Trinkwasser. Was sollten wir also jetzt tun? Wir müssen garantieren, dass in dem kontaminierten Gebiet vollständige Strahlenmessungen durchgeführt werden.

Wie ich bereits erwähnte, gab es einen Geigerzähler in Minami Soma City, als wir im Mai dorthin kamen. Tatsächlich gab es 20 Strahlenmessgeräte, die von den US-Truppen zur Verfügung gestellt worden waren. Aber niemand im örtlichen Bildungsausschuss konnte die englische Bedienungsanleitung verstehen, bis wir kamen und ihnen erklärten, wie die Geräte zu bedienen sind. So war das dort.

Zur Lebensmittelkontrolle: es gibt fortschrittlichere Geräte als Germanium-Detektoren, bildgebende Halbleiter-Detektoren. Warum gibt die japanische Regierung kein Geld aus, um sie zu benutzen? Nach 3 Monaten hat die Regierung nichts dergleichen getan, und ich bebe vor Wut. Zweitens: Seit Herr Obuchi Premierminister war [1998], bin ich zuständig für Therapeutische Antikörper im Auftrag des Kanzleramtes. Wir benützen Radioisotope in Antikörper-Therapien, um Krebs zu behandeln.

Mit anderen Worten: meine Arbeit besteht darin, Radioisotope in menschliche Körper zu injizieren. Deshalb habe ich höchstes Interesse an der internen Strahlenbelastung und das ist es, was ich intensiv untersucht habe. Also möchte ich den Mechanismus erklären, wie es zu interner Strahlenbelastung kommt.

Das größte Problem bei interner Strahlung ist Krebs. Wie entsteht Krebs? Weil Strahlung DNA-Stränge zerschneidet. Wie Sie wissen, hat die DNA die Form einer Doppelhelix. In dieser Spiralform ist sie äußerst stabil. Wenn sich jedoch eine Zelle teilt, wird die Doppelhelix zu Einzelsträngen, doppelt sich und wird zu 4 Strängen. Das ist das höchst gefährdete Stadium. Deshalb sind Föten und kleine Kinder, deren Zellen sich rasch teilen, am empfänglichsten für Strahlengefährdung. Selbst bei Erwachsenen gibt es Zellen, die sich rasch teilen wie Haar, Blutzellen und Darmepithel [Bestandteil der Darmschleimhaut], die von Strahlung beschädigt werden können.

Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel dafür geben, was wir über interne Strahlungsbelastung wissen. Eine genetische Mutation verursacht keinen Krebs. Nach der anfänglichen Bestrahlung braucht es einen zweiten Auslöser, damit eine Zelle zu einer Krebszelle mutiert, der „driver mutation“ oder „passenger mutation“ genannt wird. [keine deutsche Bezeichnung verfügbar] Für Details sehen Sie sich bitte das beigefügte Dokument über die Fälle in Tschernobyl und Cäsium an.

Anmerkung CSN: driver mutations (Haupt oder Zellwuchs-Mutationen) sind jene, die den Krebs produzieren, während passenger mutations (Neben oder Gastmutationen) keinen Krebs machen. Vgl. Cancerfocus

Alpha-Strahlung ist sehr berühmt[berüchtigt]. Ich bin erschrocken, als ich von einem Professor der Tokyo Universität erfuhr, der sagte, es sei sicher, Plutonium zu trinken. Alpha-Strahlung ist die gefährlichste Strahlung. Sie verursacht Thorotrast-Leberschäden [später erklärt], wie wir Leberspezialisten sehr genau wissen. Bei interner Strahlung wird häufig auf so und so viele Millisievert verwiesen, aber das ist absolut bedeutungslos. Jod-131 geht in die Schilddrüse, Thorotrast geht in die Leber und Cäsium geht ins Urothel [Gewebe der Harnwege] und in die Harnblase. Ein Ganzkörperscan ist völlig bedeutungslos, ohne sich diese Stellen im Körper anzuschauen, wo Strahlung akkumuliert.

