Archiv der Kategorie ‘Umwelt‘

Helmholtz: Asthma und Allergien beruhen vermutlich auf unterschiedlichen Entstehungsmechanismen

Unter Beteiligung von Wissenschaftlern der LMU und des Helmholtz Zentrums München hat ein internationales Forscherteam in einer Metastudie sechs Genorte auf unterschiedlichen Chromosomen identifiziert, die zur Entwicklung von Asthma bronchiale beitragen können. Die Studie zeigt, dass – anders als bislang vermutet – nur ein geringer Zusammenhang zwischen Asthma und Genvarianten besteht, die zu einer erhöhten Konzentration von Immunglobulin E (IgE) führen. Dies legt die Vermutung nahe, dass Asthma bronchiale und Allergien auf unterschiedlichen Mechanismen beruhen. (New England Journal of Medicine online, 23.09.2010)

In der vorliegenden Studie haben Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München sowie der LMU München in Zusammenarbeit mit Kollegen aus zahlreichen Ländern den Zusammenhang von Asthma und genetischen Anlagen untersucht. In diese Metastudie sind auch Daten des deutschen Studienzentrums Erfurt des Europäischen Surveys zu Atemwegserkrankungen bei Erwachsenen (ECRHS), des Helmholtz Zentrums Münchens sowie der Asthma-Studien an Kindern der LMU und weiterer Forschungsinstitute eingeflossen. Insgesamt wurden die genetischen Anlagen auf verschiedenen Chromosomen von über 26.000 Menschen untersucht. „Wir haben sechs Risikofaktoren für Asthma bronchiale gefunden“, sagt Dr. Joachim Heinrich vom Helmholtz Zentrum München. Diese Risikofaktoren sind Genvarianten, auch SNPs bzw. „Single Nucleotide Polymorphisms“ genannt.

Auffällig war der geringe Zusammenhang zwischen Asthma und Genvarianten nachweisen, die zu einer erhöhten Konzentration von Immunglobulin E (IgE) im Blut führen. Diese Daten weisen darauf hin, dass dem Asthma bronchiale und der allergischen Sensibilisierung unterschiedliche Mechanismen zugrunde liegen. „Diese Studie konnte aber auch zeigen, dass nur etwa 38 Prozent des bei Kindern auftretenden Asthmas mit diesen genetischen Varianten erklärt werden kann, was die zusätzliche Bedeutung der Umweltfaktoren indirekt hervorhebt“, sagt Prof. Dr. med. Erika von Mutius vom Dr. von Haunerschen Kinderspital der LMU München.

Weltweit leiden bis zu 100 Millionen Menschen an Asthma bronchiale, das durch genetische und umweltbedingte Faktoren verursacht wird. In den letzten beiden Dekaden ist die Zahl der Asthma-Patienten stark angestiegen: In manchen Regionen sind bis zu 35 Prozent der Bevölkerung betroffen, während nur etwa fünf bis zehn Prozent der Deutschen an Asthma erkrankt sind.

Lungenkrankheiten und damit auch Asthma sowie ihre genetischen und umweltbedingten Auslöser gehören zu den Forschungsschwerpunkten des Helmholtz Zentrums München. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das EU-Projekt GABRIEL, dessen Co-Koordinatorin die LMU-Forscherin Professor Erika von Mutius ist: Ziel der internationalen Zusammenarbeit ist die Identifizierung und Charakterisierung von genetischen und umweltbedingten Faktoren, die zur Entstehung eines Asthma bronchiale beitragen.

Literatur:

  • Helmholtz, Asthma und Allergien beruhen vermutlich auf unterschiedlichen Entstehungsmechanismen, München, 23.09.2010
  • Miriam F. Moffatt et.al, A GABRIEL consortium Large-Scale Genome-Wide Association Study of Asthma, New England Journal of Medicine online, September 23, 2010

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Die Hinweise werden immer eindeutiger, dass BP toxische Dispergiermittel versprüht

Belege für das Gift im Golf

Ein privater Auftragnehmer in einem Carolina Skiff (Bootstyp) mit einem Dispergentienbehälter, 10. August, 9:30 vormittags, südlich vom Hafen von Pass Christian (Photo: Don Tillman)

Shirley und Don Tillman, Bewohner von Pass Christian, Mississippi, hatten Shrimpboote, ein Austernboot und einige Ausflugsboote. Sie verbrachten viel Zeit auf dem Golf von Mexiko, bevor sie für das Vessels Of Opportunity Programm (VOO/Arbeitsprogramm für Fischer) arbeiteten, um nach Öl Ausschau zu halten und zu versuchen, es zu beseit- igen.

Don entschied sich beim VOO-Programm mitzuarbeiten, um seinem Bruder beizu- springen, der aus gesundheitlichen Gründen dazu nicht in der Lage war. So arbeitete Don auf dem Boot und Shirley beschloss, ihm die meisten Tage an Bord zu helfen.

„Wir lieben den Golf, wir leben hier und als diese Ölkatastrophe geschah, wollten wir alles, wozu wir in der Lage sind, tun, um zu helfen, ihn wieder zu sauber zu bekommen“, erklärte Shirley dem online Magazin Truthout [die Wahrheit (truth) muss raus].

Nicht lange, nachdem sie im Juni anfingen, im Rahmen der BP-Bemühungen zur Schadensbegrenzung zu arbeiten, wurden sie jedoch von dem, was sie sahen, beunruhigt. „Es dauerte nicht lange, bis wir verstanden, dass bei der ganzen Sache etwas sehr, sehr verkehrt lief“, sagte Shirley zu Truthout. „Aus diesem Grunde fing ich damals an, über das, was wir erlebten, Tagebuch zu führen und eine Menge Fotos aufzunehmen. Wir konnten unser Wissen, was man unserem Golf antut, nicht verschweigen.“

Shirley hielt fest, was sie sahen und fertigte hunderte von Fotos an. Die Tillmans bestätigen beide mit dem was sie schrieben und fotografierten, was Truthout zuvor berichtet hatte: BP hat ausländische Vertragspartner angeheuert, um mit nicht registrierten Booten, meist vom Typ Carolina Skiff, Corexit Dispergiermittel auf das von VOO-Arbeitern lokalisierte Öl zu sprühen.

Shirley lieferte Truthout Auszüge des Tagebuches, das sie über die mit ihrem Mann gemeinsam auf See gemachten Erfahrungen führte, als sie für das VOO-Programm arbeiteten, bevor sie wie die meisten anderen VOO-Arbeiter in Mississippi entlassen wurden, weil der Staat Mississippi zusammen mit der US-Küstenwache bekannt gab, in ihrem Gebiet wäre kein rückgewinnbares Öl mehr vorhanden.

„Am ersten Tag, als ich mit war, bemerkte ich eine Menge Schaum auf dem Wasser“, heißt es in ihrem Eintrag vom 26. Juni. „Mein Mann sagte, er habe schon sehr viel davon gesehen. Zu dieser Zeit hielten wir gerade nach ‚Öl‘ Ausschau. Wir sollten in Gruppen von normalerweise fünf Booten hinaus fahren. Die Küstenwache beaufsichtigte die VOO-Operationen. Es war immer jemand von der Küstenwache auf mindestens einem der Boote. Dessen Job war es, uns sagen, wann wir aus dem Hafen wohin und wie schnell fahren sollen. Alle VOO-Boote hatten sie mit Flaggen, sowie mit einem Transponder versehen. Manchmal hatten wir zusätzlich einen oder mehrere Angehörige der Nationalgarde in unserer Gruppe, wie auch gelegentlich einen Mann für Sicherheit, welcher die Luftqualität und die Vorgänge auf dem Boot überwachen sollte. Wenn wir etwas fanden, musste es der Mann von der Küstenwache beim ‚Seepferd‘ melden und die entschieden, was unternommen werden sollte.“

Ihr Tagebuch liefert neben der unmittelbaren Beschreibung, nach welcher die Küstenwache also immer über die Entdeckungen der VOO-Arbeiter Bescheid wusste, zuweilen herzzerreißende Schilderungen, was mit dem maritimen Leben und den anderen Wildtieren am Golf von Mexiko geschieht.

„Bevor wir zur Arbeit gingen, lief ich den Strand entlang“, heißt es in ihrem Eintrag von 4. Juli. „Überall lagen tote Quallen. Einige waren von Schaum umgeben. Eine Möwe hielt sich nahe beim Wasser auf, während das schaumige Zeug weiter an Land spülte. Es gab auch einen Kranich, der wahrscheinlich krank war. An ihm war kein Öl zu erkennen, aber er blieb einfach stehen, egal wie nah ich ihm kam.“

Am Morgen des 5. August beschreibt Shirley, wie sie einen jungen toten Delphin im Wasser treiben sieht. „Als wir auf das VOO-Boot der Wildtierhilfe warteten, das ihn abholen sollte, bemerkten wir in unmittelbarer Nähe eine Delphinschule“, schreibt sie. „Trotz all der Boote, die da waren, entfernten sie sich erst, als das tote Tier aus dem Wasser genommen wurde. Das ging uns allen sehr nahe.“

Am nächsten Tag, am 6. August, muss sie noch mehr Tierverluste aufschreiben. „Gestern Abend berichteten sie in den Nachrichten von einem Fischsterben. Vor der Arbeit ging ich an den Strand beim Hafen. Überall waren Möwen. Wegen dem toten Seegetier. Das einzige, was es am Strand gab, war das, was das zurückfließende Wasser der Tide übrig gelassen hatte. Der Rest des ‚Fischsterbens‘ lag unter Wasser auf dem Grund. Das waren hauptsächlich Flunder und Krabben. Wir sahen an diesem Tag nur zwei tote Flundern, die im Wasser trieben. Ich kann mir nur ungefähr vorstellen, wie viele auf dem Grund lagen… Nach der Arbeit ging ich wieder an den Strand. Das Wasser war weit draußen und die Möwen fraßen die ganzen toten Fische, die zum Vorschein kamen. Man konnte immer noch tote Fische unter dem Wasser sehen, die lagen immer noch auf dem Grund. Treiben tote Fische nicht mehr im Wasser?“

Die Hauptsorge der Tillmans ist der ungebremste Einsatz von giftigen Dispergiermitteln durch, wie sie es nennen, private Vertragspartner, die in nicht registrierten Booten arbeiten [d.h. kein Halter/Verantwortlicher ist feststellbar] und regelmäßig auf den Golf hinaus fahren, wenn sie und andere VOO-Teams von ihrer Tagesarbeit zurück kommen. Häufig schwamm derart viel Dispergiermittel auf dem Wasser, dass ihr Boot eine Spur hinterließ.

