Krank durch den Beruf, Versicherung zahlt

MCS-Patient erhält 150.000,00 € aus privater Berufsunfähigkeitsversicherung

Heute möchte ich von einem weiteren Fall berichten (vgl. auch Artikel „Jungem Mann mit MCS wurde Rente gewährt“), der zeigt, dass es zwar schwierig ist, Ansprüche gegenüber Berufsunfähigkeitsversicherungen aufgrund einer MCS-Erkrankung durchzusetzen, dass dies jedoch – je nach Fallgestaltung – durchaus nicht aussichtslos sein muss.

In dem von mir vertretenen Fall lag bereits außergerichtlich ein Gutachten vor, das dem Kläger bestätigte, dass er aufgrund seiner MCS-Erkrankung in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit zu mindestens 50 % berufsunfähig ist. Aus diesem Grund wurden von der beteiligten Berufsunfähigkeitsversicherung zunächst auch Rentenleistungen gewährt, jedoch nur bis zum 31.01.2007.

Die weitere Zahlung über dieses Datum hinaus wurde noch im Anerkennungsschreiben mit der Begründung abgelehnt, mein Mandant sei mittlerweile an einen anderen Arbeitsplatz im selben Unternehmen versetzt worden und in Bezug auf diese neue, tatsächlich ausgeübte Tätigkeit nicht im erforderlichen Umfang berufsunfähig. Zudem sei er auch zulässigerweise auf diese neue Tätigkeit verweisbar, weil er in dieser dieselbe Lebensstellung innehabe wie in seiner bisherigen. Dies begründete die Versicherung vor allem damit, dass mein Mandant in der neuen Tätigkeit dasselbe Einkommen erzielte, wie in der bisherigen.

Sowohl außergerichtlich als auch im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth machte ich geltend, dass eine Verweisung meines Mandanten auf die neue Tätigkeit unzulässig sei, da diese gerade nicht seiner bisherigen Lebensstellung entspreche. Denn nach der Rechtsprechung des BGH komme es nicht allein darauf an, dass in der neuen Tätigkeit dasselbe Einkommen erzielt wird wie in der bisherigen, sondern entscheidend auch darauf, ob die neue Tätigkeit in Bezug auf die dafür erforderliche Ausbildung und die zur Ausübung erforderlichen Kenntnisse vergleichbar ist. Dies jedoch sei nicht der Fall.

Die zur Frage der Vergleichbarkeit der bisherigen Tätigkeit mit der neuen Tätigkeit durchgeführte Beweisaufnahme verlief zu Ungunsten des Klägers, gleich zwei Zeugen sagten aus, beide Tätigkeiten seien auch in Bezug auf die zur Ausübung erforderlichen Kenntnisse vergleichbar. Das Gericht gab daher mit deutlichen Worten zu erkennen, dass der Kläger das Klageverfahren nach dem bisherigen Verlauf der Beweisaufnahme wohl verlieren werde.

Ich bat daher um eine Unterbrechung der Verhandlung und riet meinem Mandanten, auf die Vernehmung des letzten Zeugen zu verzichten und sich auf einen Vergleich mit der Gegenseite einzulassen, sofern sich diese trotz des für sie positiven Verlaufs der Beweisaufnahme überhaupt noch vergleichsbereit zeige. Bereits zu Beginn des Termins hatte diese 130.000,00 € als Vergleichssumme angeboten, die der Kläger zunächst jedoch ablehnte. Trotz des für die Beklagte positiven Verlaufs der Beweisaufnahme konnte ich es schließlich erreichen, dass diese ihr Angebot sogar noch erhöht, so dass ein rechtswirksamer Vergleich über 150.000,00 € zu Stande kam.

Autor:

RA Dr. Burkhard Tamm, Fachanwalt für Medizinrech, Würzburg, www.tamm-law.de

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10 Kommentare zu “Krank durch den Beruf, Versicherung zahlt”

  1. Clarissa 22. November 2012 um 13:07

    Tolles Ergebnis aber Vergleiche haben mir bisher nur Nachteile gebracht. Warum gehen Gerichte so gerne auf Vergleiche? Wollen sei keine Beschlüsse fassen auf die andere sich berufen könnten? Ist es zu viel Arbeit sich wirklich mit der Materie aus einander zu setzen um ein korrektes Urteil zu finden?

    Ich als Opfer mit mittlerweile 5 Vergleichen die jedes mal mich so etliches gekostet haben, halte von unserem sogenannten Rechtssystem nicht mehr allzu viel.

  2. Silvia 22. November 2012 um 14:45

    Welchen Nachteil hat es 150.000€ auf dem Konto zu haben?!