Thorotrast war ein Kontrastmittel, das in Deutschland seit 1890, in Japan seit 1930 benützt wurde, aber man fand heraus, dass 25 bis 30% Prozent der Menschen 20 bis 30 Jahre später Leberkrebs bekamen.

Warum dauert es so lange, bevor sich Krebs entwickelt?

Thorotrast ist ein alpha-strahlendes Nuklid. Alphastrahlung verletzt nahegelegene Zellen, und die DNA, die am meisten betroffen ist, ist ein Gen namens „P53“. Mittlerweile kennen wir Dank der Gentechnik die gesamte Sequenz der menschlichen DNA. Allerdings gibt es 3 Millionen Positionen auf der DNA, die von Person zu Person unterschiedlich sind. Daher macht es heute überhaupt keinen Sinn, so zu handeln als ob alle Menschen gleich wären. Das Grundprinzip sollte die „personalisierte Medizin“ sein, wenn wir interne Strahlung untersuchen,- welche DNA ist beschädigt und welche Art Wandel findet statt. Im Fall von Thorotrast ist es erwiesen, dass im ersten Stadium P53 geschädigt wird und es dann 20 bis 30 Jahre dauert, bis die Zweit- und Drittmutationen auftreten, die Leberkrebs und Leukämie verursachen.

Über Jod-131.

Wie Sie wissen, akkumuliert Jod in der Schilddrüse, und das ist besonders während der Entwicklungsphase der Schilddrüse festzustellen, d.h. bei kleinen Kindern. Aber dennoch: als die ersten Forscher in der Ukraine 1991 sagten: „Es gibt eine ansteigende Zahl von Schilddrüsenkrebs-Fällen“, veröffentlichten Forscher in Japan und den USA Artikel in „Nature“, die besagten: „Es gibt keinen kausalen Zusammenhang zwischen der Strahlung und Schilddrüsenkrebs.“

Warum sagten sie das? Weil es keine Daten gab für die Zeit vor 1986, gab es keine statistische Signifikanz. Die statistische Signifikanz wurde schließlich 20 Jahre später festgestellt.

Warum? Weil der Kurvenausschlag, der 1986 begann, wieder verschwand. Selbst ohne Daten von vor 1986 gab es also den kausalen Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Schilddrüsenkrebs-Fälle und der Strahlenbelastung aus Tschernobyl.

Epidemiologische Beweisführung ist sehr schwierig. Es ist unmöglich, Beweise zu liefern, bevor alle Fälle abgeschlossen sind. Daher wird aus dem Blickwinkel des „beschützt unsere Kinder“ eine völlig andere Herangehensweise benötigt. Dr. Shoji Fukushima von der staatlichen Institution „Japan Bioassay Research Center“, die die gesundheitlichen Auswirkungen von chemischen Verbindungen erforscht, hat seit dem Tschernobyl-Unfall Krankheiten im Bereich des Urinaltraktes untersucht. Dr. Fukushima und Doktoren aus der Ukraine untersuchten Teile von Blasen, die bei über 500 Operationen von Prostatahypertrophie [Vergrößerung der Prostata] entnommen wurden.

Sie fanden heraus, dass es in den hoch kontaminierten Gegenden, wo 6Bq/Liter im Urin entdeckt wurde, eine hohe Frequenz von P53-Mutationen gab, obwohl 6Bq/l unbedeutend klingen mag. Sie stellten auch viele Fälle von proliferativen präkazerosen Konditionen fest [entartete Zellen, die Krebs entwickeln können], von denen wir annehmen, dass sie durch Aktivierung von P38 MAP Kinase und dem sogenannten „NF-kappa-B“ Signal bedingt sind, was zwangsläufig zu einer proliferativen Zystitis führt, mit in beachtlicher Frequenz auftretendem Carcinoma in Situ.

Mit diesem Wissen war ich bestürzt, den Bericht zu hören, dass 2 bis 13 Bq/Liter [radioaktives Cäsium] in der Muttermilch von sieben Müttern in Fukushima gemessen wurde. Wir vom Radioisotopen-Zentrum der Universität Tokyo haben geholfen, Minami-Soma City zu dekontaminieren. Wir haben jeweils 4 Leute gleichzeitig geschickt und Dekontaminationen auf der Länge von 700km pro Woche durchgeführt.