„Das erste, was mir auffiel, war die ‚Spur‘, die das Boot im Wasser hinterließ“, heißt es in ihrem Eintrag von 10. Juli. „Man konnte soweit das Auge reicht genau sehen, wo wir gefahren sind. Um 11 Uhr herum waren wir von Ölschlieren und bräunlichen Klumpen umgeben. Wir befanden uns nördlich von Cat- und Ship Island, als uns die Küstenwache anwies, die Ölsperren ins Wasser zu lassen. Wenn man die Dinger wieder rausholt, muss man ‚Schutzausrüstung‘ tragen.“

Ihr Eintrag vom 1. August beschreibt detailliert einen Vorfall, als der Küstenwachmann ihnen nicht gestattete, Öl einzusammeln und seine Vorgehensweise, sogar zu leugnen, dass das, was sie fanden, Öl ist:

„Ab 14 Uhr beobachteten wir immer mehr Ölschlieren. Wir befanden uns nördlich der Ostseite von Cat Island, aber südlich des Inter Coastal Channels. Wie üblich war jemand von der Küstenwache auf einem der Boote unseres Teams. Er meldet sich [per Funk] und redete davon, wir wurden aber nicht angewiesen, die Ölsperren auszulegen, es wäre nur ‚Fischöl‘. Zu Anfang der Ölbeseitigungsarbeiten war alles, wenn es auf dem Wasser schwamm und wie Öl aussah, Öl oder Ölfilm. Später konnten sie manchmal ebenso gut sagen, es wäre einfach nur ‚Fischöl‘. Genauso war es, wenn es sich um dicken braunen oder rostfarbenen Schaum handelte, ursprünglich hieß das ‚Ölmousse‘. Später nannten sie es ‚Algen‘. Dann wurden wir angewiesen Nordwestkurs zu nehmen. Je weiter wir kamen, desto schlimmer wurde das ‚Fischöl‘. Später war der Schaum mit Öl vermischt. Allein um unser Boot herum hatte es mindestens die Ausmaße eines Fußballfeldes. Mein Mann nahm Funkkontakt auf und fragte, ob sie die Ölsperren auslegen können.“ Wieder sagte der Küstenwachmann nein. „Danach sollten wir nach Westen drehen, zurück nach Pass Christian. Ein Ausflugsdampfer hielt eines der Boote unserer Gruppe an und berichtete, dass es überall Öl gab. Die Küstenwache gab die Anweisung, denen zu sagen, dass ihnen die Situation bekannt wäre… Auf dem Rückweg nach Pass Harbor fragte ich meinen Mann, ‚Was machen wir eigentlich genau hier draußen?‘ Er sagte mir, er beginne zu denken, alles wäre nur eine Show. Ich kann mir nur ausmalen, was die Leute auf dem Ausflugsdampfer zu erzählen hatten, als sie an diesen Tag wieder nach Hause kamen. Wahrscheinlich, dass sie eine Menge Öl auf dem Wasser gesehen haben und dass die VOO-Boote dort draußen einfach nur darin herum kurven und überhaupt nichts unternehmen, um es zu beseitigen. Dies ist genau das, was geschah. Danach beschlossen wir anzufangen, so viel zu dokumentieren, wie wir können. Ich glaube, es war schon am nächsten Tag, als Thad Allen [Chef der Küstenwache] im Fernsehen erklärte, sie würden die Maßnahmen aufgrund der Tatsache zurück fahren, dass ’seit ungefähr zwei Wochen kein Öl im Golf gesichtet wurde‘. Hätten wir also am Sonntag Ölsperren herum gezogen und in Pass Harbor einen Stapel verschmutzte ausgeladen, wäre dies später vielleicht ein Problem für ihn.“

Spuren des Dispergiermittels, 26. Juni 2010. (Foto: Shirley Tillman)

Am 5. August beschreibt sie den seltenen Fall, dass es ihnen gestattet wurde, Ölsperren zum Einsammeln von Öl auszulegen. „Wir hatten jemand von der Küstenwache und zwei Sicherheitsleute auf unserem Boot. Wir fuhren westlich von Pass Harbor. Das Wasser sah stellenweise schwarz aus. Viele Blasen, kein Schaum, nur Blasen. Um 8 Uhr 30 herum waren wir von Schlieren und Mousse umgeben und sollten eine Ölsperre auslegen. Je mehr wir die Ölsperre zogen, desto mehr Öl schwamm auf. Der Pass [Christian] Hafen war geschlossen, da sehr viel Öl herein schwemmte. Für den Rest des Nachmittages zogen wird die Ölsperre hin und her.

Verölte Sperre. 5. August 2010. (Foto: Shirley Tillman)

Ölschlieren und Rückstände des Dispergiermittels. 1. August 2010. (Foto: Shirley Tillman)

Bis Anfang August sank die Gesamtzahl der VOO-Boote, die vom Hafen Pass Christian aus im Einsatz waren, wo Shirley und Don arbeiteten, bis auf 26.

Am 8. August schrieb Shirley, „im Hafen erzählte man, dass draußen bei den Inseln Flugzeuge nachts Dispergiermittel auf das Wasser sprühen. Man sprach auch von Skiff-Booten aus Louisiana, mit weißen Tanks an Bord, die ebenfalls [Dispergiermittel] sprühten. Die Skiffs haben wir früher gesehen. Gewöhnlich passten sie uns morgens ab und hielten Kurs auf die Bay St. Louis Brücke. Man sagte uns, sie würden draußen in einem Gebiet am Henderson Point arbeiten. Am Henderson Point gibt es ein county-eigenes Gelände [etwa: einem Landkreis gehörend] mit einer Bootsanlegestelle und mit Landungsstegen. Nach der Ölkatastrophe war es für die Öffentlichkeit gesperrt und es wurde ein Stützpunkt für BP-Subunternehmer eingerichtet. Es sah immer so aus, als ob diese Boote ihre Arbeitsschicht genau dann beenden würden, wenn wir mit unserer beginnen. Die meisten dieser Skiffs waren Carolina Skiffs“.

Später, am gleichen Morgen, fuhren Shirley und ihr Mann mit einem Angehörigen der Nationalgarde an Bord nach Westen aus dem Hafen, während sich ein Angehöriger der Küstenwache und ein weiteres Mitglied der Nationalgarde auf einem anderen Boot ihres VOO-Teams befanden. Nach einer Stunde Bootsfahrt wechselten sie genau dann wieder Richtung Osten, als Don fünf Carolina Skiffs ausmachte.

„Ich hatte meine Kamera dabei und fing an sie zu fotografieren“, schreibt Shirley. „Als ich so nah, wie es möglich war, heranzoomte, sah ich, dass sie etwas auf das Wasser sprühten. Davon habe ich kein Foto. Ich war zu sehr damit beschäftigt, dies meinem Mann und dem Typen von der Küstenwache auf dem anderen Boot zu erzählen. Die Skiffs hatten nach Norden gedreht und sich verteilt und führen südlich der Eisenbahnbrücke im Zickzack. Die Küstenwache meldete den Vorfall und schickte eines unserer Boote los, den Skiffs zu folgen. Die Skiffs verschwanden sofort. Als ich die Boote sprühen sah, wehte der Wind zu unserem Boot. Innerhalb weniger Minuten, bekam ich eine trockene Nase. Später passierte das gleiche mit meinen Hals und mit meinen Augen. Ein Helikopter der Küstenwache stand zusammen mit einem Küstenwachboot in Bereitschaft. Den Helikopter sahen wir etwa 20 Minuten später, doch das Boot der Küstenwache habe ich nie gesehen.“

Nach der Rückkehr in den Hafen von Pass Christian berichtete ihr Team von den Aktivitäten der Skiffs, Dispergiermittel zu versprühen. Sie wurde von Parson’s, der Vertragsgesellschaft die ihr Team leitete, gebeten, ihre Fotos vorzulegen.

Ihr Eintrag vom nächsten Tag, dem 9. August lautet:

„Ich nahm die Bilder (8×10’/20×25 cm) mit zu Parson’s. Kurz darauf rief mein Mann an und erzählte, die Küstenwache möchte, dass ich ihnen von den Bildern eine CD mache. Ich nahm die CD und übergab sie der Küstenwache. Im Beisein anderer wurde mir gesagt, dass der Vorfall untersucht worden ist und die fraglichen Boote am Henderson Point lokalisiert wurden. Er sagte, dass diese Boote als Skimmerboote [Abschöpfboote] am VOO-Programm teilnehmen, doch dies wurde bisher noch nicht bestätigt. Er berichtete, dass er die Leute gefragt hätte, ob sie etwas auf das Wasser sprühen. Sie erzählten ihm, wenn ich sie irgendwas sprühen sah, dann haben sie wahrscheinlich gerade ihre Tanks ausgespült. Er fragte auch mich, ‚Denken Sie nicht, dass sie einen Atemschutz getragen hätten, wenn sie Dispergentien sprühen?‘ Ich antwortete, ‚Sie würden das annehmen, mich aber überrascht hier überhaupt nichts mehr.‘ Danach sind wir praktisch gegangen. Nun wusste ich, alles, was sie wirklich wollten, war, genau zu sehen, was ich fotografiert hatte. Natürlich fragt sich, ‚wozu ein Abschöpfboot seine Tanks ausspülen muss?‘ Warum sollte es, wenn es Öl aufgenommen hat, dieses wieder zurück schütten? Was hat es ausgespült, wenn es kein Öl aufgesaugt hat? Ich weiß, was ich gesehen habe, und ich weiß, was ich danach spürte. Ich weiß auch, dass man auf einem der Bilder, die ich gemacht habe, einen Helikopter über diesen Booten sehen kann. BP hat Späher, die nach Öl suchen. Kann es sein, dass der Helikopter ihnen gezeigt hat, wo sie nachbessern müssen, bevor sie Feierabend machen können? Eines habe ich von dem Typen der Küstenwache an diesem Tag gelernt, offensichtlich besitzen diese sogenannten Skimmerboote auch die Fähigkeit zu sprühen!“

Die Neugier der Tillmans ließ sie weitere Nachforschungen anstellen. Grund waren die Ungereimtheiten, welche sie im Handeln der Küstenwache erkannten, wenn es um Dispergiermittel ging, die Vertragspartner [von BP] von den Carolina Skiffs versprühten.

