Umweltmedizin: PET Scan zeigt, dass die Geruchsverarbeitung bei Chemical Sensitivity (MCS) gestört ist

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Seit 1945 sind Wissenschaftler auf der Suche nach Ursachen und Mechanismen von Chemikaliensensitivität (MCS – Multiple Chemical Sensitivity), einer Erkrankung, bei der Menschen auf geringste Spuren von Alltagschemikalien wie Parfum, Weichspüler, Benzin, frischer Farbe, etc. mit leichten bis schweren, meist neurologischen Symptomen reagieren. Besonders in den letzten zehn Jahren wurden weltweit wissenschaftliche Studien publiziert, die keinen Zweifel mehr daran lassen, dass Chemikaliensensitivität existiert, häufig auftritt und in erster Linie körperliche Ursachen hat. Nur über den zugrundeliegenden Mechanismus rätselt man noch. Ein Wissenschaftlerteam des renommierten Karolinska Institutes, Abt. Arbeitsmedizin, stellte Auffälligkeiten im Gehirn von MCS Patienten nach Einatmen von Gerüchen fest, die bei der Kontrollgruppe nicht vorhanden waren.

Fortschritte in der Diagnostik
Neue Entwicklungen in der Diagnostik haben bei vielen bisher schwer verständlichen Krankheiten Licht ins Dunkel gebracht. Dies dient dem Arzt und dem Patienten, denn es führt oft auch zu besserer Behandelbarkeit. Insbesondere im Bereich der Radiologie hat man mächtige Fortschritte erzielt, was bspw. bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson, ALS oder MS erstmals mehr Verständnis brachte. Auch bei chemikalienbedingten Schädigungen versuchen Wissenschaftler, Nachweis der Schädigungen und Störungen im Gehirn durch bildgebende Verfahren wie SPECT und PET zu erbringen, um letztendlich Wissen über zugrundeliegende Mechanismen zu erlangen. Die schon seit längerer Zeit eingesetzten SPECT Scans zeigen dem Mediziner, in wieweit die Durchblutung des Gehirns gestört ist. Beim neueren PET Scans hingegen wird ermittelt, ob der Glukosestoffwechsel beeinträchtigt ist, was noch weiter reichende, nämlich bleibende Auswirkungen hat.

Körperliche Beschwerden nach Chemikalienexposition
Schwedische Mediziner stellten bei einer Doppelblindstudie Auffälligkeiten mittels PET Scan bei MCS Patienten fest, die verschiedene Gerüche einatmen mussten. Als Ausgangspunkt für ihre Studie definierten die Wissenschaftler des Karolinska Instituts Chemikaliensensitivität (MCS) als Charakterisierung somatischer Beschwerden nach Exposition gegenüber Gerüchen, durch einen noch unbekannten Mechanismus. Für die Studie wurden bei 12 weiblichen MCS Patienten und 12 Kontrollpersonen PET Scans (Positronen Emissions Tomographie) nach vorheriger Provokation gegenüber verschiedenen Gerüchen durchgeführt. Im Rahmen der Studie wurde ergänzend die Atemfrequenz gemessen und ein EKG durchgeführt.

Gehirn von MCS Kranken verarbeitet anders
Die Wissenschaftler stellten fest, dass Gerüche im Gehirn von MCS Patienten anders verarbeitet werden als bei normalen Personen. Das Gehirn der Chemikaliensensiblen war in den Regionen, in denen die Gerüche verarbeitet werden, nach Exposition weniger stark aktiviert als bei Kontrollpersonen, abgesehen von den berichteten und physiologisch indizierten Leiden. Gleichzeitig zeigte sich bei der Patientengruppe jedoch eine durch Geruch ausgelöste Aktivierung des vorderen gürtelförmigen Cortex und des Cuneus-Precuneus. Diese abnormalen Muster wurden nur bei Aktivierung durch Gerüche beobachtet. Die Wissenschaftler vermuten daher als Erklärung für ihre Beobachtung, dass hier als Reaktion auf Gerüche eine Umkehrreaktion der Geruchsverarbeitung über den gürtelförmigen Cortex stattfindet.

