Archiv der Kategorie ‘Krank durch Pestizide‘

Wissenschaftler bringt Fakten über die Umweltkrankheiten MCS, CFS, FMS auf neuer Webseite

Prof. Martin PallDer amerikanische Wissenschaftler Professor Martin Pall hatte diese Woche einen Relaunch seiner Webseite „Novel Disease Paradigm produces Explanations for a whole Group of Illnesses“.

Auf Prof. Pall’s neuer Webseite finden sich wissenschaftlich fundiert Fakten über Fakten zu MCS – Multiple Chemical Sensitivity, CFS – Chronic Fatigue Syndrome, FMS – Fibromyalgie und PTSD – Posttraumatische Stress-Erkrankung.

Prof. Martin Pall ist in Europa bestens bekannt
Vielen Umweltkranken ist der seit einem knappen Jahr pensionierte Wissenschaftler, der an der University of Washington unterrichtete, von seinen Vorträgen hier in Europa im vergangenen Winter und jetzt im Frühling bekannt. Erst letzte Woche noch sprach Prof. Pall in Aix en Provence bei einem großen internationalen Krebskongress und traf dort auch mit Leitern von Organisationen für Umweltkrankheiten zusammen.

Wissenschaftliche Erklärung für Umweltkrankheiten
Die neue gestaltete Webseite setzt sich intensiv mit Prof. Pall’s Theorie auseinander, wie MCS, CFS, FMS, PTSD (bei PTSD spricht Prof. Pall vor allem von Golfkriegsveteranen) entstehen. Für den amerikanischen Biochemiker besteht kein Zweifel, dass der NO/ONOO Zyklus eine Hauptursache bei der Entstehung dieser Umweltkrankheiten ist. Der Grund, warum er sich so intensiv mit dieser Thematik auseinandersetzt, liegt darin, dass er selbst vor Jahren an CFS erkrankte.

Ursache für MCS: Chemikalien
Eins ist für Prof. Pall klar, und das vermittelt auch seine neue Webseite, Chemikalien-Sensitivität / MCS entsteht durch Chemikalienexposition.

Bei MCS nennt Prof. Pall in erster Linie Exposition gegenüber Lösungsmitteln, Pestiziden der Organophosphat-, Carbamat- und/oder Pyrethroidklasse, Quecksilber und Kohlenmonoxid als Auslöser.

Überlappen von verschiedenen Umweltkrankheiten
Ebenfalls klar ist es für den Wissenschaftler, dass alle vier Krankheiten, MCS, CFS, FMS und PTSD bei Patienten oft gleichzeitig auftreten und viele der Symptome sich überschneiden. Auch warum dies so ist, erfährt der Besucher seiner Webpräsenz.

Umweltkrankheiten sind behandelbar
Prof. Pall bietet jedoch nicht alleinig nur zur Ursache der Erkrankung und der vielfältigen Symptomatik Belege, sondern auch Behandlungsansätze. Verschiedene Vitamine, Aminosäuren und Mineralstoffe in der richtigen Kombination und Dosis haben sich als sehr effektiv erwiesen. Der Wissenschaftler führt umfangreiche Tabellen mit Nährstoffen und genauen Dosierungsangaben an. Diese Nährstoffkombinationen sind seiner Erfahrung nach in der Lage, den ursächlichen NO/ONOO Zyklus herunterzuregulieren und damit für Besserung bei den Erkrankten zu sorgen. Damit sich nachhaltig Erfolg durch die Therapie einstellt, gibt Prof. Pall auf seiner Webseite fünf Punkte an, die möglichst konsequent vermieden, bzw. eingesetzt werden sollen:

  1. Chemikalienexposition bei MCS Patienten
  2. Spezielle Antigen-Therapie bei Patienten die unter Nahrungsmittelallergien leiden
  3. Vermeidung von Toxinen wie den Geschmacksverstärker MSG und den Süßstoff Aspartam, weil diese die NMDA Aktivität nach oben regulieren, was sich sehr nachteilig auswirkt.
  4. Exzessiver Sport, da dies nachteilig für CFS Patienten ist
  5. Vermeidung von psychologischen Stress (dies betrifft in erster Linie PTSD-Patienten)

Informationen frei verfügbar für alle
Die neue Webseite von Prof. Martin Pall wird sicher viel Resonanz aus aller Welt erfahren, nicht zuletzt von chemikaliensensiblen Menschen, die durch Ausdünstungen von Papier und Druckerschwärze nicht in der Lage sind, das Buch des Wissenschaftlers lesen zu können. Dass nun das Wissen online verfügbar ist, wird viele Umwelterkrankte erfreuen. Sicherlich wird auch mancher Mediziner, der auf die Webseite von Prof. Pall schaut, den neuen Input gut verwerten können, um seinen umweltkranken Patienten diagnostisch und therapeutisch weiterhelfen zu können. Die neue Webseite von Prof. Pall sorgt mit dafür, dass „nicht erklärbare Umwelterkrankungen“ nicht länger „unerklärbar“ genannt werden können.

Autor:
Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 14. April 2009

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Wirkung des Insektizid Cypermethrin wird durch das Schimmelpilzgift Aflatoxin verstärkt

Gefaehrlicher Einsatz von Pestiziden

Das Insektizid Cypermethrin ist weltweit im Großeinsatz, es gehört zu der Stoffklasse der Pyrethroide, es gilt als neurotoxisch und krebserregend. Wissenschaftler untersuchten, welche Auswirkungen das Schimmelpilzgift Aflatoxin bei gleichzeitigem Kontakt mit Cypermethrin hat. Sie stellten fest, dass sich die klinischen Auswirkungen in Kombination potenzieren. (1)

Aflatoxin, ein hoch toxisches natürliches Gift
Aflatoxine, eine stark verbreitete, natürlich vorkommende Gruppe von rund 20 verschiedenen Pilzgiften, haben eine sehr starke toxische Wirkung auf die Leber und sind hochgradig krebserregend. Sie gehören zu den stärksten in der Natur vorkommenden Giften und krebserregenden Stoffen. Aflatoxine können über die eingeatmete Luft, die Nahrung oder über die Haut aufgenommen werden. (2)

Man findet Aflatoxine, die von vielen Aspergillus Spezies produziert werden, vor allem in Getreide, Heu und Nüssen. Selbst in Kosmetikprodukten konnten Aflatoxingehalte, z.B. durch kontaminierte Mandeln oder Weizenkleie, teils in beachtlicher Konzentration nachgewiesen werden, berichtete das BfR im August 2004. (2)

Um sich der hohen Toxizität von Aflatoxin bewusst zu werden, sei erwähnt, dass sogar der Verdacht besteht, dass manche Länder Aflatoxine als Kampfstoffe bevorraten, weil sie sehr schnell zum Tod führen können. Das giftigste Aflatoxin, das Aflatoxin B1, ist schon bei einer vergleichsweise geringen Dosis tödlich. Es reichen bereits 1-10mg/kg Aflatoxin B1 aus, um letal zu wirken, wobei Kinder als noch wesentlich empfindlicher gelten als Erwachsene.

Cypermethrin, ein toxisches Insektizid
Seit den achtziger Jahren werden Pyrethroide großflächig eingesetzt. Cypermethrin, eines dieser lang anhaltenden synthetisch hergestellten Pestizide, wird frei verkäuflich vor allem gegen Haushaltsschädlinge und gegen Parasiten bei Haus- und Nutztieren verwendet. Das hoch stabile neurotoxische Pestizid kommt jedoch auch in Holzschutzmitteln und in der Land- und Forstwirtschaft (4) in Einsatz. Es gilt zudem als akut toxisch, mutagen, krebserregend, schädigend für die neurologische Entwicklung, nimmt Einfluss auf das Hormonsystem und kann MCS-ähnliche Symptommatik auslösen (5,6)

Symptomatik ausgelöst durch Cypermethrin:

  • Einatmen kann zu Gesundheitsschäden führen
  • Gesundheitsschädlich bei Berührung mit der Haut und beim Verschlucken
  • Kann die Atemwege reizen: z.B. Brennen der Nasen- und Rachenschleimhaut, Reizhusten, Atemnot
  • Kann die Verdauungswege reizen: z.B. Brennen, Kratzen, Durchfall
  • Nervenschäden sind möglich
  • Krämpfe, Zittern, Lähmungen
  • Reizt die Augen und die Haut, Rötung, Jucken, Kribbeln, Taubheit
  • Beschwerden wie Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen etc.  (3,5,6)