„Mein Mann kam nach Hause und erzählte, dass sie die ‚Skiffs‘ heute wieder gesehen hätten“, heißt es in Shirleys Eintrag vom 10. August. „Er machte Fotos von ihnen und von einer Hebevorrichtung. Diese Vorrichtung wechselt in der Meerenge seine Standorte und ist vermutlich eine Dekontamin- ierungsstation. Einige Kapitäne haben jedoch berichtet, dass man ihnen sagte, als sie hinfuhren, sie wäre gerade nicht in Betrieb. Nachdem ich zwei Tage lang über die Skiffs mit den Tanks und die Küstenwache nachgedacht habe, gelang es mir nicht, das Ganze irgendwie zu verstehen. Die Küstenwache leitet angeblich das VOO-Programm, weiß aber nichts über die Skiffs an dem so nahe beim Pass [Christian] Hafen gelegenen Standort. Sie sagen uns nicht nur jeden Handschlag, den wir machen sollen, sie sind auch dabei, wenn wir sie tun. Unsere Boote sind beflaggt und haben Transponder an Bord. Diese Boote haben keine Flaggen und wir haben weder Transponder noch Angehörige der Küstenwache auf ihnen gesehen, die ihnen sagen, was zu tun ist.“

Diesen Nachmittag fuhren sie zum Henderson Point Stützpunkt. Obwohl er bewacht war, schockierte sie, was sie sahen:

„Dort waren wahrscheinlich mehr Boote als zu dem Zeitpunkt im gesamten Pass [Christian] VOO-Programm waren“, heißt es in ihrem Eintrag. „Es gab nur ein paar wenige richtige Ölabfangboote. Alle waren offenbar in Louisiana registriert. Nahezu alle Skiffs hatten weiße Tanks an Bord. Ein paar wenige der Tanks sahen so aus, als ob irgendwann mal etwas in ihnen gewesen wäre, doch es war etwas anderes als die ölige, klebrige Scheiße, mit der wir zu tun hatten. Wenn unser Boot etwas ab bekam, war es nahezu unmöglich, es wieder weg zu bekommen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sie das wieder aus den Tanks heraus bekommen und dass die Tanks danach noch so aussehen wie sie es tun. Nahe bei den Booten stand auch ein Auto der Dienststelle des County Sheriffs von Harrison und ein paar große Plastikbehälter auf gelben Untersätzen.

Kreuzung Canal Road und I-10, in Gulfport, Mississippi, auf dem als PB-Stützpunkt genutzten Areal, 14. August 2010. (Foto: Shirley Tillman)

Am 13. August wurde das Boot von Shirley und Don außer Dienst genommen. Das hat sie sehr beunruhigt. Am nächsten Tag besuchten sie immer noch sehr betroffen den BP-Stützpunkt im Hancock County [Grafschaft/Landkreis].

„Sie hatten den Ort geräumt“, schreibt sie. „Trotzdem war wie vorher eine Wache und ein Sheriff-Auto da. Wir fuhren zum Stützpunkt in Gulfport. Anscheinend ist dies ein Hauptlagerplatz von BP. Dort gab es alle möglichen Bootstypen, einschließlich der Skiffs mit den Tanks. Die Dienststelle des Sheriffs war ebenfalls vertreten und auch jene großen Plastiktanks auf dem gelben Paletten.“

Andere, sehr ähnliche Berichte gibt es über andere BP-Stützpunkte am Golf von Mexiko. Die Tanks werden eindeutig zum Transport und zur Lagerung des Corexit Dispergier- mittels verwendet. Die Carolina Skiffs werden eindeutig dazu eingesetzt, es auf das Öl zu sprühen.

Kreuzung Canal Road und I-10, in Gulfport, auf dem als PB-Stützpunkt genutzten Areal. (Foto: Shirley Tillman)

Corexitbehälter, 1. September 2010. (Foto: Shirley Tillman)

Ihr Eintrag vom 16. August führt ihre Entdeckung weiter aus:

„Während der nächsten paar Tage begab ich mich weiterhin zum Henderson Point und zum Gulfport Stützpunkt. In Henderson Point waren wieder ein paar Boote, aber keines von den Skiffs mit den Tanks und keiner der großen Plastikbehälter. In Gulfport war alles wie zuvor, mit allem Drum und Dran. Am 25. August bekam ich eine Email mit einem Link zu einem Artikel über Dispergiermittel. Ich hatte ein Foto der Tanks mit der Aufschrift ‚Nalco Corexit EC9005A‘, in denen Dispergiermittel geliefert werden. Sie fassten 330 Gallons (ca. 1.249 Liter), waren groß, aus Kunststoff, weiße Tanks auf einer gelben Palette. Dies waren dieselben Tanks, die ich auf dem Henderson Point und dem Gulfport Stützpunkt gesehen habe. Es gelang mir, den Namen des Herstellers der Tanks heraus zu bekommen, ich verglich [den Schriftzug] auf einem Foto von mir mit dem Foto im Artikel. Es war der gleiche Hersteller. Im Internet suchte ich nach dieser Firma und fand die 330 Gallon Tanks. Sie wurden folgendermaßen beworben: ‚Der einzige Hersteller in der Industrie, welcher transportierbare Tanks anbietet, die von den Vereinten Nationen und vom US-Verkehrsministerium für den Transport gefährlicher Güter zertifiziert sind‘.“

Toter Flunder vom Fischsterben. 6. August 2010. (Foto: Shirley Tillman)

Shirley und Don wurden wie zehntausende anderer VOO-Arbeiter und Golfbewohner mit mehr Fragen als Antworten zurück gelassen.

„Wenn man bei der Arbeit auf den Booten eine Ölsperre zurück an Bord zieht, muss man nicht nur [Einweg] Tyvek-Schutzanzüge, Schutzbrillen und Schutzhandschuhe tragen, sowie die Ärmel des Anzugs über den Handschuhen als auch die Hosenbeine über den Stiefeln mit Klebeband umwickeln.“ Shirley fragt, „Warum soll es für die Leute sicher sein, in das gleiche Wasser zu steigen, aus dem all dieses gefährliche Zeug heraus kam?“

Was die Küstenwache betrifft, fragt sie:

„Wie kann man von den Skiff-Booten im VOO-Programm nichts wissen, wenn man für das VOO-Programm verantwortlich ist? Die Küstenwache leitete angeblich das VOO-Programm, aber sie taten so, als ob sie von den Carolina Skiffs nichts wussten. Diese Boote waren weder in der Task Force noch in der Strike Force. Jedes VOO-Boot hatte eine Flagge. Wir hatten alle Transponder. Das waren die Vorschriften des VOO-Programmes und der Küstenwache. Doch diese Skiffs hatten keine Flaggen und wir sahen nie Transponder auf ihnen, noch war jemand von der Küstenwache auf ihnen und angeblich hatte jede Gruppe wenigstens einen von der Küstenwache in der Gruppe. Manchmal hatten wir zwei, aber die Skiffs hatten nie welche.“

Die lokalen Medien in Pass Christian und Gulfport, Mississippi berichten nun, dass BP hofft, bis zum 19. September das VOO-Programm beenden zu können.

Shirley ist skeptisch. „Warum soll jeder seine Kinder hierher bringen und sie in das Wasser stecken, in das Millionen Gallonen toxischer Chemikalien geschüttet wurde, mal vom Öl ganz abgesehen?“ Sie fragt, „Warum sollte man Tiere aus dem Meer essen wollen, die in dem Wasser mit all diesen Verschmutzungen gelebt haben und darin umgekommen sind?“

Truthout hat bereits früher über andere Fischer in dem Gebiet berichtet, über James „Catfish“ Miller und Mark Stewart, die erzählten, Augenzeugen gewesen zu sein, als Vertragspartner aus Carolina Skiffs ebenfalls Dispergiermittel versprühten.

Indes behaupten lokale und Regierungsbehörden weiterhin, dass Dispergiermittel nur südlich der dem Mississippi vorgelagerten Inseln angewendet wurden und dass die Carolina Skiffs und die großen Tanks, die sie geladen haben, nur zum „Einsammeln“ von Öl benutzt würden.

„Warum sollten diese 330 Gallonen fassenden Gefahrgutbehälter an zwei verschiedenen Einsatzstellen gleich bei den Tank-Skiffs vorhanden sein, wenn Dispergiermittel nur südlich der Inseln versprüht wurden?“, fragt Shirley. „Warum sollten die Tanks der Skiffs so sauber sein, wenn sie wirklich Öl eingesammelt hätten?“

Die Tillmans und tausende andere Fischer und Bewohner am Golf von Mexiko sind aufgrund der komplizenhaften Verstrickung der lokalen und staatlichen Verwaltung und der Bundesregierung in das, was sie als massive Vertuschung der Ölkatastrophe ansehen, sehr besorgt. Man setzt toxische Dispergiermittel ein, um das ganze Öl, das gefunden wird, zu versenken.

Dr. Riki Ott, eine Toxikologin und Meeresbiologin, ist Überlebende der Exxon Valdez Ölkatastrophe in Alaska von 1989. Neulich schickte sie einen offenen Brief an die US-Umweltschutzbehörde in dem sehr viel von dieser Besorgnis zum Ausdruck kam.

Das fortgesetzte Leugnen dieses Problems durch die Regierung kann Shirley weder täuschen noch aufhalten.

„Ich weiß, was ich gesehen habe“, sagte sie zu Truthout. „Ich weiß, was man mir erzählt hat. Ich weiß, wie es mir erging. Ich weiß, was ich dokumentiert habe. Ich weiß auch, dass ich hunderte von Fotos aufgenommen habe, um zu belegen, was ich erzähle.“

Autor: Dahr Jamail für t r u t h o u t , 13.09.2010

Übersetzung: BrunO für CSN-Deutschland

Dieser Bericht erschien im Original auf t r u t h o u t und steht wie diese Übersetzung unter einer Creative Commons Lizenz: Namensnennung-Nicht-kommerziell 3.0 Vereinigte Staaten von Amerika

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Umweltchemiker diskutierten Alternativen zu Tierversuchen und umweltschädlichen Chemikalien

Größte deutschsprachige Konferenz der Umweltchemiker und Ökotoxikologen fand in Dessau-Roßlau statt

Wird ein Arznei- oder Waschmittel in der Kläranlage vollständig abgebaut? Welche Umweltrisiken und Umweltrisiken birgt der Einsatz von Bioziden und Pflanzen- schutzmitteln? Wie können Chemikalien möglichst umweltfreundlich entwickelt, produziert und verwendet werden? Obwohl wir alle tagtäglich chemische Stoffe zu unterschiedlichsten Zwecken nutzen, stellen sich solche Fragen die meisten Menschen eher selten. Tagesgeschäft sind solche Themen für die etwa 350 Umwelt-Wissenschaftler, die sich vom 06.-09. September im Umweltbundesamt (UBA) in Dessau-Roßlau zur Tagung „Umwelt 2010 – Von der Erkenntnis zur Entscheidung“ trafen. Die Veranstaltung ist die größte Konferenz der Umweltchemiker und Ökotoxikologen im deutschen Sprachraum.