  3. Maus 22 22. November 2012 um 16:59

    @ Silvia, ein Nachteil 150000 Euro mehr auf dem Konto zu haben ist es nicht. Es geht darum, dass es keine Urteile für MCSler gibt. Auf Urteile von anderen kann man sich berufen, auf Vergleiche nicht.
    Beim Lesen der Überschrift, ging es bei mir so durch den Kopf: Toll, ein Urteil, das ich gebrauchen kann. Während des lesen dann, Oohh, nur ein Vergleich.
    Es gibt so viele MCSler, die dringend auf ein Urteil warten.
    RA Tamm kämpft für uns MCS-Erkrankte und holt für seine Mandanten schon viel raus. Dafür mein Dank und meine Anerkennung.
    Ich werde in meinem Fall weiter kämpfen und hoffe bald auf ein positives Urteil.

  4. Silvia 22. November 2012 um 17:58

    Wer an deutschen Gerichten schon um Anerkennung einer Chemikalien-bedingten Berufserkrankung gekämpft hat, weiß, dass man versucht Präzedenzfälle zu vermeiden. Ein Vergleich ist oft die einzige Lösung um überhaupt etwas zu bekommen und einen Vergleich zu erzielen ist sehr, sehr schwer. Deshalb Glückwunsch an RA Tamm.

    Selbst wenn es ein Urteil gegeben hätte, könnten sich andere nicht unbedingt darauf stützen. Expostion und gesundheitliche Auswirkungen sind bei jedem anders gelagert. Zudem ist der Betroffene, nicht der Verursacher, in der Beweislast. Hat also jemand keine Beweise, z.B. in Form von Messwerten, nutzt ihm ein Urteil von jemandem der klare Beweise hatte nichts.
    Unabhängig aller Umstände braucht man einen Anwalt mit Fachkompetenz, andernfalls bleibt nur wenig Chance auf Erfolg – so traurig es ist.

  5. Maus 22 22. November 2012 um 18:06

    Silvia, da gib ich dir in allen Punkten Recht.

  6. Silvia 22. November 2012 um 18:09

    Wir können nur Erfolg haben wenn wir ganz nüchtern und realitätsbezogen sind.

    150.000€ sind jedenfalls WOW und ein Zeichen dass etwas geht wenn man einen Anwalt hat der den Fall sauber durchzieht. Etwas Glück braucht man letztendlich sicher auch noch.

  7. PappaJo 22. November 2012 um 19:01

    Was eine schöne Neuigkeit!
    Das ist ungefähr die Summe, die mir die BG bis heute schuldet. Wurde aber wegen den MAK-Werten ja abgelehnt. Die Kommastelle hätte ich dann selbst locker nach rechts verschieben können, beim Daytraden, so als alter Fuchs. Aber mit einer Null vor dem Komma, hilft auch das Wissen nichts.

  8. Kira 23. November 2012 um 11:58

    Auch meinen Glückwunsch und Dank an RA Tamm.
    Er ist einer von ganz „wenigen RA“, die das Herz noch am richtigen Fleck haben.
    Bei Geldangelegenheiten ist ein Vergleich oft wirklich die einzige Lösung um überhaupt etwas zu bekommen … da gehört schon einiges dazu!

    Jedoch, wie sieht es in den anderen Rechtsangelegenheiten für schwer toxisch Erkrankte aus ??
    Beispielsweise GdB – hier finde ich es mehr wie beschämend, das man da seitens der deutschen Gerichten und der Gegenpartei auch immer wieder einen gewissen Kuhhandel (Vergleich) in Richtung Psychoschiene versucht und schmackhaft macht….. also ein sogenanntes Pokerspiel mit der Menschenwürde.

  9. Lisa Kleiner 18. Juni 2013 um 05:13

    Da kann ich Silvia nur zustimmen. Und bei dir Kira finde ich den Ausdruck Pokerspiel mit der Menschenwürde sehr angebracht auch wenn es eigentlich traurig klingt, ist dies wohl die Wahrheit.

  10. t24 4. September 2013 um 14:53

    Vielen Dank für den Artikel. Meine Kollegen und ich haben uns mit dieser Sache einmal eingängig beschäftigt weil diese Fakten vollkommen neu waren für uns. Das Resultat: Klarer Fall- es gibt da immer Probleme. MCS ist als solches nicht so deutlich greifbar wie Krebs oder Querschnittslähmung.
    Aus diesem Grund ersteimal „Hut ab “ vor der Leistung des Rechtsanwaltes!
    Der zweite Punkt ist die Veränderung des Abreitsplatzes- dort liegt der Vorteil ganz klar bei der Versicherung, und zwar bei jeder Verhandlung. Dass dort trotzdem eine Erhöhung der Vergleichssumme zu Stande kam, spricht sowohl für den Anwalt als auch für den Versicherer.
    Also hiert für beide nochmal „Hut ab“!
    als auch für die Gesellschaft.

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