Multiple Chemical Sensitivity (MCS) im Duden, Brockhaus und Schulbuch aufgeführt

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MCS ist in Standardwerke für Allgemeinwissen eingeflossen

Wer bis heute nicht weiß, was sich hinter dem Begriff MCS – Multiple Chemical Sensitivity (Chemikalien-Sensitivität) verbirgt, oder wie er geschrieben wird, kann sich in den Standardwerken des Wissens orientieren. MCS ist längst keine völlig unbekannte, seltene Krankheit mehr, und demzufolge haben auch Duden, Brockhaus und ein Klett Schulbuch eine Beschreibung in ihre Publikationen integriert.

Was MCS ist, kann man mit Klett bereits in der Schule lernen
Im Klett Schulbuch „Impulse Physik 2“ für die Physik Mittelstufe Gymnasium in Baden-Württemberg gab es laut Verlag 2008 erstmals im Kapitel Diffusion und Teilchenbewegung einen Kapitelanstieg, in dem auf die MCS Problematik (didaktisch vereinfacht) aufmerksam gemacht wird:

Teilchenbewegung und Temperatur
Parfümeure entwickeln Düfte nicht nur für Produkte der Körperpflege, sondern auch für die sogenannte Produktparfümierung in Reinigungs-, Toiletten- und Haushaltsartikeln sowie Nahrungsmitteln und sogar Fahrzeugen. Dazu stehen ihnen 200 natürliche und rund 2000 synthetische Duftstoffe zur Verfügung. Immer mehr Menschen reagieren auf solche Stoffe allergisch, sie entwickeln eine „Multiple Chemikaliensensitivität“ (MCS). Wieso ist es so schwer, sich als Allergiker solchen Duftstoffen zu entziehen?….

Wie wird das geschrieben? Schau doch im Duden nach…
Nicht wissen, wie etwas geschrieben wird oder was eine Abkürzung bedeutet? „Dann schau doch im Duden nach“, dürfte wohl eine der gängigsten Antworten lauten. Seit 1880 gibt es den Duden. Das Wörterbuch erscheint derzeit in zwölf Bänden nach Fachgebieten sortiert. Trotz Internet ist der Duden das Wörterbuch schlechthin geblieben.

Was sich hinter der Abkürzung MCS verbirgt, ist im Duden Wörterbuch für Abkürzungen auf S. 274 folgendermaßen zu finden:

MCS – Multiple Chemical Sensitivity

Brockhaus steht für Wissen
Der Brockhaus ist eine seit dem 18. Jahrhundert existierenden Enzyklopädie und das wohl bekannteste deutsche Nachschlagwerk. Der „Große Brockhaus“ durfte bis zum Durchbruch des Computerzeitalters in keiner Familie fehlen. MCS ist im Brockhaus unter „Umwelt- und Zivilisationskrankheiten“ aufgeführt.

Umwelt- und Zivilisationskrankheiten

Untertitel:
Ein Preis für Wohlstand und Fortschritt?
Gesundheitsgefährdungen in den Industrienationen

Stichwörter:
Schadstoffe, Strahlung, Sick-Building-Syndrom, MCS, Holzschutzmittel, Wohlstandskrankheiten

Kurzfassung:
Da sich Lebensstil und Umwelteinflüsse in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt haben, treten zunehmend Krankheitsbilder auf, die bei Naturvölkern selten sind oder ganz fehlen. Zu den umweltbedingten Krankheitsursachen gehören nur schwer beeinflussbare äußere Bedingungen wie Lärm und der Schadstoffgehalt von Luft und Lebensmitteln. Aber auch der Lebensstil des Einzelnen, Nahrung und Genussmittel können zur Entstehung von Krankheiten beitragen.

Vorbei die Zeiten, in denen es hieß: „MCS, kenne ich nicht“
Langsam dringt der Krankheitsbegriff ins Allgemeinwissen der Bevölkerung ein. Noch vor Jahren wusste kaum jemand in Deutschland, was sich hinter der Abkürzung „MCS“ oder dem Begriff „Multiple Chemical Sensitivity“ verbirgt.