Wechselwirkung Cypermethrin – Aflatoxin
Ein Wissenschaftlerteam aus Pakistan untersuchte an 120 Ratten, die sie in sechs gleiche Gruppen unterteilten, die Reaktion der Ratten gegenüber Aflatoxinen bei gleichzeitigem Kontakt mit der Pyrethroid Cypermethrin. Sie verabreichten den Versuchstieren Aflatoxin und Cypermethrin alleine und in verschiedenen Kombinationen. Das Aflatoxin wurde täglich in der Dosis von 0,05 und 1,0mg/kg AFM1 über einen Magentubus verabreicht.
Gesundheitsschäden durch Aflatoxine
In kontrollierten Forschungsversuchen wurde Cypermethrin Ratten über die Nahrung in einer Dosis von 0 und 500mg/kg verabreicht. Versuchstiere, denen Aflatoxin alleine verabreicht wurde, zeigten Depression, reduzierte Nahrungsaufnahme, reduziertes Körpergewicht und dünnen Stuhl. Die Leber der Versuchstiere wies Verfettung und Nekrose auf. Zusätzlich hatten sich neue Gallengänge gebildet und die Hepatozyten und deren Nuklei wiesen einen vergrößerten Durchmesser auf. Die Nieren zeigten Verletzungen, einschließlich tubuläre Nekrose und pinkfarbenem homogenen tubulären Ausfluss. Serum ALT, Creatinin stiegen bei den Versuchstieren an, während die Gesamtmenge der Proteine, Albumin, Serum Cholesterol und Triglyzeride absanken.

Cypermethrin potenziert Toxizität von Aflatoxin
Versuchstiere, denen das Insektizid Cypermethrin verabreicht wurde, wiesen verminderte Nahrungsaufnahme und reduziertes Körpergewicht auf. Hepatozyten äußerten eine Veränderung im Fettstoffwechsel und zelluläre Nekrosen. Eine gleichzeitige Verabreichung von Aflatoxin und Cypermethrin sorgte für eine Potenzierung der Toxizität des Aflatoxin, was sich durch einen verstärkten Schweregrad der klinischen Auswirkungen, erhöhte Mortalität bei den Ratten und vermindertem Körpergewicht zeigte. Das relative Gewicht der Nieren legte ebenfalls eine verdächtige Interaktion zwischen den beiden Toxinen dar.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Personen bzw. Haus- oder Nutztiere, die dem Insektizid Cypermethrin ausgesetzt sind, gleichzeitig auch mit Aflatoxin in Kontakt sind, ist hoch. Insbesondere Land- und Forstwirte als auch Pferdebesitzer, die Cypermethrin verwenden, dürften durch den zwangsläufigen Kontakt mit Aflatoxin als Risikogruppe gelten.

Autor:
Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 13.04.2009

Literatur:
1. Hussain S, Khan MZ, Khan A, Javed I, Asi MR., Toxico-pathological effects in rats induced by concurrent exposure to aflatoxin and cypermethrin, Toxicon. 2009 Jan;53(1):33-41.
2. BfR, Aflatoxine in mandel- und kleiehaltigen kosmetischen Mitteln, Stellungnahme des BfR vom 17. August 2004
3. Enius, Schadstoffe, Cypermethrin
4. BFW, Forstliches Pflanzenschutzverzeichnis, 2005
5. PAN, Cypermethrin

6. PAN UK, Cypermethrin

Neue Studie erbringt Beweise, dass Golfkriegsveteranen durch Chemikalien im Niedrigdosisbereich krank wurden

Gehirn durch Chemikalien geschädigt

Golfkriegsveteranen weisen abnorme Reaktionen des Gehirns gegenüber bestimmten Chemikalien auf

DALLAS – 20. März 2009 – Eine neue Studie, die von Wissenschaftlern des UT Southwestern Medical Center durchgeführt wurde, hat erstmalig Schädigungen in den Gehirnen von Veteranen, die unter Golfkrieg-Syndrom leiden, genau lokalisiert – eine Feststellung, die die Krankheit direkt mit Chemikalienexpositionen in Verbindung bringt und zu diagnostischen Tests und Behandlung führen könnte.

Prof. Robert Haley, Leiter des Bereiches Epidemiologie an der UT Southwestern und auch leitender Autor der Studie, sagte, das diese Forschung Areale im Gehirn enthüllt und lokalisiert, die nicht richtig funktionieren. Kürzlich durchgeführte Studien hatten den Beweis über chemische Abnormalitäten und Schwund der weißen Hirnsubstanz bei Veteranen erbracht, die bestimmten toxischen Chemikalien, wie dem Nervengas Sarin, im Persischen Golfkrieg 1991 ausgesetzt waren.

Die Forschung, die in der Märzausgabe des medizinischen Fachjournals „Psychiatry Research“ veröffentlicht wurde, trug den Titel: „Neuroimaging ermöglicht Forschern exakt die Gehirnstrukturen bei Patienten sichtbar werden zu lassen, die durch Chemikalienexposition beeinträchtigt wurden“, sagte Prof. Haley.

„Vor dieser Studie wussten wir nicht exakt, welche Teile des Gehirn verletzt waren und die Symptome bei den Veteranen verursachten“, sagte er. „Wir entwickelten ein Experiment, um die Areale im Gehirn zu testen, die verletzt sein müssten im Fall, dass sie durch Sarin oder Pestizide verursacht wurden, und die Resultate waren positiv.“

Beim Planen der Studie hatten Prof. Haley und seine Kollegen durchdacht, dass, wenn geringe Konzentrationen von Sarin oder Pestiziden das Gehirn der Golfkriegsveteranen verletzt haben, dann müssen ein wahrscheinliches Ziel der Verletzung cholinerge Rezeptoren an Zellen in bestimmten Hirnstrukturen sein. Wenn dem so sei, dann würde die Verabreichung einer sicheren Dosis von Medikamenten, die cholinerge Rezeptoren stimulieren, eine abnormale Reaktion bei den kranken Veteranen hervorrufen.

In der Studie bekamen 21 chronisch erkrankte Golfkriegsveteranen und 17 gesunde Veteranen kleine Dosierungen von Physostigmin verabreicht, eine Substanz, welche cholinerge Rezeptoren kurzzeitig stimuliert. Die Wissenschaftler ermittelten dann die Reaktion der Hirnzellen der Studienteilnehmer mittels radiologischer Aufnahmen des Gehirns.

„Was wir fanden war, dass einige der Gehirnareale, die wir schon im Vorfeld in Verdacht gehabt hatten, abnormal auf den cholinergen Provokationstest reagierten“, sagte Prof. Haley. „Diese Areale waren in den Basalganglien, im Hippocampus, im Thalamus und der Amygdala zu finden. Veränderungen in der Funktionsweise dieser Gehirnstrukturen können ohne Zweifel Probleme bei Konzentrations- und Gedächtnisfähigkeit, körperliche Schmerzen, Erschöpfung, abnormale emotionale Reaktionen und Persönlichkeitsveränderungen hervorrufen, ganz wie wir es für gewöhnlich bei kranken Golfkriegsveteranen sehen.

Eine vorhergehende Studie, die von der U.S. Army finanziert wurde, fand auch bei Laborratten Veränderungen in den cholinergen Rezeptoren, die durch wiederholte Exposition gegenüber dem Nervengas Sarin im Niedrigdosisbereich verursacht wurden.

„Ein zusätzlicher Bonus bei dieser Studie ist eine statistische Formel, die Reaktionen in 17 Gehirnregionen bei kranken Golfkriegsveteranen mit denen von gesunden Veteranen unterscheidet. Zusätzlich unterscheidet sie drei verschiedene Arten von Varianten des Golfkriegs-Syndroms mit einem hohen Genauigkeitsgrad voneinander“, sagte Prof. Haley. „Wenn diese Feststellung in einer größeren Gruppe wiederholt werden kann, könnten wir einen objektiven Test für das Golfkriegs-Syndrom und seine Varianten in der Hand haben.“

Ein objektiver diagnostischer Test, sagte er, bildet die Basis für weiterführende genetische Studien, um festzustellen, warum manche Menschen durch Chemikalienexposition beeinträchtigt werden und andere nicht. Neue Studien werden dann auch die Selektion homogener Gruppen kranker Veteranen zulassen, welche in effiziente klinische Versuche für Behandlung münden.

