Archiv der Kategorie ‘Behörden reagieren‘

Fichten in 5 Jahren ausgestorben

Virus rottet einheimische Fichten aus

Stuttgart – Laut bisher unveröffentlichten Unterlagen des Frauenhofer Forschungsinstitut für Flora und Fauna (IFF) konnte offensichtlich nachgewiesen werden, dass einheimische Fichten nur noch wenige Jahre bestehen werden.

Die unter strengem Verschluss gehaltenen Unterlagen, welche von einer Umweltschutz- organisation in der Nacht zum Donnerstag aus dem Institut entwendet wurden, bestätigen wohl, dass die in Mitteleuropa heimische „Gemeine Fichte“ mit der botanischen Bezeichnung „Picea abies“ aufgrund einer Virusinfektion im besten Falle nur noch 5 Jahre bestehen wird. Weiter geben diese Schriften offensichtlich an, dass sich der Virus auf genmanipuliertem Mais gebildet haben muss, der mit Dieselabgasen kontaminiert wurde. Die Übertragung auf die Nadelbäume soll über den Wind stattgefunden haben. Das Virus mit der vielsagenden Bezeichnung „e10-k0“, von den Wissenschaftlern auch als „Pinekiller“ betitelt, zersetzt die lebenden Wurzeln und lässt den Baum somit von der Basis aus absterben. Das Frauenhofer Forschungsinstitut für Flora und Fauna verweigerte bis dato jegliche Aussage, bestätigte aber, dass in der angesprochenen Nacht in das Institut eingebrochen wurde. Vom Bundesministerium für Forst, Wald und Ackerwirtschaft (BFWA) wird ebenso jegliche Aussage verweigert. [94Pu]

Quelle: Böhmersheimer Allgemeine Zeitung, In 5 Jahren ausgestorben, 01.04.2011

Update:

April, April ;)

Kein Aprilscherz: Bundesregierung subventioniert ab dem 1. April Dieselstinker

Durchschnittlich 25 Euro Steuernachlass für ungefilterte Diesel-Pkw pro Jahr trotz gegenteiliger Beteuerungen aus dem Bundesumweltministerium – Norbert Röttgen zieht gegen Betonfraktion aus CDU/CSU und Autolobby den Kürzeren – Deutsche Umwelthilfe fordert neue Malussteuer für alle ungefilterten Dieselfahrzeuge – Einnahmen vollständig für die Förderung der Partikelfilternachrüstung verwenden

Es klingt wie ein schlechter Aprilscherz: Zum 1. April senkt die Bundesregierung die Kfz-Steuer ausgerechnet und ausschließlich für gesundheitsgefährdende Diesel-Pkw ohne Partikelfilter. Die Bundesregierung wickelt trotz zunehmender Proteste der Bürger gegen ihre falsche Energie- und Klimaschutzpolitik damit nun auch die Luftreinhaltepolitik der letzten zwanzig Jahre ab: Eine seit 2006 geltende Malussteuer in Höhe von 1,20 Euro pro 100 cm³ Hubraum für Dieselstinker läuft ersatzlos aus – trotz gegenteiliger Beteuerungen von Bundesumweltminister Norbert Röttgen, der mehrfach angekündigt hatte, sich für eine Verlängerung der Malusregelung über den 1. April 2011 hinaus einzusetzen. Damit konnte sich Röttgen einmal mehr nicht gegen seinen Parteifreund, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sowie Teilen der CDU/CSU Fraktion durchsetzen.

Mit der aktuellen Entscheidung verabschiedet sich die schwarz-gelbe Koalition komplett von ihrem Anspruch das schwerwiegendste Luftreinhalteproblem in Deutschland einzudämmen. Denn schon zum Jahreswechsel hatte die Bundesregierung die finanzielle Förderung der Nachrüstung von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen mit Dieselpartikelminderungssystemen eingestellt. Mit dem doppelten Wegfall von Nachrüstförderung und Strafsteuer für Dieselstinker entzieht die Bundesregierung den von Feinstaub und NOx geplagten Ländern und Kommunen das wichtigste Instrument zur Einhaltung der EU-Luftreinhalterichtlinie. Stattdessen setzt die Koalition absurderweise finanzielle Anreize für den Kauf ungefilterter Diesel-Pkw.

„Diese faktische Steuersubvention für ungefilterte Dieselstinker ist so als würde man die Tabaksteuer für ungefilterte Zigaretten streichen. Norbert Röttgen wickelt unter dem Druck der Hardliner seiner Partei, des ADAC und der Autoindustrie die seit zwanzig Jahren parteiübergreifend praktizierte Luftreinhaltepolitik seiner Vorgänger ab“, sagte der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH), Jürgen Resch. Er erinnerte daran, dass es stets ein erfolgreich praktiziertes Lenkungsinstrument bei der Luftreinhaltung in Deutschland war, schmutzige Motoren über die Kfz-Steuer zu belasten, und im Gegenzug mit den Mehreinnahmen Nachrüstungen zu fördern oder saubere Neufahrzeuge zu begünstigen. Resch: „Es ist eine Premiere: Unter dieser Bundesregierung wird erstmals die Steuer für besonders schmutzige Fahrzeuge gesenkt.“

Die „Rückabwicklung der Luftreinhaltepolitik“ gehe zu Lasten der Gesundheit der von Feinstaubbelastungen besonders betroffenen Millionen Menschen, die an verkehrsreichen Straßen in den deutschen Ballungsräumen wohnen. Völlig unverständlich werde die Kehrtwende der Bundesregierung, weil die EU-Kommission empfindliche Strafzahlungen gegen Mitgliedstaaten angekündigt habe, die die geltenden Grenzwerte der Feinstaubbelastung weiter überschreiten. Davon seien auch zahlreiche deutsche Kommunen betroffen. Während sich dutzende von Städten bemühen, mit der Einrichtung von Umweltzonen und anderen verkehrspolitischen Maßnahmen die Belastung einzudämmen und die Gesundheit ihrer Bürgerinnen und Bürger zu schützen, lässt die Bundesregierung jegliche Form der Unterstützung auslaufen. „Bei den Verhandlungen mit Brüssel über die Höhe von Strafzahlungen dürfte es der Bundesregierung und insbesondere Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble schwerfallen, das kontraproduktive Vorgehen zu begründen“, erklärte Resch.

Die DUH hatte im letzten Jahr wiederholt moniert, dass die zwischen 2006 und 2010 mit der Malussteuer eingenommenen Mittel nicht wie vorgesehen für Gesundheits- und Klimaschutz eingesetzt wurden, sondern zur Hälfte der Haushaltssanierung zugeführt worden waren. Zum Jahresende 2010 stellte die Bundesregierung dann die Förderung der Nachrüstung von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen mit Dieselrußfiltern ganz ein. „Bis Ende 2010 wurden nicht wie versprochen 1,5 bis 2 Millionen Dieselfahrzeuge mit Partikelfilter nachgerüstet, sondern nur weniger als die Hälfte. Auch deshalb ist die Verbesserung der Luftqualität in den Umweltzonen nicht so vorangekommen wie ursprünglich erhofft. Die DUH fordert eine neue Malusbesteuerung für alle ungefilterte Diesel-Pkw und Nutzfahrzeuge“, so Resch.

Dieselruß verursacht Atemwegs- und Herz-Kreislauferkrankungen. Allein in Deutschland sterben nach Erhebungen der Weltgesundheitsorganisation WHO jährlich etwa 70.000, in der EU insgesamt eine halbe Million Menschen vorzeitig infolge von Feinstaubbelastungen. Daneben verstärken Dieselruß-Emissionen auf der Nordhalbkugel auch den Klimawandel, weil sie sich insbesondere auf dem arktischen Eis und den Hochgebirgsgletschern als „Grauschleier“ niederschlagen und so die Eisschmelze beschleunigen.

Autor: Deutsche Umwelthilfe e.V., Berlin, 30. März 2011

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Die Gefahr durch Strahlung wird immer herunter gespielt

Radioaktivität, kein Problem?

Sprecher der Regierung behaupten alle Nase lang, es bestünde „keine Gefahr“ durch die Strahlung, welche aus Japan in den USA ankommt, genauso wie sie es getan haben, als das Öl in den Golf von Mexiko gesuppt ist. Vielleicht sollten wir alle die Melodie von Bobby McFerrins „Don’t worry, be happy“ im Chor pfeifen. Ein detaillierter Blick in die Wissenschaften erbittet jedoch, eine „zweite Meinung“ zur Kenntnis zu nehmen.