Nochmals: das, was in Minami-Soma geschieht, zeigt deutlich, dass ein 20 oder 30 km Radius [vom AKW] überhaupt keinen Sinn macht. Sie müssen mehr ins Detail gehen, wie z.B. in jedem Kindergarten messen. Im Moment werden aus dem 20-30 km Radius 1.700 Schulkinder mit Bussen zur Schule gefahren. Tatsächlich liegt aber das Stadtzentrum von Minami-Soma nahe am Ozean und 70% der Schulen haben eine relativ niedrige Strahlenbelastung. Trotzdem werden Kinder dazu gezwungen, in die Busse zu steigen und den ganzen Weg zu Schulen in der Nähe von Iitate-mura [wo die Strahlung viel stärker ist] zurückzulegen. Die Busfahrten kosten jeden Tag 1 Millionen Yen.

Ich verlange nachdrücklich, dass diese Situation so schnell wie möglich beendet wird. Das Problematischste an der Richtlinie der Regierung ist, dass sie die Bewohner nur für ihre Umzugskosten entschädigen, wenn deren Gebiete als offizielle Evakuierungs-Zonen ausgewiesen sind. In einem kürzlich im Sangiin [Oberhaus der japan. Regierung] tagenden Ausschuss sprachen der damalige TEPCO-Präsident Shimizu und Herr Kaieda, Minister für Wirtschaft, Handel und Industrie darüber. Ich fordere Sie dazu auf, diese zwei Dinge sofort zu trennen – Kompensationskriterien-Belange und das Thema Schutz von Kindern.

Ich ersuche Sie nachdrücklich, alles zu tun, was Sie können, um Kinder zu beschützen. Eine andere Sache, von der ich mich überzeugt habe, während ich die Dekontamination in Fukushima durchführe, ist die Tatsache, dass Notfalldekontamination und permanente Dekontamination unterschiedlich behandelt werden sollten.

Wir haben eine Menge Notfalldekontamination durchgeführt. wenn Sie z.B. dieses Diagramm anschauen, werden Sie feststellen, dass das untere Ende dieser Rutsche die Stelle ist, worauf kleine Kinder ihre Hände legen. Jedes Mal, wenn der Regen die Rutsche herunter strömt, akkumuliert mehr radioaktives Material. Gibt es eine Schräglage, kann die Strahlungsdosis zwischen rechts und links unterschiedlich sein. Bei einer solchen Neigung kann die durchschnittliche Strahlung zwar bei 1 Mikrosievert liegen, aber an einer Seite trotzdem 10 Mikrosievert betragen. Benützen Sie einen Hochdruckreiniger, können Sie die Strahlungsdosis von 2 Mikrosievert auf 0,5 Mikrosievert verringern. Wir müssen mehr Notfalldekontaminationen an solchen Stellen durchführen.

Der Boden unter der Dachrinne ist auch eine Stelle, wo Kinder oft mit ihren Händen hinkommen. Benützen Sie einen Hochdruckreiniger, können Sie die Strahlungsdosis von 2 Mikrosievert auf 0,5 Mikrosievert verringern. Trotzdem ist es extrem schwierig, den Wert unter 0,5 Mikrosievert zu bringen, weil alles kontaminiert ist. Gebäude, Bäume, ganze Gegenden. Sie können die Strahlungsdosis einer Stelle verringern, aber es ist sehr schwer, das für eine ganze Gegend zu tun. Außerdem, welche Probleme müssen wir lösen und was wird das kosten, wenn wir ernsthaft dekontaminieren wollen?

Im Fall der „Itai-Itai-Krankheit“, hervorgerufen durch Cadmiumvergiftung [von einer Mine] hat die Regierung bisher 800 Billionen Yen ausgegeben, um die Hälfte der Cadmium-kontaminierten Gegend, die insgesamt etwa 3.000 Hektar groß ist, zu dekontaminieren.