Prof. Haley beschrieb das Golfkriegs-Syndrom erstmalig in einer Reihe von Veröffentlichungen im Journal of the American Medical Association im Januar 1997. In vorherigen Studien ergab die Forschung von Prof. Haley, dass Veteranen, die unter dem Golfkriegs-Syndrom litten, niedrigere Konzentrationen von Paraoxogenase aufwiesen, einem schützenden Enzym im Blut, das normalerweise Toxine, die in Sarin gefunden werden, bekämpft. Veteranen, die in der gleichen geographischen Gegend gedient hatten und nicht krank geworden waren, wiesen eine höhere Konzentration dieses Enzyms auf.

Prof. Haley und seine Kollegen haben die gleiche Gruppe von Testpersonen seit 1995 genau verfolgt. Im Jahr 2006 etablierten die UT Southwestern und das Department of Veterans Affairs in Dallas eine spezielle, gemeinsame Initiative zur Erforschung der Golfkriegskrankheit, die von der UT Southwestern geleitet wird.

Der texanische Senator Kay Bailey Hutchison, seit langer Zeit ein Unterstützer der Golfkriegsforschung, förderte das Abkommen und sicherte die Zuwendung von 75 Millionen U.S. Dollar für einen fünfjährigen Forschungszeitraum zur weiteren Erforschung der Golfkriegskrankheit.

Diese Studie wurde zum Teil vom U.S. Army Medical Research und Material Command finanziert.

Übersetzung: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 6. April 2009

Literatur:
Robert Haley, Gulf War veterans display abnormal brain response to specific chemicals, Press Release UT Southwestern, March 20, 2009

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Berufsgenossenschaften bekennen, Multiple Chemical Sensitivity – MCS und Sick Building Syndrome – SBS kosten Milliarden

Arbeitsplätze können Milliarden kosten 

Arbeitsplätze können krank machen, oft werden die Ursachen erst nach Jahren entdeckt. Dann ist es bereits zu spät, bis dahin können viele Angestellte krank geworden sein, manchmal sogar mehrere Hundert in einem Betrieb. Angestellte in Büros kann es ebenfalls treffen, sie erkranken häufig an Sick Building Syndrome (SBS) oder Chemikaliensensitivität (MCS).

Report enthüllt Schadstoffquellen
In einem 284-seitigen Report legten gewerbliche Berufsgenossenschaften, der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand und des BGIA – Berufsgenossenschaftlichen Instituts für Arbeitsschutz ausführlich dar, welche Ursachen und Auswirkungen Innenraumbelastungen auf Arbeitnehmer haben. Innenraumarbeitsplätze können durch verschiedenste Faktoren belastend oder gesundheitsschädlich für einen Arbeitsnehmer sein. In ausführlicher Weise wurden Vorgehensempfehlungen für die Ermittlungen im Arbeitsumfeld ausgeführt.

Erkannt: SBS und MCS kosten Milliarden
Der Report der Berufsgenossenschaften beginnt mit folgender einführender Kurzfassung, die darlegt, dass man sich auch von Seiten der Versicherer durchaus bewusst ist, dass Erkrankungen wie Sick Building Syndrome oder Chemikaliensensitivität (MCS) einen immensen wirtschaftlichen Schaden verursachen:

„Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation klagen 20 bis 30 Prozent aller in Büros Beschäftigten über Symptome wie Brennen der Augen, Kratzen im Hals, verstopfte Nase oder Kopfschmerzen. In den Medien werden diese Beschwerden gelegentlich unter Begriffen wie „Sick-Building-Syndrom“, „Building related Illness“ oder auch „Multiple chemische Sensitivität“ aufgegriffen. Die betriebs- und volkswirtschaftlichen Verluste durch diese typischen Bürokrankheiten gehen in die Milliarden – eine Belastung also nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Wirtschaft!“

Innenraumarbeitsplätze – Vorgehensempfehlung
Der BGIA Report stellt eine auf die Praxis zugeschnittene, gestuft modulare Ermittlungs- und Beurteilungsstrategie zur Behandlung von Fällen mit Innenraumproblemen dar. Die Vorgehensweise, die angeführt wird, berücksichtigt in sehr ausführlicher Form die wesentlichen Faktoren, die nach dem heutigen Stand der Kenntnis als Ursache für Innenraumprobleme bekannt sind. Es wird beschrieben, wodurch Formaldehyd, Holzschutzmittel, PCB, Ozon, Lösungsmittel und viele weitere Schadstoffe freigesetzt werden können. Tabellen geben weiteren Aufschluss. Auch elektromagnetische und elektrostatische Störfaktoren kommen zur Sprache, als auch physikalische Faktoren wie Luftfeuchte, zu trockene Luft, Lärm und Lichtbedingungen.

Ziel des Reports war es, im Rahmen einzelner Bausteine dem Anwender nicht nur Möglichkeiten zur Ermittlung von Schadstoff und Schadensquellen zu liefern, sondern gleichzeitig eine Grundlage für die Gestaltung einer Arbeitsumgebung anzubieten, die Angestellten weitgehende Beschwerdefreiheit bietet und dem Erbringen von Arbeitsleistung dienlich ist.

Versteckte Schadstoffe und Allergene
Nicht nur auf gängige Schadstoffklassen und deren Quellen wurde eingegangen, sondern auch auf Emittenten, die häufig nicht als Problemfaktor angesehen werden. So wird auf Seite 49 des Reports auch von der Verwendung von Duftstoffen deutlich gewarnt:

„Auch das in Mode gekommene Verdampfen sogenannter Aromaöle in Duftlampen und raumlufttechnischen Anlagen ist nicht unproblematisch. Hierdurch können Sensibilisierungen entstehen und nachfolgend allergische Reaktionen bis hin zu asthmatischen Anfällen ausgelöst werden. Aus diesem Grund sollte von einer Odorierung der Zuluft von raumlufttechnischen Anlagen abgesehen werden.“ 

Auf Seite 63 des Reports wird auf die Gefahren, die von alltäglich eingesetzten Reinigungsmitteln ausgehen können hingewiesen:

„Rückstände von Reinigungsmitteln können die Innenraumluft über längere Zeit durch Verdampfen oder Ausgasen der in ihnen enthaltenen Stoffe belasten. Dies sind oftmals Konservierungsstoffe und Desinfektionsmittel (z.B. Aldehyde) sowie Lösungsmittel (z.B. Glykole, Isopropanol), organische Säuren und Treibgase.“

Zauberwort Prävention am Arbeitsplatz
Wenn Unternehmen, die Vorgaben des vorliegenden Reports präventiv für ein gesünderes, schadstofffreieres Arbeitsumfeld schon bei Neugestaltungen bestmöglich erfüllen würden, würde dies nicht nur die Produktivität der Angestellten erheblich steigern, es könnte dadurch auch so manche Berufskrankheit vermieden werden. Milliarden an Verlusten blieben der Wirtschaft eingespart. Nicht zuletzt würde Arbeitnehmern, die unter arbeitsplatzbedingten Erkrankungen leiden, viel Leid und Elend erspart. Sie müssten nicht, wie aus zahlreichen Fällen bekannt, in der unsäglichen Ablehnungsmaschinerie BGen enden, die in Gang gerät, wenn eine Berufskrankheit eingetreten ist.  

Autor:
Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 25. März 2009

Literatur:
BGIA, HVBG, Report der gewerblichen Berufsgenossenschaften, der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand und des Berufsgenossenschaftlichen Instituts für Arbeitsschutz – BGIA, 2. Auflage, Juli 2005

Mit toxischen Chemikalien verseuchte Container – tägliche Realität im Hafen von Hamburg und Rotterdam

Containerschiff - Container werden mit Chemikalien begast

In der gestrigen Ausgabe von Report München wurde u. a. über giftverseuchte Container berichtet, die täglich im Hamburger Hafen und im Rotterdamer Seehafen aus aller Welt eintreffen. Vielfach bringen sie giftige Fracht, die nicht nur die Gesundheit des Zoll- und Verladepersonals gefährdet, sondern auch die der Endverbraucher. Eine Vielzahl der mit Chemikalien, z. B. neurotoxische Schädlingsbekämpfungsmittel, hochgradig verseuchten Produkte, wie Spielwaren, Textilien, Möbel und Lebensmittel gasen über viele Tage und Monate hinweg aus. Manche der Chemikalien sind sogar über einen noch längeren Zeitraum hinweg hoch wirksam und kontaminieren zwangsläufig unsere Wohnungen und Arbeitsbereiche, was eine erhebliche Gesundheitsgefahr für den Konsumenten bringt.