Dass die Strahlung 8.000 Kilometer entfernt frei gesetzt wird, ist weniger beruhigend, als es scheint. Die japanischen Reaktoren enthalten etwa tausendmal mehr Strahlung als die Bomben, die über Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden. (1) Täglich transportieren die Jetstreams in den oberen Atmosphärenschichten Schadstoffe aus Schornsteinen in Asien und Staub aus der Wüste Gobi an unsere Westküste. dies macht je nach Jahreszeit 10 bis 60 Prozent der Gesamtbelastung aus, die von Kaliforniern eingeatmet wird. Quecksilber ist wahrscheinlich nach Plutonium die als am zweitgiftigsten bekannte Substanz. Die Hälfte des gesamten Quecksilbers in der Atmosphäre über den Vereinigten Staaten stammt auch China. Dieses liegt ebenfalls 8.000 Kilometer weit weg. Eine Woche nach einem Atomwaffentest in China konnte Jod-131 in den Schilddrüsen von Rotwild in Colorado nachgewiesen werden, obwohl man es nicht in der Luft oder in den Pflanzen der Umgebung fand.(2)

Die Vorstellung, dass es einen Grenzwert oder eine für die menschliche Gesundheit unbedenkliche Strahlenbelastung gäbe, ist seit den 50’er Jahren nicht aufrecht zu erhalten, als Studien nachwiesen, dass eine einzige Röntgenuntersuchung des Beckens einer Schwangeren das Risiko des bestrahlten Babys, an Kinderleukämie zu erkranken, verdoppeln kann.(3) Darüber hinaus ist das Risiko zehnmal größer, wenn diese Untersuchung in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten anstatt gegen Ende der Schwangerschaft stattfindet. Dies wurde die Grundlage, um zu verstehen, dass die Dauer einer Belastung viel entscheidender als deren Höhe ist. Je früher eine Strahlenbelastung in der embryonalen Entwicklung stattfindet, desto größer ist das Risiko.

Ein neues medizinisches Konzept namens „fötale Entstehung von Erkrankungen“ bildete sich heraus, das von der neueren Forschung zunehmend bestätigt wird. Es rückt die Tatsache in den Vordergrund, dass eine Vielzahl chronischer Erkrankungen einschließlich Krebs häufig in den ersten frühen Wochen nach der Empfängnis entsteht, wenn negative Umwelteinflüsse die normale embryonale Entwicklung stören. Es ist mittlerweile ein anerkannter medizinischer Ratschlag, dass Schwangere, insbesondere in den ersten drei Monaten, jegliche noch so geringe Belastung durch Röntgenstrahlung, Medikamente oder Chemikalien vermeiden sollten, sofern diese nicht absolut notwendig ist.

„Epigenetik“ ist auf dem Gebiet der fötalen Entstehung von Krankheiten ein wesentlicher Begriff. Sie befasst sich mit chemischen Substanzen, die sich an Gene heften und diese dysfunktional an und aus schalten und eine ähnlich schädliche Wirkung wie zerstörte Genverbindungen haben. Epigenetische Veränderungen können von unvorstellbar kleinen Dosen hervorgerufen werden, Parts per Trillion (ppt/1:1 000 000 000 000/pico~), seien es Chemikalien, Luftverschmutzung, Zigarettenqualm oder Strahlung. Des Weiteren können diese epigenetischen Veränderungen innerhalb von Minuten nach der Belastung auftreten und an Folgegenerationen weitergegeben werden. (4)(5)(6)

The Endocrine Society, eine Vereinigung aus 14.000 Forschern und Fachärzten in über 100 Ländern, warnte, dass „sogar unendlich niedrige Belastung mit Chemikalien, die den Hormonhaushalt stören, also so gut wie jede Belastung, hormonelle oder reproduktive Abnormalitäten verursachen können, insbesondere wenn die Belastung in einem kritischen Zeitfenster der Entwicklung stattfindet. Überraschenderweise können niedrige Dosen sogar heftigere Wirkungen als höhere Dosen haben.“(7) Wenn Chemikalien, welche Hormone nachahmen, für einen Fötus ungeachtet des Belastungswertes schädlich sind, dürfte dieses Konzept auch auf die noch sehr viel toxischeren radioaktiven Elemente zutreffen, die von Japan herüber wehen, von denen manche ebenfalls als endokrine Disruptoren agieren könnten.

Viele epidemiologische Untersuchungen zeigen, dass extrem niedrige Radioaktivitäts-Dosen das Auftreten von Krebs im Kindesalter, untergewichtige Babys, Frühgeburten, Kindersterblichkeit, Geburtsfehler und sogar verringerte Intelligenz erhöhen.(8) Nur zwei Röntgenuntersuchungen des Unterleibs eines Mannes können die Wahrscheinlichkeit, dass seine zukünftigen Kinder Leukämie entwickeln, geringfügig erhöhen.(9) Durch die Zerstörung von Proteinen in einer lebenden Zelle an beliebiger Stelle kann Strahlung den Alterungsprozess beschleunigen und die Funktion jeglicher Organe einschränken. Zellen können sich selber reparieren, doch die schnell wachsenden Zellen in einem Fötus können sich teilen, bevor die Reparatur stattfindet, was den Abwehrmechanismus des Körpers aufhebt und den Schaden reproduziert und perpetuiert.

Beruhigende Stellungnahmen zur Unbedenklichkeit niedriger Strahlung sind nicht einmal für Erwachsene angebracht.(10) Geringe Erhöhungen des Risikos pro Individuum haben im Endeffekt immense Auswirkungen. Wenn ein geringes Risiko für Milliarden Menschen in Kauf genommen wird, hat das immer noch Millionen von Opfern zur Folge. Neue Studien zum Risiko von Röntgenuntersuchungen belegen dies ausführlich.

Die Strahlung bei koronaren CT-Scans wird als gering eingestuft, doch statistisch gesehen verursacht sie in einem von 270 Fällen bei 40-jährigen Frauen die untersucht wurden Krebs. Bei 20-Jährigen ist diese Rate doppelt so hoch. Jedes Jahr werden durch die 70 Millionen CT-Scans, die man in den USA durchführt, 29.000 Krebsfälle verursacht.(11)(12) Die üblichen niedrigdosigen Röntgenuntersuchungen bei Zahnärzten erhöhen das Risiko für Schilddrüsenkrebs um mehr als das Doppelte. Jene, die wiederholt zahnärztlichen Röntgenuntersuchungen ausgesetzt sind, haben sogar noch ein höheres Risiko, an Schilddrüsenkrebs zu erkranken.(13)

Selbst störungsfrei funktionierende Atomkraftwerke geben kontinuierlich Strahlung in das Wasser und in die Atmosphäre der Umgebung ab, welche durch Kontakt mit dem Boden, mit Pflanzen oder mit der Milch von Kühen direkt eingeatmet oder aufgenommen werden kann. Viele Studien bestätigen höhere Krebsraten wie z.B. Leukämie, Brust- und Schilddrüsenkrebs bei Menschen, die in Landkreisen mit Atomkraftwerken leben, oder bei Arbeitern in diesen Anlagen.(3)

Angefangen mit Madam Curie, ist die Geschichte der Atomkraft eine, in welcher die Hauptakteure die Risiken der Strahlung beständig falsch eingeschätzt und falsch dargestellt haben. Zu den Opfern gehören viele von denen, die am ursprünglichen Manhattan Projekt mitgearbeitet haben, die 200.000 Soldaten, die abkommandiert wurden, Augenzeugen unserer Atomwaffentest zu sein, die Bewohner der westlichen USA, die den Löwenanteil des Niederschlags von unseren Atomtests in Nevada geschluckt haben [und die Navajo Indianer im Uranabbaugebiet], die Tausende der vergessenen Opfer von Three Mile Island oder die wahrscheinlich Hunderttausende Todesopfer von Tschernobyl. Dies hier könnte das jüngste Kapitel dieser langen und tragischen Geschichte sein, wenn man uns wieder einmal sagt, wir sollen uns keine Sorgen machen.

Autor: Brian Moench, Arzt, für t r u t h o u t , 24.03.2011

Übersetzung: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network

Originalartikel: Radiation: Nothing to See Here?