Spricht man heute mit Mitmenschen, weiß zwar nicht jeder, welche Krankheit und wie viel Elend sich hinter diesen drei Buchstaben verbergen, doch werden es stetig mehr Menschen, die nicht nur wissen, was „MCS“ bedeutet, sondern Personen persönlich kennen, die chemikaliensensibel sind. Manche Gesprächspartner berichten sogar spontan, dass sie selbst z. B. Parfum, Zigarettenrauch, frisch gestrichene Farbe oder die morgendliche Tageszeitung „nicht abhaben können“ und sich bei ihnen Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Konzentrationsstörungen oder andere Beschwerden einstellen.

Wo und von welcher relevanten Institution  MCS im Internet aufführt wird, ist demnächst im CSN Blog zu erfahren.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 11. Mai 2009

Literatur:

  1. Klett Verlag, Impulse Physik 2, Kapitel Teilchenbewegung und Temperatur, S. 146, Feb. 2008
  2. Duden, MCS – Multiple Chemical Sensitivity, Das Wörterbuch der Abkürzungen, 5. Auflage, s. 274, 2005
  3. Brockhaus, MCS – Multiple Chemical Sensitivity, Infothek, Aktuelle Version 2009
    Anm: Die 5-seitige Langfassung kann man für 2.50 € direkt bei Brockhaus bestellen.

Gesetzesvorlage zur Hilfe für Menschen mit Umweltkrankheiten und MCS

ohio-state-house2In Ohio haben kürzlich zwei Senatoren eine Gesetzesvorlage verfasst, um den Monat Mai permanent zum „Multiple Chemical Sensitivity Aufklärungsmonat“ zu erklären. Bisher musste jedes Jahr neu entschieden werden, ob im Mai mittels einer Proklamation besondere Aufklärung darüber stattfindet, wie Spuren von Alltagschemikalien manche Menschen gesundheitlich so stark beeinträchtigen, dass sie nicht mehr am Allgemein- und Berufsleben teilnehmen können. Nun soll jedes Jahr im Mai ohne weitere Bürokratie in der Bevölkerung Bewusstsein für Menschen mit Umweltkrankheiten und MCS geschaffen werden.

Senatoren setzen sich für MCS ein

Einen weiteren Erfolg zum diesjährigen MCS Aufklärungsmonat Mai hat ONFCI, eine Patientenorganisation für Chemikaliensensible in Ohio zu verzeichnen. Nachdem die Organisation erst kürzlich erreicht hat, dass Krankenwagen so umgerüstet werden, dass ein Transport für Chemikaliensensible risikoärmer ist, konnte nun erreicht werden, dass sich zwei Senatoren in ganz besonderem Maße für MCS Kranke einsetzen.

Gesetzesvorlage für MCS Kranke

Die Senatoren Dale Miller und Kevin Coughlin, die gemeinsam als Hauptsponsoren für den diesjährigen MCS Aktionsmonat fungieren, haben jüngst eine Gesetzesvorlage verfasst, um den Monat Mai, permanent zum „Multiple Chemical Sensitivity Aufklärungsmonat“ in Ohio zu erklären. Bisher musste jedes Jahr neu entschieden werden, ob im Mai ein MCS Aufklärungsmonat stattfindet.