Brommethan – geruchlos, toxisch, tückisch
Am häufigsten wird das Gas Brommethan, auch Methylbromid genannt, für Container eingesetzt. Demnach sind Container, die mit dem geruchlosen, in hohen Konzentrationen süßlich riechenden Pflanzenschädlingsbekämpfungsmittel belastet sind, keine Seltenheit. Brommethan kommt zum Einsatz, um zu verhindern, dass sich Schädlinge aus Übersee in den Importländern ausbreiten oder die Ware auf dem Transportweg von Schädlingen oder Schimmel befallen wird. Die toxische Chemikalie wird über die Atmung und durch Anfassen über die Haut aufgenommen. Brommethan ist als krebserzeugend in Kategorie 3B für Stoffe einklassifiziert, die wegen möglicher krebserzeugender Wirkung Anlass zur Besorgnis geben.

Lt. Report München kam es bereits in der Ukraine und in Südafrika zu Todesfällen, Zoll- und Hafenarbeiter wie auch LKW-Fahrer werden oft mit schweren Vergiftungserscheinungen in Kliniken eingeliefert. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die toxische Wirkung des heimtückischen Schädlingsbekämpfungsmittels Brommethan erst mit einer Verzögerung von 4 bis 24 Stunden zeigt.

Gesundheitsgefahren durch Brommethan
Das BfR und der TÜV Rheinland stellten die Symptomatik von Brommethan folgendermaßen dar:

Erste Anzeichen nach kurzem Kontakt:
Schwindel, undeutliche Sprache, Verhaltensauffälligkeiten

Akute Vergiftung:
Neuronal: Kopfschmerzen, Erbrechen, Übelkeit Gliederschmerzen, Schwitzen, Muskelschwäche, Zittern, Gleichgewichtsstörungen, Halluzinationen und Delirium
Augen: Bindehautentzündung, Tränenfluss, verschwommenes Sehen, Doppeltsehen, vorübergehende Erblindung, Netzhautbluten
Atmung: Brustschmerzen, Atemnot
Krämpfe, Koma, Atem- und Herzstillstand, Tod

Spätfolgen:
Neurologische Schäden
Wahrnehmungsprobleme, Taubheitsgefühle
Symptome können verzögert auftreten, Ödeme bis zu 2 Tage später 

Chronische Vergiftung, niedrige Dosen über Wochen/Monate:
Bewusstseinstörungen, Zittern, Sprachstörungen
Schlaflosigkeit, Halluzinationen
Teilw. dauerhafte Veränderung im zentralen Nervensystem
Erbgutverändernd, gentoxisch

Vorsicht – Ware kann belastet sein
Brommethan durchdringt übliche Folienverpackungen bei der Begasung, das Tückische daran ist, dass eine solche Verpackung aber auch das Auslüften des begasten Produkts verzögert. Normalerweise sind Brommethan-Restemissionen in den meisten begasten Materialien nach 1 – 6 Tagen offener Lagerung nicht mehr nachweisbar. Durch eine Folienverpackung kann es folglich passieren, dass dieser Vorgang verlangsamt bis gebremst wird, was dazu führen kann, dass ein Arbeiter oder der Käufer eines Produktes, Rückstände des Begasungsmittels bei der Entfernung der Verpackung einatmet.

Sehr problematisch ist es auch anzusehen, dass Container nicht gekennzeichnet sein müssen und der Absender wie auch der Empfänger eines Containers nicht unbedingt über die Begasung der Ware informiert sind, weil der Container in einem Sammeltransport verschifft wurde und vom Spediteur begast wurde. Das Procedere kann sogar Waren betreffen, von denen niemand vermutet, dass sie begast wurden, weil es für die Produktgruppe normalerweise überhaupt nicht erforderlich ist. Für den Handel wird angeraten, dass Containerware generell ausgelüftet wird, was in der Praxis jedoch oft kaum durchführbar ist.

Toxische Ware hat in Holland keine Chance
In Holland wird mit Nervengift und anderen Toxinen belastete Containerware nicht in den Handel gebracht, sondern nach vorheriger Prüfung der Verbrennung zugeführt. Während man in Rotterdam die aus Asien stammenden Container professionell entgast, kritisierte Report München, dass man die Container in Deutschland meistens achtlos öffnet und die toxischen Gase, ohne Schutzvorkehrungen zu treffen, ins Freie entweichen lässt. Report München kritisierte in diesem Zusammenhang insbesondere die Politik, die sich offensichtlich auch weiterhin nicht ausreichend mit den giftigen Containern befasse und es zulässt, dass Nervengifte und andere bei uns verbotene toxische Chemikalien aus fernen Ländern unsere Gesundheit bedrohen.

Trotz Zwischenfällen noch keine durchgreifende Änderung
Das Thema ist indes nicht neu, es gab bereits im September 2007 lt. Report einen Zwischenfall in Deutschland beim Entladen eines aus Indien stammenden Containers. Auf der Münchner Messe trug ein ganzes Arbeitsteam Vergiftungserscheinungen davon, die ärztliche und teilweise auch stationäre Behandlung erforderten. Die Ware war mit dem Giftgas Methylbromid kontaminiert gewesen, das bereits bei einmaligem Einatmen zur dauerhaften Schädigung des Zentralen Nervensystems führt. Seither ist kostbare Zeit verstrichen, denn an der Problematik der mit Giftgas und anderen toxischen Stoffen verseuchten Containern und deren risikoreichen Abfertigung hat sich in Deutschland nichts verbessert, während man in den Niederlanden schärfere Vorschriften erlassen hat. In Holland werden die Container mit Hilfe von Filteranlagen in geschlossenen Hallen über einen entsprechend notwendigen Zeitraum entlüftet. Dadurch wird gewährleistet, dass kein Brommethan in die Umgebungsluft gelangt. Die Chemikalie ist ein stark umweltschädliches und die Ozonschicht angreifendes Umweltgift. 

Der Verbraucherschutz, die Politik und Ministerien sind gefragt schnellstens zu handeln, damit in der EU längst verbotene Chemikalien nicht mehr länger auf dem Seeweg nach Deutschland gelangen und zwangsläufig die Gesundheit der Zollbeamten. Hafenarbeiter und auch der Endverbraucher auf unverantwortliche Weise ruinieren und die Umwelt schädigen.

Autor: Maria, CSN – Chemical Sensitivity Network, 24.03.2009

Report Beitrag über Giftige Container anschauen:

Nervengift bedroht unsere Gesundheit

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Die Karibik hat eine Schattenseite: Prostatakrebs durch Pestizide

Toxisches Paradies: Karibikinseln durch Pestizide verseucht

Sonne, Palmen, weiße Strände, azurblaues Meer. Urlaub oder sogar Leben in der Karibik, ein Traum, den mancher sich gerne erfüllen würde. Die Karibikinseln Guadeloupe und Martinique haben jedoch auch ihre Schattenseite. Die beiden Inseln weisen mit die höchste Rate von Prostatakrebs weltweit auf. Französische Wissenschaftler fanden den Grund hierfür heraus: Pestizide. 

Trauminseln mit Schattenseite
In einem Reiseführer der „Blumeninsel“ Martinique heißt es, „in den dichten Wäldern der Insel herrscht Stille, vergleichbar mit unseren Hinterhöfen“. Man kann dort allenfalls noch dem Zirpen von Feldgrillen lauschen. Dafür gibt es ausgedehnte Plantagen mit Bananen, Zuckerrohr, Mango, Avocado, Litschi, Guava und vieles Exotisches mehr, dass in alle Welt verschickt wird. Die Sonne und abendliche Regenfälle lassen die Flora üppig gedeihen auf den Antillen, den Inseln unter dem Winde. Das hat auch Nachteile: Schädlinge, die sich über die Pflanzen und das Obst hermachen. Der Pestizideinsatz auf den Plantagen ist entsprechend hoch.
 
Weltweite Spitzenposition für Prostatakrebs
Französische Wissenschaftler untersuchten mittels einer multifaktoriellen Analyse, warum auf Guadeloupe und Martinique mehr Männer an Prostatakrebs erkranken wie fast überall sonst auf der Welt. Im Jahr 2002 lagen die beiden Antilleninseln Guadeloupe und Martinique mit 152 neuen Prostatakrebsfällen pro 100 000 Einwohner/Jahr weltweit an der Spitze. Krebsneuerkrankungen treten dort vergleichsweise häufiger auf als auf allen anderen karibischen Inseln oder bei den Bewohnern Frankreichs.
 