Literatur:

  1. „Fukushima Daiichi reactors contain radiation equal to a thousand Hiroshima bombs,“ Vancouver Observer, March 14, 2011; Ira Helfand, Robert Alvarez, Ken Bergeron and Peter Bradford (former member of the US Nuclear Regulatory Commission), on behalf of Physicians for Social Responsibility.
  2. Rosenthal E. Radiation, „Once Free, Can Follow Tricky Path,“ The New York Times, March 21, 2011.
  3. International Commission on Radiological Protection
  4. Huang YC, Schmitt M, Yang Z, Que LG, Stewart JC, Frampton MW, Devlin RB, „Gene expression profile in circulating mononuclear cells after exposure to ultrafine carbon particles,“ Inhal Toxicol, 2010 May 27. (Epub ahead of print.)
  5. Baccarelli A, Wright R, Bollati V, et al, „Rapid DNA Methylation Changes after Exposure to Traffic Particles.“ Am. J. Respir. Crit. Care Med., April 2009; 179: 572 – 578.
  6. Zhong Y, Carmella S, Upadhyaya P, Hochalter JB, et al, „Immediate Consequences of Cigarette Smoking: Rapid Formation of Polycyclic Aromatic Hydrocarbon Diol Epoxides Chem. Res. Toxicol.,“ Article ASAP DOI: 10.1021/tx100345x publication date (web): December 27, 2010.
  7. „Endocrine-Disrupting Chemicals: An Endocrine Society Scientific Statement,“ 2009.
  8. Bartley K, Metayer C, Selvin S, et al, „Diagnostic X-rays and risk of childhood leukaemia,“ Int. J. Epidemiol. (2010) 39(6): 1628-1637, first published online October 1, 2010, doi:10.1093/ije/dyq162.
  9. Bailey H, Armstrong B, de Klerk N, et al, „Exposure to Diagnostic Radiological Procedures and the Risk of Childhood Acute Lymphoblastic Leukemia,“ Cancer Epidemiol Biomarkers Prev, November 2010, 19:2897-2909; Published online first, September 22, 2010.
  10. Shuryak I, Sachs R, Brenner D., „Cancer Risks After Radiation Exposure in Middle Age,“ JNCI J Natl Cancer Inst Volume102, Issue 21, Pp. 1628-1636.
  11. Berrington de González A, Mahesh M, Kim K, et al, „Projected Cancer Risks From Computed Tomographic Scans Performed in the United States in 2007,“ Arch Intern Med, December 14/28, 2009; 169: 2071 – 2077.
  12. 12. Smith-Bindman R, Lipson J, Marcus R, et al, „Radiation Dose Associated With Common Computed Tomography Examinations and the Associated Lifetime Attributable Risk of Cancer,“ Arch Intern Med., 2009; 169(22): 2078-2086.
  13. Memon A, Godward S, Williams D, et al, „Dental x-rays and the risk of thyroid cancer: A case-control study,“ Acta Oncologica, May 2010, Vol. 49, No. 4: 447–453.–
  14. Mehr zu Strahlungswirkung von den Ärtzen gegen den Atomkrieg – International Physicians for the Prevention of Nuclear War (IPPNW)

Der Originalartikel steht unter einer Creative Commons Lizenz: by-nc. Für diese Übersetzung gilt by-nc-sa. Dies gilt nicht für das Bildmaterial.

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Konzern muss 8,3 Millionen Dollar für Trinkwasserfilter zahlen

DuPont verseuchte Trinkwasser mit Industriechemikalie

Der Konzern DuPont hat zugestimmt, 8.3 Millionen Dollar zu bezahlen, um in zirka 5.000 Wohnung im südlichen New Jersey Wasserfilter einzubauen, in denen das Leitungswasser mit der toxischen Industriechemikalie Perfluoroctansäure (PFOA bzw. C8) belastet ist.

E.I. DuPont de Nemours and Company legten einen Rechtsstreit durch Vergleich bei, den Bewohner von Penns Grove in New Jersey angestrengt hatten, die Klage erhoben, daß ihr Trinkwasser durch perfluorierte Chemikalien inklusive C8 verunreinigt worden ist, das von den Anlagen der konzerneigenen Chambers Werke stammt.

Die Chemikalie C8 gehört zu einer Gruppe synthetischer Industriesubstanzen, die man Perfluorchemikalien nennt, die in der Umwelt nicht abgebaut werden und die Trink- und Grundwasser in 11 amerikanischen Bundesstaaten verunreinigen, wie aus spärlichen Untersuchungen von staatlichen Wasserbehörden, Hochschulforschern, Firmen und Journalisten hervorgeht.

Als Nebenprodukt bei der Herstellung von fluorierten Telomeren, als Anwendung für fleckenabweisende Textilbeschichtungen, Kochgeschirr mit Antihaftbeschichtung und für wasser- und fettabweisende Beschichtungen, fand man C8 dank unkontrollierter industrieller Entsorgung und weil es aus Konsumgütern und Deponien entweicht überall in Mensch und Umwelt.

Die Environmental Working Group (EWG) hat sich acht Jahre lang dafür eingesetzt, die Verwendung von Perfluoroctansäure (PFOA) zu limitieren, das schon seit 50 Jahren in Verdacht steht, Krebs zu verursachen, eine den Hormonhaushalt störende Chemikalie darstellt und für die Fortpflanzung giftig ist.

„Tausende von Menschen im Südlichen New Jersey haben jahrelang mit der giftigen Industriechemikalie C8 verseuchtes Wasser getrunken“, sagte die führende Wissenschaftlerin Dr. Olga Naidenko von EWG. „DuPont hat sich nicht um die öffentliche Gesundheit geschert und auf einen Spruch des Bundesgerichtes gewartet, bevor sie die Gemeinde mit gefiltertem Wasser versorgt haben.“

Am 1. Februar 2011 kündigte die amerikanische Umweltbehörde ein bundesweites Gesetzesvorhaben an, das vorsieht, dass Wasserversorger Trinkwasser auf 28 derzeit nicht regulierte kontaminierende Stoffe bundesgesetzlich vorgeschrieben testen müssen, dazu gehören C8 und fünf weitere perfluorierte Chemikalien.

„Die Entscheidung der EPA, bundesweit die Wasserversorgung auf C8 zu testen, ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte Naidenko. „Wir können es uns nicht leisten, den Schutz der Amerikaner vor diesen gefährlichen Chemikalien noch weiter zu verzögern.“

Literatur: EWG – Environmental Working Group , DuPont to pay $8,3 Million, 22.03.2011

Übersetzung: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network

EWG ist eine gemeinnützige Forschungsgemeinschaft in Washington DC, welche die Macht von Information nutzt, um menschliche Gesundheit und Umwelt zu schützen.

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Aktuelle Messwerte der Radioaktivität in Deutschland und in Japan

Radioaktivität Strahlenmesswerte

Das Geschehen am Atomkraftwerk Fukushima ist immer noch überaus kritisch. Wenngleich die Strahlungswerte sich im Augenblick etwas reduzierten, ist eine sichere Lage weit entfernt. Für die kommenden Wochen rechnen Behörden, dass radioaktive Strahlung auch in anderen Ländern ankommt. Bislang gilt Europa als nicht sonderlich bedroht, dennoch möchte die Bevölkerung sich möglichst genau über radioaktive Strahlungswerte informieren. Nachfolgend einige Webseiten, auf denen man Messwerte der am jeweiligen Ort herrschenden Radioaktivität einsehen kann.

Messwerte in Deutschland:

Bundesamt für Strahlenschutz

Das Bundesamt für Strahlenschutz hat eine Karte online gestellt, auf der man die Radioaktivität vor Ort abrufen kann. Die Werte werden viermal täglich aktualisiert. Durch Anklicken der Punkte auf der Karte erhält man Messwerte für Radioaktivität des jeweiligen Ortes. Zusätzlich gibt es Erklärungsberichte zum besseren Verständnis. Aufgrund der verstärkten Nachfrage kann es vorkommen, dass die Webseite des Bundesamtes für Strahlenschutz temporär überlastet ist.

IMIS

Radiologische Lage in der Bundesrepublik Deutschland: Aktivitätskonzentration in Luft

Lagebericht Gamma-Ortsdosisleistung

Strahlenbelastung Deutschland – Unabhägige Messdaten

Dieses neu gegründete deutsche „Grasswurzel-Meßsystem“ wird von kritischen Bürgern betrieben. Die Daten, die von Teilnehmern erhoben wurden, sind in Karten und anderen Aufbereitungen einsehbar.

Messwerte in Japan

Eine amtliche Webseite aus Japan mit aktuellen Werten um das Atomkraftwerk Fukushima. Die Karte wird alle 10 Minuten aktualisiert.