Abbau von Barrieren für MCS Kranke

In der Gesetzesvorlage der beiden Senatoren wird u. a. angeregt, dass Bürger des Bundesstaates „einfache Schritte“ in Angriff zu nehmen, um chemische Barrieren zu beseitigen. Unter „chemische Barrieren beseitigen“ ist gemeint, dass jeder Bürger des Staates darüber nachdenkt wie er es vermeidet Chemikalien freizusetzen. Dass man beispielsweise keine Pestizide rings um das Haus ausbringt oder lösungsmittelhaltige Farben vermeidet. Es ist damit auch gemeint, dass in öffentlichen Gebäuden mit ökologischen Reinigungsmitteln ohne Duftstoffe geputzt wird, anstatt mit scharfen Mitteln die Gesundheit und Umwelt schädigen. Durch diese Maßnahmen soll gleichzeitig das soziale Umfeld für Chemikaliensensible soweit verbessert werden, dass diese Behinderten mit weniger Risiken und Reaktionen, ebenfalls am normalen Leben teilnehmen können. Chemikaliensensible reagieren beispielsweise besonders schwer auf Pestizide, Parfums, Duftstoffe, chemische Reinigungsmittel, lösungsmittelhaltige Farben und Zigarettenrauch.

Bewusstsein für MCS Kranke wecken

Senator Miller ermutigte den Bundesstaat Ohio; lokale Ministerien, Unternehmen, Vereine und Gruppen in den Gemeinden; als auch Bürger an den Aktivitäten zur MCS Aufklärung teilzunehmen und auch selbst Aktivitäten ins Leben zu rufen, um das Bewusstsein für Menschen mit Multiple Chemical Sensitivity zu stärken. Der Senator erhofft sich dadurch, hilfreiche Reaktionen in der Bevölkerung gegenüber Chemikaliensensiblen zu erzielen.

„Wir schätzen die umfangreichen Anstrengungen von Senator Miller, dass er sich über MCS so kundig machte, aufrichtig. Wir danken ihm für seine Gesetzesvorlage für einen permanenten MCS Aufklärungsmonat und sein Aufrütteln derer, die MCS in Frage stellen“, sagte Toni Temple, Präsidentin der MCS Patientenorganisation ONFCI, in einer Pressemitteilung.

Besser für Chemikaliensensible, besser für uns alle

Im Laufe des Monats Mai werden in Ohio in verschiedenen Regionen Veranstaltungen stattfinden, an denen bspw. Filme gezeigt werden, Vorträge stattfinden und Organisationen Mitbürgern Tipps geben, wie sie ihr eigenes Haus „Grün“ und schadstofffrei herrichten können. Zusätzlich haben verschiedene Gruppen Infomaterial erstellt und lassen Mitbürger Bücher einsehen. Büchereien haben spezielle Ausstellungen arrangiert und auch andere Institutionen haben Aktivitäten vorgesehen, um auf MCS und toxisch bedingte Gesundheitsschäden hinzuweisen.

Die Aktivitäten während des MCS Aufklärungsmonats sind so ausgerichtet, dass jeder der daran teilnimmt, dadurch auch neues Wissen zur Verbesserung seiner eigenen Gesundheit, der seiner Familie und seines Umfeld erzielen kann und gleichzeitig lernt für die Umwelt zu handeln.

Ganz nach dem Motto: Besser für Chemikaliensensible, besser für uns alle!

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 4. Mai 2009

Literatur:

Ohio Network for the chemically Injured, OHIO’S „GREEN“ SENATE BILL, GREEN LIBRARY MEETINGS, AND GREENING OF THE FLEETS HIGHLIGHT MCS AWARENESS MONTH, May 2009

Wissenschaftler bringt Fakten über die Umweltkrankheiten MCS, CFS, FMS auf neuer Webseite

Prof. Martin PallDer amerikanische Wissenschaftler Professor Martin Pall hatte diese Woche einen Relaunch seiner Webseite „Novel Disease Paradigm produces Explanations for a whole Group of Illnesses“.

Auf Prof. Pall’s neuer Webseite finden sich wissenschaftlich fundiert Fakten über Fakten zu MCS – Multiple Chemical Sensitivity, CFS – Chronic Fatigue Syndrome, FMS – Fibromyalgie und PTSD – Posttraumatische Stress-Erkrankung.