Ursachen für Prostatakrebs auf der Spur
Eine Analyse der französischen Wissenschaftler zeigte, dass die Häufigkeit von Prostatakrebs auf Martinique und in Frankreich sich seit 1983 signifikant unterscheidet. Die Anstiegskurven sind nicht parallel, was darauf hindeutet, dass sich die Menschen auf den Karibikinseln zwar einerseits genetisch von denen in Frankreich unterscheiden können, aber andererseits, dass die Genetik keinesfalls der einzige Faktor sein könne, befand das Wissenschaftlerteam von Belpomme.
 
Umwelt und Bewohner pestizidbelastet
Anhand einer kartographisch angelegten Analyse über Bodenbelastung konnte das Team aus Paris belegen, dass die Kontaminierung des Wassers der Inselbewohner von den Bananenplantagen herrührt. Ferner stellte das Team retrospektiv fest, dass die Personen aus der Gesamtbevölkerung, die 1972 auf Martinique auf Organochlorpestizide in ihrem Fettgewebe hin untersucht wurden, mit extrem hohen Werten von DDT, DDE, alpha, beta and gammaHCH, Aldrin und Dieldrin belastet waren.
 
Pestizide Ursache für Krebs auf Karibikinseln
Das französische Wissenschaftlerteam kam zu dem Schluss, dass dieses festgestellte wachsende Auftreten von Prostatakrebs weder durch ethnographische Faktoren oder durch veränderten Lebensstil herrühren kann. Vielmehr war es für die Wissenschaftler schlüssig, dass Umweltfaktoren, wie der intensive anhaltende Kontakt gegenüber kanzerogenen, mutagenen und für das Fortpflanzungssystem toxischen Pestiziden den Prostatakrebs bei den Bewohnern auf Guateloupe und Martinique verursachen.
 
Autor:
Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 19.03.2009
 
Literatur:
Belpomme D, Irigaray P, Ossondo M, Vacque D, Martin M. Prostate cancer as an environmental disease: An ecological study in the French Caribbean islands, Martinique and Guadeloupe, Int J Oncol. 2009 Apr;34(4):1037-44

Integration von Behinderten am Arbeitsplatz: Lehrer mit MCS – Multiple Chemical Sensitivity und Allergien

Lehrer mit MCS sollte eine Chance haben

Die Integration von Behinderten auf Arbeitsplätzen ist eine wichtige Aufgabe, der sich Behörden weltweit angenommen haben. Lehrer, die unter Chemikaliensensitivität / Multiple Chemical Sensitivity (MCS) leiden, haben es in Schulen nicht leicht. Baumaterialien, die Chemikalien ausdünsten, Parfüms und Duftstoffe von Schülern und Kollegen, chemikalien- und duftstoffhaltige Reinigungsmittel Renovierungsarbeiten, Einsatz von Pestiziden stellen nur einen kleinen Bruchteil der „Barrieren“ dar, mit denen chemikaliensensible Lehrer konfrontiert werden können.
 
Häufig wird eine Lehrkraft mit MCS frühzeitig in Pension geschickt. Ein Verlust, dem das Job Accommodation Network (JAN) entgegensteuert, indem diese, dem Ministerium für Arbeit unterstellte Abteilung, Empfehlungen und Unterstützung zur Integration behinderter Lehrkräfte gibt, auch und insbesondere solchen, die unter MCS und Allergien leiden.

Auf Behinderte und ihre Bedürfnisse eingehen
Das amerikanische Schwerbehindertengesetz sieht vor, Behinderte im Berufsleben besonders zu unterstützen. Eine Unterabteilung des Ministeriums für Arbeit, das Job Accommodation Network (JAN), hat sich dessen angenommen und sorgt dafür, dass Situationen im Berufsalltag erfasst und verbessert werden.

In einer Broschürenserie über Behinderungen in Beruf und Unternehmen geht JAN in einem Sonderheft insbesondere auf die Bedürfnisse von behindertem Lehrpersonal ein und wie man dieser Behindertengruppe helfen kann. Die Behörde motiviert, die aufgeführten Vorschläge nicht als einzige Möglichkeit anzusehen, sondern weitere Möglichkeiten zu schaffen, wenn es einer behinderten Person helfen könnte. JAN führt an, dass die Vorschläge nur eine kleine Auswahl darstellen sollen und das es zahllose weitere Möglichkeiten gäbe, um einem behinderten Angestellten gerecht zu werden. 

Lehrpersonal mit Behinderung – kein Problem
JAN geht von etwa 1,1 Millionen behinderter Lehrkräfte an amerikanischen Schulen, Bildungseinrichtungen und Universitäten aus. Da Lehrkräfte einem hohen Standard entsprechen müssen, um der Vielzahl von Anforderungen zu entsprechen, die sie während ihrer Arbeit gerecht werden müssen, ist es laut der Behörde erforderlich, dass angemessene Anpassungen vorgenommen werden, um es dieser Behindertengruppe zu ermöglichen, ihre Arbeit effektiv durchführen. 

Nicht alle Lehrkräfte, die unter einer Behinderung leiden, benötigen spezielle oder viele Anpassungen des Arbeitsumfeldes, um ihre Arbeit zu verrichten. Manche brauchen überhaupt keine Anpassungen, andere benötigen nur kleine Hilfestellungen, die schon mit einer Anordnung abgetan sind.

Viele Zugeständnisse für eine behinderte Lehrkraft kosten nicht einmal Geld, sie erfordern nur Willen und Kooperation der Menschen im Umfeld. So berichtet JAN von einer Lehrkraft, die unter einem Anfallsleiden litt. Die Lehrkraft hatte ein Haustier, das speziell auf die Erkennung der Anfälle abgerichtet war. An der Schule, an der sie unterrichtete, waren Tiere jedoch verboten. Die Schulleitung fällte eine Einzelerlaubnis und sorgte zusätzlich dafür, dass einige Personen mit dem Tier vertraut gemacht wurden und sich um es kümmerten, während die Lehrkraft einen Anfall hatte und in einem Krankenzimmer lag. Kosten der Maßnahme: 0

Auch Lehrpersonal mit MCS hat eine Chance
Während Lehrpersonal in Deutschland beim Auftreten einer Chemikaliensensitivität erfahrungsgemäß mit massiven Problemen rechnen muss und die Behinderung meist mit Frühpensionierung (oft wird die Erkrankung auf die Psyche abgeschoben) einhergeht, sieht JAN in den USA Unterstützung für Lehrpersonal mit MCS und Allergien vor. Sogar ein Maßnahmenkatalog mit Vorschlägen für Personen mit CFS – Chronic Fatigue Syndrom wurde von der Behörde eingebracht.

Folgende Vorschläge unterbreitet JAN, um chemikaliensensiblen Lehrkräften und solchen mit Allergien das Unterrichten zu erleichtern, bzw. weiterhin zu ermöglichen:

Bei Allergien auf Kreide:

  • Benutzung eines Overhead Projektors
  • Benutzung eines PC Projektors
  • Benutzung einer abwaschbaren Kunststofftafel, die mit ungiftigen Markern beschrieben werden kann
  •  Benutzung eines großen Papierblocks auf einer Staffelei (wie bei Konferenzen üblich)
  • Schaffen einer guten Ventilation, Luftfilter, Luftfilterungsanlage
     

Bei Sensitivitäten gegenüber Reinigungsmitteln, Zigarettenrauch, Pestiziden, Parfüms, Farbe, Teppichboden und anderer Gebäudeausstattung: 

  • Benutzung eines Luftfilters, Installierung einer Luftfilterungsanlage
  • Vermeidung der Reizstoffe, so weit wie möglich
  • Verwendung ungiftiger Anstreichfarbe und von speziellen Reinigungsprodukten, die weniger reizende Alternativen darstellen
  • Entfernung, Austausch oder Entgiftung von bestehendem Teppichboden und Auswahl weniger toxischer Gebäudeausstattung und Versorgungsmaterialien
  • Verbesserung der Ventilation innerhalb des Arbeitsplatzes
  • Benachrichtigung im Vorfeld über Malerarbeiten, dem Einsatz von Pestiziden, damit ein alternatives Arrangement für die Arbeit in dieser Zeit getroffen werden kann
  • Schulung des Umfeldes über Multiple Chemical Sensitivity und was die Erkrankung  bedeutet und wie Duftstoffe den Gesundheitszustand Betroffener beeinträchtigen können
  • Auslagern des Arbeitsplatzes aus Bereichen, in denen sich der Werkraum, das Chemielabor, die Cafeteria oder Parkplätze befinden
  • Ausführung von Reinigungs- und Gebäudeinstandsetzungsarbeiten und Renovierungsarbeiten, wenn das Gebäude leer steht
  • In Betracht ziehen der Einführung eines Duftstoffverbotes
  • Bereitstellung eines Luftentfeuchters, um Schimmelbildung zu verhindern
  • Bereitstellung einer Liste der Inhaltsstoffe von Reinigungsmitteln und anderen chemischen Substanzen, die auf dem Schulgelände zum Einsatz kommen

Integration statt Isolation
Diese Maßnahmen, die von JAN für chemikaliensensibles Lehrpersonal vorgeschlagen wurden, könnten mit ein wenig Willen und Akzeptanz an jeder Schule, jeder Universität durchgeführt werden. Sie käme auch anderen Allergikern sowie chemikaliensensiblen Kindern und Jugendlichen zugute.

