Archiv der Kategorie ‘Umweltschutz, Naturschutz‘

Der Fukushima-Dreck gehört nicht mehr uns!

Der Fukushima Eigentümer garniert den Schaden mit Beleidigung – Behauptet, der Fallout gehöre ihnen nicht

Im unmoralischen Milieu der Unternehmensbilanzen kann man Tokyo Electric Power Co. nicht einmal vorwerfen, es auf diese Weise zu versuchen.

TEPCO ist Besitzer des 6. Reaktoren Komplexes, der aufgrund des Erdbeben am 11. März 2011 havarierte und vom nachfolgenden Tsunami zerstört wurde. TEPCO muss mit 350 Milliarden Dollar Schadensersatz und Kosten für Aufräumarbeiten rechnen, aber auch mit möglicher Strafverfolgung wegen Zurückhalten kritischer Informationen, die unter Umständen das Freisetzen von Strahlung in einem gewissen Umfang verhindert hätten und wegen dem Betrieb der riesigen Anlage, nachdem sie vor der Unzulänglichkeit ihrer Katastrophen-Vorkehrungen gewarnt worden waren.

Als nun das Unternehmen am 31. Oktober vor dem Bezirksgericht in Tokyo vom Sunfield Golf Club verklagt wurde, der die Dekontaminierung der Golfanlage verlangte, versuchten die Anwälte von TEPCO etwas Neuartiges. Sie behaupteten, das Unternehmen würde nicht länger haften, weil es die aus seinen zerstörten Reaktoren ausgestoßenen radioaktiven Gifte nicht mehr länger „besitzen“ würde.

„Radioaktive Materialien aus dem Fukushima Reaktorblock 1, die verteilt wurden und niedergegangen sind, gehören den jeweiligen Landbesitzern, nicht TEPCO“, sagte das Unternehmen. Dies machte das Gericht, die Kläger und die Presse baff. Ein Anwalt des Golf Clubs sagte, „Uns bleibt die Spucke weg…

Das Gericht wies TEPCOs Auffassung zurück, sein Krebs verursachender Schadstoffniederschlag würde den Gebieten gehören, die kontaminiert wurden. Aber man habe ihnen das Zeug zurück zu geben. So ein dreister Unsinn kommt kaum ein zweites Mal auf der Welt vor.

Selbst Union Carbide, dessen giftige Gase 1984 in indischen Bhopal 15.000 Menschen umgebracht haben, hat es nicht so probiert. Dow Chemical, 2001 Käufer von Union Carbide, wehrt sich immer noch gegen Indiens Schadensersatzforderungen von 1,7 Milliarden Dollar. Vielleicht sollte Dow TEPCOs Nummer probieren: „Das Gas gehört nun denen, die es eingeatmet haben – was man hat, besitzt man meistens auch.“

Mittlerweile erwartet Kleinkinder in Japan ein Leben mit Behinderung und Krankheit, weil radioaktives Cäsium-137 und Cäsium-134 kürzlich in Milchpulver für Kindernahrung gefunden wurden. Am 6. Dezember 2011 gab es eine Ankündigung der Meiji Holdings Company, Inc. nach welcher sie 400.000 Döschen ihres „Meiji Step“ Milchpulvers für Kinder über neun Monaten zurückrufen würden. Das Pulver wurde im April abgepackt – als die großen radioaktiven Freisetzungen von Fukushima ihren Höhepunkt erreichten – es wurde im Mai ausgeliefert und hat das Verfallsdatum Oktober 2012.

Der Cäsium-Gehalt pro Portion dieses Milchpulvers lag ungefähr 8 Prozent über der von der Regierung zugelassenen Kontamination. Doch wer weiß schon, wie viel dieser Fertignahrung einzelne Säuglinge vor dem Rückruf verzehrt haben. Es ist bestens bekannt, dass Föten, Säuglinge, Kleinkinder und Frauen von Strahlendosen geschädigt werden, die weit unterhalb der zugelassenen Belastung liegen. Die meisten Grenzwerte wurden anhand der Strahlenwirkung auf einen „Referenz-Menschen“ festgelegt, man ging von einem 20 bis 30-jährigen Weißen, nicht aber von Kindern und Frauen aus, die am gefährdetsten sind.

Selbst winzige innerliche radioaktive Kontamination kann die DNA beschädigen, Krebs verursachen und das Immunsystem schwächen. Die vom Fukushimas Kernschmelzen in Umlauf gebrachte radioaktive Kontamination wurde in Gemüse, Milch, Fischereiprodukten, Wasser, Getreide, Viehfutter und Rind nachgewiesen. Grüner Tee, der 400 Kilometer von Fukushima entfernt wuchs, war kontaminiert. Bei Reis, der im Herbst 2011 in der Präfektur Fukushima geerntet wurde, stellte man im November 2011 eine Cäsium-Belastung fest, die 25 Prozent über dem erlaubten Grenzwert lag. Die Auslieferung von Reis aus diesen landwirtschaftlichen Betrieben wurde verboten, doch erst, nachdem viele Tonnen davon bereits verkauft worden waren. Es ist davon auszugehen, dass diese Strahlung nun jedem einzelnen Verbraucher gehört, das ergibt sich aus den einfallsreichen Behauptungen der Unternehmens-Anwälte von TEPCO.

Autor: John LaForge, 16 Januar 2012 für Truthout

Übersetzung: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network

Der Original-Artikel „Fukushima’s Owner Adds Insult to Injury – Claims Radioactive Fallout Isn’t Theirs“ wurde unter der Creative Commons Lizenz: by-nc veröffentlicht. Für diese Übersetzung gilt CC: by-nc-sa.

Foto: Beau B CC: by, bearbeitet

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Menschenrechtsverletzungen: Sechs Agrarchemie-Konzerne schuldig gesprochen

Auch Internationaler Währungsfond, Weltbank und Welthandelsorganisation wegen systematische Menschenrechtsverletzungen schuldig gesprochen

Nach vier Verhandlungstagen des nach strengen juristischen Regeln arbeitenden Permanent People’s Tribunal folgte am 6. Dezember 2011 der Urteilsspruch. Danach sind die weltweit größten sechs Agrarchemie-Konzerne – Monsanto, Syngenta, Bayer, Dow Chemical, DuPont und BASF – schuldig, schwerwiegend, weitreichend und systematisch Menschenrechte verletzt zu haben.

Auf der Grundlage einer 274 Seiten umfassenden Anklageschrift verhandelte das Permanent People’s Tribunal Anklagen von Opfern und Zeugen aus Afrika, Asien, Europa, Lateinamerika und Nordamerika. Die Anklagepunkte betrafen das Recht auf Gesundheit und Leben sowie ökonomische, soziale und kulturelle Menschenrechte, aber auch zivile und politische Rechte und speziell die Rechte von Frauen und Kindern. Das Tribunal sprach die Konzerne auch schuldig, die Menschenrechte von indigenen Völkern verletzt zu haben. Die Anklageschrift wurde im Namen der Opfer durch PAN International eingereicht.

Carina Weber, Geschäftsführerin von PAN Germany: „Dieses Tribunal macht deutlich, dass durch multinationale Agrarchemie-Konzerne begangene Menschenrechts- verletzungen in großem Ausmaß stillschweigend geschehen. Viele Opfer sind nicht in der Lage, ihre Rechte im eigenen Land juristisch einzufordern und auf globaler Ebene existiert kein wirksamer Mechanismus, um die Konzerne für begangene Menschen- rechtsverletzungen haftbar zu machen.“

Über die Heimatländer der Konzerne – die Schweiz, Deutschland und die Vereinigten Staaten – urteilt die Jury, dass sie sich nicht gemäß der international übernommenen Verantwortung, die Menschenrechte zu fördern und zu schützen, verhalten.

Neben den sechs Konzernen und den drei Ländern wurden der Internationale Währungsfond, die Weltbank und die Welthandelsorganisation schuldig gesprochen. Sie haben, so die Jury, durch ihre Politik und ihre Programme die Konzentration und Macht von Konzernen begünstigt. Die Jury sprach die Welthandelsorganisation schuldig, eine unausgewogene Politik zu betreiben, indem sie das Recht auf geistiges Eigentum der Konzerne stärker betone als den Schutz vor Langzeitgefahren, die aus Aktivitäten der Unternehmen resultieren. Der Internationale Währungsfond und die Weltbank haben der Jury zufolge im Rahmen ihrer Vergabepraxis die Einhaltung der Menschenrechte nicht ausreichend berücksichtigt.

Für die Anklage von Konzernen nach nationalem Recht empfiehlt die Jury das Strafrecht statt des Zivilrechts. Die Jury drängt Regierungen, sich für die Umstrukturierung des Internationalen Rechts einzusetzen, damit multinationale Konzerne zur Rechenschaft gezogen werden können, die Beweislast zukünftig weniger auf den Opfern lastet und das Vorsorgeprinzip gestärkt wird.

Autor: PAN, Hamburg, 12. Dezember 2011

Mehr zum Permanent People´s Tribunal

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Occupy: Hier geht es um die Zukunft für diese jungen Leute!

David Suzuki auf der Occupy Montreal Demo
Manche, die sich für die Belange der Umwelt engagieren, erkennen in der nun weltweiten Occupy-Bewegung ein Engagement gegen die Ursache all der Probleme, mit denen sie sich schon länger befassen. Dementsprechend lag für Marc Coppola nichts näher als den Wissenschaftler, Radio-, Fernsehjournalisten und Umweltaktivisten David Suzuki zu interviewen, als dieser zu einer Occupy Demonstration nach Montreal kam.

David Suzuki und seine gleichnamige Stiftung sind durch die Aufsehen erregende „If YOU were Prime Minister Tour“ ein Begriff. 1997 reiste der Kanadier mit einem Wohnmobil durch sein Land. Es war keine Tour, um ein Buch vorzustellen, auch keine Publicity Tour, sondern eine Reise um mit den Menschen über die Zukunft des Landes, dessen zukünftige Generationen und die Umwelt zu sprechen. Für David Suzuki besteht zwischen den Politikern, also den gewählten Volksvertretern und den Menschen im Land, eine nicht hinnehmbare Kluft. Für die Kanadier war zu diesem Zeitpunkt Umwelt und Klimaerwärmung das wichtigste Thema überhaupt. Die Politiker handelten das brandheiße Thema ab wie eine Schaufensterdeko, schnell eine Kulisse hochgezogen, damit alle erfreut sind und rasch weiter zum nächsten Thema, immer in der Hoffnung, dass dieses „Umwelt-Ding“ schnell vorüber ist und man es ignorieren und sich wieder den Wünschen der Industrie zuwenden kann. David Suzuki steuerte gegen, indem er den Kanadiern eine Stimme gab und auf seiner Tour Menschen im ganzen Land vor laufender Videokamera zur Sprache bringen ließ, was sie von ihrem Premierminister erwarten und was dieser für das Land tun soll. Genau das passiert im Moment auch durch die Occupy Bewegung, Menschen in vielen Ländern ergreifen das Mikrophon und teilen z.B. über Lifestreams der Welt mit, was sie für wichtig halten und was sich ändern muss, damit alle eine bessere Zukunft erfahren können.

Interview Marc Coppola/David Suzuki:

Marc Coppola: Wir wundern uns ein wenig, was Sie hierher gebracht hat?

David Suzuki: Nun, Neugier, wie viele andere Leute hier auch. Große Frage für mich, ist das wirklich eine Bewegung? Ist das unser kleiner arabischer Augenblick, wenn die Leute sich erheben und sagen, wir müssen uns unser Land zurück nehmen, die Demokratie zurück holen, die wir nach meiner Ansicht im Moment gar nicht haben, aufhören der Agenda der Unternehmen zu dienen. Es sieht so aus, also ob einzig Geld bestimmt, welche Prioritäten wir derzeit haben. Und Geld, die Ökonomie ist sicher nur ein Mittel für etwas anderes. Die Ökonomie für sich selbst ist nichts. Wir benutzen die Ökonomie für etwas anderes. Möchten wir Gerechtigkeit, größere Teilhabe, wollen wir Umweltschutz, das sind die Dinge, die mich interessieren und wenn das Teil dieser Bewegung ist, dann ist das ein sehr aufregender Augenblick.

Coppola: Sehen Sie hier auch, wie die Medien sagen würden, radikalere Bewegungen, denken Sie das in jeder Bewegung…

Suzuki: Das weiß ich nicht, ich habe nicht alles mitbekommen, was hier los ist!

Coppola: Also z.B. wenn sie mal dort hinüber schauen, … ist das nicht die „V wie Vendetta“ Maske an der Queen’s Statue? Hier gibt es viele solche Sachen.

Suzuki: Ja nun, ich kann nichts dazu sagen, ich weiß nicht mal, was das überhaupt ist. Doch was mich so begeistert ist, alle diese jungen Leute hier zu sehen, denn hier geht es um die Zukunft für diese jungen Leute, und diese hat man jetzt für die Agenda der Unternehmen geopfert, und es freut mich, Menschen zu sehen die sagen, wir werden uns das zurück holen! Nehmen wir uns das Land zurück!

Coppola: … was meinen Sie genau mit „uns das Land zurück holen“?

Suzuki: Ich meine, es ist ihre Zukunft, es ist ihr Alles und ich denke sie sind dabei, an ihre Eltern und Großeltern Forderungen zu stellen. Sie sagen, seht, ja seht, wohin Ihr uns gebracht habt. Wie wäre es nun einmal Bilanz zu ziehen und wie wäre es, an uns zu denken und wie es weiter geht. Denn wir sind uns sicher, wir sind nicht auf einem sehr guten Weg.

Coppola: Und in den USA gibt es, ich denke an die Wall Street, eine Art symbolischen Brennpunkt, denken Sie, dass wir in Kanada ebenfalls einen Brennpunkt wie die Wall Street haben?

Suzuki: Nun, ich vermute, in Toronto wäre es die Bay Street, ich weiß nicht, wo es in Montreal ist. Doch ich denke, es wird überall im ganzen Land um das Gleiche gehen. Und das ist folgendes, wir werden zurzeit von etwas regiert, bei dem es sich um die Bedürfnisse der Firmen zu handeln scheint. Die Firmen kommen vor der Öffentlichkeit, und das ist einfach nicht tolerierbar. Das kann nicht weitergehen! Wozu sind Firmen da? Sie existieren wirklich nur aus einem Grund und nur aus diesen! Sie können Dinge tun, die wir brauchen, die wirklich nützlich sind. Doch der einzige Grund, warum sie existieren, ist Geld zu machen und je schneller sie Geld machen, umso besser ist es. Und das ist nicht gerade eine akzeptable Art, die Welt an Laufen zu halten! Was ist mit den Menschen? Was ist mit der Zukunft und den Jobs für junge Leute? Wo sind die Möglichkeiten für die jungen Leute? Das ist mit absoluter Sicherheit wichtiger als der Wunsch, einfach nur Geld zu machen.

Coppola: Ich habe ja neulich mit dem Präsidenten der Studentenvereinigung der Universität Toronto, vor ein paar Monaten, gesprochen und der hat mir erklärt, es gibt dort eine Menge Firmen, die Zeit und Geld aufwenden, um neue Rekrutierungs-Stützpunkte und ähnliches aufzubauen, im Prinzip, um zu versuchen, Studenten für die Arbeit in den Firmen zu interessieren.

Suzuki: Aber natürlich, das ist es, wozu Universitäten geworden sind. Universitäten sehen sich selbst als Produktionsstätten für Leute, die raus gehen und die Ökonomie unterstützen, die für die Firmen arbeiten. Universitäten, das waren einst Orte wo Leute hin gingen, um Ideen zu erforschen, das Äußerste, was der menschliche Geist denken kann, sehr radikale Orte, sehr erschreckend für die Gesellschaft. Doch das war das Spannende. Was machen wir nun? Wir laden Firmen ein, wir wollten, dass Firmen Teil von dem sind, was unsere Wissenschaftler und Akademiker alle tun. Das ist glaube ich ein großer Ausverkauf. Warum sollten Universitäten also nicht denken, dass sie Studenten produzieren, die hinaus gehen und der Agenda der Firmen dienen.

Coppola: Denken Sie, die Firmen bringen dieses hoch kompetitive Modell aus der Unternehmenswelt an die Universität, in das Leben der Studenten?

Suzuki: Ich weiß es nicht, wissen Sie, was die machen? – Doch ich sehe auf meinem Gebiet der Genetik, wie die Medizin-Industrie anfängt, die Regie zu übernehmen. Was eine Community war, die frei kommunizierte und Ideen austauschte, ist sehr geheimniskrämerisch geworden, da ja die Möglichkeit bestehen könnte, diese Ideen zu patentieren, und das ist für mich keine freie offene Institution mehr.

Coppola: Noch irgendeinen Gedanken zum Abschluss… ?

Suzuki: Das ist aber ein sehr langes Interview!

Coppola [zu den Anwesenden]: OK, noch was, haben Sie irgendeine Frage?

Anwesender: Gibt es irgendeinen Vorschlag, den Sie für die Zuhörer haben, für die Leute die dies sehen, die Leute, die dies gleich hören werden? Keine Vorschläge, die Sie für die jungen Leute haben, konkrete Vorschläge, die die Leute umsetzen können, damit die Leute aktiv werden können?

Suzuki: Neijein – ja! Ich denke, dass sie ihren Körper bewegen müssen, dabei bleiben und fordern, dass wir mehr Demokratie brauchen. Und was die jungen Leute betrifft, lasst Euch nicht von den Wahlen irre machen. Sie scheren sich nicht um die Wahlen, weil sie wissen, die Agenda, welche sie von all diesen Politikern hören, hat nichts mit ihnen zu tun, es geht um die Agenda der Firmen. Deshalb müssen sie alle hierher zurückkommen und die Demokratie zurückfordern und das heißt, sie müssen ihren Körper aus dem Haus bekommen und sie müssen anfangen zu wählen und in dem Prozess aktiv werden. Derzeit haben wir keine Demokratie. Sie müssen sie zurück holen. Sie müssen diese obszöne Differenz zur Sprache bringen… wo ein Prozent der Bevölkerung, die absahnen, die riesig viel Geld verdienen, Steuern und jegliche Art von Verantwortung für die Schaffung von Jobs vermeiden wollen. Um diese Prioritäten muss es wieder gehen, sonst ist es nicht akzeptabel!

© Marc Coppola 2011

Danke an Marc, dass wir dieses Interview übersetzen und publizieren durften.

Marc Coppola hat dieses Interview am 15.10.2011 mit David Suzuki in Montreal geführt und u.a. auf seiner Seite „Why? Simply Because“ veröffentlicht. Es ist auch über YouTube abrufbar.

Übersetzung: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network

Die gestellten Fragen konnten aufgrund technischer Probleme leider nicht immer im genauen Wortlaut transkribiert und übersetzt werden.

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Fukushima: Freisetzung von radioaktivem Xenon und Cäsium

Studie schätzt Freisetzung von radioaktivem Xenon-133 und Cäsium-137 im Fukushima ab

Das Open Access Journal „Atmospheric Chemistry and Physics“ veröffentlichte Oktober 2011 eine Studie welche versucht, die beim SuperGAU in Fukushima freigesetzte Menge an Radioaktivität für zwei Radionuklide rechnerisch zu bestimmen. Sie wurde als Diskussionspapier veröffentlicht, harrt also noch einer Prüfung (review) durch andere Wissenschaftler (peers), die nicht an ihr beteiligt waren.

Wir veröffentlichen das übersetzte Abstract dieser Studie und haben es zur besseren Lesbarkeit umformatiert. Das Diskussionspapier kann frei (open access) von Atmospheric Chemistry and Physics herunter geladen werden.

Freisetzung von Xenon-133 und Cäsium-137 aus der atomaren Energieerzeugungsanlage Fukushima Dai-ichi: Bestimmung von Quellterm [Menge und Art], atmosphärische Verteilung und Ablagerung

von A. Stohl et al.

Am 11. März 2011 ereignete sich etwa 130 Kilometer vor der pazifischen Küste von Japans Hauptinsel Honshu ein Erdbeben, dem ein heftiger Tsunami folgte. Der dadurch verursachte Stromausfall in der Atomkraftanlage Fukushima Dai-ichi (FD-NPP) führte zu einer Katastrophe, welche die Freisetzung von großen Mengen Radioaktivität in die Atmosphäre zur Folge hatte. In dieser Studie bestimmen wir die Emission von zwei Isotopen, dem Edelgas Xenon-133 (133Xe) und dem aerosolgebundenen Cäsium-137 (137Cs), die sehr verschiedene Charakteristiken bei der Freisetzung, aber auch in ihrem Verhalten in der Atmosphäre, aufweisen.

Um die Emissionen von Radionukliden als eine Funktion von Wert und Zeit bis zum 20. April zu bestimmen, stellten wir eine erste Schätzung an, die auf Brennstoff-Inventarien und dokumentierten Unfall-Ereignissen vor Ort beruhte. Diese erste Abschätzung wurde danach durch inversive Modellierung [Rückschlüsse aus bekannten korrelierenden Daten] verbessert, welche diese erste Schätzung mit den Ergebnissen eines atmosphärischen Transport-Modells, FLEXPART und den Messdaten mehrerer Dutzend Stationen in Japan, Nordamerika und anderen Regionen kombinierte. Wir verwendeten sowohl gemessene atmosphärische Aktivitäts-Konzentrationen, als auch für 137Cs Messungen des gesamten Fallouts.

Was 133Xe angeht, stellen wir eine gesamte Freisetzung von 16,7 (Ungenauigkeitsbereich 13,4–20,0) EBq [Exa/Trillion = 10^18 Becquerel] fest, was historisch gesehen die größte Freisetzung von radioaktivem Edelgas bedeutet, die nicht in Zusammenhang mit Atombombentests steht. Es spricht sehr vieles dafür, dass die erste große Freisetzung von 133Xe sehr früh stattfand, möglicherweise unmittelbar nach dem Erdbeben und der Notabschaltung am 11. März um 06:00 Uhr UTC [Weltzeit]. Das gesamte Edelgas-Inventar der Reaktoreinheiten 1-3 wurde zwischen dem 11. und 15. März 2011 in die Atmosphäre frei gesetzt.

Für 137Cs ergaben die Ergebnisse der Modellierung eine Gesamtemission von 35,5 (23,3–50,1) PBq [Peta/Billiarde = 10^15 Becquerel] oder etwa 42% der geschätzten Freisetzung von Chernobyl. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die 137Cs-Emissionen am 14.-15. März ihren Höchstwert hatten, dass sie aber insgesamt von 12. bis zum 19 März hoch waren, bis sie plötzlich um Größenordnungen abnahmen, genau als man damit anfing, das Lagerbecken für Brennelemente von Einheit 4 mit Wasser zu besprengen. Dies zeigt, dass die Emissionen nicht nur aus den beschädigten Reaktorkernen, sondern auch aus dem Lagerbecken von Einheit 4 kamen und bestätigt, dass das Besprengen eine wirksame Gegenmaßnahme war.

Wir untersuchen auch die wichtigsten Verteilungs- und Niederschlagsmuster der radioaktiven Wolke, sowohl regional für Japan, aber auch für die gesamte nördliche Hemisphäre. Während es auf dem ersten Blick günstig aussah, dass die meiste Zeit westliche Winde vorherrschten, als sich der Unfall ereignete, ergibt sich aus unserer detaillierten Analyse ein anderes Bild. Genau während und nach der Periode der stärksten 137Cs Emissionen am 14. und 15. März und auch wie nach einer anderen Periode mit starken Emission am 19. März, advehierte die radioaktive Wolke zur östlichen Honshu Insel, wo der Fallout eine große Fraktion von 137Cs auf der Oberfläche des Landes ablegte.

Die Wolke verteilte sich auch sehr schnell über der gesamten nördlichen Hemisphäre, wo sie als erstes am 15. März Nordamerika und am 22. März Europa erreichte. Allgemein passten simulierte und beobachtete Konzentrationen von 133Xe und 137Cs sowohl in Japan als auch an entfernten Orten gut zusammen. Insgesamt schätzen wir, dass 6,4 TBq [Tera/Billion = 10^12 Becquerel] 137Cs oder 19% des gesamten Fallouts bis zum 20. April über dem japanischen Festland nieder gingen, währen der Rest größtenteils über dem nordpazifischen Ozean herunter kam. Lediglich 0,7 TBq oder 2% des gesamten Fallouts gingen über anderem Festland als Japan nieder. 1)

Was bedeutet diese Studie?

Als erstes sollte man nicht viel auf die veröffentlichten Zahlen dieser Studie geben, solange sie noch nicht peer reviewed ist. Ein wenig erstaunt hat mich, dass im Zeitalter von Internet und sozialen Medien die Autoren das Projekt Safecast nicht kennen, dem man z.B. auf Twitter bequem folgen kann und das nicht mal das einzige seiner Art ist.

Auf Seite 41 des Papieres beklagen Sie:

„Obgleich wir Messdaten aus einer Vielzahl von Quellen gesammelt haben, ist fast keine von ihnen öffentlich zugänglich und es gibt wahrscheinlich mehr brauchbare Datensätze, die uns nicht zugänglich waren. Institutionen, die relevante Messdaten produziert haben, sollten diese frei zugänglich machen. Es sollte eine zentrale Datenablage eingerichtet werden, wo diese Daten vorgehalten, überprüft, in ein gängiges Datenformat konvertiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollten. Dies würde beachtliche Verbesserungen der zukünftigen Quellterme erlauben.“

Safecast wurde als crowd sourced (massengestützte) Initiative gegründet, um nicht auf die nur spärlich geflossen Informationen von TEPCO und den japanischen Behörden angewiesen zu sein. Selbst wenn die Wissenschaftler dieser Mob-Initiative misstrauen, die derzeit auf über eine Million „Mess-Stationen“ zurückgreifen kann und zu diesen Zweck Strahlenmessgeräte unters Volk gebracht hat, hätten die doch deren Daten auf Plausibilität prüfen können, sofern die angewendete Methodik wirklich was taugt. (2)

Dass nur zwei Radionukleide untersucht worden sind, verleiht dieser Studie keine große Aussagekraft und die insgesamt freigesetzte Radioaktivitätsmenge und über das Ausmaß des Schadens. Sie kann aber als Modell oder Impuls für andere ausführlichere Studien dienen. Vielleicht wurde gezeigt, daß solche Studien machbar und dass Computermodelle brauchbar sind.

Bei den untersuchten Radionukliden handelt es sich nicht einmal um die langlebigsten. Xenon-133, das vom Körper kaum aufgenommen wird, hat eine Halbwertszeit von 5,25 Tagen und für Cäsium-137 beträgt diese immerhin über 30 Jahre, was aber abgesehen von der biologischen Schädlichkeit noch das kleinere Übel wäre, wenn man z.B. an Plutonium-239 mit einer Halbwertszeit von über 24 Tausend Jahren und an dessen Giftigkeit denkt.

Die allein durch diese beiden Nuklide frei gesetzte Strahlungsmenge ist jedoch erschreckend, wobei sich mir bei Cäsium-137 ein Verständnisproblem auftut. Es wurden insgesamt s.o. 35,5 PBq freigesetzt. Doch am Ende des Abstracts (und auch in den Conclusions, S. 41) wird gesagt, daß über Japan bis zum 20. April 19% bzw. 6,4 TBq und über anderen Gebieten 2% bzw. 0.7 TBq niedergingen. Rechne ich diese 21% bzw. 7.1 TBq auf 100% hoch, sind dies ca. 33,8 TBq oder nicht ganz 10% der insgesamt freigesetzten Menge von 35,5 PBq.

Heißt dies, dass 90% des Cäsium-137 über dem nordpazifischen  Ozean verteilt wurde? – Dann hätte man besser die Meeresbelastung durch diesen Unfall untersuchen sollen. Durch das zur Kühlung eingesetzte Meerwasser ist in den ersten Tagen sicher einiges in die Ozean entsorgt worden. War diese „Notkühlung“ womöglich nicht nur ein Notbehelf, sondern bewusstes Kalkül bei der Planung der Anlage?

Besonders danken muss man den Autoren für die Darstellung des Unglücksverlaufs anhand ihrer Erkenntnisse (Anhang S. 42 ff).

Diese Passage haben wir wieder übersetzt:

A1 Block 1

Am 11. März, um 14:00 Uhr UTC (kaum 8 Stunden nach dem Stromausfall in der Anlage) wurde in der Turbinenhalle erhöhte Strahlung beobachtet, was darauf hindeutet, dass zumindest Edelgase anfingen, in die Umwelt zu entweichen. Gleichzeitig baute sich im Reaktorgebäude Druck auf und die Druckausgleichsventile sollen am 12. März zwischen 00:15 und 01:17 Uhr geöffnet gewesen sein, wahrscheinlich um große Mengen abzulassen. Nach den Berichten war die Entgasungsaktion am 12. März um 05:30 Uhr abgeschlossen. Wir nehmen an, dass bis dahin ein großer Teil der Freisetzungen stattgefunden hat. Um 06:36 ereignete sich in Block 1 die Wasserstoffexplosion (welche die erste war), offenbar weil während der Entgasung Wasserstoff in zahlreiche Gebäudeteile eindrang oder aufgrund von Lecks. Der Druck im Reaktorgebäude sank um 09:00 Uhr ab, deshalb wir vermuten, dass die Freisetzung zu dieser Zeit größtenteils vorüber war. Es ist davon auszugehen, dass die Emissionen in geringerem Umfang aufgrund zahlreicher Lecks weiter gehen werden und ab einem gewissen Zeitpunkt dürften sie wahrscheinlich auch von den abgebrannten Brennstäben herrühren, die nach der Explosion direkt der Umwelt ausgesetzt waren. Am 14. März wurde von einem zweiten Maximum des Drucks berichtet, was möglicherweise auf einen zweiten, niedrigeren Höchstwert der Emissionen hindeutet.

A2 Block 2

Block 2 ist von neuerer Bauart als Block 1 und konnte den Stromausfall ein wenig länger überstehen. Die erste Entgasung fand laut Berichten für diesen Block am 13. März um 02:00 Uhr UTC mit ungewissem Erfolg statt, und die erste bestätigte Zeit, zu der die Ausgleichsventile geöffnet wurden, ist 09:00 Uhr UTC am 14. März. Strahlungsmessungen in Nass- und Trockenbrunnen (Reaktorsegmente unter dem Druckkessel, innerhalb des Reaktorgebäudes) schossen eine Stunde später in die Höhe, was wohl eine Kernschmelze bedeutet, und auch MELCOR-Berechnungen [Computersimulation für Unfälle von Atomkraftwerken] ergeben für diesen Zeitpunkt das Schmelzen der Brennstäbe und auch die Freisetzung von Edelgasen spricht dafür. Demnach denken wir, dass zu dieser Zeit die Edelgase mehr oder weniger vollständig abgelassen worden waren. Um 15:00 Uhr UTC wurde eine weitere Entgasung des Trockenbereiches durchgeführt und eine Wasserstoffexplosion hat wahrscheinlich den wasserführenden Bereich um 21:14 Uhr beschädigt. Man kann von großen Freisetzungen ausgehen. Am 15. März um 21:00 Uhr UTC, herrschte in Trocken- und Nassbrunnen Außendruck, was auf das Fehlen jeglicher wirksamer Barrieren hinweist. Zu dieser Zeit dürfte die gesamte Freisetzung stattgefunden haben, doch ähnlich wie bei Block 1 kann die Freisetzung mit niedrigeren Werten weiter gehen. Zwischen dem 26. März und dem 19. April wurde von einem sekundären Temperaturanstieg im RPV [reactor pressure vessel/Reaktor-Druckbehälter] berichtet, der möglicherweise mit etwas erhöhten Freisetzungen verbunden war.

A3 Block 3

Die erste Entgasungsaktion im Nassbrunnen von Block 3 wurde entsprechend den Berichten am 11. März um 23:41 Uhr UTC durchgeführt. Dabei wurden sicher Edelgase abgelassen. Etwa 24 Stunden später, nachdem von einer Erhöhung des Drucks in der Kondensationskammer [ringförmiger Wasserbehälter unter dem Druckkessel] berichtet wurde, gab es laut Bericht eine zweite Entgasung von ca. 20 Minuten. Schließlich wurde am 13. März um 20:20 berichtet, dass die Ausgleichsventile offen wären und MELCOR [s.o.] ergab ungefähr für diese Zeit das Versagen des Reaktordruckbehälters. Sechs Stunden später, am 14. März um 02:00 Uhr UTC, ereignete sich eine sehr heftige Wasserstoffexplosion, welche den oberen Teil des Reaktorgebäudes schwer beschädigte und Trümmer verstreute. Der Report gibt das Ende der Entgasung mit 03:00 Uhr UTC an. Damit fand sicher eine große Freisetzung ihren Abschluss. Jedoch werden bis zum 20. März zahlreiche Öffnungs- und Schließarbeiten der Ventile berichtet, was sporadische Erhöhungen über den verringerten Freisetzwerten verursacht haben könnte, die ähnlich wie bei Block 1 verlaufen sollten. Schließlich wurde zwischen dem 1. und 24. April eine weitere Zunahme der Druckkessel-Temperaturen berichtet.

A4 Block 4

Wenige Informationen wurden über das Lagerbecken für abgebrannte Brennstäbe von Block 4 veröffentlicht (das aufgrund seines großen Inventars das gefährlichste war). Dessen Wassertemperatur wurde am 13. März um 19:00 Uhr UTC mit 84° C angegeben. Bei solchen Temperaturen ist eine gewisse Freisetzung von Radionukliden bereits wahrscheinlich. Am 14. März kam es um 21:00 Uhr UTC in Block 4 zu einer größren Wasserstoffexplosion. Diese könnte oder könnte auch nicht von den abgebrannten Brennstäben verursacht worden sein. Laut Berichten wurde am 19. März um 23:21 Uhr UTC damit begonnen, über dem Becken Wasser zu versprühen. Ohne weitere Informationen zu besitzen können wir für die Freisetzung lediglich einen Anteil der gleichen Größenordnung wie für die Reaktorkerne annehmen, weniger als 1% des Cäsium-Inventars, von dem man annimmt, dass es hauptsächlich zwischen der Wasserstoffexplosion und dem Besprengen mit Wasser freigesetzt worden ist.

Nach den Wasserstoffexplosionen war ich nicht der einzige, der sich fragte, ob die Lagerbecken für abgebrannte Brennstäbe in den oberen Stockwerken der Reaktorgebäude und die Druckbehälter selber, diese intakt überstanden haben. Solche Fragen wurden zu diesem Zeitpunkt in den Leistungsschutz-bewehrten Profimedien nicht gestellt und wir alle hofften, dass eine oder mehrere Kernschmelzen, die nach den obigen Schilderungen längst stattgefunden hatten und von denen die Behörden und Betreiber wissen mussten, noch zu verhindern sind. Bezeichnend ist auch, dass es zu Block 4 mit dem größten Gefahrenpotential die wenigsten Informationen gibt.

Wie perfekt TEPCO und die japanischen Behörden alles verschleiert und verharmlost haben und wie die Medien, die aus Chernobyl wohl etwas gelernt hatten, mitgespielt haben, weiß man nun also, selbst wenn die Studie von den Peers verworfen werden sollte.

Betont werden muss auch, dass es nicht der Tsunami war, sondern dass bereits das vorausgegangene Erdbeben zu Kernschmelzen geführt hat, weil der Strom für die Kühlung ausfiel. Und sind teilweise baugleiche AKWs bei uns erdbebensicher? (3)

Der Größenwahn nicht des Menschen an sich, sondern jener, die ohne Rücksicht auf Mensch und Natur ihre Geschäfte machen, glaubt, absolut alles managen zu können und jedes Risiko eingehen zu dürfen. Inzwischen gibt es darauf eine Antwort: #OWS!

Autor: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network, 26.10.2011

Ressourcen:

  1. Stohl, A., Seibert, P., Wotawa, G., Arnold, D., Burkhart, J. F., Eckhardt, S., Tapia, C., Vargas, A., and Yasunari, T. J.: Xenon-133 and caesium-137 releases into the atmosphere from the Fukushima Dai-ichi nuclear power plant: determination of the source term, atmospheric dispersion, and deposition, Atmos. Chem. Phys. Discuss., 11, 28319-28394, doi:10.5194/acpd-11-28319-2011, 2011. Freigegeben unter CC: by
  2. Crowdsourcing Japan’s radiation levels
  3. Fukushima-Reaktoren in unserer Nachbarschaft: Baugleiche AKWs laufen weiter

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Pestizide belasten Gewässer stärker als gedacht

Liste der zu kontrollierenden Chemikalien sollte zügig aktualisiert werden

Leipzig – Pestizide sind ein größeres Problem als lange angenommen. Das geht aus einer Studie hervor, für Daten zu 500 organischen Substanzen in den Einzugsgebieten von vier großen europäischen Flüssen ausgewertet wurden. Dabei zeigte sich, dass 38 Prozent dieser Chemikalien in Konzentrationen vorkommen, bei denen Wirkungen auf Organismen nicht auszuschließen sind. Dieses Ergebnis zeige klar, dass die Verschmutzung mit organischen Chemikalien ein europaweites Problem sei, schreiben Wissenschaftler im Fachmagazin „Science of the Total Environment“. Die meisten der Substanzen, die in der in der Studie als Risiko für die Umwelt eingestuft wurden, waren Pestizide, deren Mehrzahl sich nicht auf der europäischen Liste prioritärer Stoffe findet, welche regelmäßig überwacht werden müssen. Deshalb sei eine Überarbeitung der Chemikalienliste, die die EU-Wasserrahmenrichtlinie den nationalen Behörden zur Beobachtung vorschreibt, dringend notwendig.

Ziel der EU-Wasserrahmenrichtlinie ist es, dass Oberflächengewässer und Grundwasserkörper bis 2015 einen guten ökologischen und chemischen Zustand erreichen sollen. Der chemische Zustand wird anhand einer Liste bewertet, auf der 33 sogenannte prioritäre Schadstoffe aufgeführt sind. Da insgesamt über 14 Millionen Chemikalien auf dem Markt sind und davon über 100 000 im industriellen Maßstab produziert werden, müssen sich die Behörden bei ihren Kontrollen auf eine überschaubare Anzahl an Schadstoffe beschränken. Europaweit arbeiten Wissenschaftler daher an Methoden, um herauszufinden, welche Stoffe das sein sollten.

Einen wichtigen Beitrag dazu leistet jetzt eine Studie, die Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) zusammen mit Kollegen in Frankreich, der Slowakei, Belgien und Spanien erstellt haben. Dazu werteten sie eine Datenbank aus, die im Rahmen des EU-Forschungsprojektes MODELKEY entstanden ist und die fünf Millionen Einträge zu physiko-chemischen Daten enthält. Der Schwerpunkt der Arbeit lag dabei auf den organischen Schadstoffen, die bei über 750.000 Wasseranalysen in den Einzugsgebieten der Flüsse Elbe (Tschechien/Deutschland), Donau (10 Europäische Anrainerstaaten), Schelde (Belgien), und des Llobregat (Spanien) registriert wurden. Der Europäischen Kommission zufolge handelt es sich dabei um die erste Studie, die ein System entwickelt hat, das organische Schadstoffe nach Bewertungskriterien und Handlungsbedarf klassifiziert.

Eine der am häufigsten registrierten Verbindungen war Diethylhexylphthalat (DEHP), ein Weichmacher aus der Chemieproduktion, der die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen kann und daher ab 2015 in der EU verboten ist. Daneben folgen mit Bisphenol A (BPA) ein weiterer Weichmacher, der ebenfalls als fortpflanzungsschädigend gilt, sowie mit Diclofenac und Ibuprofen zwei Arzneistoffe, die häufig in Schmerzmitteln eingesetzt werden.

Insgesamt stuften die Wissenschaftler 73 Verbindungen als potenzielle prioritäre Schadstoffe ein. Rund zwei Drittel davon sind Pestizide, also so genannte Pflanzenschutzmittel, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden, um die Kulturen vor Krankheiten, Schädlingen oder Unkräutern zu schützen. Die problematischsten Pestizide waren dabei Diazinon, das in Deutschland und Österreich bereits nicht mehr zugelassen ist, und die in Mitteleuropa erlaubten Stoffe Azoxystrobin und Terbuthylazin. „Beide Pestizide stehen nicht auf der Liste der 33 prioritären Schadstoffe, die die Behörden EU-weit kontrollieren müssen“, erklärt der UFZ-Forscher Dr. C. Peter von der Ohe. „Terbuthylazin ist strukturell sehr ähnlich den beiden prioritären Stoffen Simazin und Atrazin, die längst nicht mehr zugelassen sind. Dies ist ein Beispiel wie kleine Änderungen der chemischen Struktur zu einer scheinbaren Verbesserung des chemischen Zustands führen, ohne dass die Gefährdung für aquatische Ökosysteme tatsächlich abnimmt.“ Die Wissenschaftler halten daher die regelmäßige Überarbeitung der Liste prioritärer Stoffe für sehr wichtig. Die Mehrzahl der aktuell problematischen Stoffe ist nicht gelistet, während eine ganze Reihe der überwachten Chemikalien längst verboten und nicht mehr im Gebrauch ist. „Überrascht waren wir auch, dass Substanzen, die bisher als harmlos eingestuft wurden wie HHCB, das als synthetischer Moschus-Duftstoff in Körperpflegemitteln eingesetzt wird, in der Umwelt in bedenklichen Konzentrationen vorkommen“, ergänzt Dr. Werner Brack vom UFZ, der die Europäische Kommission in verschiedenen Gremien und Projekten bei der Überarbeitung der Schadstoffliste berät. „Aus unserer Sicht sollte bei der Weiterentwicklung der Wasserrahmenrichtlinie darauf geachtet werden, dass in Zukunft nicht nur das Vorkommen von chemischen Stoffen beobachtet wird, sondern auch deren Wirkungen registriert werden“, schlägt Brack vor.

Bei aller Kritik, dass die Wasserbehörden in Europa zurzeit den Pestiziden zu wenig Aufmerksamkeit widmen und die prioritäre Schadstoffliste überarbeitet werden sollte, zeigt die Studie nach Meinung der Wissenschaftler auch erste Erfolge der Wasserrahmenrichtlinie. Ein Drittel der von der EU vor einigen Jahren als prioritär eingestuften Schadstoffe stellen inzwischen keine Gefahr mehr für die untersuchten Flüsse dar.

Am 12./13. Oktober 2011 fand in Dresden eine Konferenz zum Integrierten Wasserressourcenmanagement (IWRM) statt. Etwa 400 Wissenschaftler und Mitarbeiter von Politik, Verwaltung, Unternehmen und der Entwicklungszusammenarbeit aus über 50 Ländern widmen sich in über 100 Vorträgen, Diskussionen und zahlreichen Posterbeiträgen der nachhaltigen Bewirtschaftung von Wasser. Behandelt werden aktuelle Fragen des Wassersektors wie z.B.: Wie kann die Wasserbewirtschaftung in Zeiten des Klimawandels nachhaltig geplant werden? Welche Technologien tragen zu einer effizienten und sparsamen Nutzung von Wasser bei? Wie kann deutsches Know-how in Schwellen- und Entwicklungsländern genutzt werden? Wie kann ein flexibles und integratives Wasserressourcen-Management konzipiert werden? Die Konferenz wird vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) organisiert, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und von der International Water Association (IWA) sowie dem Global Water Systems Project (GWSP) unterstützt.

Autor: Helmholtz Gesellschaft für Umweltforschung, Pestizide belasten Gewässer stärker als gedacht, 13. Oktober 2011

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Umweltverbände setzen sich gegen Chemieindustrie durch!

Keine chemischen Holzschutzmittel mehr im Innenbereich von Gebäuden

Ab dem 4. Oktober 2011 sollten im Innenbereich von Wohnungen, Wohnhäusern und Bürogebäuden keine chemischen Holzschutzmittel mehr Anwendung finden. An diesem Tag tritt eine entscheidende Änderung der Holzschutznorm DIN 68800-1, allgemeiner Teil, in Kraft. Sie regelt den Stand der Technik zur Verwendung von Holzschutzmitteln. Durch die Übernahme der Norm in die Landesbauordnungen erhält sie de facto Gesetzescharakter.

Nach jahrelangem hartnäckigem Kampf ist es dem Normungsexperten der Umweltverbände, Karl-Jürgen Prull, gelungen, den Vorrang des baulichen Holzschutzes vor dem chemischen Holzschutz trotz heftigen Widerstandes der Bauchemie durchzusetzen. Die gesamte deutsche holzverarbeitende Wirtschaft, der Bund Deutscher Zimmermeister und die Fertighausindustrie haben diesen Paradigmenwechsel aus der Erkenntnis heraus mitgetragen, dass getrocknetes Holz, wenn es vor Feuchtigkeit und Insekten fachgerecht geschützt ist, nicht gefährdet ist.

Seit den 70er Jahren und dem nachfolgenden Xylamon-Prozess, dem größten Umweltverfahren der deutschen Justizgeschichte, kommt es immer wieder zu erheblichen Gesundheitsschäden beim Einsatz chemischer Holzschutzmittel. „Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung auf Anfrage der Grünen erst kürzlich erklären musste, über die verwendeten Mengen chemischer Holzschutzmittel in Deutschland und über die Belastung der Umwelt durch Biozide aus dem Bautenschutz keinerlei Informationen zu verfügen“, sagte DNR-Generalsekretär Helmut Röscheisen. So sei in einer zweijährigen Fütterungsstudie über die Auswirkungen eines heute noch eingesetzten Holzschutzmittels mit dem Wirkstoff Kupfer-HDO festgestellt worden, dass 80 % (!) der beim Test eingesetzten Versuchstiere einen Darmtumor erlitten.

Umso verhängnisvoller sei jetzt die Entscheidung der Bauchemie, gegen die neue Holzschutznorm von der Öffentlichkeit unbemerkt beim DIN ein Schiedsgerichtsverfahren durchzuführen. Offensichtlich solle der Absatzmarkt mit jährlich über 100 Millionen Dollar Umsatz in Westeuropa nicht kampflos preisgegeben werden. Normungsexperte Prull verwies darauf, dass Dachstühle von Wohngebäuden sich zukünftig rechtlich gesehen nicht mehr wie bisher außerhalb vom Gebäude befinden, sondern zum Innenbereich gehören. Dieser Aspekt habe eine große Bedeutung bei einem nachträglichen Ausbau zu Kinder- oder Schlafzimmern. Das Ende des chemischen Holzschutzes sei auch aus Gründen des Arbeitsschutzes für Zimmerleute wichtig. Außerdem falle zukünftig weniger Sondermüll in Form von chemisch behandelten Hölzern an.

Autor:

Deutscher Naturschutzring (DNR), Umweltverbände setzen sich gegen Chemieindustrie durch, Pressemitteilung 25/2011, 30.09.2011

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Quecksilber in jedem Haushalt zu finden

Energiesparlampen enthalten giftiges Quecksilber

Teil III der Serie “Schadstoffe in unserem Haus”

Man sollte annehmen, dass allgemein Abstand von Quecksilber genommen wird, wegen seiner Toxizität – zumindest in allgemeinen Verbrauchsprodukten. Dem ist aber bei weitem nicht so. In den seit geraumer Zeit eingeführten Energiesparlampen ist u.a. neben Phenol auch Quecksilber enthalten.

Bei einem EU-Gipfel unter Vorsitz von Angela Merkel wurde im März 2007 ein Aktionsplan zum Klimaschutz vorgestellt und die Glühbirne, die in jedem Haushalt vorhanden ist, als Beispiel par excellence zum Einsparen von Energie dargestellt. (1)

Im Jahr 2009 beschloss die Bundesregierung, Leuchtmittel geringerer Energieeffizienz vom Markt zu nehmen (Verordnung (EG) Nr. 244/2009 und Verordnung (EG) Nr. 245/2009) und gegen solche einzutauschen, die eine höhere Energieeffizienz und somit einen niedrigeren Energieverbrauch aufweisen. (2,3) Völlig außer Acht wurde hierbei die Tatsache gelassen, dass bei energiesparenden Leuchtmitteln, wie zum Beispiel der Energiesparlampe, nicht nur krebserregendes Phenol über die Plastikbestandteile abgegeben wird und eine erhöhte Strahlenbelastung durch elektrische Wechselfelder und UV-Licht zustande kommt (BAG empfiehlt daher auch einen Mindestabstand zum Leuchtmittel von 30 cm) sondern eben auch, dass bei einem Zerbrechen der Energiesparlampe das hochgefährliche Quecksilber austritt. Selbstverständlich zerbrechen Energiesparlampen ebenso wie die althergebrachte, schadstofffreie Glühbirne, da beide auch aus Glas sind und somit muss man deutlich betonen, dass jede genutzte Energiesparlampe ein hohes gesundheitliches Schadpotential mit sich bringt.

Hochtoxisches „Flüssiges Silber“

Die alten Griechen nannten Quecksilber „Flüssiges Silber“ (Hydrargyros), wovon auch das lateinische Wort „Hydrargyrum“ und davon wiederum die allgemein genutzte Abkürzung HG abstammt.

Quecksilber ist ein Schwermetall und das einzige Metall, das bei Normalbedingungen flüssig ist. Man findet Quecksilber trotz hoher Giftigkeit in einigen alltäglichen Dingen wie z.B. ältere Thermometer, Energiesparlampen, Amalgamfüllungen, Desinfektions- und Beizmitteln, antike Spiegel, bei der Goldwäsche, der Elektrolyse und selbst in der Kunst oder in der Medizin und vielem weiterem. Quecksilber ist äußerst giftig und umweltgefährlich. Es muss mit den GHS Gefahrstoffsymbolen für toxisch, gesundheitsgefährlich und umweltgefährlich gekennzeichnet sein. Das giftige Schwermetall verdunstet bereits bei Zimmertemperatur, was z.B. zu Bruch gehende Energiesparlampen oder auch Thermometer und andere Quecksilberprodukte besonders gefährlich macht. Die eingeatmeten Quecksilberdämpfe sind stark toxisch. Ebenso eine orale Aufnahme dieses Stoffes. Die Krankheitssymptome belaufen sich von akuten bis hin zu chronischen Vergiftungen. Das Nervengift kann Symptome wie Angstzustände, Depressionen, Müdigkeit, Aggressionsschübe, Nervosität, Tinitus, Sehstörungen, Schlaflosigkeit, Schwindel und einiges mehr auslösen. Zu den organischen Symptomen gehören z.B. auch Arthritis, Allergien, Durchfall, dauerhafte und erhöhte Infektanfälligkeit, Muskelschwäche, dauerhafte Nieren-, Herz- und/oder Atmungsstörungen, Schwächung des Urogenitalsystems, Haarverlust, Gliederschmerzen und Kopfschmerzen etc.. Selbst Multiple Sklerose ähnliche Vergiftungserscheinungen können auftreten. Neuere Forschungen zeigen, das Quecksilber bei Alzheimer und ALS eine entscheidende Rolle spielt ebenso wie bei spontanen Fehlgeburten.

Gefahr von Quecksilber im Alltag unterschätzt

Fallbeispiel I

Eine Gruppe junger Leute hatte für ihre Galerie ein ehemaliges Fabrikgebäude gemietet. In einem Raum hatten sie ein großes Glasbehältnis gefunden das eine silberfarbene Flüssigkeit enthielt. Weil die Flüssigkeit so wunderbar glänzte behielten sie den Glasbehälter und stellten ihn in ihrer Ruhezone auf. Ab und zu nahm einer der jungen Leute während der Pause den Glasbehälter und drehte ihn um das Fließen der silberfarbenen Flüssigkeit zu bestaunen, bei der es sich zweifellos um Quecksilber handelte. An jenem Nachmittag fiel einem der jungen Leute das Glas zu Boden und zerbrach. Die Flüssigkeit verteilte sich in in Form von winzigen Kügelchen im ganzen Raum. Sofort war den jungen Leuten klar, dass sie vor einem Problem standen. Die jungen Leute schlugen jeglichen Rat in den Wind und berichteten einige Zeit später, dass sie einiges aufgekehrt und dann einen Staubsauger zu Hilfe genommen hätten, um die Kügelchen aus allen Ritzen aufzusaugen. Der Gesundheitszustand der jungen Leute verschlechterte sich im Laufe der darauffolgenden Monate. Allen litten an Kopfschmerzen, Schwindel, teils auch an Depressionen und ihnen gingen die Haare aus. Ein junger Mann verlor sogar seine Zähne.

Fallbeispiel II

In einer Metzgerei war ein Gerät zum Einschweißen von Fleisch- und Wurstwaren umgefallen. Beim Aufrichten stellten die Angestellten fest, dass eine silbrige Flüssigkeit auslief und sofort in Form von winzigen Kügelchen durch den Raum spritze. Das Thermostat im Inneren des Einschweißgerätes war zu Bruch gegangen. Eine der Metzgereiangestellten nahm einen feuchten Lappen und wischte die silberfarbene Flüssigkeit vom Fleischpacktisch aus Edelstahl. Die Flüssigkeit „verschmierte“ sagte sie später. Der Geschäftsführer des Warenhauses in dem sich die Metzgerei befand wurde von den Angestellten gerufen und befragt wie man vorgehen solle. Er verwies auf die Technische Abteilung und fügte an, es könne nicht so viel Quecksilber gewesen sei, es sei ja nur ein Thermostat gewesen. Den Rest der Kügelchen versuchten die Mitarbeiter der Metzgerei und der technischen Abteilung aus den Ritzen des Bodens zu fegen. Die Mitarbeiterin, die versucht hatte das Quecksilber feucht aufzuwischen verstarb wenige Monate später an Leberzirrhose. Sie hatte nie auch nur einen Tropfen Alkohol getrunken.

Energieeffizienz

Neben der Toxizität des Quecksilbers in Energiesparlampen, gibt es ein weiteres Umweltproblem, das meist unerwähnt bleibt. Bei der Energieeffizienz schneiden Energiesparlampen nicht so gut ab wie oftmals suggeriert wird. Der bei langen Nutzungsphasen unstrittige Fakt der Energieeinsparung wird durch einen geringfügig höheren Energieverbrauch bei kurzzeitigen Nutzungen jedoch schon wieder etwas neutralisiert (während der Startphase ca. 50 x so viel Energie wie während des normalen Betriebes). Ist diese kurzzeitige Nutzung selten, ist der erhöhte Energieverbrauch nicht dermaßen dramatisch und auch vernachlässigbar, doch haben wir im alltäglichen Leben eine Vielzahl von solchen kurzfristigen Nutzungen und somit summiert sich auch der geringe Mehrverbrauch in entsprechende Höhe. Jeder kennt Situationen wie das kurze Einschalten des Lichts in einem Raum, aus dem man nur etwas holen möchte, die Außenleuchten, die auf Bewegungsmelder reagieren und auch nur eine kurze Zeit aktiviert werden, der Gang auf die Toilette, zu dem auch nur kurz das Licht eingeschalten wird und einige andere Situationen. Zwanzig solcher und ähnlicher kurzzeitigen Nutzungen pro Tag und Kopf sind keine Seltenheit, übers Jahr gesehen wären das schon 7.300, was wiederum in einem gewöhnlichen Haushalt nicht mehr als geringer Mehrverbrauch gewertet werden kann.

Zerbrochene Energiesparlampe setzen Schadstoffe frei

Wie sollte man vorgehen, wenn eine Energiesparlampe zerbricht und das Quecksilber austritt?

Allgemein wird angegeben, dass der Verbraucher die Bruchstücke vorsichtig mit einem angefeuchteten Papiertuch aufnehmen, in eine Plastiktüte oder Einmachglas luftdicht verpacken und zu einer Schadstoffsammelstelle bringen soll. Man sollte keinen Staubsauber benützen und Hautkontakt vermeiden. Der entsprechende Raum sollte anschließend mindestens 20 bis 30 Minuten gelüftet werden. Da Quecksilber schon bei Raumtemperatur verdampft, ist vorzuschlagen, sofort nach dem Bruch die Fenster zu öffnen und nicht erst noch während der Verdampfungsphase mit dem Gesicht über den Bruchstücken zu knien und den Bruch feucht aufzuwischen, um dabei eine Aufnahme über die Atemwege zu riskieren. (4,5) Mittlerweile gibt es auch Energiesparlampen mit zusätzlicher Kunststoffhülle als Splitterschutz und Modelle, in denen das Quecksilber in gebundener Form vorliegt, wodurch das Austreten von Quecksilber bei einem Bruch verringert wird. Fraglich ist aber, ob eine Verringerung des Austritts in diesem Fall wirklich ein Vorteil ist, denn auch noch so geringe Mengen Quecksilber sind gesundheitsschädlich.

Energiesparlampen enthalten Weichmacher, Schwermetalle und Lösungsmittel

Eine weitere Frage wäre in Bezug auf die Kunststoffummantelung zu stellen. Kunststoff beinhaltet diverse Weichmacher, und auch diese sind in erwärmten Zustand gerne bereit auszudünsten. Je nach Weichmacher- und Lösungsmittelart (wie z.B. Phenol) ergeben sich auch hier erhebliche gesundheitliche Gefahren. Ganze, aber nicht mehr funktionstüchtige Energiesparlampen sind aufgrund des beinhalteten Quecksilbers jedoch als Sondermüll klassifiziert, sie dürfen also nicht im Hausmüll oder Glascontainer entsorgt werden.

Wie man das Blatt der Energiesparlampe also dreht und wendet, es kommt bis auf eine mehr oder weniger große Energieeinsparung kaum ein weiterer Vorteil zu Tage, vor allem und besonders im privaten Haushalt.

Autoren:

Die Serie “Schadstoffe in unserem Haus” wird kontinuierlich fortgesetzt.

Falls Ihr zusätzliche Infos habt, bitte fügt sie als Kommentare unten an. Sozial Netzwerken heißt auch gegenseitig informieren.

Literatur:

  1. Der Westen, Wie Angela Merkel die Glühbirne ausknipste, 01.09.2011
  2. BMU, Verordnung (EG) Nr. 244/2009 der Kommission, 18.03.2009
  3. Amtsblatt der Europäischen Union, VERORDNUNG (EG) Nr. 245/2009 DER KOMMISSION, 18. März 2009, 24.03.2009
  4. UBA, Quecksilber aus zerbrochenen Energiesparlampen, Dessau, 02.12.2010
  5. UBA, Energiesparlampen: Bei Bruch ist Lüften das A und O, Dessau, 25.08.2011

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Waschmittel mit Duft setzen gefährliche Chemikalien frei

Die umsatzstärksten Flüssigwaschmittel und beduftete Trocknertücher enthalten schädliche Chemikalien, von denen zwei als krebserzeugend eingestuft sind

Die Wissenschaftlerin an der University of Washington, die chemische Detektivarbeit geleistet hat, um heraus zu bekommen, was in parfümierten Verbraucherprodukten enthalten ist, hat ihre Aufmerksamkeit nun auf jene parfümgeschwängerte Luft gelenkt, die aus den Abluftschläuchen der häuslichen Waschtechnik weht.

Forschungsergebnisse, die in der 4. Augustwoche 2011 im der US-Zeitschrift ‚Air Quality, Atmosphere and Health‘ veröffentlicht wurden belegen, dass die Abluft von Geräten, in denen die am Markt erfolgreichsten Flüssigwaschmittel und Trocknertücher mit Duft zum Einsatz kommen, gefährliche Chemikalien enthält, von denen zwei als krebserregend eingestuft sind.

„Dies ist eine interessante Quelle für Umweltbelastung, da es für das, was aus den Abzügen der Wäschetrockner kommt, absolut keine Vorschriften gibt und es nicht erfasst wird“, sagte die Hauptautorin Anne Steinemann, eine Professorin der University of Washington für Umwelttechnik und öffentliche Angelegenheiten. „Wenn das Zeug aus einem Schornstein oder Auspuff käme, gäbe es Vorschriften, doch wenn es aus einem Wäschetrockner kommt, gibt es diese nicht.“

Die Studie stützt sich auf eine frühere Forschungsarbeit, in der untersucht wurde, welche Chemikalien von Waschmitteln, Lufterfrischern, Reinigungsmitteln und anderen parfümierten Verbraucherprodukten abgegeben werden. Die Hersteller müssen die Inhaltstoffe von Düften und Waschmitteln nicht angeben.

Für die Studie, die sich mit den Chemikalien befasste, welche mit der Wäschetrockner-Abluft freigesetzt werden, kauften die Forscher zunächst vorgespülte Bio-Baumwollhandtücher. Sie baten zwei Wohnungseigentümer, mit ihren Waschmaschinen und Trocknern auszuhelfen, reinigten das Innere der Geräte mit Essig und ließen ganze Waschgänge nur mit Wasser [ohne Waschmittel] durchlaufen, um möglichst viele Rückstände zu entfernen.

In der einen Wohnung ließen sie einen normalen Waschgang laufen und analysierten die Abluft in drei Durchlauf-Varianten: einmal ganz ohne, einmal mit der führenden parfümierten Waschmittelmarke und schließlich sowohl mit dem Waschmittel, als auch mit der führenden Marke parfümierter Trocknertücher. Ein in die Abluftöffnung gesteckter Kanister fing die Abluft bei jedem Durchgang 15 Minuten lang auf. Danach wiederholten die Forscher die Prozedur mit einer anderen Waschmaschine und einem anderen Trockner in der zweiten Wohnung.

Die Analyse der eingefangenen Gase ergab, dass aus dem Abzug mehr als 25 flüchtige organische Bestandteile kamen, dazu gehörten sieben gefährliche Luftschadstoffe. Davon sind zwei – Acetaldehyd und Benzol – von der amerikanischen Umweltschutzbehörde als krebserregender Stoff klassifiziert, für welche die Behörde keine unbedenklichen Grenzwerte festgelegt hat.

„Die Erzeugnisse können nicht nur die persönliche Gesundheit beeinträchtigen, sondern auch die allgemeine, und die Umwelt. Die Chemikalien können in die Luft und über den Abfluss in die Gewässer gelangen“, sagte Steinemann.

Die Forscher schätzen, dass in der Region von Seattle, wo die Studie durchgeführt wurde, die von dieser Waschmittelmarke verursachten Acetaldehyd-Emissionen drei Prozent der gesamten Acetaldehyd-Emissionen des Straßenverkehrs entsprechen. Die Belastung durch die fünf beliebtesten Marken würde, so schätzen sie, etwa 6 Prozent der Acetaldehyd-Emissionen von Autos gleich kommen.

„Wir richten sehr viel Aufmerksamkeit darauf, wie man den Ausstoß von Schadstoffen durch Autos reduziert“, sagte Steinemann. „Und hier haben wir eine Schadstoffquelle, die verringert werden könnte.“

Auf der Internetseite des Forschungsprojektes findet man unter anderem Leserbriefe, in denen über gesundheitliche Auswirkungen parfümierter Verbraucherprodukte berichtet wird. Steinemann sagt, dass die Berichte der Leute über durch die Abluft der Trockner ausgelösten Gesundheitsbeschwerden sie zur Durchführung dieser Studie motiviert haben.

Steinemann empfiehlt, Waschmittel ohne irgendein Geruch oder Duftstoff zu verwenden.

Lisa Gallagher und Amy Davis von der University of Washington und Ian MacGregor vom Battelle Memorial Institute waren als weitere Autoren der Studie beteiligt.

Autor: Hannah Hickey, University of Washington

Literatur:

Ann Steinemann, Lisa Gallagher, Amy Davis, Ian MacGregor, University of Washington, Scented laundry products emit hazardous chemicals through dryer vents, Aug. 24, 2011

Übersetzung: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network

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Die Urwälder gehören den indigenen Familien

Die Vernichtung indigener Familien durch die Industrialisierung – Teil 2

Seit etlichen tausenden von Jahren leben auf den außereuropäischen Kontinenten einheimische Familien im Einklang mit der Natur. Diese Urvölker, sogenannte indigene Familien, werden bis heute unterdrückt und verfolgt. Ihnen wurde und wird der Großteil ihrer Lebensgrundlage, die Natur und Umwelt, durch europäische Einwanderer vernichtet.

Handelsgeschäfte und Sklaverei

Die Anfänge des wirtschaftlichen Handels sind so alt wie die Menschheit. Bereits um 2500 vor Chr. bereisten Seeschiffe eine Binnenverkehrsstrecke in Nordafrika auf dem Nil, unter der Führung von Pharao Sahu-Re. Es fand ein reger Tauschhandel zwischen Ägypten und dem östlichen Orient statt. Um die Kosten für Arbeitskräfte zu sparen, wurden bereits damals viele Menschen gegen ihren Willen als Sklaven gefangen genommen. Größtenteils waren diese Sklaven Menschen aus der eigenen Gegend, überwiegend handelte es sich um Gefangene und Schuldner. Auch in Europa wurden schon damals Sklaven gehalten, vor allem in Griechenland und Rom. Sklaven galten als eine Art Zahlungsmittel. Sie wurden getauscht, bildeten den Teil einer Mitgift und wurden oft weiterverliehen, um eine Schuld zu begleichen. Die Anfänge der Sklaverei sind demnach genauso alt wie der wirtschaftliche Handel an und für sich. Beides hat seine Quelle und seinen Ursprung miteinander. Damals fand allerdings noch kein weitläufiger Seehandel statt.

Columbus und das Geschäft des Metallhandels

Im Jahre 1492, das Geschäft mit exotischen Gewürzen und Edelmetall blühte, wollte der spanische Seefahrer Christoph Columbus das weit entfernte Indien besegeln, um dort eine passende Stelle zum Abbau von Edelmetallen zu finden. Sein Plan war von handfestem wirtschaftlichem Interesse geprägt und er setzte alles daran, dieses durchzusetzen. Unterstützt wurde er von der Königin Isabella von Spanien, diese unterschrieb einen Vertrag. Darin wurde festgelegt, dass sie 90% der Edelmetalle bekommt, die Kolumbus erhoffte in Indien zu entdecken. Kolumbus erblickte jedoch nicht wie geplant Indien, sondern ohne sein Wissen die Westküste Mittelamerikas. Er dachte, er sei in Westindien angekommen und hoffte auf indische Bewohner zu treffen.

Unfaire Tauschgeschäfte mit den Einheimischen

Als er am 12. Oktober 1492 auf einer Insel der Bahamas an Land ging, ahnte er noch nicht, dass er in Mittelamerika strandete. Die ersten Begegnungen mit den indigenen Familien, der dort heimischen Arawak-Indianer, waren freundlich. Diese Familien sind sehr friedvoll und leben seit jeher im Einklang mit der Natur; sie sehen sich als verbündete Freunde aller Menschen und haben großen Respekt vor jeglichem Leben. Daher trugen die Arawak-Indianer keine Waffen und begrüßten die Fremden, die auf einmal in ihrer Heimat gestrandet waren, mit großer Freude. Es wurden Tauschgeschäfte durchgeführt, die Mannschaft von Columbus tauschte unwertige Glasperlenketten gegen hochwertige Baumwolle und viele andere Dinge. Columbus beschrieb die Bewohner der Insel in seinem Logbuch als tauschfreundlich. Danach reiste er mit seiner Mannschaft ein kleines Stück weiter und traf auf eine Halbinsel mit 6 Hütten. Die dort ansässigen Bewohner beschrieb er ebenfalls als sehr liebenswürdig und friedvoll, ohne jegliche Waffen. Er schlug der spanischen Königin vor, sollte sie den Befehl erteilen, alle Inselbewohner nach Kastilien bringen zu lassen oder sie auf der Insel als Sklaven zu halten,dies wäre kein Problem, da ein solcher Befehl leicht durchzusetzen wäre und die Inselbewohner zu allem zwingbar seien.

Ausbeuterei und Unterdrückung auf Mittelamerikanischen Inseln

Columbus hatte einige Inselbewohner gefangen genommen und mit auf sein Schiff bringen lassen. Er vollzog nun das, was bisher eigentlich nur Kriegsgefangenen passierte, sie wurden als Sklaven gefangen genommen. Die Mannschaft reiste weiter zu den Inseln der Antillen, die direkt vor Mittelamerika neben Cuba und Jamaica liegen. Inzwischen flohen einige der gefangengehaltenen Inselbewohner von den Schiffen Columbus, indem sie ins Wasser sprangen und um ihr Leben davon schwommen. Columbus ließ auf die Inselbewohner schießen und schickte einige seiner Mannschaftsmänner auf die Inseln, um Jagd auf die geflohenen Einheimischen zu machen. Danach segelte er mit seiner Mannschaft weiter die Inselgruppen vor den Küsten Mittelamerikas ab. Columbus sah, dass auf diesen Inseln einige Bewohner Goldschmuck trugen. Gold war genau das Edelmetall, das er suchte. Er fuhr nach und nach alle Inseln ab und nahm den Bewohnern ihren Goldschmuck ab. Um vorerst einigen Streitigkeiten aus dem Weg zu gehen, fand dies im Tausch gegen andere wertlose Gegenstände statt.

Sklaverei auf der besetzten Insel Hispaniola

Am 05. Dezember 1492 traf Columbus mit seiner Mannschaft auf der Insel Hispaniola ein und fanden wahre Goldschätze vor. Columbus ließ dort aus den Holzteiles eines seiner Schiffe, dem defekten Schiff „Santa Maria“, die erste Kolonie mit dem Namen „La Navidad“ bauen. Gleich darauf wurden die ersten Einheimischen von der Mannschaft versklavt und zur Arbeit gezwungen. Am 16. Januar 1493 fuhr Columbus mit einem Teil seiner Mannschaft zurück nach Europa, während er den anderen Teil seiner Mannschaft als Bewohner der Kolonie zurückließ. Die zurückgebliebene Mannschaft geriet jedoch bald untereinander in Streit. Sie verteilten sich allmählich über die gesamte Insel. Columbus kehrte erst später zurück, während dessen baute sein Bruder im Jahre 1496 die zweite Kolonie mit dem Namen „La Isabella“ auf, als Homage an die Königin Isabella von Spanien. Auf der gesamten Insel war Columbus bis ins Jahr 1500 der alleinige Gouverneur der Insel. Auch genannt „Vizekönig von Westindien“, da man sich noch immer sicher war, in Indien angekommen zu sein. Einige Zeit danach ergriff der spanische Kolonialverwalter Francisco de Bobadilla die Stellungnahme als Gouverneur der Insel und setzte Columbus kurzerhand ab. Columbus wurde in Ketten gefesselt zurück nach Spanien geschifft, da er am Spanischen Königshof in Ungnade fiel, wegen einer Beschuldigung der Unterschlagung von Gold- und Perlenschmuck. Die einheimischen Familien blieben dennoch auch unter dem neuen Gouverneurs Bobadilla versklavt und mussten harte Arbeiten mit viel Leid erdulden.

Unmenschlichkeit im Namen des Spanischen Königshauses

Ab dem Jahr 1503 führte der Spanische Königshof die Sklaverei sogar gesetzlich als ein Muss ein und eröffnete das unmenschliche Sklavenarbeitssystem „Encomienda“ , unter diesem Gesetz mussten die indigenen Familien für die Spanier eine harte Sklavenarbeit verrichten. Laut diesem damals von den Spaniern eingeführtem Sklavenarbeitssystem, wurden alle indigenen Einwohner automatisch die Sklaven der dort niedergelassenen Europäer in den angesiedelten Kolonien. Die Europäer waren jetzt nicht nur Kolonialisten der Kolonien, sondern sie waren auch Menschenhändler und Sklaventreiber unter der Flagge des Spanischen Könighofes, sogenannte Encomenderos. Sie ließen Plantagen und Mienen bauen, um von dort aus eigene Handelsgeschäfte zu führen und den Seeweg nach Europa für sich zu erobern. Die von den Europäern eingeschleppten Erkrankungen schwächten die bis dahin völlig ausgebeuteten und qualvoll geschundenen indigenen Bewohner noch mehr, so dass bis zum Jahre 1508 so viele indigene Familien gestorben waren, dass nur noch 60.000 indigene Menschen auf der Insel knapp überlebten und um ihr Leben flehten.

Das Interesse anderer Geschäftsleute wurde geweckt

Aufgrund von Berichten über die Kolonialisierung der Insel Hispaniola interessierte sich nun auch der italienische Händler Giovanni Caboto für die Eroberungen neuer Kontinente. Seine Geschäftsbeziehungen waren vor allem verfestigt im Gewürzhandel. König Heinrich VII von England unterstützte ihn tatkräftig durch einen königlichen Schutzbrief. Fortan trug er den Namen John Caboto und verblieb zusammen mit seinen Drei Söhnen unter Königlichem Schutze in Bristol. Caboto erhielt bald darauf den Auftrag einen nördlichen Seeweg nach China zu finden und entdeckte während der Forschungsfahrt die Insel Neufundland vor den Küsten des heutigen Canadas. Damit war das Schicksal für die dortigen Bewohner ab dem Jahre 1497 eingetroffen und die Unterdrückung der indigenen Familien fand ihren furchtbaren Verlauf.

Die Besetzung des Festlandes Südamerikas

Cabotos Sohn, Sebastiano Caboto, erkundete die Ost- und Südküste Amerikas. Der spanische Handelsmann Hernán Cortés wird neugierig und plant nun auch, endlich nach Amerika zu reisen. Sein erstes Ziel soll die von den Europäern besetzte Insel Hispaniola sein. Zu dieser reist er im Jahre 1504 und ließ sich dort nieder. Im Jahre 1511 schließt sich Cortés unter der Anweisung des Spanischen Königshauses dem aristokratischem Offizier Diego Velázquez de Cuéllar bei der Besetzung Kubas vor den Küsten Mittelamerikas an, wo er eine Zeitlang zu dessen Sekretär ernannt wird. Im Jahre 1519 segelte Cortés zur Insel Cozumel vor der Küste Yucatáns in Mittelamerika. Er drang dabei immer weiter bis zum Festland Mittelamerikas vor. Es kam zu einer Welle der Gewalt und Gräueltaten gegen die dortigen indigenen Familien, die Schlacht von Tabasco war eröffnet. Auf diesem Schlachtfeld entstand die Stadt Santa Maria de la Victoria, das heutige Ciudad Victoria in Tamaulipas Mexico. Cortés nahm sich ein indigenes Mädchen als Eigentum, sie sprach die Sprache der Azteken und die Sprache der Maya, daher wurde sie seine Übersetzerin.

Die Vernichtung der Azteken durch die Spanischen Kolonialisten

Es kam zu Verhandlungen zwischen Cortés und dem dort ansässige König der Azteken Moctezuma der II. . Die Azteken hatten bereits ein gut funktionierendes Geschäftssystem und Städte aufgebaut, die in ihrer Struktur mit damaligen Städten in Europa vergleichbar waren. Sie hatten Beamte und Stadträte, Handelsgeschäfte und Güterwaren. Um die Spanier vom Eindringen in die aztekischen Hauptstadt Tenochtitlan abzuhalten, boten die Handelsmänner der Azteken ihnen Gold und Edelsteine an. Doch die Spanier drangen mit Waffen ausgerüstet zu Pferd, sogar unter Kanonenbeschuss, in die Stadt ein. Die Schlacht der Spanier führte zum völligen Untergang des Reiches der Azteken. Der Azteken König Moctezuma der II. wurde während eines aztekischen Festes vom Conquistador Pedro de Alvarado getötet. Cortés beauftragt ihn, nun weiter ins Land einzudringen und alle Reiche im heutigen Guatemala zu erobern.

Die Vernichtung an der indigenen Bevölkerung nahm immer größere Züge an

Es war das Jahr 1524 als Pedro de Alvarado zum heutigem Guatemala kam, das Land dass er unter der spanischen Krone erobern sollte. Er wurde von Cortés dazu auserwählt, da er sich während der Tötung der Aztekenstämme als besonders brutal herausstellte. Die dort ansässigen indigenen Familien der Maya-Stämme wurden von ihm hemmungslos und ohne jegliche Rücksicht angegriffen. Während dem Kampf zwischen den Soldaten Pedro de Alvarados und den Männern des Maya Königs Tecún Umán, hatte er den König mit einer Lanze durchbohrt und dessen Stamm nach spanischem Recht des damals seit dem Jahre 1503 schon herrschenden Sklavenarbeitssystem Encomienda als Untertanen versklavt.

Missionierung der indigenen Bevölkerung

Etwa zu dieser Zeit wurde es auch zur Pflicht, die indigene Bevölkerung zum christlichen Glauben zu bringen. Missionierung an und für sich muss nichts schlechtes sein und kann durchaus auch gute Taten vollbringen, jedoch war es wohl eher ein „zwingen“, als wirklich ein „bringen“. Denn es wurde untersagt, dass die indigenen Familien ihren eigenen Glauben frei ausüben dürfen. Gleichzeitig fand jedoch in Europa die Reformation statt, es entstanden neue Konflikte in der Frage der Theologie und dies führte zur Spaltung des Christentums in verschiedene Konfessionen (katholisch, evangelisch lutherisch, reformiert). Der Bischof Bartolomé de Las Casas reiste im Jahre 1511 in einer Expedition nach Kuba und bekam die Verurteilung des Häuptlings Hatuey mit. Dieser wurde wegen seines Widerstandes gegen die Kolonisatoren zum Tode verurteilt. Bischof Bartolomé de Las Casas sollte ihn noch während des Ganges zum Christentum bekehren. Dies lehnte der Häuptling ab. Ihm wurden unmögliche Fragen gestellt, die unter der Berücksichtigung des Hintergrundgeschehnisses wohl eher einer Qual dienten. So sollte er auf die Frage, ob es im Himmel Weiße gebe, mit „Ja“ antworten. Doch wie sollte es denn dort solche Menschen geben, die ihm und seinem Stamm bisher nur Unheil und viel Leid brachten, diese Frage war somit mehr als völlig unangebracht. Bischof Bartolomé de Las Casas erkannte, dass er sich unbedingt für die Rettung und Befreiung der indigenen Familien einsetzen muss. Er versuchte seit dem Jahr 1515 zu erreichen, dass das Sklavenarbeitssystem Encomienda abgeschafft wird. Dies wurde jedoch durch das spanische Königshaus strikt abgelehnt.