Unabhängige Organisationen messen Radioaktivität

RDTN sieht sich nicht als Ersatz für Messwerte, die von Behörden oder Atominstituten herausgegeben werden, sondern als Ergänzung. Der Organisation kann man auch auf Twitter folgen @RDTN.org

Wie breitet sich die Radioaktivität aus?

Das Rheinische Institut für Umweltforschung an der Universität Köln hat eine Karte zur möglichen Ausbreitung einer radioaktiven Wolke nach einem Reaktorunfall in Fukushima online gestellt.

Social Networks verbreiten Informationen nahezu in Echtzeit

Auf den Sozialen Netzwerken Facebook und Twitter werden rund um die Uhr Messwerte und Informationen von Behörden, Organisationen, Journalisten und Privatpersonen weitergegeben. Insbesondere über Twitter sind Informationen nahezu in Echtzeit zu erhalten.

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Unfall im Atomkraftwerk in Japan – radioaktive Strahlenbelastung in Deutschland erhöht?

Nachdem ein Erdbeben und nachfolgende Tsunamis das Atomkraftwerk Fukushima beschädigt hatten und die Stromversorgung ausfiel, wurde das Kühlsystem des Reaktors lahmgelegt und der Innendruck des Reaktors steigt an. Vor einigen Stunden kam es im Atomkraftwerk Fukushima zu einer Explosion. Radioaktivität wurde freigesetzt. Eine in Gang geratene Kernschmelze wurde von offizieller Seite bestätigt, später wieder dementiert.

Am frühen Nachmittag sagte der ehemalige Chef der Deutschen Atomaufsicht, Wolfgang Renneberg gegen- über Reuters: „Das ist das klassische Szenario, das den Super-GAU umschreibt“. Er sähe keine Chance mehr den Reaktor Fukushima 1 zu kontrollieren.

Die Behörden in Japan evakuieren die Bevölkerung und verteilen Jodtabletten. Besteht für die deutsche Bevölkerung Gefahr?

Erhöhte radioaktive Luftbelastung in Deutschland

Auf dem Informationsnetzwerk Twitter trug in den Morgenstunden ein Nutzer ein, dass das Bayrische Landesamt für Umwelt erhöhte radioaktive Luftbelastung in München vermeldete. Ich klickte den Link des Bayrischen Landesamtes für Umwelt an, weil ich es kaum glauben konnte. Es stimmte, die Werte waren angestiegen und zeigten eine ca. zehnfache Erhöhung. Beunruhigt fragte ich die Antiatompiraten, die gerade in meiner Timeline mit aktuellen Meldungen zu lesen waren.

Tabelle Radioaktivität in der Luft, erstellt aus Werten der Meßstelle München Johanneskirchen (Ungesicherte Werte, lt. Meßstelle des Bay. Landesamt für Umwelt)

Update 15. März, Werte Bq/m³

15.03.2011 / 05:00 115,2
15.03.2011 / 06:00 170,1
15.03.2011 / 07:00 115,5
15.03.2011 / 08:00 112,5
15.03.2011 / 09:00 115,8

Was bedeuten die erhöhten Werte?

Ich wollte wissen, wie die erhöhten Werte radioaktiver Luftbelastung in München zu werten seien:

@AntiAtomPiraten Könnt Ihr uns die Werte des Bay. Landesamtes zum Anstieg Radioaktivität in München erklären? http://bit.ly/ggSGlV #AKW

Die Antwort kam prompt:

AntiAtomPiraten @SilviaMueller Es ist unserer Ansicht nach ausgeschlo- ssen, dass diese beiden Vorfälle etwas miteinander zu tu… (cont) http://deck.ly/~WHWvt

Radioaktive Luftbelastung in Deutschland

Können wir uns zurücklehnen und Sorge über eine radioaktive Luftbelastung in Deutschland wegschieben? Die Statistik des Landesamtes für Umwelt war einige Zeit nicht erreichbar, jetzt ist sie wieder da und die aktuellen Werte sind gegenüber denen von vorhin gesunken. Alles Paletti?

Eine Informationsseite des Bayrischen Ladesamtes für Umwelt erklärt Schwankungen mit Wetterwechseln und Messfehlern. Doch warum gerade jetzt?

Während wir über diese Frage nachdenken, und Nachrichtenportale darüber informieren, was eine Kernschmelze ist und welche Folgen sie haben kann, gehen überall in Deutschland Menschen auf die Straße und demonstrieren gegen Atomkraft. Radioaktivität kann Krebs und andere Krankheiten auslösen. Die Folgen sind uns noch vom Reaktorunfall in Tschernobyl in Erinnerung. Dadurch hervorgerufene radioaktive Belastungen sind vor allem in Wildfleisch und Pilzen auch in Deutschland immer noch deutlich messbar und werden es auch noch für lange Zeit sein. Was bringt uns Fukushima in den nächsten Tagen und Wochen? Eine verlässliche Antwort darauf kann keiner geben. Das Atomkraftwerk Fukushima galt als erdbebensicher. Welche Verlässlichkeit die Aussagen von Behörden, Politikern und der Atomlobby haben, erfahren die Menschen, die gerade um Fukushima herum evakuiert werden, hautnah.

Der Kommentar von Reiner Metzger in der taz mit dem Titel „Die Dreckschweine der Atomlobby (Anm.: Die taz änderte diese Headline einige Zeit später). Dieses Vertuschen und Verzögern ist ein unfassbarer Skandal“, ist realitätsnäher als die Aussagen der Verantwortlichen. Reiner Metzger bringt es auf den Punkt, er schreibt:

„Dieses Vertuschen und Verzögern ist ein unfassbarer Skandal. Und er ist keine Folge des Chaos nach dem Beben, nein – das hat Methode. Noch bei jedem Atomunfall war es so. Erst mal versuchen, die schöne Fassade intakt zu lassen. Lieber die Gesundheit von Zehntausenden und Hunderttausenden gefährden, als schlechte Presse zu riskieren. ..“

In Gedanken sind wir bei unseren japanischen Freunden.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network

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Wird aus nuklearem Sperrgebiet ein Vergnügungspark?

Bericht verbreitet Panikmache – um Genfood einzuführen

Ein Bericht über die zukünftige globale Lebensmittelversorgung und Landwirtschaft erzeugt Panik, um genmanipulierte landwirtschaftliche Produkte durchzusetzen

Manchmal frage ich mich, warum man es zulässt, dass öffentliche Gelder zur Förderung privater Geschäftsinteressen eingesetzt werden. Warum sollen britische Steuerzahler für die Finanzierung eines künstlich gehypten Berichtes zur globalen Zukunft von Nahrung und Landwirtschaft des Foresight Projects aufkommen?… Man sagte mir, dieser Bericht fasse eine zweijährige Studie zusammen, an der 400 Experten aus 35 Ländern beteiligt waren.

In seinen Schlussfolgerungen sagt uns der Bericht auch nur das, was uns die Gentechnik-Mafia die ganze Zeit erzählt hat. Man beruft sich auf Prof. John Beddington, der wissenschaftliche Chefberater der Britischen Regierung, welcher betont, dass genmanipulierte Agrarerzeugnisse „extrem wichtig seien“, um der sich verschärfenden Nahrungsmittelkrise beizukommen. Natürlich ist er clever genug darauf hinzuweisen, dass Gentechnik eines jener Werkzeuge ist, für das man sich stark machen müsse.

Nun, es ist tatsächlich so, dass Prof. Beddington überhaupt nicht zum wissen- schaftlichen Chefberater gemacht worden wäre, hätte er sich nicht offen zur Unterstützung gentechnisch veränderter Nutzpflanzen bekannt. Ich will zu Prof. Beddington nicht unhöflich sein, aber dies bleibt eine Tatsache, egal ob es ihm gefällt oder nicht. Man kann nicht hoffen, mit seiner Karriere voran zu kommen, wenn man kein Vertrauen in die riskante, schädliche und unbeabsichtigt an Boden verlierende Gentechnologie ausdrückt. Wenn man es wagt, diese Technologie in Frage zu stellen, wird man verjagt. Das ist die Macht und die Kontrolle, über welche die Gentechnik-Industrie verfügt.

Eine offizielle Presseerklärung zitierend behauptet der Report: „Während viele Berichte nur die Besorgnis zu Ausdruck brachten, ob die Nahrungsmittelproduktion mit der rasant zunehmenden Weltbevölkerung Schritt halten kann, ist der Foresight-Report die erste ausführliche interdisziplinäre Studie, welche solche Befürchtungen auf eine gesicherte analytische Grundlage stellt.“

Nach Aussagen des wissenschaftlichen Chefberaters der Regierung, Professor Sir John Beddington, liefert der Bericht überzeugende Hinweise für Regierungen, nun zu handeln.