Es liegt an den Behörden in den jeweiligen Ländern, sich auf humane Weise einzusetzen und mit dazu beizutragen, dass Barrieren auch für diese bisher nahezu ausnahmslos ausgegrenzte Behindertengruppe eliminiert werden.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 17.03.2009

Literatur:
Job Accommodation Network, Occupation and Industry Series: Accommodating Educators with Disabilities, 18.02.2009

Weitere CSN Blogs zum Thema:

Umweltmedizin in Deutschland Teil 5: Situation Umwelterkrankter aus der Sicht eines Umweltmediziners

Die Resonanz der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Vereinigung und des Ministeriums für Gesundheit auf die Nachfrage der Gründe für die Beendigung der Umweltmedizin-Vereinbarung war für Patienten wie auch Umweltärzte wenig befriedigend. Auf die Antwort der Barmer Hauptverwaltung in Nordrhein schrieb Dr. Peter Ohnsorge, Präsident der Europaem – Europäische Akademie für Umweltmedizin e.V. und Vorstandsmitglied des dbu – Deutschen Berufsverbandes der Umweltmediziner e.V., nachfolgende Stellungnahme, in der die tatsächliche Situation der Umweltkranken in Deutschland sehr deutlich zum Ausdruck kommt.

Am 24.01.09 schrieb Dr. Peter Ohnsorge / Europaem

Sehr geehrte Frau Müller,

das ist mal wieder eine der Computersätze strotzenden Antworten der gesetzlichen Krankenkassen!

In Wirklichkeit ziehen sich alle Krankenkassen weiterhin auf eine Basisversicherung zurück und lassen Sie als Umwelt geschädigten Patienten im eiskalten Regen stehen. Die unter Absatz 2 blumig ausgeführten Irreleitungen der Krankenkasse ist ein Hohn! De facto ist eine umweltmedizinische Diagnostik und Therapie nicht Bestandteil des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenkassen! Man hat das geschickt gelöst, indem man Umwelt verursachte Erkrankte bewusst in den diffusen Bereich der Psychosomatik oder gar sogar der Psychiatrie abschiebt. Das wohlwissend, dass es keinen wissenschaftlich haltbaren Beweis einer psychosomatischen oder psychiatrischen Ursache dieser Krankheitsbilder gibt. Bisher sind unseres Wissens nach lediglich beschreibende Diagnosen und Verlaufsbeobachtungen von psychosomatischen Therapien veröffentlicht worden.

Zwei Aspekte sind dabei dramatisch:

  • Zum Einen wird vermeintlich eine nicht ausreichende und uneffektive Therapie angeboten oder auch sogar teilweise erzwungen. Eine psychosomatische Therapie kann durchaus eine momentane symptomatische Hilfestellung darstellen, wenn es sich um Verhaltenstherapie handelt. Eine ursächliche Behandlung wird damit aber nicht durchgeführt! Der Krankheitsprozess wird nicht gestoppt oder zur Gesundung geführt. Das Leiden geht weiter!
  • Zum Anderen wird wertvolle Zeit verstreichen, bis die ursächliche Kontaktunterbrechung zu den Krankheitsverursachern veranlasst wird. Die ursächliche Kontaktunterbrechung ist zwingend notwendig, um den ersten und wichtigsten Schritt der Therapie einer solchen Erkrankung einzuleiten. Eine psychiatrische Therapie hat zudem das Potential, die Erkrankung sogar noch zu verschlimmern. Psychopharmaka konkurrieren meist in den Stoffwechselwegen mit der Entgiftung von Schadstoffen oder blockieren diese Stoffwechselwege manchmal sogar. Damit wird möglicherweise eine Gesundung erheblich abgebremst.

Die klinisch praktizierende Umweltmedizin hat, entgegen der plakativ immer wieder aufgeführten Fehlinformation von Seiten des sogenannten „wissenschaftlichen Mainstreams“, inzwischen ausreichend wissenschaftlich basierte Erkenntnisse und die darauf aufbauende jahrelange klinisch praktizierte Erfahrung, diese Umwelt induzierten Erkrankungen zu diagnostizieren und zu therapieren! Alle Sozialversicherungsträger sollten sich endlich der Erkenntnis öffnen, dass es allemal effektiver, caritativer und vor allem langfristig versicherungs- sowie volkswirtschaftlich sinnvoller ist, erkannte Erkrankungsursachen anzugehen und rechtzeitig auf der Basis diagnostisch abgesicherten Erkenntnisse zu therapieren.

In Anbetracht der demoskopischen Entwicklung in unserer Bevölkerung mit der ausufernden Alterungspyramide mit synchronem Anwachsen chronischer Erkrankungen und auch zunehmender Umwelt verursachter Erkrankungen können nur die Gesundheitssysteme weiter existieren, die rechtzeitig primäre Präventionsmaßnahmen starten und dauerhaft umsetzen. Dazu sind die langjährigen Erfahrungen und Erkenntnisse der klinisch praktizierenden Umweltmedizin hilfreich.

Zur Bewältigung von chronischen Multisystem Erkrankungen, zu denen auch die Umwelterkrankungen gehören, müssen wir in unserem ärztlichen Handeln weniger den linear kausalen Weg der allein an Hochschulen orientierten Medizin verfolgen. Auch können nicht mehr die gängige Richt- und Grenzwertorientierung der Toxikologie und Arbeitsmedizin als einzige Grundlage umweltmedizinischer Entscheidungen akzeptiert werden. In der gängigen Abschätzung von Umwelt verursachten Erkrankungen fehlen die Beachtung u. a. immunologischer und teilweise auch endokriner Aspekte. Wir stehen komplexen Erkrankungen gegenüber, die wir in komplexer Diagnostik und Therapie bearbeiten müssen. In der Umweltmedizin beachten wir dabei besonders

  • die multifaktorielle Belastung,
  • die Langzeitbelastung im Niedrigdosisbereich, die zu erheblichen Kumulationseffekten  führen kann,
  • sowie die individuelle Suszeptibilität, in die Vorerkrankungen, Multimorbidität, der Genderaspekt und die individuelle Vulnerabilität genauso hineingeht, wie genetische Polymorphismen.

Das alles, einschließlich der Notwendigkeit primär präventive Strategien zu entwickeln, haben wir in den letzten Jahren bereits mehrfach mit nationalen und europäischen Politikern diskutiert und zunehmend Gehör gefunden, zuletzt auf Einladung des European Council im Europaparlament in der „Conference on Environment and Health, Indoor Pollution and Multi System Illnesses“, November 2008.

Zum Schluss noch die schmerzliche Wahrheit des Krankenkassenwesen 2009!

In Bayern bekomme ich von der gesetzlichen Krankenkasse als niedergelassener HNO-Arzt (Zusatzbezeichnung bedeuten keine Modulation der Gebühren) beim ersten Patientenkontakt 12,40 €, was in der zugedachten Zeiteinheit von 8 Minuten noch nicht einmal meine Praxiskosten deckt. Beim Zweitkontakt ist für die Dauer eines Quartals keine weitere Vergütung vorgesehen, es sei denn ich setze Diagnostik an. Ein Allergietest oder eine übliche Hörtestung überschreitet aber dann schon die definierte Quartalsgesamtvergütung von 33,60 € Wie glauben Sie, kann ich unabhängig von den laufenden Praxiskosten in der zeitlichen Vorgabe von 8 Minuten Patientenkontakt für 12€ an Umweltanamnese geschweige denn an differentialdiagnostischen Erwägungen und therapeutischen Aufklärungsgesprächen durchführen, sodass mir für meine Arbeit zumindest noch ein minimaler Erlös bleibt?