Prof. Martin Pall ist in Europa bestens bekannt
Vielen Umweltkranken ist der seit einem knappen Jahr pensionierte Wissenschaftler, der an der University of Washington unterrichtete, von seinen Vorträgen hier in Europa im vergangenen Winter und jetzt im Frühling bekannt. Erst letzte Woche noch sprach Prof. Pall in Aix en Provence bei einem großen internationalen Krebskongress und traf dort auch mit Leitern von Organisationen für Umweltkrankheiten zusammen.

Wissenschaftliche Erklärung für Umweltkrankheiten
Die neue gestaltete Webseite setzt sich intensiv mit Prof. Pall’s Theorie auseinander, wie MCS, CFS, FMS, PTSD (bei PTSD spricht Prof. Pall vor allem von Golfkriegsveteranen) entstehen. Für den amerikanischen Biochemiker besteht kein Zweifel, dass der NO/ONOO Zyklus eine Hauptursache bei der Entstehung dieser Umweltkrankheiten ist. Der Grund, warum er sich so intensiv mit dieser Thematik auseinandersetzt, liegt darin, dass er selbst vor Jahren an CFS erkrankte.

Ursache für MCS: Chemikalien
Eins ist für Prof. Pall klar, und das vermittelt auch seine neue Webseite, Chemikalien-Sensitivität / MCS entsteht durch Chemikalienexposition.

Bei MCS nennt Prof. Pall in erster Linie Exposition gegenüber Lösungsmitteln, Pestiziden der Organophosphat-, Carbamat- und/oder Pyrethroidklasse, Quecksilber und Kohlenmonoxid als Auslöser.

Überlappen von verschiedenen Umweltkrankheiten
Ebenfalls klar ist es für den Wissenschaftler, dass alle vier Krankheiten, MCS, CFS, FMS und PTSD bei Patienten oft gleichzeitig auftreten und viele der Symptome sich überschneiden. Auch warum dies so ist, erfährt der Besucher seiner Webpräsenz.

Umweltkrankheiten sind behandelbar
Prof. Pall bietet jedoch nicht alleinig nur zur Ursache der Erkrankung und der vielfältigen Symptomatik Belege, sondern auch Behandlungsansätze. Verschiedene Vitamine, Aminosäuren und Mineralstoffe in der richtigen Kombination und Dosis haben sich als sehr effektiv erwiesen. Der Wissenschaftler führt umfangreiche Tabellen mit Nährstoffen und genauen Dosierungsangaben an. Diese Nährstoffkombinationen sind seiner Erfahrung nach in der Lage, den ursächlichen NO/ONOO Zyklus herunterzuregulieren und damit für Besserung bei den Erkrankten zu sorgen. Damit sich nachhaltig Erfolg durch die Therapie einstellt, gibt Prof. Pall auf seiner Webseite fünf Punkte an, die möglichst konsequent vermieden, bzw. eingesetzt werden sollen:

  1. Chemikalienexposition bei MCS Patienten
  2. Spezielle Antigen-Therapie bei Patienten die unter Nahrungsmittelallergien leiden
  3. Vermeidung von Toxinen wie den Geschmacksverstärker MSG und den Süßstoff Aspartam, weil diese die NMDA Aktivität nach oben regulieren, was sich sehr nachteilig auswirkt.
  4. Exzessiver Sport, da dies nachteilig für CFS Patienten ist
  5. Vermeidung von psychologischen Stress (dies betrifft in erster Linie PTSD-Patienten)

Informationen frei verfügbar für alle
Die neue Webseite von Prof. Martin Pall wird sicher viel Resonanz aus aller Welt erfahren, nicht zuletzt von chemikaliensensiblen Menschen, die durch Ausdünstungen von Papier und Druckerschwärze nicht in der Lage sind, das Buch des Wissenschaftlers lesen zu können. Dass nun das Wissen online verfügbar ist, wird viele Umwelterkrankte erfreuen. Sicherlich wird auch mancher Mediziner, der auf die Webseite von Prof. Pall schaut, den neuen Input gut verwerten können, um seinen umweltkranken Patienten diagnostisch und therapeutisch weiterhelfen zu können. Die neue Webseite von Prof. Pall sorgt mit dafür, dass „nicht erklärbare Umwelterkrankungen“ nicht länger „unerklärbar“ genannt werden können.