Präsentiert und diskutiert wurden im UBA die neuesten Forschungsergebnisse zu Fragen des Verhaltens und den Auswirkungen von Chemikalien in der Umwelt. Die beiden größten wissenschaftlichen Fachgesellschaften zu Umweltchemie und Ökotoxikologie (GDCh und SETAC) traten gemeinsam als Veranstalter auf. Das UBA war erstmalig Gastgeber für die überwiegend aus Deutschland, Schweiz und Österreich angereisten Wissenschaftler. Das dicht gepackte Programm widmete sich mit über 200 Vortrags- und Poster-Präsentationen in 18 Themenblöcken den aktuellsten Entwicklungen in der Forschung. Neben klassischen Themen wie Umweltanalytik und -monitoring oder biologischen Testverfahren standen auch jüngere methodische Entwicklungen wie der Einsatz biochemischer Verfahren („Omics“), Alternativen zu Tierversuchen oder neue Ansätze zur Modellierung des Stoffverhaltens in der Umwelt im Fokus. Hinzu kamen wissenschaftlich und chemikalienpolitisch tagesaktuelle Fragestellungen wie die noch vielfach ungeklärten Umweltrisiken von Nanomaterialien, Prinzipien für eine „grüne Chemie“ sowie Ansätze zur Risikobewertung von Stoffgemischen in der Umwelt. Wie im Untertitel der Tagung „Von der Erkenntnis zur Entscheidung“ angedeutet, sollte dabei besonders erörtert werden, welche Konsequenzen aus den Forschungsergebnissen für den besseren Schutz der Umwelt zu ziehen sind. Dieses Tagungsmotto passt zum gastgebenden UBA, das als Deutschlands wichtigste Fachbehörde vielfältige Aufgaben in der Erfüllung der deutschen und europäischen Stoff- und Umweltgesetzgebung wahrnimmt. Diesem Motto widmeten sich auch drei Redner aus akademischer Forschung (PD Dr. Martin Scheringer, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich), Industrie (Dr. Utz Tillmann, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie, Frankfurt/M.) und Politik (Dr. Sabine Gärtner, Referats- leiterin im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bonn). In Plenarvorträgen stellten sie ihre jeweilige Sichtweise zum Stand von Umwelt- forschung und Chemikaliensicherheit dar. Die Auswahl der Plenarredner spiegelte das Selbstverständnis der beiden Fachgesellschaften wider, die sich vorrangig als Kommunikationsforen für Fachleute dieser drei Bereiche verstehen. Dabei soll auch der wissenschaftliche Nachwuchs besonders gefördert werden, was unter anderem durch die Verleihung von Preisen für die besten Abschlussarbeiten und Publikationen des letzten Jahres sowie mit einer Prämierung der besten Vorträge und Poster im Rahmen der Tagung geschah.

Literatur:

UBA, Umweltchemiker diskutieren Alternativen zu Tierversuchen und umweltschäd- lichen Chemikalien, Dessau-Roßlau, 06.09.2010.

Photo: UBA, Volkard Möcker

Das Öl ist überall

Krise der Demokratie: Wirkliche Lösungen für die BP-Ölkatastrophe

Der BP-Ölunfall hat den Bewohnern am Golf von Mexiko das Problem der unkontrollierten Macht von Konzernen schmerzhaft vor Augen geführt. Riki Ott, Überlebende des Exxon-Valdez Unglücks, meint, dies könnte Anlass sein, uns die Demokratie über alle politischen Unterschiede hinweg wieder anzueignen.

Als der Öltanker Exxon Valdez in der Prince William Meerenge in Alaska auf ein Riff lief, lebte Riki Ott in der Nähe der kleinen Stadt Cordova, wo sie als gewerbliche Fischerin arbeitete, die zugleich über Meeres-Toxikologie mit Schwerpunkt Ölverschmutzung promoviert hatte. Sie bekam die Zerstörung einer Stadt, eines Ökosystems und einer Lebensweise aus erster Hand mit – wie auch den verlorenen Kampf, dies alles zu retten.

Einundzwanzig Jahre nach Exxon-Valdez hat der Konzern lediglich ein Zehntel der ursprünglich festgelegten Schadenersatzsumme ausgezahlt. Ott erkennt einige Taktiken von Exxon im derzeitigen Gebaren von BP wieder: Das Ausmaß des Unglücks geringer angeben, Schäden verbergen und herunterspielen, frühzeitig versuchen, die juristische Verantwortung zu begrenzen. Sie war seit Anfang des Sommers ganz nahe an den Ereignissen im Golf, um andere von ihren Graswurzel-Strategien für Widerstand und Schadensbeseitigung profitieren zu lassen. Doch die wahre Krise ist größer als dieser oder jeder andere Ölunfall. Es ist eine Krise der Demokratie: Konzerne sind derart mächtig geworden, dass unser politisches System sie nicht ausreichend reglementieren kann, um solche Katastrophen zu verhindern oder wenn sie geschehen, auf ein verantwortbares Maß zu begrenzen.

Ott erkannte, dass die Macht der Konzerne eine fundamentale Bedrohung darstellt, als sie zusah, wie Exxon weiterhin Gewinne machte, während sie und ihre Nachbarn ihre Existenzgrundlage mit wenig Aussicht auf Entschädigung verloren. Nun sieht sie in der Golfregion ein ähnliches Erwachen der Bewohner, die über politische Barrieren hinweg zusammenarbeiten, um von BP Gerechtigkeit zu erfahren.

Ott glaubt, dies könnte der Impuls zum Durchbruch sein, von den Konzernen die Macht zurück zu fordern. Sie berichtete der Online-Redakteurin Brooke Jarvis vom ‚YES! Magazine‘ von den besten Strategien, um unsere Demokratie zu gebrauchen und letztlich wieder herzustellen.

Brooke: Letzte Woche (Mitte August) hat BP angekündigt, dass sie keine neuen Schadenersatzforderungen mehr akzeptieren werden; die großen amerikanischen Zeitungen fragen; „Wo ist nun das Öl?“ Ist das Unglück vorüber?

Riki: [lacht] Nicht, wenn sie in meinen Email-Eingang sehen. Mich verwundert das alles: Was soll diese Farce? Weshalb gibt es dieses starke Bestreben, alles als beendet zu erklären? Ich denke, es kommt dem am nächsten, wenn eine Versicherungsgesellschaft nach einem Verkehrsunfall so schnell wie möglich abrechnen möchte. Sie möchten sagen können: „Es tut uns leid, Sie haben dieses Dokument hier bereits unterschrieben, und wir haften nicht weiter für diesen Fall.“ Ich denke, die Vorstellungen von BP gehen gerade sehr in diese Richtung. Dieses toxische Gebräu aus Öl und Dispergiermitteln, das im Golf freigesetzt wurde, ist ein Experiment – es ist nicht erforscht, deshalb wissen wir zurzeit nicht, welchen Schaden es hervorrufen wird. BP denkt, wenn sie nun entschädigen, müssen sie nicht für den absehbaren Schaden aufkommen, der eintreten wird.

Die Exxon-Valdez hat uns gezeigt, dass Ölunfälle in der Tat langfristige Schäden verursachen. Der Heringsfang in der Prince William Meerenge ruht immer noch – er ruht auf unbestimmte Zeit, bis sich die Bestände erholen, und wir unterhalten uns nun einundzwanzig Jahre später, und wie jeder weiß, war es weniger Öl.

Brooke: Wird jeder in der Golfregion Schwierigkeiten bekommen, der das Öl oder seine Wirkung nicht ignoriert?

Riki: Als das schändliche Tortendiagramm veröffentlicht wurde, legten es die Medien so aus, dass 75 Prozent des Öls verschwunden wären. „Aufgelöstes“ Öl ist aber nicht verschwundenes Öl, es mag auf der Oberfläche nicht vorhanden sein, aber es ist in der Wassersäule, es überzieht den Meeresboden, es ist in der Nahrungskette. Wenn Sie die Anteile des „chemisch aufgelösten Öls“ und des „natürlich aufgelösten Öls“ zum restlichen Öl hinzu addieren, sind in Wahrheit 75 Prozent des Öls immer noch da, nur in anderer Form. Für BP ist es wirklich praktisch, dass es nicht an der Oberfläche ist – und dies mag bei der Entscheidung, diese toxischen Dispergentien einzusetzen, eine Rolle gespielt haben, denn diese erleichtere es zu behaupten, das Öl wäre weg.

An jenem Tag nahm ich an einem Treffen in Gulfport, Mississippi mit ungefähr 100 Fischern aus vier verschiedenen Bundesstaaten teil. Die Mobiltelefone der Leute liefen von den eintreffenden Berichten heiß, über Boote und Flugzeuge, die nachts Dispergiermittel sprühten, über Leute, die besprüht, den Mitteln ausgesetzt und krank wurden – ich meine derart krank, dass sie braunen Auswurf hatten und braun urinierten – und Berichte über Fischsterben und Muschelsterben. In dem Augenblick in Gulfport, Mississippi zu sein, als die Katastrophe für beendet erklärt wird, während Fischer aus vier verschiedenen Staaten gerade Anrufe von Zuhause bekommen und „Oh mein Gott, oh mein Gott!“ sagen, war ein erstaunlicher Kontrast. Der entstehende Schaden gab sich gerade als Realität zu erkennen, als BP und Regierung mit dem „Alles wäre vorüber“ Spiel anfingen.

Das war eine schlimme Woche. Ich versuchte, Leute in Unfallstationen bringen zu lassen und Ärzte zu finden, die ihre Symptome richtig diagnostizieren. Die Menschen sind krank, und was ich absolut unentschuldbar finde, ist zu behaupten, alle diese Erkrankungen wären etwas anderes als das, was sie sind. Mein Gott, ich sprach mit Arbeitern, die Ölsperren ausgelegt hatten und bei denen damals im Mal Lebensmittelvergiftung und Hitzeschlag diagnostiziert wurde, die immer noch mit den gleichen Symptomen erkrankt sind. Dauern Lebensmittelvergiftung und Hitzeschlag drei Monate?