Die Honorarvergütung war schon jahrelang in der Kassenpraxis nicht kostendeckend und musste Praxis intern ständig aus den Liquidationen von Privatpatienten subventioniert werden. Mit der neuen Gebührenordnung sind jedoch in diesem Jahr zusätzliche erhebliche Honorareinbußen verordnet worden. Sie werden es sicher in der Presse verfolgt haben. Das trifft natürlich besonders die letzten Kassenarztpraxen, die bisher zumindest was möglich war noch kassentechnisch abgewickelt haben. Die politisch plakativ gern immer wieder geforderte „sprechende Medizin“ ist in Wirklichkeit nicht gewollt. Aber ohne umfangreiche Anamnese ist jede fundierte Umweltmedizin uneffektiv. Die Folge wird sein, dass nicht nur, wie bisher teilweise, sondern zukünftig die gesamte Umweltmedizin in den Bereich der sogenannten „Individuellen Gesundheitsleistung (IGeL)“ verschoben wird. IGeL bedeutet, dass Leistungen nach der  privatärztlichen Gebührenordnung abgerechnet werden. Wir Umweltmediziner können aber nach dem erheblichen Einbruch der allgemeinen ärztlichen Vergütung jetzt keine Leistungen mehr umsonst anbieten.

Hier muss mit den gesetzlichen Krankenkassen endlich ein gangbarer Weg gefunden werden. Es ist denkbar und zu hoffen, dass die explodierende Veränderung im Gesundheitswesen dafür in Zukunft wieder gangbare Wege finden wird. Wir als national und in Europa tätigen umweltmedizinischen Fachverbände, Deutscher Berufsverband der Umweltmediziner und European Academy for Environmental Medicine, werden uns dafür einsetzen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Peter Ohnsorge

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 27.02.2009

Fortsetzungsserie: Umweltmedizin in Deutschland

Umweltmedizin in Deutschland Teil 3: Kündigung Umweltmedizinische Vereinbarung – Erklärungen der Krankenkassen und KV

Umweltmedizin unerreichbar

Erkrankungen, die auf umweltbedingte Ursachen zurückzuführen sind, haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Häufig sind die Auslöser von Umweltkrankheiten im häuslichen Bereich zu finden. Schimmelpilze, Pestizide und Lösungsmittel gehören zu den Hauptfaktoren die Umweltärzte in Betracht ziehen, wenn ein Patient chronisch krank ist und keine Besserung eintreten will.

In Nordhein-Westfalen wurden von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein gemeinsam mit Krankenkassen eigens Umweltmedizin-Projekte lanciert, die in eine Umweltmedizin-Vereinbarung mündeten. Mittels dieser Maßnahmen waren in die Vereinbarung integrierte Ärzte in der Lage, bei Verdacht Hausbegehungen und Analysen bei einem Umweltlabor anzuberaumen. Anschließend erfolgte anhand der Messergebnisse eine umweltmedizinische Beratung, die oft zu Sanierung des schadstoff- oder schimmelpilzbelasteten Wohnraums führte. Ein Vierteljahr später beurteilte der behandelnde Arzt den Gesundheitszustand seines Patienten.

Die Umwelt-Medizinvereinbarung in Nordrhein war, wie im Artikel „Krankenkassen und KV schaffen Basis für Hilfe bei Umweltkrankheiten“ ausführlich dargelegt, rundum ein Erfolg. Schon die im Vorfeld durchgeführten Pilotprojekte hatten keinen Zweifel daran gelassen, dass eine umweltmedizinische Herangehensweise bei vielen Patienten ein langes Leiden und eine kostenintensive Odyssee von Arzt zu Arzt beenden konnte.  Krankenkassen, die KV und die Ärztekammer waren gleichermaßen vom Nutzen der ergänzenden umweltmedizinischen Leistungen überzeugt. Aus deren Berichterstattung war zu vernehmen, dass bei 63 Prozent der Patienten mit Verdacht auf eine Umwelterkrankung sich die Diagnose bestätigt habe. Nach Sanierung, Umbau oder Entfernen schadstoffbelasteter Einrichtung seinen bei fast 70 Prozent der Patienten die Beschwerden verschwunden.

Die plötzliche Beendigung der Umweltmedizin-Vereinbarung in Nordrhein zum Jahreswechsel 2009 warf daher einige Fragen auf. CSN schrieb die Kassenärztliche Vereinigung, die Krankenkassen und das Ministerium für Gesundheit und Soziales in Nordrhein-Westfalen an. Nachfolgend die Antworten der KV Nordrhein und verschiedener Krankenkassen.

Anschreiben CSN

Sehr geehrter Herr Prof.Dr. Klusen,

wie wir erfahren haben, wurde die Umweltmedizin-Vereinbarung in Nordrhein von allen teilnehmenden Kassen gekündigt. (Mitteilung Renate Fischer KV Nordrhein)

Als Organisation für Umweltkranke und insbesondere für chemikaliensensible Menschen möchten wir Sie um möglichst zeitnahe Beantwortung der nachfolgenden Fragen bitten, da unsere Mitglieder in höchster Sorge sind.

Welche Möglichkeiten der Diagnostik und Behandlung im Rahmen der Kassenleistungen stehen für Mitglieder der TK die unter Umweltkrankheiten und/oder MCS (ICD-10 T78.4) leiden, ab diesem Jahr noch offen?

Welche Möglichkeiten haben niedergelassene Kassenärzte, um dieser Patientengruppe mit besonderen Bedürfnissen, gerecht zu werden?

Welche Gründe von Seiten der TK Nordrhein führten zur Kündigung der Umweltmedizin-Vereinbarung?

Für die Beantwortung dieser für uns dringlichen Fragen danken wir Ihnen im Voraus.

Mit freundlichen Grüßen,

Silvia K. Müller
Präsidentin CSN – Chemical Sensitivity Network

Antwortschreiben der Techniker Krankenkasse

Sehr geehrte Frau Müller,

ich komme heute auf Ihre an Herrn Prof. Dr. Klusen gerichtete E-Mail vom 2.1.2009 zurück.

Die Umweltmedizin-Vereinbarung sollte die Möglichkeiten verbessern, Gesundheitsstörungen und Erkrankungen durch Umwelteinflüsse im privaten Wohnbereich zu erkennen, zu diagnostizieren und zu behandeln. Sie stellte ein zusätzliches Angebot zur ärztlichen Regelversorgung dar. Die grundsätzlich ausreichende Versorgung aller Krankheitsbilder, somit auch der Umweltkrankheiten, wird daher nicht tangiert. Die Behandlung dieser Krankheitsbilder ist daher nach wie vor bei niedergelassenen Ärzten möglich.

Die Vereinbarung wurde zuletzt bundesweit einzigartig nur in Nordrhein-Westfalen angeboten. Die finanziellen Spielräume der Krankenkassen aufgrund der Einführung des Gesundheitsfonds haben eine Revision der bisherigen Sonder-/Förderverträge notwendig gemacht. Leider mussten wir uns, wie alle anderen Krankenkassen, entschließen, die besondere Versorgung der Umweltmedizin-Vereinbarung zu beenden.

Wir hoffen auf Ihr Verständnis und verbleiben

mit freundlichen Grüßen

Volker Habighorst
Referent Vertragswesen

Techniker Krankenkasse, Landesvertretung NRW
Antwortschreiben der KV Nordrhein

Sehr geehrte Frau Müller,

Sie hatten sich mit E-Mail vom 02.01.2009 in obiger Angelegenheit an Herrn Dr. Hansen gewandt.

Wie Sie bereits in Ihrer E-Mail selbst schreiben, wurde die Umweltmedizinvereinbarung in Nordrhein von allen teilnehmenden Krankenkassen gekündigt.

Wir möchten Sie daher bitten, sich wegen näherer Einzelheiten unmittelbar an die nordrheinischen Krankenkassen zu wenden.