Autor:
Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 14. April 2009

Weitere Artikel über Prof. Martin Pall und seine Wissenschaft:

Umweltmedizin in Deutschland Teil 5: Situation Umwelterkrankter aus der Sicht eines Umweltmediziners

Die Resonanz der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Vereinigung und des Ministeriums für Gesundheit auf die Nachfrage der Gründe für die Beendigung der Umweltmedizin-Vereinbarung war für Patienten wie auch Umweltärzte wenig befriedigend. Auf die Antwort der Barmer Hauptverwaltung in Nordrhein schrieb Dr. Peter Ohnsorge, Präsident der Europaem – Europäische Akademie für Umweltmedizin e.V. und Vorstandsmitglied des dbu – Deutschen Berufsverbandes der Umweltmediziner e.V., nachfolgende Stellungnahme, in der die tatsächliche Situation der Umweltkranken in Deutschland sehr deutlich zum Ausdruck kommt.

Am 24.01.09 schrieb Dr. Peter Ohnsorge / Europaem

Sehr geehrte Frau Müller,

das ist mal wieder eine der Computersätze strotzenden Antworten der gesetzlichen Krankenkassen!

In Wirklichkeit ziehen sich alle Krankenkassen weiterhin auf eine Basisversicherung zurück und lassen Sie als Umwelt geschädigten Patienten im eiskalten Regen stehen. Die unter Absatz 2 blumig ausgeführten Irreleitungen der Krankenkasse ist ein Hohn! De facto ist eine umweltmedizinische Diagnostik und Therapie nicht Bestandteil des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenkassen! Man hat das geschickt gelöst, indem man Umwelt verursachte Erkrankte bewusst in den diffusen Bereich der Psychosomatik oder gar sogar der Psychiatrie abschiebt. Das wohlwissend, dass es keinen wissenschaftlich haltbaren Beweis einer psychosomatischen oder psychiatrischen Ursache dieser Krankheitsbilder gibt. Bisher sind unseres Wissens nach lediglich beschreibende Diagnosen und Verlaufsbeobachtungen von psychosomatischen Therapien veröffentlicht worden.

Zwei Aspekte sind dabei dramatisch:

  • Zum Einen wird vermeintlich eine nicht ausreichende und uneffektive Therapie angeboten oder auch sogar teilweise erzwungen. Eine psychosomatische Therapie kann durchaus eine momentane symptomatische Hilfestellung darstellen, wenn es sich um Verhaltenstherapie handelt. Eine ursächliche Behandlung wird damit aber nicht durchgeführt! Der Krankheitsprozess wird nicht gestoppt oder zur Gesundung geführt. Das Leiden geht weiter!
  • Zum Anderen wird wertvolle Zeit verstreichen, bis die ursächliche Kontaktunterbrechung zu den Krankheitsverursachern veranlasst wird. Die ursächliche Kontaktunterbrechung ist zwingend notwendig, um den ersten und wichtigsten Schritt der Therapie einer solchen Erkrankung einzuleiten. Eine psychiatrische Therapie hat zudem das Potential, die Erkrankung sogar noch zu verschlimmern. Psychopharmaka konkurrieren meist in den Stoffwechselwegen mit der Entgiftung von Schadstoffen oder blockieren diese Stoffwechselwege manchmal sogar. Damit wird möglicherweise eine Gesundung erheblich abgebremst.