Wie viel Geld wird es kosten, wenn wir eine tausendmal größere Fläche dekontaminieren müssen? Daher möchte ich drei dringende Anträge stellen.

Erstens: Ich beantrage, dass die japanische Regierung als nationale Strategie die Messung der Strahlung von Lebensmitteln, Erdreich und Wasser mittels Japans fortschrittlichster Technologie wie bildgebenden Semikonduktor-Detektoren betreibt. Das liegt absolut im Bereich von Japans derzeitigen technischen Fähigkeiten.

Zweitens: Ich beantrage, dass die Regierung so schnell wie möglich ein neues Gesetz in Kraft setzt, um die Strahlenbelastung von Kindern zu reduzieren. Im Moment ist alles, was ich tue, illegal.

Das jetzige Strahlenschutzgesetz spezifiziert die Menge der Strahlung und die Arten von Radionukleiden, die die einzelnen Institutionen bearbeiten dürfen. Die Universität Tokyo mobilisiert all die Arbeitskraft ihrer 27 Radioisotopen-Zentren, um Minami-Soma City bei der Dekontamination zu helfen. Aber viele der Zentren haben keine Erlaubnis, mit Cäsium zu arbeiten. Es ist illegal, es in Autos zu transportieren. Aber wir können nicht hoch radioaktives Material bei den Müttern und Lehrern dort lassen, also stecken wir alles in Fässer und bringen die mit nach Tokyo zurück. Sie dort in Empfang zu nehmen, ist illegal. Alles ist illegal. Es ist die Schuld des Parlamentes, solche Situationen so zu belassen, wie sie sind. Es gibt viele Institutionen in Japan, z.B. Radioisotopen-Zentren an nationalen Universitäten, die Germanium-Detektoren und andere hochentwickelte Detektoren besitzen. Aber wie können wir als Nation mit aller Kraft unsere Kinder beschützen, wenn die Hände dieser Institutionen gebunden sind? Dies ist das Ergebnis der groben Fahrlässigkeit des Parlamentes.

Drittens: Ich beantrage, dass die Regierung als nationale Strategie die Fähigkeiten des privaten Sektors mobilisiert, um Techniken zur Dekontamination des Erdreiches zu entwickeln.

Es gibt viele Firmen mit Expertise in radiologischer Dekontamination; Chemie- unternehmen wie Toray und Kurita, Dekontaminationsunternehmen wie Chiyoda Technol und Atox, und Baufirmen wie Takenaka Corporation. Bitte mobilisieren Sie deren Kräfte sobald wie möglich, um ein Dekontamination-Forschungszentrum aufzubauen. Es wird zehntrillionfach Yen kosten, die Dekontaminationsarbeiten durchzuführen. Ich bin tief besorgt, dass es hier zu Öffentlichen Arbeiten mit Ausschreibungen, Konzessionen etc. kommt. Wir können uns den Luxus nicht erlauben, eine Sekunde zu verschwenden, wenn wir den finanziellen Zustand der japanischen Regierung bedenken. Wir müssen herausfinden, wie wir tatsächlich dekontaminieren können.

Was in aller Welt treibt das Parlament, während 70.000 Menschen aus ihren Häusern vertrieben wurden und herum irren?

Das ist alles.

Übersetzung aus dem Englischen: 007bratsche

Prof. Tatsuhiko Kodama ist der Leiter des Radioisotopen-Zentrums der Universität Tokyo. Am 27.7.2011 hielt er als Zeuge im Unterhaus der japanischen Regierung diese Rede zur Lage in den von den havarierten Reaktoren in Fukushima betroffenen Gebieten.

Diese Rede gibt es auf dem Blog EX-FSK auf Japanisch, Englisch, Französisch und Deutsch.