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Bohnekamp
Hauptstelle, stellv. Hauptgeschäftsführer KVNordrhein

Antwortschreiben der Barmer

Sehr geehrte Frau Mueller,

mit E-Mail vom 02.01.09 stellen Sie Fragen, die im Zusammenhang mit der durch die Krankenkassen in Nordrhein-Westfalen gekündigte Umweltmedizin-Vereinbarung stehen.

Zu den einzelnen Fragen nehmen wir wie folgt Stellung:

zu 1) Welche Möglichkeiten der Diagnostik und Behandlung im Rahmen der Kassenleistungen stehen für die Mitglieder der Barmer in NRW, die unter Umweltkrankheiten und/oder MCS (ICD-10 T78.4) leiden, ab diesem Jahr noch offen?

Alle in der gesetzlichen Krankenversicherung vom gemeinsamen Bundesausschuss vorgesehenen diagnostischen Maßnahmen für den Patienten können natürlich weiter erbracht werden. Die Umweltmedizinvereinbarung in der bisherigen Form richtete sich in erster Linie an eine ggf. notwendige Untersuchung des häuslichen Umfelds und in Einzelfällen der Untersuchung von verdächtigen Materialien in einem Labor. Diese Kosten für Untersuchungen von z.B. Teppichproben, Farbanalysen etc. muss der Versicherte nun, wie in anderen Bundesländern auch, privat bezahlen.

zu 2) Welche Möglichkeiten haben niedergelassene Kassenärzte, um dieser Patientengruppe mit besonderen Bedürfnissen gerecht zu werden?

Die Behandlung des Patienten war nie Bestandteil der Umweltmedizinvereinbarung. Die Behandlung von Patienten mit Umweltkrankheiten kann somit auch zukünftig in der gewohnten Qualität weitergeführt werden.

zu 3) Welche Gründe von Seiten der Barmer führten zur Kündigung der Umweltmedizin-Vereinbarung?

Ab diesem Jahr gibt es einen einheitlichen Beitragssatz für alle gesetzlich krankenversicherten Personen. Gleichzeitig müssen die durch gesetzliche Vorgaben stark steigenden Ausgaben im vertragsärztlichen und stationären Bereich über diesen Beitragssatz finanziert werden. In dieser Situation haben die Krankenkassen einige Vereinbarungen gekündigt, um keinen Zusatzbeitrag zur Deckung aller Ausgaben erheben zu müssen. Hierzu gehörte auch die Umweltmedizin-Vereinbarung in Nordrhein und Westfalen-Lippe.

Mit freundlichen Grüßen

Frank Szczepanski

BARMER Hauptverwaltung Wuppertal
Abteilung Ärzte, Zahnärzte, Arznei- und Heilmittel
SG I Ambulante Ärztliche Behandlung

Antworten für Umweltkranke und Umweltärzte nicht zufriedenstellend
Diese Antworten der Krankenkassen und KVNo bewogen den Präsidenten einer Standesgesellschaft für Umweltmedizin zu einer Stellungnahme, über die wir in einem der nächsten Artikel der CSN Fortsetzungsserie „Umweltmedizin in Deutschland“ berichten werden.

Autor:
Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 26. 02.2008

Umweltmedizin in Deutschland Teil 1 & 2: Krankenkassen und KV schaffen Basis für Hilfe bei Umweltkrankheiten

Umweltmedizin öffnet neue Türen

Als sich die Umweltmedizin in Deutschland in den 80-iger Jahren langsam zu etablieren begann, waren es vorerst einzelne enthusiastische Ärzte, die sich zeitintensiv auf eigene Kosten Wissen aneigneten. Manche von ihnen flogen in die USA, assistierten in Umweltkliniken und sammelten auf Fachkongressen Wissen. Sie begannen, neue Wege in der Diagnostik und Therapie zu beschreiten und stellten rasch fest, dass die Krankheitsgenese vieler Patienten in ihren Facharztpraxen schadstoffbedingt war. Sie bemerkten, diesen Patienten konnte durch zielgerichtete umweltmedizinische Herangehensweise geholfen werden.

Bald erkannten Krankenkassen, Ärztekammern und Kassenärztliche Vereinigungen in der Umweltmedizin eine Chance und führten Pilotprojekte durch. Schnell realisierten Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenkassen, dass es zweckdienlich ist, Umwelterkrankten rasch helfen. In einer Vereinbarung über umweltmedizinische Behandlung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH) und dem BKK Landesverband NORD, die vom 26. Februar 1996 bis zum Jahr 2000 galt, wird dies verdeutlicht:

„Ziel der Vereinbarung ist es, Umweltgefährdungen als Krankheitsursachen unter Einbeziehung des häuslichen Umfeldes frühzeitig zu erkennen, die Erkrankten effektiv und kostengünstig zu behandeln und eine langfristige Rehabilitation sicherzustellen.“ (1)

In Nordrhein schlossen die KV und die Krankenkassen nach erfolgreichen Modellprojekten eine Umweltmedizinische Vereinbarung ab. Das Konzept ging voll auf, der Erfolg war enorm. (2) Trotz des Erfolges wurde die Umweltmedizin-Vereinbarung zum Jahreswechsel 2009 beendet. (3)

Fakten und Hintergründe zum Thema Umweltmedizin-Vereinbarung Nordrhein werden durch die mit dem nachfolgenden Artikel beginnende Fortsetzungsserie im CSN Blog, „Umweltmedizin in Deutschland“, zu erfahren sein.

Umweltmedizinisches Modellprojekt erfolgreich
Über das von der KV Nordrhein initiierte umweltmedizinische Modellprojekt berichtete Dr. Sabine Glöser im November 1998 im Deutschen Ärzteblatt. (4)

Das Modellprojekt Umweltmedizin hatte die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNo) zusammen mit den nordrheinischen Ersatzkassen, der AOK Rheinland, dem BKK Landesverband Nordrhein-Westfalen und der Bundesknappschaft im Juni 1996 begonnen. Die Medizinerin erläuterte, dass am Modellversuch der KV Nordrhein insgesamt 122 Ärzte mit umweltmedizinischer Qualifikation teilgenommen hätten.

Das Konzept habe so ausgesehen, dass, wenn bei einem Patienten der Verdacht auf eine Umwelterkrankung vorlag, der Arzt ein Umweltlabor beauftragte, um Innenraumschadstoffe in der Wohnung des Patienten zu messen. Ein Umweltlabor habe in der Phase des Modellversuches Schadstoffe in 512 Wohnungen analysiert.

Das Ergebnis könne sich sehen lassen: Nachgewiesen hätte man vor allem Schimmelpilze (68 Prozent), Aldehyde (43 Prozent), leichtflüchtige organische Komponenten (34 Prozent) und Holzschutzmittel (24 Prozent). In zwei von drei Wohnungen, in denen Schimmelpilze nachgewiesen wurden, hätte die Belastung sogar über dem Grenzwert gelegen. Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI) habe das Projekt über zwei Jahre wissenschaftlich begleitet und die Daten der ersten 1400 Fälle ausgewertet.

Dr. Sabine Glöser führte weiter aus, dass sich bei 63 Prozent der Patienten mit Verdacht auf eine Umwelterkrankung die Diagnose bestätigt hätte.

Umweltpatienten keine Hypochonder
Auch ein Resümee des Vorsitzenden der KV Nordrhein, Dr. Winfried Schorre, stand im Artikel im Ärzteblatt vom November 1998 zu lesen. Entgegen den Ergebnissen früherer Studien seien die Patienten psychisch unauffällig gewesen und die Analysen belegten, dass Umweltpatienten in der Regel keine Hypochonder seien.

Der Vorsitzende der KV Nordrhein gab sich im Ärzteblattartikel abschließend zufrieden, und teilte mit, dass man mit dem Modellprojekt eine Lücke in der umweltmedizinischen Versorgung geschlossen habe, da in das Projekt auch Kinder und nichterwerbstätige Frauen einbezogen wurden und man sich bisher auf Belastungen am Arbeitsplatz konzentriert habe. (4)

Ein von Erfolg gekröntes Konzept
Aus dem Modelprojekt Umweltmedizin entwickelte sich eine neue, kooperative Vorgehensweise. In einer gemeinsamen Pressemitteilung verschiedener Krankenkassen und der KV verkündete man die Umweltmedizin-Vereinbarung (2) und berichtete über den Erfolg des 1996 begonnenen Umweltmedizin-Projektes in Nordrhein:

„Bei fast 70 Prozent der Patienten nahmen daraufhin die Beschwerden ab.“

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