Die klinisch praktizierende Umweltmedizin hat, entgegen der plakativ immer wieder aufgeführten Fehlinformation von Seiten des sogenannten „wissenschaftlichen Mainstreams“, inzwischen ausreichend wissenschaftlich basierte Erkenntnisse und die darauf aufbauende jahrelange klinisch praktizierte Erfahrung, diese Umwelt induzierten Erkrankungen zu diagnostizieren und zu therapieren! Alle Sozialversicherungsträger sollten sich endlich der Erkenntnis öffnen, dass es allemal effektiver, caritativer und vor allem langfristig versicherungs- sowie volkswirtschaftlich sinnvoller ist, erkannte Erkrankungsursachen anzugehen und rechtzeitig auf der Basis diagnostisch abgesicherten Erkenntnisse zu therapieren.

In Anbetracht der demoskopischen Entwicklung in unserer Bevölkerung mit der ausufernden Alterungspyramide mit synchronem Anwachsen chronischer Erkrankungen und auch zunehmender Umwelt verursachter Erkrankungen können nur die Gesundheitssysteme weiter existieren, die rechtzeitig primäre Präventionsmaßnahmen starten und dauerhaft umsetzen. Dazu sind die langjährigen Erfahrungen und Erkenntnisse der klinisch praktizierenden Umweltmedizin hilfreich.

Zur Bewältigung von chronischen Multisystem Erkrankungen, zu denen auch die Umwelterkrankungen gehören, müssen wir in unserem ärztlichen Handeln weniger den linear kausalen Weg der allein an Hochschulen orientierten Medizin verfolgen. Auch können nicht mehr die gängige Richt- und Grenzwertorientierung der Toxikologie und Arbeitsmedizin als einzige Grundlage umweltmedizinischer Entscheidungen akzeptiert werden. In der gängigen Abschätzung von Umwelt verursachten Erkrankungen fehlen die Beachtung u. a. immunologischer und teilweise auch endokriner Aspekte. Wir stehen komplexen Erkrankungen gegenüber, die wir in komplexer Diagnostik und Therapie bearbeiten müssen. In der Umweltmedizin beachten wir dabei besonders

  • die multifaktorielle Belastung,
  • die Langzeitbelastung im Niedrigdosisbereich, die zu erheblichen Kumulationseffekten  führen kann,
  • sowie die individuelle Suszeptibilität, in die Vorerkrankungen, Multimorbidität, der Genderaspekt und die individuelle Vulnerabilität genauso hineingeht, wie genetische Polymorphismen.

Das alles, einschließlich der Notwendigkeit primär präventive Strategien zu entwickeln, haben wir in den letzten Jahren bereits mehrfach mit nationalen und europäischen Politikern diskutiert und zunehmend Gehör gefunden, zuletzt auf Einladung des European Council im Europaparlament in der „Conference on Environment and Health, Indoor Pollution and Multi System Illnesses“, November 2008.

Zum Schluss noch die schmerzliche Wahrheit des Krankenkassenwesen 2009!

In Bayern bekomme ich von der gesetzlichen Krankenkasse als niedergelassener HNO-Arzt (Zusatzbezeichnung bedeuten keine Modulation der Gebühren) beim ersten Patientenkontakt 12,40 €, was in der zugedachten Zeiteinheit von 8 Minuten noch nicht einmal meine Praxiskosten deckt. Beim Zweitkontakt ist für die Dauer eines Quartals keine weitere Vergütung vorgesehen, es sei denn ich setze Diagnostik an. Ein Allergietest oder eine übliche Hörtestung überschreitet aber dann schon die definierte Quartalsgesamtvergütung von 33,60 € Wie glauben Sie, kann ich unabhängig von den laufenden Praxiskosten in der zeitlichen Vorgabe von 8 Minuten Patientenkontakt für 12€ an Umweltanamnese geschweige denn an differentialdiagnostischen Erwägungen und therapeutischen Aufklärungsgesprächen durchführen, sodass mir für meine Arbeit zumindest noch ein minimaler Erlös bleibt?