„Wir wissen, dass die Weltbevölkerung in den nächsten zwanzig Jahren auf ungefähr 8,3 Milliarden Menschen ansteigen wird. Wir wissen, dass die Urbanisation dies immer stärker voran treibt und dass dann grob geschätzt etwa 65 bis 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben wird.“

Ich dachte, die Welt wüsste dies bereits. Wir sind uns der Krise, die uns bevorsteht, bewusst. Dies immer wieder und wieder zu wiederholen wird uns nicht helfen, solange wir nicht wirklich bereit sind, ein paar drastische Schritte zu unternehmen. Der Report sagt in der Tat, dass die Lebensmittelproduktion grundlegend verändert werden muss, nicht nur um mehr Lebensmittel zu erzeugen, sondern um sie nachhaltig herzustellen, doch wenn es darum geht, diese drastischen Veränderungen zu benennen, versagt der Report nicht nur, sondern scheitert kläglich, irgend einen Entwurf oder einen Ratschlag anzubieten, der nicht auf einen weiteren Aufbau jenes industriellen Landwirtschaftsmodelles hinaus läuft, welches in erster Linie zur Krise geführt hat.

Deshalb habe ich am 24.01.2011 im Radioprogramm des BBC World Service gesagt, dass dieser Bericht eine sehr clevere Verschleierung oder eine Irreführung ist, um für gentechnische Nutzpflanzen zu werben. Ich sagte, „dass die Welt Nahrung für 11.5 Milliarden Menschen herstellt… 40% wird verschwendet… wir haben es nicht nötig, solche Panik zu verbreiten, wie es der Britische Report tut.“

Dieser Report wurde derart aufgebauscht, dass den politischen Entscheid- ungsträgern nichts anderes übrig bleibt, als noch mehr öffentliche Mittel in Forschungsgebiete fließen zu lassen, auf denen privatwirtschaftliche Biotechnik-Firmen maximale Gewinne erzielen können. Öffentlich-private Partnerschaft (Public-Private Partnership) ist lediglich eine beschönigende Beschreibung für die Ausbeutung öffentlicher Ressourcen und ich bin mir sicher, die Britische Regierung fühlt sich nun gedrängt, die Gentechnik-Forschung unter dem Vorwand neu zu starten, den Armen und Hungernden in den Entwicklungsländern zu helfen.

Seien Sie bitte nicht derart nett zu uns. Als Sie das letzte Mal nach Indien gekommen sind, um den Armen und Hungrigen zu helfen, wurden wir für 200 Jahre zu einer Kolonie.

Sehen wir uns trotzdem den Bericht an. In der offiziellen Presseerklärung heißt es: „Die Autoren fordern, dass Nahrungsmittel und Landwirtschaft auf der politischen Agenda eine höhere Priorität bekommen und mit Bemühungen in Einklang gebracht werden, den Folgen des Klimawandels, Problemen der Wasser- und Energieversorgung und dem Verlust an landwirtschaftlichen Flächen zu begegnen.“ OK. Und an diesem Punkt hätte ich von dem Team angesehener Wissenschaftler ein paar brauchbare Lösungsvorschläge erwartet. Hier sollte die von den Menschen dringend benötigte Versorgungssicherheit mit Nahrung in die politische Agenda aufgenommen werden und genau hier versagt der Report.

Die weltweite Enteignung von Ackerland und der von der Weltbank geförderte Erwerb von Ackerland, um bäuerliche Bevölkerungen in industrielle Arbeit zu verschieben, bleiben die allergrößte Sorge im Kampf um Nahrung für alle Menschen. Auch das Foresight Project hüllt sich wie das Internationale Forschungsinstitut für Nahrungspolitik (IFPRI/International Food Policy Research Institute), das bekanntlich ein Lobbyorgan der Agrarindustrie ist, auffallend in Schweigen. Das IFPRI schlägt immerhin einen Verhaltenscodex für Firmen vor, die sich Land aneignen, doch der Bericht vermeidet es genau so, irgendetwas zu empfehlen, das die Mächtigen ärgern könnte.

Während der Bericht über die zukünftige globale Lebensmittelversorgung und Landwirtschaft von der Notwendigkeit radikaler Veränderungen gesprochen hat, fordert er „den Schutz der Ärmsten vor extremen Preissteigerungen durch Eingriffe der Regierungen, sowie eine größere Liberalisierung des Handels mit Lebensmitteln, um Marktschwankungen auszugleichen.“ Dieser Vorschlag ist für die Lösung des Problems der Preisschwankungen, um die es angeblich geht, kontraproduktiv. Preisschwankungen können nur dann wirksam kontrolliert werden, wenn jedes Land zur Lebensmittel-Autarkie zurück kehren würde, indem es in Selbstversorgung investiert. Mit aller Deutlichkeit gesagt, entkam Indien der globalen Lebensmittelkrise von 2008, weil seine Landwirtschaft noch nicht vollständig in die globale Ökonomie integriert war.

Jene Preisschwankungen, welche die Welt 2008 erlebte, die in 37 Ländern zu Lebensmittelaufständen führten, waren die Folge von Rohstoffhandel und Spekulation. Konzerne verdienten tonnenweise Geld, während 2008 immer mehr Menschen hungrig zu Bett gehen mussten. Ich hätte erwartet, die 400 renommierten Wissenschaftler, die den Bericht geschrieben haben, würden politischen Mut zeigen und wenigsten das Ende der Spekulation mit Nahrungsmittel fordern. Eine solche Empfehlung hätte man wirklich radikal nennen können.

Wenn es um die landwirtschaftliche Produktion geht, um Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Überlebensfähigkeit zu gewährleisten, vermittelt der Report den Eindruck, als ob 400 angesehene Wissenschaftler im Nebel stochern und von den Grundrealitäten des Lebens keine Ahnung haben würden. Wie ein Frosch im Brunnen können sie nur das sehen, was innerhalb der Brunnenwände liegt. Darum bin ich nicht überrascht, dass es dem Report nicht gelingt, irgendetwas bedeutungsvolles und herausforderndes anzubieten. Der einzige Zweck des Reports besteht somit offenbar nur darin, den Feststellungen der IAASTD* zu widersprechen.

(*International Assessment of Agricultural Knowledge, Scientific and Technology for Development/sog. Synthesebericht des Weltagrarrats von 2008: Internationale Bewertung von landwirtschaftlichem Knowhow, Wissenschaft und Technik für die Entwicklung [menschenwürdiger Lebensbedingungen])

Lassen Sie sich von den Warnungen, die der Report zu verbreiten versucht, nicht irritieren. In Wirklichkeit ruft der Report aus dem Vereinigten Königreich nur dazu auf, wie bisher weiter zu machen. „Wissenschaftsbasierte Lösungen“ sind nichts anderes, als die Verschreibungen der Industrie. Wenn diese Rezepte so gut wären, hätten wir nicht diese gigantische Ernährungs- und Nachhaltigkeitskrise, die der Welt nun droht. Erinnern Sie sich an meine Worte, falls die internationale Gemeinschaft diesen Zukunftsbericht akzeptiert: Der Hunger wird zunehmen, die Welt wird noch weniger nachhaltig werden und jene Krisen, die wir bereits haben, noch verschlimmern – Verfügbarkeit von Wasser, immer weniger landwirtschaftliche Flächen, Vergiftung der Böden und Temperaturanstieg.

Wir haben die Wahl.

Autor: Devinder Sharma, 25. Januar 2011

Übersetzung: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network

Originalartikel: Global Food and Farming Futures report creates panic to push GM crops. Copyright: Devinder Sharma

Wir danken Devinder Sharma, seinen Artikel übersetzen und publizieren zu dürfen.
Devinder Sharma ist ein bekannter indischer Journalist, der sich gegen Gentechnik und Globalisierung und für Biolandwirtschaft engagiert. Er war Redakteur für Entwicklungspolitik einer großen indischen Zeitung, schreibt Bücher begibt sich auf Vortragsreisen. Mehr auf mindfully.org.