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Hommage an Lukanga Mukara

Wie klug Du bist, mein Kind! Du fragst, ob es noch andere Menschen auf der Welt gibt. Was Du noch nicht wissen kannst ist, dass Du eine sehr seltsame Frage stellst. Früher haben wir sie falsch beantwortet und heute tun wir dies nicht mehr, obwohl wir sie immer noch gleich beantworten. Es gibt keine anderen Menschen!

Es gibt ein anderes Dorf mit ein paar Menschen, die Du nicht kennst. Sie sind so wie Du und ich. Es gab mal einen großen Streit und damit wir uns nicht weiter streiten müssen, sind ein paar Leute weg gegangen und haben nicht weit von hier, aber weiter als Du laufen kannst, ein neues Dorf gebaut. Vielleicht haben die sich auch gestritten und es gibt irgendwo noch so ein neues Dorf, das wissen wir nicht. Es gibt aber nur solche Menschen wie wir.

Worüber gestritten wurde, weiß niemand mehr. Das ist schon sehr lange her.

Die anderen Menschen haben wir nie gesehen. Doch es gab mal einen von uns, der ist weit gereist. Der hat sie aber auch nicht gesehen. Er war nur in ihrer Welt, in der er keinen von ihnen traf. Er erzählte, dass alles was er sah, wie für Menschen gemacht war. Ob diese Menschen das alles selber hergestellt hatten, konnte er niemanden fragen. Auch kam es ihm so vor, als ob vieles in Unordnung oder vielleicht sogar kaputt war.

Leider starb er nach seinen langen Erzählungen. Er hatte diese seltene Krankheit, bei der das Blut immer weißer wird und die wir nicht heilen können. Es ist sicher von seiner Reise krank geworden. Deshalb ist es besser, wir bleiben in unserer Welt. Uns geht es doch gut.

Er berichtete von riesigen Dörfern und Hütten, die bis in den Himmel ragten. Es gab sogar Wege in ihnen, über die man hinauf gelangen konnte. Wir können uns sowas gar nicht vorstellen.

Nun fragst Du, ob diese Geschichten überhaupt wahr sind, ob es diese andere Welt gibt und ob dort einmal Menschen gelebt haben. Das wissen wir natürlich nicht, doch wir haben über eine lange Zeit sehr viele Veränderungen hier in unserer Welt beobachtet, die etwas mit diesen Menschen zu tun haben könnten.

Bevor Du geboren wurdest sahen wir öfter riesige Vögel am Himmel. Die flogen höher als alle anderen Vögel und manche zogen langen, weißen Rauch hinter sich her. Sie flogen so, wie der große, weiße Vogel vom Bach dort drüben gerade fliegt. Siehst Du? Er bewegt seine Flügel nicht, er gleitet durch den niederen Himmel, als ob dieser ihn tragen würde. Wie Du siehst, muss er aber ab und zu seine Flügel auf und ab schwingen, während jene großen, schwarzen Vögel dies nie taten. Wir haben ihnen immer hinterher gesehen, solange wir sie sehen konnten. Sie haben ihre Flügel nie geschwungen.

Diese Vögel gibt es schon lange nicht mehr. Sie sind ausgestorben. Unser Reisender erzählte sogar, dass diese Vögel in Wirklichkeit fliegende Hütten dieser Menschen gewesen wären. Kannst Du Dir vielleicht vorstellen, wie Hütten fliegen können?

Über die Jahre hat sich auch der Himmel, in dem diese Vögel zu Hause waren, verändert. Es gab immer mehr Wolken und es regnete zu viel, so dass wir oft nur von den Bäumen und nichts vom Boden zu essen hatten. Das wird jetzt wieder besser.

Unser Reisender hat erzählt, diese Menschen hätten ihre ganze Welt in Besitz genommen. Das hat niemand von uns verstanden. Zum einen wissen wir nicht, wie man so etwas macht und zum anderen wissen wir nicht, wo zu es gut sein soll, wenn jedes Ding uns oder einem von uns gehören würde. Es wäre ja auch nicht gut, weil man dann damit machen könnte, was man will. Vielleicht sind diese Menschen deshalb alle gestorben, weil sie alles was ihnen gehörte so sehr durcheinander gebracht haben, dass kein einziger mehr leben konnte. Du siehst ja, was der Regen macht. Wenn der Regen einem von uns gehören würde, würde es nicht mehr für alle regnen. Vielleicht würde es gar nicht mehr regnen.