Die Honorarvergütung war schon jahrelang in der Kassenpraxis nicht kostendeckend und musste Praxis intern ständig aus den Liquidationen von Privatpatienten subventioniert werden. Mit der neuen Gebührenordnung sind jedoch in diesem Jahr zusätzliche erhebliche Honorareinbußen verordnet worden. Sie werden es sicher in der Presse verfolgt haben. Das trifft natürlich besonders die letzten Kassenarztpraxen, die bisher zumindest was möglich war noch kassentechnisch abgewickelt haben. Die politisch plakativ gern immer wieder geforderte „sprechende Medizin“ ist in Wirklichkeit nicht gewollt. Aber ohne umfangreiche Anamnese ist jede fundierte Umweltmedizin uneffektiv. Die Folge wird sein, dass nicht nur, wie bisher teilweise, sondern zukünftig die gesamte Umweltmedizin in den Bereich der sogenannten „Individuellen Gesundheitsleistung (IGeL)“ verschoben wird. IGeL bedeutet, dass Leistungen nach der  privatärztlichen Gebührenordnung abgerechnet werden. Wir Umweltmediziner können aber nach dem erheblichen Einbruch der allgemeinen ärztlichen Vergütung jetzt keine Leistungen mehr umsonst anbieten.

Hier muss mit den gesetzlichen Krankenkassen endlich ein gangbarer Weg gefunden werden. Es ist denkbar und zu hoffen, dass die explodierende Veränderung im Gesundheitswesen dafür in Zukunft wieder gangbare Wege finden wird. Wir als national und in Europa tätigen umweltmedizinischen Fachverbände, Deutscher Berufsverband der Umweltmediziner und European Academy for Environmental Medicine, werden uns dafür einsetzen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Peter Ohnsorge

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 27.02.2009

Fortsetzungsserie: Umweltmedizin in Deutschland

Umweltmedizin in Deutschland Teil 3: Kündigung Umweltmedizinische Vereinbarung – Erklärungen der Krankenkassen und KV

Umweltmedizin unerreichbar

Erkrankungen, die auf umweltbedingte Ursachen zurückzuführen sind, haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Häufig sind die Auslöser von Umweltkrankheiten im häuslichen Bereich zu finden. Schimmelpilze, Pestizide und Lösungsmittel gehören zu den Hauptfaktoren die Umweltärzte in Betracht ziehen, wenn ein Patient chronisch krank ist und keine Besserung eintreten will.

In Nordhein-Westfalen wurden von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein gemeinsam mit Krankenkassen eigens Umweltmedizin-Projekte lanciert, die in eine Umweltmedizin-Vereinbarung mündeten. Mittels dieser Maßnahmen waren in die Vereinbarung integrierte Ärzte in der Lage, bei Verdacht Hausbegehungen und Analysen bei einem Umweltlabor anzuberaumen. Anschließend erfolgte anhand der Messergebnisse eine umweltmedizinische Beratung, die oft zu Sanierung des schadstoff- oder schimmelpilzbelasteten Wohnraums führte. Ein Vierteljahr später beurteilte der behandelnde Arzt den Gesundheitszustand seines Patienten.

Die Umwelt-Medizinvereinbarung in Nordrhein war, wie im Artikel „Krankenkassen und KV schaffen Basis für Hilfe bei Umweltkrankheiten“ ausführlich dargelegt, rundum ein Erfolg. Schon die im Vorfeld durchgeführten Pilotprojekte hatten keinen Zweifel daran gelassen, dass eine umweltmedizinische Herangehensweise bei vielen Patienten ein langes Leiden und eine kostenintensive Odyssee von Arzt zu Arzt beenden konnte.  Krankenkassen, die KV und die Ärztekammer waren gleichermaßen vom Nutzen der ergänzenden umweltmedizinischen Leistungen überzeugt. Aus deren Berichterstattung war zu vernehmen, dass bei 63 Prozent der Patienten mit Verdacht auf eine Umwelterkrankung sich die Diagnose bestätigt habe. Nach Sanierung, Umbau oder Entfernen schadstoffbelasteter Einrichtung seinen bei fast 70 Prozent der Patienten die Beschwerden verschwunden.