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Stadtrat verbietet Parfum und Duftstoffe am Arbeitsplatz

Gesundheit hat Vorrang

Der Stadtrat von Portland hat am 23. Februar 2011 in einer Sitzung beschlossen, dass Parfüm und Duftstoffe an Arbeitsplätzen in der Stadt, die sich im US Bundesstaat Oregon befindet, unerwünscht sind. Zukünftig soll auf Parfum, Aftershave, Deo, Haarspray und ähnliche parfümierte Produkte auf der Arbeit verzichtet werden. Der Stadtrat möchte, dass jeder frei atmen kann und sich am Arbeitsplatz gut und nicht krank fühlt. Es sei eine Sache des gesunden Menschenverstandes, sagten die Stadtoberhäupter gegenüber der Presse. Noch will der Stadtrat kein rigoroses Verbot aussprechen, sondern appelliert, dass jeder Mitbürger die neue Regelung von sich aus befolgt. Rund zwei Millionen Menschen leben im Großraum Portland und sind von der neuen Regelung direkt oder indirekt betroffen. Wenn Angestellte gesundheitliche Beschwerden erleiden, weil ein Kollege die Regelung nicht befolgt, soll er beim Vorgesetzten um Hilfe bitten. Die Gesundheit aller habe Vorrang, ließen die Stadtväter verlauten. (1)

Folgt dem Rauchverbot ein Duftstoffverbot?

Experten erwarten dem Vernehmen nach, dass es in absehbarer Zeit zunehmend Städte, Regionen, Ministerien und Behörden geben wird, die Duftstoffverbote verhängen und Arbeitsanweisungen mit der Bitte um Einschränkung von Duftstoffen herausgeben. Es geht dabei nicht um die Geruchsbelästigung durch eine Vielzahl verschiedener Parfüms in einem Raum, wenn gleich diese störend wirken kann. Sie halten Parfums und parfümierte Produkte wegen der darin enthaltenen Chemikalien und Allergenen für genauso gesundheitsbedenklich wie Passivrauch. Gerichtsprozesse, bei denen Arbeitnehmer bei Gericht Recht erhielten, weil ihre Gesundheit durch Duftstoffe am Arbeitsplätz in Mitleidenschaft gezogen wurde, deuten darauf hin, dass die Einschätzung der Experten realistisch ist.

Duftstoff- und Parfumverbot, notfalls per Gericht

In den USA und in Kanada gibt es bereits Städte, Behörden, Schulen und Universitäten, die Angestellte und Besucher darum bitten, in Gebäuden und bei Veranstaltungen auf Parfums und parfümierte Produkte zu verzichten. Auch Ministerien gehen dazu über, Duftstoffverbote zum Wohle der Gesundheit zu verhängen, bspw. Die Centers of Disease Control and Prevention (2) und das Ministerium für Gesundheit in Gergoria (3) und das Zentralbüro für Volkszählung in den USA. (4)

Duftstoffverbote – In Europa noch nicht angekommen

In Mitteleuropa folgt man den neuen Tendenzen zum Wohle der Gesundheit erst zögerlich, hier ist eher ein Anstieg der Verwendung von Duftstoffen im öffentlichen, wie auch privaten Bereich zu verzeichnen und die Duftstoffindustrie ist dabei, mit Nachdruck neue Märkte zu forcieren.

In Skandinavien scheint stärkeres Bewusstsein zum Schutze der Gesundheit zu herrschen. Schweden führte 2008 ein Duftstoffverbot im Gesundheitsbereich ein, der alle Kliniken, Arztpraxen und Gesundheitsbehörden betrifft. (5)

In Norwegen ist man aktuell sehr bestrebt, Duftstoffverbote und Arbeitsanweisungen einzuführen, um Allergiker, Asthmatiker und Chemikaliensensible zu schützen. Der norwegische Allergie- und Asthmaverband NAAF arbeitet intensiv daran, die Bevölkerung und Entscheidungsträger für die Problematik zu sensibilisieren. (6) Insbesondere aus öffentlichen Gebäuden, aus dem Gesundheitsbereich, Schulen und aus Schulbusen möchte der NAAF Duftstoffe völlig verbannen.

In Deutschland haben Duftstoffverbote bislang kaum Fuß gefasst. Lediglich ein paar wenige Praxen von Ärzten und Umweltmedizinern, als auch einige wenige kleinere Firmen gehen diesen Weg, um Allergikern, Asthmatikern und Chemikaliensensiblen den Zutritt in ihre Räumlichkeiten und bei Veranstaltungen zu ermöglichen.

Sind Parfum- und Duftstoffverbote sinnvoll oder Panikmache?

Hersteller von Parfüms und parfümierten Produkten geben dem Konsumenten nahezu keinerlei Auskunft, mit welchen Inhaltsstoffen er konfrontiert wird, wenn er sie verwendet oder ihnen in Innenräumen ausgesetzt ist.

Die amerikanische Wissenschaftlerin Ann Steinemann untersuchte 2010 an der University of Washington eine Auswahl von 25 parfümierten Produkten. Sie wählte solche aus, die in jedem Supermarkt in den Regalen stehen und am Häufigsten verkauft werden. “Die Produkte gaben zusammen über 420 Chemikalien ab, aber nahezu keine wurde irgendwo dem Verbraucher offen gelegt”, teilte die Wissenschaftlerin in einer Pressemitteilung mit. (7,8)

Dass Parfüms und Duftstoffe u.a. Kopfschmerzen, Asthmaanfälle, Allergien und Ekzeme hervorrufen können, ist in der Medizin hinreichend bekannt. Über die tatsächlichen Auslöser, die verantwortlich sind, ist der Verbraucher jedoch immer noch wenig informiert. Insbesondere die Tatsache, dass „Düfte“ durch Verwendung verschiedenster Chemikalien komponiert werden, wurde bislang nicht zur Kenntnis genommen.

Der Mehrheit der Konsumenten ist unbekannt, dass durch eine nicht unerhebliche Anzahl der chemischen Inhaltsstoffe in Parfüms und parfümierten Produkten, Krankheiten, u.a. Krebs, Nervenschäden, Allergien, Asthma, Kontaktallergien, Fortpflanzungsstörungen verursacht werden können. Von Panikmache zu sprechen ist also unangemessen. Ganz im Gegenteil, die bereits bekannten Fakten drängen zu besserer Information über die Risiken und zu genauer Deklaration, inklusive Warnhinweisen auf den Produktverpackungen.

Mein Parfum brauche ich (doch nicht)

„Das ist eine Einschränkung meiner persönlichen Freiheit!“ oder „wo kommen wir da hin, wenn ich nicht einmal mein Parfum benutzen darf, wo und wann ich will?“, sind Ausrufe empörter Duftliebhaber. Sind sie gerechtfertigt?

Intensive, sachliche Aufklärung der Konsumenten über die Gesundheitsgefahren, die Chemikalien und Allergene bergen, die sich in Parfums und Duftstoffen befinden, sollte in der Lage sein, heftige Diskussionen zu erübrigen.

Kampagnen, durchgeführt von verantwortlichen Behörden in Zusammenarbeit mit der Medizin, sollten im Stande sein zu überzeugen, dass Argumente „ein Parfüm- und Duftstoffverbot beeinträchtige die persönliche Entfaltungsmöglichkeit von Mitmenschen die „Düfte lieben“ unangebracht sind, weil sie sich über die Gesundheit anderer hinwegsetzen.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 25. Februar 2011

Literatur:

  1. Koin6, Portland City Council adopts rule discouraging of fragrances on workplace, 23. 02.2011
  2. Department of Health and Human Services, Indoor Environmental Quality Policy, 22.06.2009
  3. Silvia K. Müller, Ministerium für Gesundheit ordnet an, CSN, 26. Okt. 2010
  4. Silvia K. Müller, Zentralbüro für Volkszählung untersagt Duftstoffe am Arbeitsplatz, CSN, 21. April 2009
  5. Silvia K. Müller, Duftstoffe verboten in Krankenhäusern und Arztpraxen in Schweden, CSN, 6. Okt. 2008
  6. Alena J., Norwegischer Allergie- und Asthmaverband bittet darum, keine Parfums zu benutzen, CSN, 9.12.2010
  7. University of Washington, Hannah Hickey, Release: Scented consumer products shown to emit many unlisted chemicals, Oct. 26, 2010
  8. Steinemann AC, et al., Fragranced consumer products: Chemicals emitted, ingredients unlisted, Environ Impact Asses Rev (2010), doi:10.1016/j.eiar.2010.08.002

Barrierefreiheit bei der Begutachtung von Behinderten

Umwelterkrankte mit MCS, auch beim Gutachter benachteiligt

Im Alltag, im Berufsleben und im sozialen Bereich sind Umwelterkrankte, die unter Chemikalien-Sensitivität (MCS) leiden, weitgehend ausgegrenzt. Barrierefreiheit, wie sie anderen Behinderte ermöglicht wird, existiert nicht. Selbst auf dem Papier nicht, obwohl MCS eine anerkannte körperlich bedingte Behinderung darstellt und die Anzahl der Erkrankten nicht unbeträchtlich ist.