Ein weiterer Baustein zum besseren Verständnis von MCS
Diese Karolinska Studie ist ein weiterer Baustein in einer langen Reihe internationaler Studien, die zeigen, dass Chemikaliensensible im Gegensatz zu Normalpersonen auf bestimmte Gerüche körperliche Reaktionen entwickeln. In diesem Fall wurde belegt, dass das Gehirn von MCS Patienten Gerüche anders verarbeitet als Normalpersonen und bestimmte Areale durch Einatmen von Gerüchen aktiviert, bzw. deaktiviert werden. Dies lässt auch vordergründig auftretende neurologische Reaktionen bei erkrankten Personen verständlich werden.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, Januar 2008

Literatur: Hillert L, Musabasic V, Berglund H, Ciumas C, Savic I. Odor processing in multiple chemical sensitivity. Department of Public Health Sciences, Division of Occupational Medicine, Karolinska Institutet, Stockholm, Sweden, Human brain mapping, 2007, Mar;28(3):172-82

8 Kommentare zu “Umweltmedizin: PET Scan zeigt, dass die Geruchsverarbeitung bei Chemical Sensitivity (MCS) gestört ist”

  1. Juliane 23. Januar 2008 um 08:33

    Was so alles passieren kann, wenn ein chemikaliensensibler Mensch mit körperlichen Symptomen und neurologischen Auffälligkeiten mangels adäquater Diagnostik diverser Fachärzte dann letztendlich beim Neurologen und/oder Psychiater landet, kann man sich vorstellen: Der Patient wird eine Diagnose aus dem Katalog psychosomatischer oder psychiatrischer Erkrankungen erhalten.
    Ein deutscher Neourologe , der sich seit Jahren für MCS Patienten und gegen deren Psychiatrisierung einsetzt , hat die Lage der MCS Kranken in der Bundesrepublik „sinngemäß so zusammengefasst:

    Betroffene aus der Unterschicht landen im Knast wegen irgendwelcher Übersprungshandlungen, die als Straftat gewertet werden, hinsichtlich derer aber eigentlich Schuldunfähigkeit vorliegt,

    Mittelschichtangehörige geraten wegen vergleichbarer Handlungen irgendwann in allzu engen Kontakt mit der Psychiatrie und

    nur ganz wenigen, die etwa besonders intelligent, hartnäckig, selbstbewusst und gebildet sind oder über weitüberdurchschnittliche finanzielle Mittel verfügen, gelingt es, zu erkennen, dass sie nicht psychisch, sonderen körperlich krank sind.“

    (Zitat aus Schiele, Eder-Stein, Leben mit MCS , 2002)

    Fragt sich auch hier, wann werden praktizierende Mediziner etwas über die Studie der Schweden am Karolinska Institut erfahren?

    Kürzlich habe ich gelesen, die wichtigste Informationsquelle der meisten Ärzte sei immer noch der Pharmareferent. Der aber wird den Arzt wohl kaum über Studien wie die in Stockholm informieren können.

    Es gibt eben keine Qualitätssicherung im Gesundheitswesen, solange es keine unabhängige Forschung und Lehre gibt und solange kein unabhängiger Informationsfluss gewährleistet ist.

  2. Henriette 23. Januar 2008 um 08:44

    Das Ergebnis der Karolinska Studie zeigt eindeutig, neben vielen weiteren internationalen Studien bzgl. MCS (Multiple Chemikaliensensitivität), dass sich MCS heutzutage nachweisen läßt.

    Andere Behauptungen hingegen, wie sie gerne in Deutschland z. B. von Prof. Thomas Eikamnn, Direktor des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin der Universität Gießen, verbreitet werden, dass MCS keine eigenständige Krankheit darstellt und keine beweisbaren Zusammenhänge zu Umwelteinflüssen bestehen, sind nach internationalen Wissensstand der Umweltmedizin unhaltbar!

    http://www.rundschau-online.de/html/artikel/1184769899783.shtml

  3. Analytiker 24. Januar 2008 um 08:28

    Mit Hilfe von PET-Scan und SPECT-Scan lassen sich Abnormalitäten im Vergleich zu Gesunden Kontrollpersonen, und somit MCS (Multiple Chemikaliensensitivität) als eine organische und nicht psychische Erkrankung nachweisen.