Und dann gab es die Mitteilung, dass Fischereiprodukte gefahrlos verzehrt werden könnten. Die Fischer würden nichts mehr lieben als wieder hinaus zu fahren und etwas zu fangen, das man sicher essen kann. Aber sie sind diejenigen, die dort draußen mit ihren Sonaren falsche Tiefen messen – für das Tiefenmessgerät ist es 3.7 Meter (12 feet) tief, aber in Wirklichkeit sind dort unten Schwaden aus Öl und Dispergiermitteln. Sie haben aus ihren Booten absorbierende Ballen hinunter gelassen, einfach um festzustellen, was dort unten ist. Als die Ballen wieder an die Oberfläche kamen, trieften sie vor Öl – obwohl die Oberfläche sauber war und blau funkelte. Sie sagen, „Nein, wir wollen in so etwas nicht fischen. Wir denken nicht, dass Nahrung aus dem Meer sicher ist“.

Brooke: Es muss zornig machen, wenn sich sogar Leute von Ihnen abwenden, während es immer noch so viel Leid gibt. Was macht man in so einem Fall?

Riki: Im Grunde sind wir hier noch mitten in einem Krieg, indem wir so gut wie möglich versuchen, dieses sich entwickelnde Grauen zu dokumentieren, das aufgedeckt wurde. Wir versuchen die Leute bei Laune zu halten und sagen: „Das gehört alles zum Spiel und wir haben gerade den nächsten Level geschafft, bleibt beisammen und deckt auf, was passiert. Macht die Fotos, schreibt die Berichte, dokumentiert weiter. Den ganzen Sommer gab es Lügen. Das einzige, was sich geändert hat, ist, dass dies noch heftiger geschieht. Darum lasst uns weiter am Ball bleiben.“

Wir stecken viel von unserer Kraft in Umweltstudien mit Bürgerbeteiligung. Damit meine ich, Daten der Luft- und Wasserqualität, der öffentlichen Gesundheit und von Giftstoffen im Blut der Menschen zu sammeln. Vielen Menschen fehlt das Selbstvertrauen, ihre Erkrankungen, – Kopf- und Halsschmerzen, Pusteln – mit Chemikalien in Zusammenhang zu bringen, einfach weil die Bundesbehörden ihnen erzählen, dass es keine Probleme mit der Luft- und Wasserqualität gibt. Wir nehmen Proben,, um zu beweisen, dass es welche gibt. Wir versuchen auch, in jeden betroffenen Bundesstaat eine öffentliche Klinik zu gründen und Gesundheitsdienstleistern zu helfen, chemische Erkrankungen zu erkennen.

Brooke: Sie haben neulich geschrieben: „Bei diesem Kampf geht es um weit mehr als nur Dollars und Schäden. Es geht um die Fähigkeit unseres Landes, große Konzern-Kriminelle im Sinne des öffentlichen Interesses zur Verantwortung zu ziehen und sicher zu stellen, dass sie sich an die Gesetze halten, die wir beschließen. Was bedeutet es, über die sich unmittelbar stellende Frage nach der Verantwortung für diese eine Katastrophe hinaus zu gehen und die größere Frage nach der Verantwortung von Konzernen zu stellen?

Riki: Diese BP-Katastrophe ist wie die Exxon-Valdez mehr als eine Umweltkrise – es ist eine Krise der Demokratie. Gerade jetzt steht uns das [übliche] Spiel bevor: Die Regierung befasst sich öffentlich damit, ein paar Gesetze werden verschärft. Doch das ist nicht gut genug. Die wirkliche Frage ist, wie können wir diese großen Konzerne kontrollieren?

Die Menschen haben nicht lange gebraucht, um sich mit diesem größeren Thema zu befassen und zu fragen, was wir gegen Konzerne unternehmen können, die völlig außer Kontrolle geraten sind. Ich bräuchte nur fragen, „Denkt jemand, die Regierung hat das Sagen?“ Und niemand würde seine Hand heben. „Gut, wer ist es dann?“, würde ich fragen. „Heißt es [in der Verfassung] ‚Wir das Volk‘, oder ‚Wir der Konzern‘?“ In diesem Fall ist es klar, dass die Konzerne die Fäden ziehen. Die Leute werden von ihren Ständen weg geschubst, man sagt ihnen, sie dürfen keine Kameras dabei haben und dürfen sich den Kadavern [der am Öl verendeten Tiere] nicht nähern. Es ist wie, „Moment mal, ich dachte, wir wären in Amerika?“

Die Leute verbinden die Macht der Konzerne tatsächlich mit der Art, wie diese Katastrophe gehandhabt wird. Zuerst gab es die Ausnahmeregelungen und der Verzicht [auf Kontrolle], was BP gestattete, unzureichende Ausrüstung einzusetzen, die zu diesem Ölunfall geführt hat. Dann kam heraus, dass BP nicht ehrlich war, was und wie viel wirklich aus dem Bohrloch sprudelte – sie hatten seit einem Monat hoch aufgelöste Bilder, die sie der Regierung nie zukommen ließen. Deshalb haben sich die Leute hier unten gewundert, „Warum man es der Industrie überlässt zu sagen, wieviel Öl sie auslaufen ließ, wenn diese eine Strafe zu zahlen hat, welche von der Ölmenge, die sie auslaufen lässt, abhängt?“ Dann gibt es diese Art, mit der sie die Medien – und normale Leute mit Kameras – von der Küste, dem Wasser und den Kadavern ferngehalten haben. Was hier geschieht, ist ein Witz: Die Leute sehen die toten Tiere am Strand, oder sie sehen, wie sich diese in der Meeresströmung zu tausenden ansammeln, und sie wissen, dass diese nicht gezählt werden. Man droht den Leuten mit Arrest, allein schon, wenn sie sich nähern. Die Kadaver werden nicht zur Bemessung des Schadens aufgehoben, wie man es nach der Exxon-Valdez getan hat. Oder wenn Leute von Öl auf der Wasseroberfläche berichten, sehen sie nicht, dass es abgeschöpft oder gesammelt wird; sie kommen am nächsten Tag zurück und sehen diese verräterischen Blasen, wo Dispergiermittel versprüht wurden.

Die Leute haben angefangen zu fragen, „Wie konnte BP so viel Kontrolle erhalten? Warum wurde die Küstenwache als öffentliche Abschirmung gegen uns benutzt. Wer ist dafür verantwortlich?“

Die Konzerne haben wirklich gelernt, solche Situationen zu beherrschen. Sie hatten die Umweltbewegung nicht erwartet, die sich 1969 nach dem Bohrinsel-Unfall vor Santa Barbara entwickelte und die half, die Gesetzgebung, wie z.B. die Gesetze für saubere Luft und sauberes Wasser und das nationale Umweltgesetz, voran zu bringen. Aber seitdem haben sie immer besser gelernt, die Verschmutzung zu managen. Das ist wirklich der größte Unterschied, den ich zwischen der Exxon-Valdez und dem BP-Unfall gesehen habe: Die Konzerne wissen, was sie für ihre Zweck tun müssen, um die Regierung, die Leute und die Medien unter ihre Kontrolle zu bekommen. Sie waren damit sehr erfolgreich, und das sieht man.

Brooke: Gibt es aber eine Chance für einen Impuls zum Durchbruch, eine wirkliche Bewegung, um Konzerne zu kontrollieren, wenn der Unfall und seine Folgen den Einfluss der unkontrollierten Macht der Konzerne dermaßen hervorheben?

Riki: Ich habe festgestellt, dass die Leute dazu neigen sich zusammenzuschließen, um ihre Lebensweise zu verteidigen, wenn es zu einer Katastrophe wie dieser kommt. Die Grenzen zwischen den politischen Lagern fangen irgendwie zu wackeln an. Die Wirklichkeit verändert sich genau vor ihrer Nase wahnsinnig schnell und plötzlich funktioniert die Welt nicht mehr so, wie sie dachten. Es gibt eine Möglichkeit, diese Grenzen zu überwinden, die normalerweise sehr fest und eng und beständig sind und uns in Rot und Blau, in liberal und konservativ trennen.

Ein Beispiel, und es ist nur eines. Als ich in Fort Walton, Florida war, schrieben wir eine Petition, um die EPA (US-Umweltbehörde) mit der Befugnis auszustatten, Produkten, welche die Öffentlichkeit nicht wünscht, die Zulassung zu entziehen (zur Zeit kann die Zulassung nicht aberkannt werden und das macht es schwer, Unterstützung für ein Verbot des Dispergiermittels Corexit zu bekommen). Alle waren wild begeistert, einschließlich einiger Leute, die nach einer elektronischen Fassung fragten, damit sie diese in ihrem Netzwerk von 78 Tea-Party-Gruppen [linksallergische Klüngel und Sexualpraktik] im ganzen Bundesstaat Florida verbreiten können. Mich hat das fast umgehauen. Und die waren ebenso überrascht zu erfahren, wie viel wir gemeinsam haben – ich hatte Leute im Publikum, die anschließend erschrocken sagten, „Ich fühlte mich durch nichts von dem, was Sie erzählten, angegriffen“. Dann baten sie mich vorbeizukommen und einen Vortrag über die Entwicklung der Persönlichkeitsrechte von Firmen und den Niedergang der Demokratie zu halten. Gruppen in Tallahassee, Florida und Jackson, Mississippi haben gesagt, sie möchten bei „Move to Amend“ mitmachen, ein nationaler Zusammenschluss zur Änderung der US-Verfassung, die dafür sorgen soll, dass nur Menschen verfassungsmäßige Rechte haben und dass nicht lebende Konstrukte – oder wie ich sage, Fünftklässler [Schimpfwort], Dinge ohne Bauchnabel – diese nicht haben.

Ich denke, diese BP-Katastrophe hat der Bereitschaft der Leute, den Mythos zu akzeptieren, dass wir in einer funktionierenden Demokratie leben, einen Schlag versetzt, egal ob sie zu den Roten oder Blauen, zur Tea-Party oder zu sonst was gehören. Nach der Entscheidung (PDF, engl) [des Supreme Court vom 21.01.2010, die Firmen als Personen anerkennt] über die Klage von Citizens United [gegen die FEC (Bundeswahlbehörde)] sagten 80% der Amerikaner ungeachtet ihrer politischen Einstellung, dass sie denken, Firmen sollten nicht jene Rechte haben, welche Menschen besitzen. Doch nun wird es schmerzhaft klar, warum dies so wichtig ist.