Nicht nur diese bewegungslos fliegenden Vögel sind ausgestorben. Früher gab es viel mehr Tiere, nicht nur Vögel oder große, sondern auch ganz kleine im Wasser und unter jedem Stein. Auch das wird jetzt wieder besser.

Einmal sind wir beinahe selber ausgestorben. Damals kam eine große Hummel, die ganz böse brummte. Normale Hummeln tun niemanden was und sind nicht so riesig. Diese Hummel flog fast über unsere Köpfe, wenn keine Bäume dazwischen gewesen wären. Sie pisste auf uns und viele wurden davon krank und starben. Auch die Bäume. Diese Hummel kam aber nur ein Mal. Sie ist längst selber gestorben, weil sie so viel Gift in sich hatte. Um das zu sagen, muss man nichts vom Heilen verstehen.

Unser Reisender hat uns sehr viel erzählt. Das konnte gar nicht alles weitererzählt werden. Es haben ihm zu wenige von uns zugehört, um sich das alles zu merken. Ich war leider nicht dabei, weil ich damals ungefähr so alt wie Du war und man mir das alles nur beigebracht hat, um es weiter zu erzählen. Ich kann Dir aber eine ganz lustige Geschichte erzählen, obwohl die Geschichte unseres Reisenden eher eine traurige Geschichte ist.

Du weißt, wir setzen uns auf große Steine oder auf ein Stück alten Baum. Wir machen diese Stücke sogar hohl, damit sie leichter sind. In fast jeder Hütte gibt es eins davon, weil nicht jeder gerne auf dem Boden sitzt. Besonders wir Ältere nicht.

Unser Reisender sah ganz viele Stücke, die waren schon so ausgehöhlt, dass man von ihren fast nichts mehr sehen konnte. Sie hatten aber die Form eines sitzenden Menschen. Genauer, sie sahen aus, wie der Abdruck eines sitzenden Menschen. Bei manchen war sogar der Platz für die Arschbacken ausgehöhlt. So wie wenn Du Dich mit Deinem Hintern auf den feuchten Sand am Bach setzt. Dann kann man dort eine Zeit lang die Form Deiner Arschbacken sehen. Haha! Unser Reisender hatte zuerst Bedenken, sich auf so ein Stück zu setzen. Er dachte, es müsste sofort zusammenbrechen. Doch irgendwann war er sehr müde und setzte sich. Das Stück hielt. Ein andres zerbrach tatsächlich. Hahaha! Die meisten waren aber sehr stabil, obwohl sie aus fast nichts bestanden.

Wenn diese Geschichte für Dich nicht lustig genug ist, erzähle ich Dir eine andere.

Obwohl nirgends etwas zu essen wuchs, fand er genug zu essen. Es hatte aber immer sehr harte Schalen, die er zerschlagen musste. Die Splitter waren viel schärfen als die Splitter unserer härtesten Steine. Irgendwann fand er heraus, dass die Schalen aus zwei Teilen bestanden und er ein Teil davon nur drehen brauchte. Er konnte sie sogar wieder zu machen. Ist das nicht lustig? – Er meinte, er hätte dort lange leben können. Die Dinge die er sah waren so gemacht, dass man mit ihnen viel einfacher Leben konnte als wir das tun. Doch er spürte, dass er nicht mehr die gleiche Kraft wie zu Beginn seiner Reise hatte. Er ahnte schon, dass er irgendwann sehr krank werden würde. Deshalb kam er zurück, um uns berichten zu können, was er alles gesehen hatte. Menschen hatte er aber keine gesehen. Keinen einzigen, nicht mal einen toten. Doch da in dieser anderen Welt alles für Menschen gemacht war, muss es dort einmal Menschen gegeben haben.

Autor: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network, 30. Juli 2011

Anregungen für diese Geschichte waren: