Monatsarchiv für Mai 2010

Umweltmedizin in Deutschland, ganz nach Al Gore: Ihr habt es in der Hand

Auch andere, wie Al Gore, thematisieren, welche verderbliche Rolle Bullshit in unserer Gesellschaft spielt (vgl. a. Prof. Harry G. Frankfurt: Bullshit ist „schlimmer als die Lüge“):

„Wir müssen neue Wege für einen Austausch über unsere Zukunft ohne Manipulation finden. Dazu dürfen wir beispielsweise das Bestreiten und Verzerren wissenschaftlicher Erken-ntnisse nicht länger tolerieren. Wir müssen der dreisten Verwendung falscher, ausschließlich zum Zweck der Verdrehung der Tatsachen angefertigter Studien ein Ende machen.“ Al Gore, „Angriff auf die Vernunft“ (deutsche Ausgabe, S. 21).

Al Gore meint u. a. das Schweigen des Senats zum Golfkrieg und das Desinteresse an dem Thema Klimaerwärmung (nur kurzes Aufflackern nach Katrina). Al Gore analysiert, wie es dazu gekommen ist, dass im US-Fernsehen nur noch Angstmache kommt und die Schicksalsfragen der Nation keine Sendezeit bekommen.

Ich habe im Blog schrittweise an das Thema herangeführt. Bullshit bewirkt, dass die Betroffenen von Umweltkrankheiten alle entscheidenden Themen auslassen. Die höchste „Einschaltquote“ (Googleranking) fand mein Beitrag MCS und Gene. Doch das Thema ist nicht rechtswirksam, denn es ist (noch) nicht Stand der Wissenschaft, so gut die Studie von Schnakenberg auch ist und so groß das Lob von Pall. Gefährlich für die Gegenseite dagegen ist Tatsache, dass seit fast 20 Jahren von höchster Autorität anerkannt ist, dass MCS einen schwere organische Krankheit ist und zwar eine Vergiftung: das alles sagt der T78.4.

Ich habe mich seit 5 Jahren gefragt, wie es kommt, dass keine der Patienten-organisationen das Thema aufgreift, in wieweit das neue Merkblatt zur BK 1317 die Rechtslage verbessert. Als die BK 1317 (tox. Enzephalopathie) eingerichtet wurde, gab es ein ärztliches Merkblatt, auf dem die Erkrankung grob falsch dargestellt war zum Zwecke der Fehldiagnose und Prozesslenkung. Ich konnte an einem Falschzitat nachweisen, dass das Merkblatt willkürlich unwahr war, was auch den Nachweis der Absicht mit einschließt. Zurzeit unternimmt Prof. Triebig, ein Arbeitsmediziner, alles, das neue Merkblatt zu desavouieren und zwar mit Erfolg bei Gericht. Das ist auch kein Wunder. Denn niemand tritt ihm entgegen. Die Betroffenen, die Kläger, die Umweltgutachter, haben es in der Hand (gehabt), die Verhältnisse vom Kopf auf die Füße zu stellen. Was dazu notwendig ist, ist publiziert. Es fehlt aber die Umsetzung und die liegt in der Hand der Betroffenen.

Die Psychothese war nur die dazu notwendige Angstmache. Was die umweltmedizinischen Gutachter auf den falschen Weg geführt und die Patientenszene in tausend Stücke geschlagen hat, ist der Beginn der MCS-Forschung in Deutschland. Die Anmaßung „Wir wollen das jetzt gründlich erforschen“ hat alle wissenschaftliche Erkenntnis aus 5 Jahrzehnten gewissermaßen annulliert. MCS ist seit langem bekannt und gut erforscht, erst seit dem Jahr 2000 ist es wieder rätselhaft. Die Annullierung des Wissens erfolgt durch Einschüchterung.

Angst und Vernunft

In Kapitel I zeigt Gore, dass Angst soweit gehen kann, dass folgerichtiges Denken aufhört: „Angst ist der Feind der Vernunft“ (S: 35).

Nach Prof. Harry G. Frankfurt gehört Anmaßung (und damit Einschüchterung) wesentlich zur Durchsetzung von Bullshit. Die Patienten werden gütig belehrt oder sie bekommen den Psychoeinlauf. Das führt u. a. dazu, dass Patienten so fit wie möglich beim Gutachter erscheinen. So werden sie arbeitsfähig geschrieben oder bekommen einen zu niedrigen GdB (Grad er Behinderung). Des Weiteren führt es dazu, dass sie ins falsche Thema abgedrängt werden. Die Angst verhindert, „Körperverletzung“ oder „Menschenwürde“ auch nur in den Mund zu nehmen, in der Befürchtung, nicht mehr für voll genommen zu werden. So werden sie gehindert, ihre Rechte zu vertreten.

Gore konkretisiert das Angstthema aus der Sicht des erfahrenen Politikers: Vernunft stützt den Rechtsstaat, Angst unterhöhlt ihn.

Der Königsweg ist der Rechtsstaat

Nur die Orientierung am Rechtsstaat kann die Psychiatrisierung beenden und die wissenschaftliche Anerkennung von MCS auch gesellschaftlich-rechtlich durchsetzen. Der Rechtsstaat ist kein Automat, kein Gott und auch kein gütiger gerechter Herrscher, sondern ein Regelwerk, das Recht definiert. Wird es nicht genutzt, gibt es kein Recht. Deshalb gibt es seit 1 ½ Jahrzehnten für Umweltpatienten kein Recht, auch nicht die Menschenwürde. Ob IEI oder Psycho, beides ist Aberkennung der Menschenrechte und der bürgerlichen Rechte und als solches gesetzwidrig.

Dagegen genügt Überzeugungsarbeit nicht. Denn, was hier geschieht ist so ungeheuerlich, dass es erst mal keiner glaubt. Die Gegenseite arbeitet schnell und effektiv. Jeder Vorteil (etwa die Widerlegung der Psychothese in der RKI-Studie) für die Patienten wird schnell wieder zunichte gemacht. Sie warten immer zwei Jahre, dann wird systematisch demontiert. Die letzten 15 Jahre haben das gezeigt. Sie haben auch gezeigt, dass es der Gegenseite sehr leicht gemacht wird, da Fortschritte nicht rechtlich genutzt wurden. Recht haben genügt nicht, man muss auch Recht bekommen. Die Psychiatrisierung ist schwere vorsätzliche Körperverletzung. Denn es werden schwer Kranke verhöhnt und verunglimpft. Die Psychothese ist auf dem menschlichen Niveau, wie wenn einer die Oma die Treppe runter schubst und sagt: „Mach’ langsam“.

Darum geht es, nicht um wissenschaftliche Fragen. Die sind längst gelöst, wenn man von therapeutischen Strategien absieht. Recht muss erstritten werden. Dafür gibt es die Regeln des Rechtsstaats. Wer diese nicht nutzt, sondern brav wissenschaftlich diskutiert, verliert die Prozesse und hilft Eikmann & Co. bei der Desorientierung.

Autor: Dr. Tino Merz für CSN – Chemical Sensitivity Network, 6. Mai 2010

Weitere Artikel von Dr. Merz:

Weiterführende Informationen:

Monsanto: Patent auf Schnitzel?

Darf uns ein Konzern das echte Schnitzel vom Teller nehmen?

Auf der Beliebtheitsskala von Fleischgerichten ist das Schnitzel ganz weit vorne angesiedelt, wie man auch bei der Eingabe in Google an den knapp 2 Millionen angezeigten Seiten erkennen kann. Das Schnitzel zählt sozusagen zum Standard internationaler Küche, es gibt kaum eine Speisekarte, auf der es nicht vertreten ist und in vielfältigen Variationen angeboten wird. Auch Kinder können bei Schnitzel mit Pommes nicht Nein sagen. Somit ist es nicht verwunderlich, dass Konzern-Giganten wie Monsanto beim Thema Schnitzel profitable Geschäfte wittern, die ihren „Erfindungsgeist“ beflügeln.

„Ware Tier“ in neuer Dimension

Allen negativen Auswirkungen auf unser Klima zum Trotz, ist die Fleischproduktion weltweit beständig am wachsen. Der Vorliebe für ungebremsten Fleischkonsum sind nicht nur negative Folgen für das Weltklima zu zuschreiben, sondern neben großflächigem Verbrauch an Landflächen und immenser Wasservergeudung u. a. auch ein stets steigender Bedarf an Getreide und Sojabohnen. Dies ruft den US-Agrargiganten Monsanto auf den Plan, der nunmehr auch Patente auf Schinken und Schnitzel vom Schwein anstrebt. Meldungen von Greenpeace zu Folge, hat Monsanto bereits im vergangenen Jahr beim Weltpatentamt in Genf seinen Patentantrag (WO 2009097403) für Fleisch von Schweinen, die mit seinen gentechnisch veränderten Pflanzen gefüttert wurden, gestellt. Greenpeace und 300 weitere Umweltverbände forderten vergangene Woche ein Verbot für Patente auf Tiere, Pflanzen und Lebensmittel. Monsanto begründet sein avisiertes Ziel damit, dass die Schweine durch die Fütterung mit genveränderten Soja-Bohnen und Gen-Getreide einen erhöhten Anteil an ungesättigten Fettsäuren im Fleisch vorweisen und somit eine Erfindung des Biotechnik-Konzerns seien.

Lebensmittelsektor wird zunehmend von Agrarkonzernen kontrolliert

Patentberater für Greenpeace Christoph Then, kritisiert die neuerliche Patentanmeldung von Monsanto als Missbrauch des Patentrechts, denn Schnitzel und Schinken seien keine neue Erfindung. Lt. Recherchen von Greenpeace hat sich die Zahl der Patentanmeldungen auf Saatgut und Pflanzen im Zeitraum 2007 bis 2009 mehr als verdoppelt. Greenpeace gibt zu bedenken, dass von den zunehmenden Patenten im Lebensmittelbereich, Konsumenten, Lebensmittelproduzenten, Landwirte und Züchter gleichermaßen betroffen sein werden. Durch die Gewährung von Patenten auf Lebensmittel ist von höheren Preisen, Reduzierung der Auswahlmöglichkeiten, steigender Abhängigkeit sowie der Entstehung von Marktmonopolen auszugehen.

Greenpeace berichtet, dass sich Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner erst vor ein paar Tagen erneut für ein Verbot von Patenten auf Nutzpflanzen und –tiere ausgesprochen hat. Nun muss sie als weiteren Schritt in der EU die Neuverhandlung der EU-Patentgesetze einfordern.

Die Kasse klingelt – die Marktbeherrschung wächst

Greenpeace berichtet bereits 2005, dass sich Gen-Konzerne wie z. B. Monsanto, Bayer, DuPont und Syngenta durch die Patentierung von Pflanzen, deren Aufbau und Weiterzüchtung, wie auch auf die Ernte und deren Verwendung in der Herstellung von Nahrungsmittel, systematisch Allgemeingut aneignen. Mit jedem neu erworbenen Patent ebnen sie sich die Konzernmultis den Weg, um die nach wie vor umstrittene Gentechnik weltweit geschickt weiter zu etablieren. Durch diese Vorgehensweise wird herkömmliches Saatgut immer mehr vom Markt verdrängt, die Marktbeherrschung der Saatgutriesen kontinuierlich ausgebaut. Die Machtposition einiger weniger Gen-Konzerne wird somit weltweit aufhaltlos gefestigt. In den USA ist die Situation bereits dort angekommen, dass Landwirte Knebelverträge bei Monsanto unterzeichnen, die dem Konzern das Recht erteilen, bei den Landwirten jederzeit durch Inspekteure Kontrollen durchführen zu lassen. Neben dem genveränderten Saatgut müssen die Landwirte auch die Pestizide des Agrargiganten ordern.

Schnitzel, eine Erfindung des Agrar-Giganten Monsanto?

Aus den bisherigen Entwicklungen in den USA zu Gunsten der Agrarriesen kann man schließen, dass sich Patente auf Schnitzel und Schinken vermutlich nicht positiv für Landwirte, Züchter, Nahrungsmittelkonzerne und Verbraucher auswirken werden. Es ist davon auszugehen, dass die Gewinner von Patenten auf Leben, lediglich einige wenige Multikonzerne sein werden, deren Marktposition sich immer weiter zur Monopolstellung entwickelt und dies nichts Gutes erahnen lässt.

Umweltverbände setzten sich bereits seit vielen Jahren gegen die Vergabe von Patenten auf Leben, Saatgut und Pflanzen ein. Die Auswirkungen genveränderter Pflanzen auf die Gesundheit von Mensch und Tier sind mangels Langzeitstudien wissenschaftlich derzeit völlig unzureichend untersucht. Verbraucher sind Gen-Nahrungsmittel gegenüber ebenfalls skeptisch eingestellt. Deutsche essen leidenschaftlich gerne Schnitzel und das nicht erst seit heute. Monsantos Vorhaben, den Deutschen ihr altbewährtes Schnitzel nunmehr als neuerliche Erfindung auftischen zu wollen, ist aus Sicht des Konzerns sicherlich ein strategischer Schachzug, doch neu erfunden hat der Multikonzern das Schnitzel bei weitem nicht.

Autor: Maria Herzger, CSN – Chemical Sensitivity, 5. Mai 2010

Weitere CSN Artikel zum Thema Nahrung und Nahrungsmittelsicherheit:

MCS in den Nachrichten, zur besten Sendezeit, bei einem der wichtigsten TV-Sender

Erneut gibt es eine sensationelle Meldung aus Spanien über Chemikalien-Sensitivität (MCS). Seit Monaten erhalten die Menschen dort, die an MCS erkrankt sind, Hilfe durch die objektive Berichterstattung in den Medien. Eva Caballé berichtete in einer kurzen Meldung über das jüngste Ereignis:

Am 28. April 2010 startete Telecino, einer der wichtigsten Fernsehsender in Spanien, seine Nachrichten mit einem Bericht über MCS.

Dieser Bericht war in Zusammenarbeit mit David, meinem Mann, mir und Dr. Orriols, dem Autor der Studie „Fehlfunktionen des Gehirns bei Multiple Chemical Sensitivity“ erstellt worden. Im Video verlangen wir die Anerkennung von MCS in Spanien.

Der Bericht und ein live Interview von David wurden dann nochmals in den Nachrichten um 21 Uhr und am nächsten Tag in den 8 Uhr Nachrichten wiederholt. Der TV-Sender hatte nach dem Interview gefragt, weil jeder dort geschockt war über MCS und man vorher noch nichts davon gehört hatte. Ein weiterer, längerer Bericht wird in dieser Woche folgen.

Dies ist der Link, über den das Video angeschaut werden kann: MCS in den Hauptnachrichten (oder oben rechts im Videoscreen anschauen)

David hat die Aufnahmen in unserem Haus gedreht, weil niemand aufgrund meines kritischen Gesundheitszustandes zu uns herein kann.

Der Bericht ist zwar auf Spanisch, aber die Bilder sagen mehr aus als tausend Worte.

Alles Gute für Euch,

Eva

Gastautorin: Eva Caballé, No Fun, 4. Mai 2010

Weitere Berichte über MCS in Spanien:

Mossville, Rücksichtslosigkeit oder Menschenversuch?

Der Ort liegt in Louisiana, etwa 300 km westlich von New Orleans und 30 km landeinwärts am Golf von Mexiko. Hier wohnten einst an die 2.000 Menschen in einer sehr ländlichen Gegend, die selbst armen Leuten ein gutes Auskommen bot, da die Natur sie großzügig mit Essbarem versorgte.

Heute lässt der Niederschlag von Chemikalien aus den 14 umliegenden chemischen Produktionsanlagen (PDF/Karte S. 5 – Sec2:ii) Büsche und Bäume in den Vorgärten eingehen, frisst den Bewohnern den Lack von den Autodächern und verseucht die zahlreichen umliegenden Gewässer. Aus einem Naturparadies wurde eine Hölle. Die Einwohnerzahl ist während den letzten 30 Jahren auf unter 400 gesunken. Living on Earth hat zu Mossville 2005 ein Feature (Audio/mp3) produziert.

Die Menschen leiden an zahlreichen Erkrankungen, die Krebsraten sind gestiegen, viele sterben jung. Nach einer Untersuchung der ATSDR (Agency for Toxic Substances and Disease Registry) von 1998, weisen manche Bewohner dreimal so hohe Dioxinwerte wie die US-Durchschnittsbürger in ihrem Blut auf. Dioxine werden bei der PVC-Herstellung unvermeidlich freigesetzt und waren auch in Agent Orange als unbeabsichtigte Kontamination (PDF/S. 2) enthalten. Dieses im Vietnamkrieg eingesetzte Entlaubungsmittel hatte nicht nur für die Opfer, sondern auch für die Anwender fatale Folgen.

Beschwerden der Bewohner bei Behörden oder bei den die Anlagen betreibenden Firmen wurden stets ignoriert. Die Untersuchung der ATSDR, einer Abteilung des Gesundheitsministeriums, kam erst zustande, nachdem die Bewohner mit finanzieller Unterstützung einer Anwaltskanzlei Blutproben an ein Labor in Deutschland schickten und die Ergebnisse der ATSDR vorlegten. Das Gesundheitsministerium von Louisiana sah keinen Grund zu handeln (Kap. 2.1).

Das Interesse, den Zusammenhang zwischen den Emissionen der Anlagen und den Blutwerten aufzuklären war seitens der Behörden nicht sehr groß. Eine Untersuchung im Jahre 2001 bestätige die Ergebnisse von 1998. Diese wurde erst 2006 veröffentlicht und man riet vom Verzehr von Fisch aus der Gegend ab, hielt aber die Dioxinbelastung der Bewohner für gesundheitlich unbedenklich. Daß nach Auskunft der Betreiber von den chemischen Anlagen keine Gesundheitsgefahr ausgeht, versteht sich. Diese Firmen waren Anfang 2010 nicht bereit, gegenüber CNN Stellung zu nehmen, sondern schickten einen Sprecher vor, der fragwürdige Statistiken zitierte. Für die Berechnung der Durchschnittsbelastung wurden 180.000 Stichproben herangezogen. Die tatsächliche Belastung der Bewohner von Mossville kann diesen Wert niemals signifikant beeinflussen und soll dennoch für sie relevant sein. Holy Strohsack!

Eine Befragung (PDF/S. 6 – Sec1:1) fast aller Einwohner von Mossville unter Dr. Marvin Legator von der University of Texas von August 1998 ergab, dass über 90% von ihnen an Krankheiten leiden, die von der ATSDR normalerweise als Folgen einer Dioxinbelastung angesehen werden.

99% klagten über Ohren- Nasen- und Halsbeschwerden. 84% nannten Symptome des zentralen Nervensystems wie Kopfschmerzen, Schwindel, Zittern und Krämpfe. 77% hatten Kreislaufprobleme, z.B. Herzrhythmusstörungen, Schlaganfälle, Herzerkrankungen und Brustschmerzen. 46% der Nichtraucher berichteten über Atemwegserkrankungen wie chronische Bronchitis, Atemnot, Keuchen und Bluthusten. Über 50% hatten Hautprobleme, Verdauungsbeschwerden und ein geschwächtes Immunsystem. 25% berichten von hormonellen Störungen inklusive Diabetes.

Was Mossville zu einen besonderen Politikum macht, ist nicht nur die ungeheuerliche Ansammlung von chemischen Anlagen an einem Ort, sondern dass in Mossville fast ausschließlich schwarze US-Bürger leben. Dies erinnert an Indigene wie z.B. Indianer, die den Preis der Zivilisation ungefragt mit Ihrer Gesundheit und der Zerstörung ihres Lebensraumes zu bezahlen haben. Nachrichten dazu gibt es regelmäßig auf Intercontinental Cry.

Es ist nicht möglich, hier über alles zu berichten, was die Bewohner von Mossville in ihrer bedrängten Situation unternahmen. Erwähnt werden muss die Gründung von MEAN, der „Mossville Environmental Action Now“ am 19. April 1999 (engl. mean heißt auch „gemein“). Neben mehr Transparenz der ATSDR im Umgang mit ihnen fordern sie von Regierung und Industrie jene umzusiedeln, die Mossville verlassen wollen, kostenlose medizinische Versorgung und eine Reduzierung der Emissionen aus den Anlagen.

MEAN war 2008 durch Earthjustice vertreten an einer Klage gegen die EPA (PDF) (Environmental Protection Agency) beteiligt. Nach einer im Jahre 1990 durch den Kongress vorgenommenen Änderung des Clean Air Act (Luftreinhaltegesetz) sollte die EPA bis zum 15.11.2000 schädliche Emissionen regulieren. Stattdessen wurde erst im Jahre 2002 unter Bush auf eine unzureichende Regelung aus den 70’er Jahren zurückgegriffen. Im November 2009 stimmte die EPA einen Vergleich zu, bis zum 29.07.2011 für eine Reihe von Schadstoffen aus der PVC-Produktion Regelungen einzuführen.

Im Januar 2009 hielt die EPA eine Informationsveranstaltung für die Bewohner von Mossville ab und setzte ein Prüfverfahren in Gang, ob Mossville Fördermittel aus dem „Superfund“ für Sanierungsmaßnahmen erhalten kann.

Im März 2005 reichten Anwälte von Advocates for Environmental Human Rights eine Petition der Bewohner von Mossville bei der Inter-American Commission on Human Rights (IACHR), der Kommission für Menschenrechte der OAS (Organisation of American States) ein. Im Kern werfen sie der US-Regierung Versagen vor, ihnen das Menschenrecht auf Leben und Gesundheit zu gewähren. Des Weiteren fühlen sie sich ungleich behandelt und erheben den Vorwurf von Umwelt-Rassismus.