    Auch die schwedische Karolinska Studie kommt neben vielen anderen internationalen Studien zu dem Resultat, dass die Umwelterkrankung MCS existiert. Im Gegensatz zur deutschen Umweltmedizin, die bis heute behauptet, MCS sei keine Krankheit im eigentlichen Sinn und die MCS-Patienten systematisch psychiatrisiert, kommen internationale Wissenschaftler zu ganz anderen Ergebnissen.

    Deutschland läuft in Gefahr, auch im umweltmedizinischen Bereich, den Anschluß an die internationale Forschung zu verlieren. Ein weiteres Problem ist, dass es in Deutschland kaum unabhängige Forschung gibt, da die finanziellen Mittel bspw. für die Universitätskliniken, meist aus Drittmittel der chemischen Industrie kommen. Ich denke, das erklärt einiges!

  4. Silvia 28. Januar 2008 um 10:00

    Es gibt noch ein paar weitere Studien über SPECT bei MCS Patienten, wir werden sie als Artikel aufbereiten und einstellen. Es kommt nicht von ungefähr, dass Krankenkassen PET und SPECT im Fall von MCS oder Chemikalienschädigung nicht bezahlen. An der Untersuchungsqualität kann es nicht liegen, denn bei Herzkrankheiten, Alzheimer oder Parkinson gilt PET zwischenzeitlich als die Diagnostik schlechthin und wird in den großen medizinischen Fachzeitungen hochgelobt.

    Bei Chemikaliengeschädigten ist das Gehirn meist in Mitleidenschaft und die beiden Untersuchungsmöglichkeiten zeigen es. Ergänzen kann man dies noch mit neuropsychometrischen Tests, die zeigen, welche Auswirkungen die Schäden beim Patienten haben. Wie sehr seine Konzentration, Merkfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit, Koordination und nicht zuletzt der IQ gelitten haben. Solche Tests, die neurotoxische Schädigungen nachweisen, wurden sogar von der WHO anerkannt.

    Man kann also nachweisen, wenn man will. Wenn nicht, dann verhindert man beweisende Diagnostik, ganz wie im Fall der RKI Studie in Bezug auf PET geschehen.

  5. Terminator 2. Februar 2008 um 23:51

    PET werden bei Umweltpatienten von Gutachtern in Renten- und Schwerbehindertenverfahren komplett ignoriert, so als wäre das PET nicht in der betreffenden Akte.

    PET-Untersuchungen finden Anwendung in der modernen Medikamenten-Forschung der Pharmaindustrie und wird als medizinischer Fortschritt bei der Diagnostik angepriesen.

    Nur bei Umweltpatienten werden konkretisierte Fakten ignoriert. Wie ist das möglich?

  6. Sophie S. 17. Juli 2008 um 12:01

    Meine gravierenden PET-Ergebnisse wurden seitens der Gutachter in meinen Sozialverfahren stets komplett übergangen, so als wären sie nicht existent. Das scheint eine Masche von MCS-Gutachtern zu sein, wichtige Befunde komplett auszuklammern.

    Hallo Silvia,

    können wir mit neuen Studien-Ergebissen in Bezug auf MCS und PET /SPECT hier im Blog rechnen? Das Thema interessiert mich sehr, gerade weil man bei MCS-Patienten diese Untersuchungsmethode völlig ignoriert, sie aber bei anderen Gesundheitsstörungen, wie von Dir aufgeführt (Alzheimer, Parkinson und Herzerkrankungen), aber auch in der Hirnforschung fleißig anwendet.

  7. Stables 17. November 2008 um 22:25

    Ein PET Scan vom eigenen Gehirn in den Händen zu halten und das Ausmaß der Schäden zu realisieren, die Chemikalien hinterlassen haben, das ist ein Moment, den man als intelligenter Mensch nie vergisst.

  8. Domiseda 6. August 2009 um 10:17

    Sehr vielen Dank für diesen Beitrag und die Kommentare.
    Gibt es in Deutschland eine Anlaufstelle, die nach dem Muster des Karolinska- Instituts vorgeht inklusive Messung Atemfrequenz + EKG, Glucosestoffwechsel?Ich wäre sehr dankbar für eine diesbezügliche Adresse, wengleich mich Umweltmediziner seit vielen Jahren warnen, auch nur 1 Exposition mehr zu wagen- um welches Nachweises auch immer!

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