Es sind bekanntlich die sozial Schwachen, welche die Bedrohung durch Firmen zuerst erkennen, da es sie zuerst betrifft – sie wissen, wen das Recht schützt, da sie es nicht sind. Wirklich verändert hat sich etwas für jene, die glaubten, die Regierung würde sich um sie kümmern und die Gesetze würden greifen, um sie zu schützen. Wortwörtlich erzählen sie nun das gleiche, das wir nach der Exxon-Valdez in Cordova gesagt haben: „Mir kommt es vor, als ob ein Film von meinen Augen weg gezogen wurde, und ich sehe nun, wie die Welt wirklich funktioniert.“ Ich höre genau dieselben Worte am Golf: „Mir kommt es so vor, als ob ein Schleier von meinen Gesicht gezogen wurde.“ Die Leute wachen nun auf und sie sind bereit, das Joch der Arbeit auf sich zu nehmen, die es braucht, um jenes Land zu schaffen, das wir zu haben glaubten.

Brooke: Was bedeutet dies in den Gemeinden, in denen sie an der Golfküste waren? Was unternehmen die Leute, um eine andere Art von Land zu schaffen.

Riki: Nun, viele von ihnen schließen sich dem Kampf an, die Macht der Konzerne zu begrenzen. Es geht aber um mehr als nur um eine Theorie und eine Verfassungsänderung durch zu bekommen – es geht auch darum, in unseren Gemeinden Demokratie zu praktizieren. Es wirklich zu tun. Die Vision aufbauen. Ich denke, viele von uns erkennen, was wir tun müssen, und deshalb müssen wir uns hinsetzen und Gemeinde für Gemeinde heraus finden, wie wir selbständiger sein und uns flexibler einrichten können. Eine Übergangsgemeinde werden, unsere Städte dazu bringen, das Kyoto-Protokoll zu unterzeichnen, jede einzelne unserer Gemeinden selbständiger machen. Energie aus der Gegend, Lebensmittel aus der Gegend, lokale Wasserversorgung, Gartenbau, Stärkung der Nachbarschaft, unsere Geschäftsbeziehungen mehr horizontal als vertikal ausbauen.

Stellen wir uns der Herausforderung: Konzerne werden versuchen, alles zu zerstören, was wir in der großen Politik aufgebaut haben. Doch wenn wir in unseren Gemeinden unterhalb der Auflösung ihres Radarschirmes agieren, können wir sehr viel tun. Die Menschen scheinen zu denken, Veränderungen finden immer woanders statt. In Wirklichkeit geht es um ihren Hinterhof. Demokratie ist voller Wirren, aber sie funktioniert tatsächlich, wenn wir uns hinsetzen und anfangen, einander zuzuhören. Und es gibt keine Entschuldigung, es nicht zu tun. Wir wollten Demokratie mit und für die Menschen, und das bedeutet, jeder muss sich aus seinem Sessel erheben und Demokratie lernen. Wenn viele etwas Anstrengendes tun, wird es leichter.

Nachbemerkung:

Ich habe diesen Text übersetzt, weil sich Riki Ott gegen eine Fehlentwicklung unserer Demokratien stark macht. Auch in Deutschland genießen juristische, also biologisch nicht lebende Personen, Persönlichkeitsrechte. Das stört mich schon seit Jahren. Dies führt zu einer Verschiebung des gesetzlich garantieren Schutzes zugunsten des Stärkeren. Das widerspricht rechtlichen Grundsätzen, wie sie z.B. im Straßenverkehr zur Anwendung kommen, wo der Schwächere den größeren Schutz genießt. In einer menschenwürdigen Gesellschaft sollte dies generell der Fall sein.

Eine juristische Person muss sich, wie ich woanders geschrieben habe, nicht die Zähne putzen. Die Definition von Prof. Riki Ott finde ich aber auch praktisch: sie hat keinen Bauchnabel. Im Gegensatz dazu müssen Menschen noch viel mehr, können krank werden und sogar sterben.

Persönlichkeitsrechte für juristische Personen hebeln Artikel 14 Abs. 2 GG aus. Unsere Gesetze schützen das Leben ebenso unzureichend, wie sie eher das unter dem Schutz des Privateigentums stehende Eigentum der Konzerne schützen. Ich kann mir allzu gut vorstellen, wie schnell man sich mit solchen Gedanken den Vorwurf einfängt, ein Kommunisten- und Sozialistenschwein zu sein.

Aber auch wir haben schon seit längerem einen Oilspill, wenn bei uns Menschen von den Nebenwirkungen unserer Lebensweise z.B. an MCS oder CFS erkranken. Und psychiatrisiert wird immer alles, was nicht sein darf. Die Parallelen sind auffällig und immer geht es um Öl und Produkte, die aus Öl hergestellt werden. Das ungesunde Zeug hätte man lieber in der Erde lassen sollen. Anzumerken bleibt auch, dass das Festhalten am Öl sinnvollere Innovationen verhindert.

Interview und Vorwort: Brooke Jarvis, 23. August 2010

Übersetzung und Nachbemerkung: BrunO

Brooke Jarvis interviewte Prof. Riki Ott für das Amerikanische Nonprofit ‚YES! Magazine‘. Der Originalartikel steht wie diese Übersetzung und unser Kommentar unter einer Creative Commons Lizenz.

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Allergie durch Auswirkungen von Ozon? Ozon erhöht die Allergenbelastung

Umweltbelastungen und Klimawandel wirken sich auch auf Allergien aus

Ozon wirkt auf Pollenallergene: Bei einer für den photochemischen Smog typischen Ozonkonzentration entwickeln sich in Pollen vermehrt Allergene. Diese in Roggen nachgewiesene Beziehung wird in der renommierten medizinischen Fachzeitschrift Journal of Allergy Clinical Immunology publiziert. Das vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützte Projekt zeigt, dass bei erhöhter Ozonkonzentration während der Reifung sowohl der Proteingehalt als auch der Allergengehalt von Roggenpollen ansteigt. Damit deutet sich ein Zusammenhang zwischen aktuellen Umweltproblemen und der Zunahme von Allergien an.

Ozon ist in aller Munde, vor allem während des photochemischen Smogs, der die Großstädte weltweit in den Sommermonaten belastet. Neben der Umweltverschmutz- ung trägt auch der Klimawandel zu dessen immer häufigerem Auftreten bei. Das allein stellt schon ein großes gesundheitliches Problem dar, doch seit Kurzem gibt es zusätzliche Hinweise darauf, dass erhöhte Ozonkonzentrationen den Gehalt an Allergenen in Pollen ansteigen lassen. Ein Wissenschaftlerteam der Medizinischen Universität Wien und des Austrian Institute of Technology hat nach den Gründen für dieses Phänomen gesucht.

Ozon stimuliert Roggen

Ein Wissenschaftlerteam unter Leitung von Prof. Rudolf Valenta vom Zentrum für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie der Medizinischen Universität Wien kultivierte für seine Untersuchungen zwei verschiedene Sorten von Roggenpflanzen unter kontrollierten Umweltbedingungen. Dabei wurde für eine Gruppe der Pflanzen die Ozonkonzentration der Luft zeitweise auf 79 parts per billion (ppb) erhöht. Dieser Wert liegt mehr als dreifach über der normalen Ozonkonzentration in Bodennähe, die ca. 22 ppb beträgt, und entspricht damit den gesundheitskritischen Spitzenwerten, die an heißen Tagen in Wien auftreten. Zum späteren Vergleich mit denjenigen Pflanzen, die hohem Ozon ausgesetzt waren, wuchs eine Kontrollgruppe ausschließlich bei normalen Ozonwerten heran.

Nach Reifung der Pollen wurden diese geerntet und für die weiteren Untersuchungen gesammelt. Die dabei gefundenen Ergebnisse waren von überzeugender Klarheit, wie Prof. Valenta erläutert:

„Als Erstes waren wir in der Lage zu zeigen, dass bei den Pollen beider Roggensorten die Ozonbelastung einen deutlichen Anstieg des Proteingehalts zur Folge hatte. Weitere Analysen zeigten dann, dass zu diesem Anstieg Allergene der sogenannten Klassen 1, 5 und 6 sowie ein weiteres Allergen, das Profilin, beitragen. Auch in der zweiten Roggensorte führte erhöhte Ozonkonzentration bei der Pollenreifung zu einem starken Anstieg der Gruppe 1-Allergene und Profilin.“

Bedeutet Allergen gleich Allergie?

Dieses Ergebnis alleine würde schon zeigen, dass eine erhöhte Ozonkonzentration das Allergiepotenzial von bestimmten Gräsern steigern kann. Jedoch „mehr Allergene“ bedeutet nicht unbedingt auch „mehr Allergien“. Für Prof. Valenta und sein Team war klar, dass potenzielle Allergene nicht immer vom Immunsystem erkannt werden und somit auch nicht immer einen Anstieg von Allergien auslösen. „Eine Studie aus dem Jahr 2007 zeigt, dass Ozon sogar die Allergenität von Roggenallergenen senken kann, fügt Prof. Valenta an. Es mag also noch mehr Allergene geben, als unsere Arbeit zeigt, doch ob diese mit den für Allergien verantwortlichen IgE-Antikörpern des Menschen reagieren und damit Allergien auslösen können, war zunächst unklar.“

Ein weiteres Experiment brachte jedoch auch zu dieser Frage rasch eine klare Antwort: Proteinextrakte der beiden Roggensorten wurden mit IgE-Antikörpern von allergischen Patienten inkubiert. Dabei zeigte sich, dass die Proteinextrakte der durch Ozon gestressten Pflanzen stärker mit den für die Entstehung von Allergien relevanten IgE-Antikörpern reagieren, als die Kontrollpflanzen. Was bedeutet, dass die mit Ozon exponierten Roggenpollen ein stärkeres allergenes Potential besitzen.

Folglich gelang es dem Team von Prof. Valenta, Dr. Thomas Reichenauer und Prof. Verena Niederberger in diesem vom FWF geförderten Projekt, eindeutig zu demonstrieren, dass Umweltprobleme, wie steigende Ozonkonzentrationen in Bodennähe, mitverantwortlich sein können für die ständige Zunahme von allergisch bedingten Erkrankungen in unserer Gesellschaft in den letzten Jahren.