Eine kleine Hoffnung die vernichtet wurde

Ab dem Jahr 1520 erhielt Bischof Bartolomé de Las Casas die Erlaubnis, in Venezuela einige eigene Kolonie unter seinen eigenen Vorstellungen mit der Freiheit und dem friedlichen Zusammenleben der indigenen Familien und ihm einzurichten, was jedoch schon wegen anderer Eroberer nur zwei Jahre danach im Jahr 1522 scheiterte. Er versuchte dennoch weiterhin, das Sklavenarbeitssystem der Spanier abzuschaffen, er kritisierte die Kolonialpraxis scharf und stellte sich immer wieder gegen sein eigenes Land. Zunehmend befreundete er sich als erster Spanier mit den indigenen Familien und verfasste im Jahr 1524 seine dreibändige „Geschichte der Indianer“. Leider wurde die Veröffentlichung untersagt und erst über dreihundertdreißig Jahre später, im Jahr 1875 erlaubt. Zusätzlich schrieb er den Bericht über die unfassbar hemmungslose Kolonisation mit dem Titel „Die Tränen der Indianer“. 1537 bekehrte er einige Stämme des nördlichen Guatemalas zum Christentum und konnte somit das spanische Könighaus auf seine Seite ziehen, deshalb wurde endlich im Jahr 1542 durch den Kaiser Karl V. die „Neuen Gesetze“ des Sklavenarbeitersystems zugelassen. Der Bischof wurde fortan bis heute „Vater der Befreiungstheologie“ genannt. Das System der Sklaverei wurde endlich aufgehoben, aber die indigenen Bevölkerungen erhielten anstatt dessen nun einen Status, vergleichbar mit dem von Minderjährigen. Somit schlug der spanische Königshof ein Schnippchen, denn damit waren die Ureinwohner Amerikas zwar nicht mehr als Sklaven bezeichnet und erhielten leichte Arbeitsschutzrechte, aber dennoch mussten sie unter der Kontrolle und Gefangennahme der Kolonialisten leben. Doch diese waren mit dem neuen Gesetzt überhaupt nicht zufrieden und es wurde von den meisten Kolonialisten schlichtweg umgangen. Daher wurde es schon wieder im Jahr 1545 aufgehoben und 1550 durch das System des Repartimiento abgelöst. Was dem Sklavenarbeitersystem in nichts nachstand und zu weiteren ungeahnten Folgen führte.

Von der Bezeichnung „Sklave“, hin zur Bezeichnung „Arbeiter“

Die Ureinwohner der besetzten Orte Amerikas mussten daraufhin dennoch weiterhin unter Zwang für die Kolonialisten, die sich einfach in ihrem Land ausbreiteten, arbeiten. Sie erhielten keinen Lohn und keine Hilfe. Sie wurden in ihrem eigenen Land noch immer gezwungen, ihre Freiheit aufzugeben. Sie wurden jetzt zwar nicht mehr als Sklaven, sondern als Arbeiter bezeichnet, waren aber im Grunde genommen immer noch Sklaven. Bischof Bartolomé de Las Casas kritisierte das „Neue Gesetzt Repartimiento“ als ein menschenunwürdiges und menschenvernichtendes System an. Denn die zur Arbeit gezwungenen indigenen Männer wurden in weit entfernte Mienen geschafft und die indigenen Frauen in weit entfernten Plantagen, wo sie über mehrere Monate hinweg hart arbeiten mussten, bis sie nach ca. 10 Monaten völlig ausgemergelt und kraftlos in „den Urlaub“ nach Hause geschickt wurden. Die Babys waren völlig unterernährt, die Mütter sahen als Notlösung aus völliger Verzweiflung, weil ihnen die Muttermilch fehlte, nur noch den Mord am eigenen Kind. Die Männer, Frauen und kleinen Kinder wurden von den Arbeiten in den Minen, durch Staub und giftige Gase, schwer krank. Das schwere Leid, was den indigenen Familien zugefügt wurde und bis heute wird, ist unbeschreibbar.

Dies war erst der Anfang einer neuen Geschäftsidee der europäischen Einwanderer. Denn anstatt einer Verbesserung folgte ein weiterer Alptraum für die indigenen Familien der Welt, darüber wird in Teil 3 berichtet.

Autor: Chris B. für CSN – Chemical Sensitivity Network, 20. August 2011

Teil I der Serie: Die Vernichtung indigener Familien durch die Industrialisierung

Die Vernichtung indigener Familien durch die Industrialisierung

Skrupelose Zerstörung nur für den Profit

Indigene Familien sind die Ureinwohner der jeweiligen Länder. Diese Familien werden seit mehreren hundert Jahren bis heute durch europäische Einwanderer vernichtet und unterdrückt. Sie wurden durch diese versklavt, der Großteil ihrer Familien wurde getötet, ihnen werden die Rechte bis heute genommen und ihre Lebensgrundlagen werden erheblich einschränkt. In Amerika sind von diesem schweren Schicksal beispielsweise die Indianer-Stämme in Nord- und Südamerika betroffen, in Polarregionen wie Alaska und Kanada sind es die Stämme der Inuit, in Neuseeland die Maori, in Australien die Aborigines, in Indien die Andamanen und Nikobaren, auf den Philippinen die Palawan und Batak, in Malaysia die Stämme der Pelan und in Peru, Guinea, Brasilien, sowie Afrika stammen etwa noch die Hälfte der Bevölkerung von indigenen Familien ab. Diese Bevölkerungsgruppen sind nur einige wenige von insgesamt ca. 5.000 verschiedenen Stämmen, mit 300 bis 500 Millionen Mitgliedern, die zur Zeit in gut 70 Ländern der Welt versuchen so gut es geht zu überleben.

Mit der Entdeckung kam die Zerstörung

Mit dem Einzug europäischer Einwanderer in die jeweiligen Länder kamen nicht nur Unterdrückung und schreckliche Ereignisse in die bis dahin unberührte Idylle, sondern auch weiterhin anhaltende große Lebenseinflüsse für die indigenen Familien. Die europäischen Einwanderer brachten viele Krankheiten, Armut, Leid und durch die spätere Industrialisierung auch chronische Intoxikationen mit sich. Den einheimischen Familien wurde ihr Land entrissen, ihnen wird ihre eigene wirtschaftliche Lebensgrundlage bis heute genommen und ihre Kultur wird zunehmend unterdrückt. Ihnen wurde nicht nur ihre Heimat zerstört, sondern teilweise werden sie dazu gezwungen, ihren eigenen Glauben und ihre Familientraditionen nicht mehr ausüben zu dürfen. Sie sind bis heute der zwangsweisen Industrialisierung ausgesetzt.

Kein Kontakt zur Zivilisation

In einigen Urwäldern weltweit gibt es noch ungefähr hundert Stämme, die bisher keinerlei Kontakt zur Zivilisation hatten und weitgehend versteckt leben können, da an ihren Aufenthaltsorten jetzt erst nach und nach die Industrialisierung stattfindet. Diese wenigen Stämme sind derzeit akut gefährdet, ihr Leben und ihre Familien ebenfalls zu verlieren. Sie kennen bisher keinerlei Zivilisation und erstellen ihre Produkte selbst, Töpfe aus gebranntem Lehm, Jagdinstrumente aus Stein und Knochen, Nahrungsmittel aus gesammelten Früchten und Obst. Bisher hatten diese wenigen Stämme noch keine Zivilisationskrankheiten und auch ansonsten, soweit ersichtlich, sind sie noch kerngesund. Von diesen 100 Stämmen, die ohne jeglichen Kontakt zur Zivilisation auf der gesamten Welt verstreut leben, gibt es alleine im westlichen brasilianischen Urwald schätzungsweise über 60 Stämme, die ohne Kontakt zur Zivilisation leben.

Industrie, Holzfällarbeiten sind eine Bedrohung für unberührte Stämme

Doch diese bis heute weitgehend unberührten Familienstämme sind nun auch vom Tod und Leid schwer bedroht, da die dortige Industrie und illegale Holzfäller, den Lebensraum dieser Ureinwohner massivst bedrängen und sie sogar töten. Sie werden bereits seit etlichen Jahrzehnten durch die Einwanderung von europäischen Kolonialisten vertrieben. Diese europäischen Einwanderer siedelten sich in die bis dahin unberührten Naturlandschaften ein und wurden zu brasilianischen Siedlern, weil sie den Urwald für sich und ihre industrielle Errungenschaften erobern wollen. Der Höhepunkt der Massenvernichtungen in Brasilien und Peru fing mit dem sogenannten „Kautschuk-Boom“ Anfang der 20. Jahre an. Europäische Einwanderer nahmen sich viele Ureinwohner als Sklaven und vertrieben deren Familien. Es fanden ganze Massaker statt, die Familien wurden auseinander gerissen, Kinder getötet, Frauen verkauft, Männer zur Arbeit auf den Farmen und in den Fabriken versklavt.

Gewalt, Krankheiten, Mord

Mittlerweile hat der Bergbau und der Abbau von Braunkohle im brasilianischen Urwald begonnen. Bergleute, Farmer und Siedler bringen Gewalt und Krankheiten mit in die bis dahin unberührte Idylle. Viele Ureinwohner werden bis heute verfolgt und ihre Familien getötet. Karapiru, ein Mann der brasilianischen Awà-Indianer, hat ein Massaker der europäischen Farmer überlebt. Er konnte entkommen und sich im Wald verstecken. Hungrig, durstig, verängstigt und auf der Flucht, musste er jahrelang im tiefsten Urwald versuchen zu überleben. Er ist der einzige Überlebende seiner gesamten Familie. Seine Frau, seine Kinder, seine Geschwister, seine Mutter, alle wurden bestialisch hingerichtet. Nun lebt er mit seiner neuen Familie und seiner Tochter, noch immer unterdrückt durch die Einwanderer, im Gebiet der brasilianischen Urwälder. Dieses schreckliche Leid finden heute im 21. Jahrhundert statt, durch die Industrialisierung ganzer Urwälder.

Landstriche durch Entlaubungsmittel verseucht

Ganze Landstriche werden zusätzlich durch chemische Produkte wie Entlaubungsmittel vernichtet, Bäume sterben ab, Krankheiten finden Einzug. Die Zerstörung von Natur und Wald dient dazu, um dort Staudämme zu bauen. Diese sind notwendig, um einer Überflutung vorzubeugen und somit die Ansiedlung von Bergleuten, Farmern und Siedlern zu ermöglichen. Auch die zum Abtransport von Holz, Kohle und anderen Produkten notwenigen Eisenbahnstrecken vernichten zunehmend den gesamten Lebensraum der dort lebenden Tiere und der Natur. Die einheimischen Menschen, die indigene Bevölkerung, ist durch die Industrialisierung gesundheitlich am Ende und die Folgen sind bis dato noch völlig unvorhersehbar.

Erste Endecker waren bereits von Habgier getrieben

Angefangen hatte die ganze Zerstörung des Lebensraumes einheimischer Familien durch die Habgier skrupeloser, europäischer Geschäftsleute, die der Meinung waren, nicht nur Europa zu besitzen, sondern auch andere Länder erobern zu müssen, um dort weitere industrielle Standorte aufbauen zu können. Bereits in den Jahren der ersten Kolonialisierungen Mitte des 14. Jahrhunderts, nachdem Christoph Kolumbus Amerika entdeckte, siedelten sich zunächst Spanier in Zentralamerika an. Kolumbus war keinesfalls nur ein harmloser Abenteurer der auf Durchreise war, wie er gerne dargestellt wird, sondern er war in erster Linie ein eifriger Geschäftsmann, der auf der Suche nach einem neuen industriell nutzbaren Standort war. Seine Aufzeichnungen in den Logbüchern und Briefen belegen, dass er vorrangig auf der Suche nach Edelmetall-Vorkommen war, die er vornehmlich in Indien vermutete, allerdings dann mit seinen Schiffen in Amerika strandete. Sein Vorhaben bestand in erster Linie darin, Bergwerke zum Abbau von Metall auf dem von ihm entdeckten Kontinent zu erschaffen, um diese Metalle über den Schiffweg dann in Europa verkaufen zu können.

Teil II wird über die geschichtliche Katastrophe Nordamerikas berichten, mit der das ganze Schicksal hunderttausender indigener Menschen begann.

Autor: Chris B. für CSN – Chemical Sensitivity Network, 15. August 2001

Weiterführende Informationen über die Situation indigener Völker und wie sie ihrer Rechte beraubt werden: Intercontinental Cry

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