Um Unterstützung zu erhalten und Behindertenschutz geltend machen zu können, beantragen Umwelterkrankte mit MCS eine Einstufung ihrer Behinderung. In den meisten Fällen wird eine medizinische Begutachtung anberaumt. Die Gutachter, die benannt werden, sind in der Regel jedoch weder fachlich für die Begutachtung von Umwelterkrankten mit MCS qualifiziert, noch verfügen sie über eine Praxis, die schadstoffkontrolliert ist. Das sind Erfahrungswerte, die durch zahlreiche Berichte Umwelterkrankter belegt und über Jahre gleich geblieben sind.

Begutachtungen im persönlichen Wohnumfeld der Umwelterkrankten mit MCS werden von Behörden und Institutionen zumeist kategorisch abgelehnt. Obwohl gerade eine Begutachtung im Wohnumfeld des Umwelterkrankten dem Gutachter besonderen Aufschluss über dessen Situation und Einschränkungen geben könnte. Gleichzeitig könnte die Benachteiligung Umwelterkrankter mit MCS, weil adäquate schadstoffkontrollierte Gutachterpraxen fehlen, ohne viel Aufwand ausgeglichen werden.

Thommy’s Blogfrage der Woche:

  • Wie erging es Euch beim Gutachter, kamt Ihr mit den Räumlichkeiten klar?
  • Waren der Gutachter und seine Praxisangestellten auf MCS eingestellt?
  • Waren die Praxisräume, Toilette beduftet oder mit chemischen Mitteln gereinigt?
  • Verzichtete man auf Parfüm, Aftershave, parfümierte Handcremes, etc.?
  • Habt Ihr Reaktionen in den Räumlichkeiten erlitten, in denen die Begutachtung stattfand?
  • Oder seid Ihr während der Begutachtung oder danach sogar kollabiert?
  • Hat man Euch aufgrund fehlender schadstoffkontrollierter Praxisräume eine häusliche Begutachtung zugebilligt?
  • Oder lehnte man Euren Vorschlag, zuhause zu begutachten, ab? Mit welcher Begründung?

Macht oder Ohnmacht des Gerichts?

Medizinische Begutachtung eines Jugendlichen mit MCS auf Biegen und Brechen

Der Gesundheitszustand von Patrick verschlechterte sich rasch. An eine Rückkehr in die Schule war nicht zu denken. Er nahm an einer Beschulung per Internet teil und erhoffte sich, wenigstens auf diesem Wege einen Abschluss zu schaffen. Das Angebot, seine Behinderung mit 30 GdB zu bewerten, erschien wie ein Hohn. Das sah auch der Anwalt so und erhob im Januar 2010 Klage beim Sozialgericht um einen Gesamt- GdB von mindestens 50 festzustellen. Die Gegenseite beharrte auf ihrer Einschätzung und beantragte im Februar 2010, die Klage abzuweisen.

Teil I: Behördenkrieg gegen einen Jugendlichen mit Chemikalien-Sensitivität

Teil II:

Im Mai 2010 reichte der Anwalt von Patrick einen Schriftsatz zur Begründung der Klage ein und beschreibt den Gesundheitszustand des jungen Mandanten:

„Beim Kläger liegt eine schnelle Ermüdung und Erschöpfung bei schon geringen körperlichen Tätigkeiten, chronische Kopf- und Rücken- schmerzen, völlige Konzentrationsunfähigkeit und fehlender Antrieb, schwere bis schwerste Schwächeanfälle beim Gehen und Stehen, Tremor, Kontrollverlust beider Beine mit häufigem Einknicken und dann auch Sturz, sowie Koordinationsverluste besonders bei der Feinmotorik vor, ferner Blockaden im BWS/LWS-Bereich mit starken Schmerzen, starke Gelenk- und Gliederschmerzen, Muskel- und Nervenschmerzen am ganzen Körper, fehlende Muskelkraft, heftiger Schwindel, Benommenheit, Gleichgewichts- störungen, Taubheitsgefühle im Nasen-Stirnbereich, Magenkrämpfe, Übelkeit bis hin zur Atemnot bei der geringsten Exposition mit Duftstoffen und Chemikalien, Überempfindlichkeit und sensorische Missempfind- ungen auf Geräusche, Licht, Temperatur, Anschwellen der Nasenschleim- häute bis zur völligen Verstopfung, Reizungen und ständige Entzündungen der Atemwege bis hin zur Atemnot, zunehmende Nahrungsmittel- unverträglichkeiten, starkes Unruhe- und Bewegungsgefühl, Stimmungs- schwankungen, Chlorakne an Gesicht und Oberkörper, verschobener und gestörter Schlaf-Wachrhythmus vor. Der Kläger kann seine Wohnung nicht ohne fremde Hilfe verlassen. Trotz Behandlung mit Morphin bestehen beim Kläger unerträgliche Schmerzen.

Die angefochtenen Bescheide stützen sich demgegenüber hauptsächlich auf ältere medizinische Unterlagen, die den Gesundheitszustand des Klägers nur ungenügend erfassen und jedenfalls die gegenwärtig vorliegenden dauernden Gesundheitsbeeinträchtigungen des Klägers nicht zutreffend wiedergeben.

Es geht nicht an, wenn deshalb keine adäquate Berücksichtigung der beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen erfolgt, weil, wie es in der gutachterlichen Stellungnahme vom 01.07.2009 (Blatt 12 der Beklagtenakte) heißt, die aufgeführte Symptomatologie ließe sich auf keine gesicherte klinische toxikologische Befunderhebung zurückzuführen und es würden nicht widerlegbare Hypothesen aufgestellt. Die Einstufung hinsichtlich des Grades der Behinderung muss sich an den tatsächlich vorliegenden Leistungseinschränkungen orientieren und ist keine Frage der ätiologischen Einordnung von Krankheitserscheinungen.

Ungeachtet dessen ist die Einstufung des Krankheitsbildes des Klägers und der daraus folgenden Gesundheitsbeeinträchtigung lediglich als psychovegetative Minderbelastbarkeit gleichfalls nicht adäquat.”

Mai 2010 Beschluss der Sozialgerichts X vom 17.05.2010

“…hat die 6. Kammer des Sozialgerichts X am 17.Mai 2010 durch die Richterin am Sozialgericht Dr. XY beschlossen:

  1. Es soll Beweis erhoben werden durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens über die als Anlage beigefügten Beweisfragen (§ 103, 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG).
  2. Zum Sachverständigen wird ernannt ( § 118 Abs. 1 SGG, §§ 404 ff. ZPO): Dr. med. R (Schlafmedizin, Neurologie, Psychiatrie – Psychotherapie, Psychotherapeutische Medizin, Verkehrsmedizinische Qualifikation, Suchtmed- izinische Grundversorgung, Botulinumtoxinbehandlung.
  3. Das Gutachten soll aufgrund der übersandten Akten und einer ambulanten Untersuchung erstattet werden. Zu den bereits vorliegenden ärztlichen Gutachten, Befundberichten und anderen medizinischen Äußerungen soll ausdrücklich Stellung genommen werden.”

Sind 300 km für einen Schwerkranken an einem Tag zu schaffen?

Tage und Nächte waren für Patrick gleichermaßen. Sie bestanden aus Schmerzen und Reaktionen. Einen Gang in den eigenen Garten schaffte er nicht. Eigentlich ging überhaupt nichts mehr. Zeitgleich mit dem richterlichen Beschluss erhielt Patrick eine schriftliche Mitteilung des Sozialgerichts X, das durch Einholung eines ärztlichen Gutachtens Beweis erhoben werden solle. Er erhielt außerdem eine schriftliche Einladung zur gutachterlichen Untersuchung vom bestellten Gutachter Dr. med. R – 150km (eine Strecke) vom Wohnort entfernt. Wie sollte das zu schaffen sein? Wenn es ihm ganz schlecht ging, was oft vorkam, half ihm sein Vater oder seine Mutter zur Toilette. Nicht einmal das schaffte er dann er allein. Hilfsmittel wie Sauerstoff und eine Aktivkohlemaske hatte man abgelehnt. Wie sollte er eine derart weite Fahrt packen?