Am 30. März 2010 hat die nicht an Weisungen der Mitgliedstaaten gebundene Kommission die Petition überraschenderweise angenommen. Was für sich genommen schon einen Erfolg für Mossville darstellt. Zu dieser Petition gibt es mittlerweile eine offizielle Stellungnahme (PDF) die in Onlinemedien auf folgende Aussage reduziert wurde:

Nach der American Convention on Human Rights (einem grundlegenden Dokument der OAS) gäbe es kein Recht auf eine gesunde Umwelt, weder direkt noch durch das Recht auf Leben, Gesundheit, Privatsphäre und Unverletzlichkeit der Wohnung impliziert. Auch aus dem Schutz vor Diskriminierung ließe sich dies nicht ableiten.

Die Regierung nimmt hier Zuflucht zu einem Dokument von 1969, das sie am 01.06.1977 zwar unterzeichnet aber nie ratifiziert hat, während die Kommission zu dem Schluss kam, dass die Petition nach der American Declaration of the Rights and Duties of Man, der Amerikanischen Deklaration der Rechte und Pflichten des Menschen von 1948, zulässig ist.

Auf den Disput, welches Dokument für die amerikanische Regierung bindend ist oder nicht, muß man sich nicht einlassen. Fairness halber sollte man sagen, dass ihre Stellungnahme sehr detailliert ist und die US-Regierung rein formal vielleicht sogar Recht hat. Selbst wenn das so wäre, steht es aber einem Staat, der immer die große Freiheit auf sein Sternenbanner schreibt, mehr als schlecht zu Gesicht, das Recht auf eine gesunde Umwelt zu verneinen.

Die USA sind Mitglied der OAS, wollen dort wichtig sein und weigern sich gleichzeitig ein Dokument der OAS in Kraft zu setzen, dass die Einhaltung grundlegender Menschenrecht für alle Mitglieder dieser Staatengemeinschaft verbindlich machen soll. Dieses Dokument ist der amerikanischen Regierung aber immerhin so wichtig, damit die Unzulässigkeit der Petition zu begründen.

Darüber hinaus hat die USA den Gerichtshof für Menschenrecht der OAS, den Inter-American Court of Human Rights und die Zuständigkeit der Kommission nie anerkannt, deren Aufgabe es ist, sich mit Menschenrechtsverletzung in den Mitgliedstaaten zu befassen und diese Fälle gegebenenfalls an den Gerichtshof zu übergeben.

Die Frage, welchen Sinn Menschenrechte ohne gesunde Lebensbedingungen machen, darf man ebenfalls stellen.

Diese Stellungnahme der amerikanischen Regierung hätte es nie geben dürfen. Sie beschädigt das Ansehen des Landes und ihres Präsidenten. Man kann nur hoffen, dass die EPA unter Präsident Obama weiterhin gute Arbeit leistet und ein blamables Verfahren vor dem Inter-American Court of Human Rights hinfällig macht.

Autor: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network, 3. Mai 2010

Sonntags-Gedicht: Leben erleben

Leben erleben

Noch nichts erlebt

an diesem Tag

ich will ihn nicht beenden

alles, was ich denk

rinnt aus meinen Händen.

Draußen tobt der Sturm

und ich sitz wie ein Wurm

am Fenster-schau hinaus

und kann nicht raus.

Leben muss pulsieren

was ist-wenn es stagniert

wenn schon sehr, sehr lange

nichts Lebendiges passiert.

Menschen fliehn

vor meinem Dasein

möchten es nicht sehn

wie es ist

allein im Wald zu stehen.

Man nennt es Depression

aber was ist das schon

immer weiter bis

das Segel bricht

was dann daliegt

kümmert viele nicht.

Nichts erlebt

an diesem Tag

was da wohl noch

kommen mag

keiner kann es sagen

ich mag nicht mehr fragen.

– –

Dieses Gedicht wurde von Mona, der “Glasprinzessin”  geschrieben. Mona hat schwere Chemikalien-Sensitivität / MCS und muss fast die ganze Zeit draußen in der Natur verbringen.

Autor: Mona die Glasprinzessin für CSN – Chemical Sensitivity Network, 2. Mai 2010

Mona’s GeschichteMona die “Glasprinzessin” ein einsames Leben mit Wind und Wetter