Literatur:

Exposure of rye (Secale cereale) cultivars to elevated ozone levels increases the allergen content in pollen, J. Eckl-Dorna, B. Klein, T.G. Reichenauer, V. Niederberger, R. Valenta, J Allergy Clin Immunol. doi:10.1016/j.jaci.2010.06.012

Photo Nr.2: Monika Grote

Übersetzung: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network

Pestizide: Gefahr für Umwelt und Gesundheit – oder Hysterie?

Umweltorganisationen und Verbraucherschützer kritisieren die kontinuierlich zunehmende Anwendung von Pestiziden in der Landwirtschaft. Lt. einem 2007 veröffentlichten Bericht des BUND für Umwelt und Naturschutz werden in Deutschland mehr als 30000 Tonnen Pestizide jährlich auf unsere Äcker, Obstplantagen und Weinberge ausgebracht, mit weitreichenden Folgen für Natur und Umwelt, aber auch für die Gesundheit der Verbraucher. Das durch das Insektizid Clothianidin der Firma Bayer CropScience 2008 stattgefundene Massensterben der Bienen belegt die gravierenden Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf das Ökosystem. Als bedenklich ist die Tatsache anzusehen, dass Rückstände von Pestiziden in unser Grundwasser und in die Nahrungskette gelangen.

Zunahme gefährlicher Agrargifte

Im Februar dieses Jahres veröffentlichte Greenpeace eine Neuauflage der Schwarzen Liste der gefährlichsten in der konventionellen Agrarwirtschaft eingesetzten Pestizide, die auf ihre Schädlichkeit für Umwelt und Gesundheit neu bewertet wurden. Lt. Greenpeace können viele Pflanzenschutzmittel Krebs erregen, in den Hormonhaushalt eingreifen, das Immunsystem schädigen und die Fruchtbarkeit beeinträchtigen sowie neurotoxisch wirken. Manfred Santen, Chemieexperte von Greenpeace führt an, dass nicht nur der Verzehr von pestizidbelasteten Lebensmitteln Gesundheitsrisiken birgt, sondern ebenso die Anwendung der Agrargifte. Manfred Santen fordert von Politik und Wirtschaft den Einsatz der für Umwelt und Gesundheit gefährlichen Pestizide zu stoppen. Seit der 2008 veröffentlichten Schwarzen Liste gefährlicher Pestizide ist ein Anstieg der besonders schädlichen Agrarchemikalien zu verzeichnen, die Zahl habe sich seither von 327 auf 451 erhöht.

Abnahme der Rückstände einzelner Pestizide – Tendenz zum Giftcocktail

Greenpeace berichtet über allgemein abnehmende Pestizidrückstände in Obst und Gemüse seit 2007. Allerdings bedeutet dies keine Entwarnung, denn der aktuelle Trend verläuft dahingehend, hohe Konzentrationen einzelner Pestizide durch geringere Mengen unterschiedlicher Pestizide zu ersetzen, um die gesetzlichen Grenzwerte einzuhalten. Daraus ergeben sich gefährliche Giftcocktails, deren tatsächliche Wirkung auf Umwelt und Gesundheit nicht abschätzbar ist, da keine wissenschaftlichen Studien existieren. Daher fordert Greenpeace die Einführung eines Grenzwerts für Mehrfach-Rückstände.

Erst kürzlich hat Greenpeace Strauchbeeren auf Pestizidrückstände in Speziallabors untersuchen lassen. In Johannisbeeren wurden reinste Giftcocktails nachgewiesen, durchschnittlich sechs verschiedene Wirkstoffe, auch wurden in zwei Proben zwei in der EU nicht zugelassene Substanzen gefunden. Greenpeace bezieht bei der Auswertung der Untersuchungsergebnisse die Summenwirkung der Agrargifte mit ein. Manfred Santen erläutert, dass beim 2006 durchgeführten Beerentest pro Probe durchschnittlich „nur“ drei Pestizide festgestellt wurden.

In einer Pressemeldung der Universität Oldenburg vom April 2008 äußerst die Biochemikerin Prof. Dr. Irene Witte zu Grenzwerten von Pestiziden Folgendes:

Forderung nach Grenzwerten

Toxische Kombinationswirkungen: keine Entwarnung

Keine Entwarnung in der Diskussion um toxische Kombinationswirkungen“ – diesen Schluss zieht die Biochemikerin Prof. Dr. Irene Witte aus den inzwischen abgeschlossenen Forschungsarbeiten des Graduiertenkollegs Toxische Kombinations- wirkungen. Das von der Hans Böckler Stiftung finanzierte Kolleg an den Universitäten Oldenburg und Bremen, deren Sprecherin Witte war, lief von 2002 bis 2006. Im BIS-Verlag ist eine Zusammenfassung der wichtigsten Forschungsergebnisse erschienen.

Das Problem: Synthetisierte Substanzen werden von der Industrie in immer neuen Verhältnissen und Kompositionen zusammengemischt, ohne dass die Wirkung für Mensch und Umwelt geklärt ist. So sind heute rund 20.000 unterschiedliche Pestizidpräparate auf dem Markt, denen 800 Wirkstoffe zugrunde liegen. Und es werden immer mehr.

Die Folge: Die Anzahl der nachgewiesenen Pestizide in Obst und Gemüse steigt Jahr für Jahr, was jedoch in Ermangelung an „Kombinationsgrenzwerten“ ohne Folgen bleibt. Dem „sorglosen Umgang mit dem Mixen von Chemikalien“ müsse Einhalt geboten werden, so Witte. Der Gesetzgeber sei gefragt, um Grenzwerte zu setzen und die Möglichkeit der Herstellung von Gemischen einzuschränken.

Pestizide sind Dauergifte, die das Krebsrisiko signifikant erhöhen

Auf globaler Ebene beurteilen viele Wissenschaftler und Umweltorganisationen die möglichen Folgen des permanent ansteigenden Einsatzes von Pestiziden für Umwelt und Gesundheit als dramatisch. Greenpeace gibt bereits 2003 zu bedenken, dass die Auswirkung der weltweit über 5000 angewandten Spritzmittel ein nicht zu unterschätzendes Risiko darstellt. Mögliche Wechselwirkungen der zahlreichen Gifte seien völlig unzureichend untersucht. Toxikologen erachten bereits die damals existierenden Grenzwerte als unzureichend. Greenpeace zufolge gelten Pestizide als Hauptursache für akute wie auch schleichende Vergiftungen. Viele Pestizide sind Dauergifte, die sich persistent in der Umwelt anreichern. Mediziner teilen Pestiziden bereits 1999 auf dem Krebskongress in Lugano die Eigenschaft zu, bestimmte Krebsarten zu fördern.

Britische Studien kommen ebenso zu besorgniserregenden Resultaten. Lt. einer aktuellen Veröffentlichung von Chem Trust wird ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von Krebs im Kindesalter mit Pestizidexpositionen von Schwangeren in Zusammenhang gebracht. Britische Wissenschaftler stellen fest, dass die bei Landwirten nachgewiesenen zunehmenden Krebsraten Pflanzenschutzmitteln anzurechnen sind. Innerhalb der letzten 30 Jahre haben sich verschiedene Krebsarten der britischen Bevölkerung drastisch vervielfacht.

Der Cancer Panel Bericht des US-Präsidenten erörtert, dass gerade Kinder einem erhöhten Gesundheitsrisiko hinsichtlich der Entstehung von Krebs und weiteren chronischen Krankheiten durch die Belastung an Pestiziden ausgesetzt sind. Die Leukämieraten bei Kindern, die auf Farmen aufwachsen, sind demnach durchweg erhöht. Den Ausführungen des Obama Cancer Panel zufolge unterliegen Farmer einem signifikant verstärkten Prostatakrebsrisiko.

Risiko oder nur falsche Wahrnehmung?

Im September 2008 wurden Grenzwerte für Pestizide in der EU vereinheitlicht und zum Teil erheblich angehoben. Greenpeace und PAN Germany bewerten die festgelegten Höchstgrenzen, die per Juni 2010 teilweise wieder reduziert wurden, weiterhin als akut gesundheitsgefährdend, besonders die mögliche Kombinationswirkung verschiedener Pestizidwirkstoffe.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit:

Neue Vorschriften über Pestizidrückstände: Verbesserung der Lebensmittelsicherheit in der EU

Ein klares System zur Festlegung von Rückstandshöchstgehalten…Die in Lebensmitteln enthaltenen Rückstandsmengen dürfen keine Gefahr für die Verbraucher darstellen.

Die neuen Vorschriften gewährleisten die Sicherheit aller Verbraucher- gruppen, einschließlich Säuglingen, Kindern und Vegetariern. Die EFSA ist für die Sicherheitsbewertung zuständig, wobei sie sich auf die Eigenschaften des Pestizids, die zu erwartenden Höchstgehalte in Lebensmitteln und die unterschiedlichen Essgewohnheiten der europäischen Verbraucher stützt.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung BfR veröffentlicht eine umfangreiche Studie zur Wahrnehmung von Pflanzenschutzmittelrückständen in Lebensmitteln.

Ziel der Studie war es, detaillierte Informationen über die Wahrnehmung und das Informationsverhalten der Bevölkerung zum Thema Pflanzen- schutzmittel zu erheben. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Informationen über Pflanzenschutzmittel bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht ankommen. Die Folge sind Fehleinschätzungen über die Verwendung und die gesetzliche Regulierung von Pflanzen- schutzmitteln: „Fast 70 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass Lebensmittel gar keine Rückstände von Pflanzenschutzmitteln enthalten dürfen“, sagt Professor Dr. Dr. Andreas Hensel, Präsident des BfR. „In der Bevölkerung ist nicht bekannt, dass Rückstände in geringen Mengen erlaubt sind, wenn sie gesundheitlich unbedenklich sind.“ Das BfR wird die Ergebnisse der Studie verwenden, um Verbraucherinnen und Verbraucher gezielter über Nutzen und Risiken von Pflanzenschutzmitteln zu informieren.

… Die gesetzlichen Höchstgehalte stellen sicher, dass von Pflanzen- schutzmittelrückständen in Lebensmitteln kein gesundheitliches Risiko für Verbraucherinnen und Verbraucher ausgeht. Die Fehleinschätzung der Verbraucher trägt dazu bei, dass Pestizidrückstände als Gesundheitsrisiko wahrgenommen werden. Medien greifen diesen Sachverhalt auf und verstärken diese Wahrnehmung in der Bevölkerung möglicherweise.