Ärztlicher Beistand rund um die Uhr, sieben Tage die Woche

Der Arzt vor Ort kannte Patricks Zustand genau. Er hat den jungen Mann mehrfach gesehen und stand insbesondere mit der Mutter in ständigem Kontakt. Telefonisch half er weiter, wenn Patrick eine schwere Reaktion hatte und gab Rat, was zu tun sei. Selbst an Wochenenden war er für den jungen Mann da. Im Juni 2010 schrieb er eine Ärztliche Stellungnahme, um den Gesundheitszustand von Patrick darzulegen:

“Herr R. möchte gerne eine Begutachtung durch den vom Gericht bestellten Sachverständigen wahrnehmen.

Er ist sich seiner Pflichten durchaus bewusst und möchte diesen auch in jedem Falle nachkommen.

Aufgrund seiner schweren Vergiftung und der ausgeprägten Chemikalien- überempfindlichkeit, vor allem durch Schimmel und der dadurch massiven Schmerzsymtomatik, leidet Herr R. unter sehr starken körperlichen Beeinträchtigungen und ist zudem auf medizinische Hilfsmittel angewiesen, die ihm derzeit jedoch nicht zur Verfügung stehen (MCS-Schutzmaske, O2 Gerät).

Ohne diese Hilfsmittel ist Herr R. kaum in der Lag,e seine Wohnung zu verlassen und ist nicht transportfähig.

Um dennoch eine Begutachtung zu ermöglichen, empfehle ich die ambulante Untersuchung notfalls durch den Sachverständigen bei Her R. zu Hause durchzuführen.”

Kein Wille, nur Willkür

Mit etwas Willen von Seiten der Behörde wäre eine Begutachtung von Patrick in seiner Wohnumgebung kein Problem. Der junge Mann lebt nahe einer Stadt, nicht weitab von medizinischer Infrastruktur. Eine Hausbegutachtung hätte den Doppeleffekt, dass sich der Gutachter ein Bild von der Situation hätte verschaffen können. Diese Auffassung vertrat auch der Anwalt von Patrick in einem Schreiben im Juni 2010 an das Sozialgericht und legte die Stellungnahme des behandelnden Arztes bei:

“…weisen wir daraufhin, dass der Kläger aufgrund seines Gesundheits- zustandes nicht in der Lage sein wird, den Sachverständigen in dessen Räumlichkeiten aufzusuchen. Eine Begutachtung durch den Sachver- ständigen muss daher beim Kläger zu Hause stattfinden.

Eine entsprechende ärztliche Stellungnahme vom …… fügen wir bei.”

Das Gericht war nicht gewillt, dem zu entsprechen. Ende Juni 2010 erhielt Patrick eine erneute Einladung zur gutachterlichen Untersuchung von Dr. med. R., in der stand:

“….wir haben vom Sozialgericht X den Auftrag erhalten, über Sie ein neurologisches Gutachten zu erstellen.

Den 1. Termin am … haben sie unentschuldigt nicht wahrgenommen. Wir bitten sie nun, sich zum o.g. Neuen Termin zur Untersuchung einzufinden. Bringen sie….”

Ein Verlassen des Hauses ist möglich?

Im Juli folgte ein Schriftwechsel zwischen Anwalt und Gutachter. Patricks Zustand war unterdessen noch schlechter geworden. Der Anwalt erhielt gegen Ende des Monats eine Verfügung des Sozialgerichts:

“Sehr geehrte Damen und Herren,

in dem oben genannten Rechtsstreit wird mitgeteilt, dass weder den ärztlichen Berichten und Stellungnahmen aus der Verwaltungsakte noch den im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen entnommen werden kann, dass eine Begutachtung allein in den Räumlichkeiten des Klägers möglich sein soll. Dem Kläger war es bislang möglich, verschiedene Kliniken, auch in anderen Städten aufzusuchen. Auch die von Dr. B. ausgeführten medizinischen Hilfsmittel lassen einen derartigen Schluss nicht zu. Es ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger ein Verlassen des Hauses mit MCS-Schutzmaske, O2-Gerät nicht möglich ist.

An der Bestellung des Sachverständigen wird daher festgehalten. Auf die Regeln der Darlegungs- und Beweislast wird verwiesen.

Frist zur Stellungnahme: 30.08.2010.”

Nächstes Attest

Die vom Gericht angeführten Hilfsmittel besaß Patrick nicht. Auch das war bereits zuvor erörtert worden. Der Anwalt von Patrick legte im August 2010 ein weiteres ärztliches Attest und eine Stellungnahme vor.

Dr. med. N.:

“Der Patient R. ist aufgrund der genannten Diagnosen und die damit verbundenen körperlichen Reaktionen nicht transportfähig.

Diagnosen: schweres MCS, chron. Fatigue Syndrom, Toxische Wirkung sonstiger näher bezeichneter Substanzen, Polyneuropathien, Gleichgewi- chtsstörung”

Patricks Arzt an das Gericht:

“Es wird gesagt, dass dem Kläger bislang möglich war, verschiedene Kliniken auch in anderen Städten aufzusuchen: das war 2007, inzwischen hat sich der Zustand erheblich verschlechtert, das ist häufig bei schweren toxischen und immunologischen Schäden. Man sieht die extremen Schmerzen, er muss schon große Mengen Morphin nehmen, insgesamt 250 mg/Tag (leichter Geschädigte brauchen nur 60 mg/Tag).

Die Muskeln sind ebenfalls schwächer geworden, er kann nicht alleine aufstehen aus dem Bett, er kann keine Treppen mehr steigen, kann seine Körperpflege nicht mehr durchführen.

Zur Dokumentation der schweren körperlichen Veränderungen vor allem durch Stoffwechselstörungen: die Familie hat auf mein Anraten eine Reihe von Fotos aus den letzten Jahren zur Verfügung gestellt.

Es treten immer häufiger und schneller allergische Reaktionen auf bis zum Schock: Atemnot mit Erstickungsanfällen. Somit ist der Transportweg bis …… zu gefährlich und nicht zu verantworten. Zudem hatte er bisher auch noch keine MCS-Maske und kein O2-Gerät (das bisherige kann er nicht verwenden weil er auf Silikon, Weichmacher und Restmonomere am gebrauchten Gerät reagiert).

Er hat also 2007 zuletzt eine “andere Klinik” besucht.

Überdies habe ich die ärztliche Pflicht, mich zu Gutachtern zu äußern, die ich seit Jahrzehnten kenne, zu denen gehört

Dr. R.. Ich muss daher dem Patienten abraten, sich dort ein Gutachten über die Folgen vor allem durch Schimmel anzufordern.

Selbstverständlich sind Familie R. und ich mit allen neutralen und sachkundigen Gutachten einverstanden, das kann ja nur für alle die Erkenntnisse über den Krankheitsverlauf und die Vorbeugung bei Schimmelschäden verbessern.”

Jugendliche mit MCS

Abstellgleis statt Schule – ausranggiert?

Bei allem was bis zum August 2010 passierte, ist zu ergänzen, dass es in ganz Deutschland keine Umweltklinik gibt, die sich auf die Behandlung von Patienten wie Patrick spezialisiert hat. Selbst niedergelassene Umweltmediziner verfügen nicht über die Räumlichkeiten, die es einer Person mit schwerer MCS möglich macht, sich darin auch nur für wenige Minuten aufzuhalten, ohne Reaktionen zu erleiden. Die Forderung nach einer Begutachtung in einer normalen Praxis bedeutet Kontakt mit einer Flut von Chemikalien: Desinfektionsmittel, scharfe chemische Reinigungsmittel, Duftstoffe und Parfums von Mitpatienten und Praxispersonal, gereinigte Praxiskleidung, Ausdünstungen von Kopierer und Druckern, ausdünstende Praxismöbel aus Pressspan, etc.

Fragen, die Beantwortung verlangen:

  • Wer hilft einem Patienten wie Patrick, wenn er durch eine Begutachtung in ungeeigneten Räumlichkeiten weiteren Schaden erleidet?
  • Wer stabilisiert den Gesundheitszustand solcher Patienten und wie?
  • Was spricht gegen eine Begutachtung in häuslicher Umgebung, dort wo sich der Gutachter auch einen Überblick hinsichtlich des Umfeldes und möglicherweise sogar bezüglich der krankheitsauslösenden Schadstoffbelastung machen kann?

Fortsetzung folgt…

Autoren: SilviaK. Müller und Kira, CSN – Chemical Sensitivity Network, Februar 2011

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