Zwei Fliegen mit einer Klappe

Der regelmäßige Verzehr von Obst und Gemüse wird allgemein mit gesunder Ernährung assoziiert. Um der eigenen Gesundheit auch tatsächlich etwas Gutes zu tun, ist es empfehlenswert, zu biologisch erzeugtem und saisonalem Obst und Gemüse zu greifen. Mit diesem Kaufentscheid kann man die Angebotsvielfalt an knackigem Obst und Gemüse ohne Reue genießen. Bio-Ware ist frei von Rückständen von in Verruf geratenen gesundheitsschädigenden synthetischen chemischen Pestiziden. Als Nebeneffekt leistet man somit einen nachhaltigen Beitrag zum Umwelt- und Artenschutz. Nachfrage regelt bekanntlich das Angebot, so dass jeder von uns einen entscheidenden Beitrag für die eigene Gesundheit und eine nachhaltige Umwelt leisten kann.

Autor: Maria Herzger, CSN – Chemical Sensitivity

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Klage soll das Verbot von BPA erzwingen

Der NRDC verklagt die Amerikanische Lebens- und Arzneimittelbehörde (FDA) wegen dem Versagen, für eine giftige Chemikalie Vorschriften einzuführen

WASHINGTON – Der Natural Resources Defense Council (NRDC), der Rat zum Schutz natürlicher Ressourcen, reichte gegen die Lebens- und Arzneimittelbehörde eine Klage ein, weil diese nicht in der Lage ist, auf eine Petition zu reagieren, welche ein Verbot für die Verwendung von Bisphenol A (BPA) in Lebensmittelverpackungen, Lebensmittelbehältern und anderen Materialien fordert, die gewöhnlich mit Lebensmitteln in Kontakt kommen. BPA, eine den Hormonhaushalt störende Chemikalie, die mit schwerwiegenden Gesundheitsproblemen in Zusammenhang steht, stellt für Föten, Babies und Kleinkinder eine besondere Gefahr dar. Der NRDC reichte diese Klage am 29.06.2010 beim Amerikanischen Berufungsgericht ein, das für die Bezirksgerichte zuständig ist.

Im Oktober 2008 ersuchte der NRDC die FDA, die Verwendung vom BPA in Lebensmittelverpackungen zu verbieten, um zu verhindern, dass diese giftige Chemikalie Lebensmittel kontaminiert. Seit mehr als 18 Monaten war die FDA nicht in der Lage, auf diese Eingabe zu reagieren, obwohl die Behörde ihre Besorgnis zum Ausdruck brachte, da eine frühe BPA-Belastung die Entwicklung von Gehirn und Prostata von Föten, Babies und Kleinkindern beeinflusst.

BPA ist in sehr vielen Produkten vorhanden, von der Beschichtung der Dosen von Säuglingsmilchnahrung, über Limonade- oder Bierdosen, Obst- oder Gemüsekonserven und Pizza-Schachteln bis hin zu aus Polycarbonat hergestellten Haushaltsgegenständen, wie Babyfläschchen, Trinktassen und wiederverwendbare Wasserflaschen. Mehr als 93% der Gesamtbevölkerung hat mehr oder weniger BPA im Körper, hauptsächlich aufgrund der Belastung, die von kontaminierten Lebensmitteln und anderen vermeidbaren Quellen ausgeht.

„BPA-freie Alternativen sind längst auf dem Markt verfügbar. Die FDA hat keinen triftigen Grund, das Verbot weiter hinauszuzögern“, sagte Dr. Sarah Janssen, eine führende Wissenschaftlerin des Umwelt- und Gesundheitsprogrammes des NRDC. „Es ist schlimm, dass Lebensmittel für die meisten Menschen die Hauptquelle der BPA-Belastung sind. Die FDA sollte jetzt handeln, um dieses unnötige Risiko zu eliminieren.“

Ein ständig wachsender Bestand an wissenschaftlicher Forschung hat eine BPA-Belastung mit einer gestörten Entwicklung des Gehirnes und mit Verhaltensänderungen, mit Anfälligkeit für Prostata- und Brustkrebs, Erbschädigung, Diabetes, Fettleibigkeit, Herz- und Gefäßerkrankungen in Zusammenhang gebracht.

„Die FDA hat versagt, eine gesunde Nahrungsversorgung sicherzustellen und die Bevölkerung vor Schaden zu bewahren“, sagte Aaron Colangelo, ein Anwalt von NRDC. „Das Versagen der FDA, Vorschriften für diese Chemikalie in Lebensmittelverpackungen zu erlassen, kann nicht gerechtfertigt werden, und deshalb sind wir gezwungen, das Gericht zu bitten einzugreifen und die Behörde anzuweisen, zu handeln.“

Literatur:

NRDC, Natural Resources Defense Council, Release – Lawsuit Seeks to Ban BPA from Food Packaging, WASHINGTON, June 29, 2010.

Übersetzung: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network

Der Natural Resources Defense Council ist eine gesamtamerikanische, gemeinnützige Organisation von Wissenschaftlern, Rechtsanwälten und Umweltfachleuten, die sich mit dem Schutz von Gesundheit und Umwelt befassen. 1970 gegründet, hat der NRDC 1,3 Millionen Mitglieder und Online-Aktivisten, mit Büros in New York, Washington, Chicago, Los Angeles, San Francisco und Peking.

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EP-Umweltausschuss für strikte Regeln bei Bioziden

Besserer Schutz für Verbraucher und Umwelt

Künftig wird es EU-weite Mindeststandards für die Zulassung von so genannten Bioziden geben. Der Umweltausschuss des Europaparlaments hat sich heute in erster Lesung für eine entsprechende EU-Verordnung ausgesprochen. Biozide werden hauptsächlich im Hygiene- und Reinigungsbereich angewandt und schützen vor Bakterien, Ungeziefer, Insekten, Vorratsschädlingen und Mäusen oder Ratten. Biozide finden aber auch in der Industrie Verwendung, etwa wenn Autolacke versiegelt oder Möbel behandelt werden.

Ein breiter Konsens besteht bei der so genanntes „Trittbrettfahrerproblematik“. Hier wird bei dem Zugang zu dem für die Registrierung erforderlichen Wirkstoffdossier sichergestellt, dass es bei der Produktzulassung keine Marktmonopole und keine Wettbewerbsverzerrungen gibt. Um unnötige Tierversuche zu vermeiden, soll europaweit ein Datenaustausch erfolgen.

Produkte wie etwa Möbel und Stoffe dürfen zukünftig nur mit in der EU zugelassenen Bioziden behandelt sein und sind entsprechend zu kennzeichnen. „Aus diesem Grund ist die EU-weite Produktzulassung so wichtig, die sicherstellt, dass überall dieselben Produktanforderungen gelten. In diesem Fall konnte sich die EVP-Fraktion mit ihrer Forderung vollständig durchsetzen,“ so der Europaabgeordnete Dr. Horst Schnellhardt (EVP/CDU).

Die Plenarabstimmung wird voraussichtlich im September stattfinden. Eine Einigung zwischen Europäischem Parlament und Rat ist im kommenden Frühjahr denkbar.

Literatur: Europäisches Parlament, Dr. Horst Schnellhardt, EP-Umweltausschuss für strikte Regeln bei Bioziden, Dienstag, 22. Juni 2010

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Umweltorganisationen in Kanada fordern: Unnötige Autoabgase und Parfüm vermeiden

Umwelt- und Automobilorganisationen setzen sich gemeinsam für Luftreinhaltung ein

Die kanadische MCS-Aktivistin Lynn staunte nicht schlecht, als sie dieses riesengroße Schild in Edmonton sah, auf dem auf der einen Hälfte ein Hinweis stand, wie man unnötig Autoabgase vermeiden solle:

„Es gibt eine gute Möglichkeit unsere Luftqualität zu verbessern.

Du hast den Schlüssel dazu in der Hand. Lasse den Motor nicht laufen.“

Auf der anderen Seite des Schildes stand der Hinweis „Limit your Perfume – Edmonton “, der bedeutet, dass man sich in Edmonton mit der Benutzung von Parfüm zurückhalten solle.

Das Hinweisschild hatten mehrere Umweltorganisationen und ein großer Automobilclub gemeinsam gesponsert. Ihre Initiative hatte das Ziel, die Luft für alle Stadtbewohner von Edmonton zu verbessern. In Kanada nimmt man die Problematik, die sich durch Duftstoffe für die Luftqualität ergeben, sehr ernst. Halifax bspw. war die erste Stadt weltweit, die die Benutzung von Duftstoffen in der Öffentlichkeit verboten hat.

Autor: CSN – Chemical Sensitivity Network, 17. Juli 2010

Photo: Vielen Dank an Lynn Argent, Living in a Chemical Soup!

Weitere CSN Informationen: Gesundheitsgefahren durch Duftstoffe und Parfüms

Ölpest… und weiter spuckt das Ungeheuer

Ölpest… und weiter spuckt das Ungeheuer

Noch grün und frisch das Schilf am Meeresstrand,

Mangrovenwälder schützen manch Getier,

Fische tummeln sich im Wurzeldschungel –

ist nicht herrlich die Natur?

Da schwimmt leise ein Pelikan daher

mit unbekannten Federkleid.

Er putzt und putzt, was ihn einst schützte,

schon lähmt ihn DAS,

was des Menschen Wirtschaft schmiert.

Die Fischer fangen nicht mehr Fische,

sammeln ein den Tod vom Strand,

bevor das Gift kriecht auch in ihren Adern,

schleichend sterben sie auch dann.

Und weiter spuckt und kotzt das Ungeheuer,

das BP weckte am Meeresgrund.

Entsetzen, aufgeriss’ne Augen,

doch weiter geh’n Flüge und Verkehr.

Profit muss ständig sprudeln,

der Mensch nicht Willens zur Gegenwehr.

Wir haben nur diese eine Erde,

die Menschen eine blinde Herde,

folgend dem falschen Hirtenruf:

„Wollt ihr den totalen globalen Krieg

gegen Mutter Erde?“

Noch stürzend hinab, sterbend ihr Schrei:

„Jawohl, den wollen wir –

wenn wir auch krepieren dabei.“

Autor des Gedichtes: Gehard Becker, CSN-Chemical Sensitivity Network, 12. Juni 2010

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