Die plötzliche Beendigung der Umweltmedizin-Vereinbarung in Nordrhein zum Jahreswechsel 2009 warf daher einige Fragen auf. CSN schrieb die Kassenärztliche Vereinigung, die Krankenkassen und das Ministerium für Gesundheit und Soziales in Nordrhein-Westfalen an. Nachfolgend die Antworten der KV Nordrhein und verschiedener Krankenkassen.

Anschreiben CSN

Sehr geehrter Herr Prof.Dr. Klusen,

wie wir erfahren haben, wurde die Umweltmedizin-Vereinbarung in Nordrhein von allen teilnehmenden Kassen gekündigt. (Mitteilung Renate Fischer KV Nordrhein)

Als Organisation für Umweltkranke und insbesondere für chemikaliensensible Menschen möchten wir Sie um möglichst zeitnahe Beantwortung der nachfolgenden Fragen bitten, da unsere Mitglieder in höchster Sorge sind.

Welche Möglichkeiten der Diagnostik und Behandlung im Rahmen der Kassenleistungen stehen für Mitglieder der TK die unter Umweltkrankheiten und/oder MCS (ICD-10 T78.4) leiden, ab diesem Jahr noch offen?

Welche Möglichkeiten haben niedergelassene Kassenärzte, um dieser Patientengruppe mit besonderen Bedürfnissen, gerecht zu werden?

Welche Gründe von Seiten der TK Nordrhein führten zur Kündigung der Umweltmedizin-Vereinbarung?

Für die Beantwortung dieser für uns dringlichen Fragen danken wir Ihnen im Voraus.

Mit freundlichen Grüßen,

Silvia K. Müller
Präsidentin CSN – Chemical Sensitivity Network

Antwortschreiben der Techniker Krankenkasse

Sehr geehrte Frau Müller,

ich komme heute auf Ihre an Herrn Prof. Dr. Klusen gerichtete E-Mail vom 2.1.2009 zurück.

Die Umweltmedizin-Vereinbarung sollte die Möglichkeiten verbessern, Gesundheitsstörungen und Erkrankungen durch Umwelteinflüsse im privaten Wohnbereich zu erkennen, zu diagnostizieren und zu behandeln. Sie stellte ein zusätzliches Angebot zur ärztlichen Regelversorgung dar. Die grundsätzlich ausreichende Versorgung aller Krankheitsbilder, somit auch der Umweltkrankheiten, wird daher nicht tangiert. Die Behandlung dieser Krankheitsbilder ist daher nach wie vor bei niedergelassenen Ärzten möglich.

Die Vereinbarung wurde zuletzt bundesweit einzigartig nur in Nordrhein-Westfalen angeboten. Die finanziellen Spielräume der Krankenkassen aufgrund der Einführung des Gesundheitsfonds haben eine Revision der bisherigen Sonder-/Förderverträge notwendig gemacht. Leider mussten wir uns, wie alle anderen Krankenkassen, entschließen, die besondere Versorgung der Umweltmedizin-Vereinbarung zu beenden.

Wir hoffen auf Ihr Verständnis und verbleiben

mit freundlichen Grüßen

Volker Habighorst
Referent Vertragswesen

Techniker Krankenkasse, Landesvertretung NRW
Antwortschreiben der KV Nordrhein

Sehr geehrte Frau Müller,

Sie hatten sich mit E-Mail vom 02.01.2009 in obiger Angelegenheit an Herrn Dr. Hansen gewandt.

Wie Sie bereits in Ihrer E-Mail selbst schreiben, wurde die Umweltmedizinvereinbarung in Nordrhein von allen teilnehmenden Krankenkassen gekündigt.

Wir möchten Sie daher bitten, sich wegen näherer Einzelheiten unmittelbar an die nordrheinischen Krankenkassen zu wenden.

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Bohnekamp
Hauptstelle, stellv. Hauptgeschäftsführer KVNordrhein

Antwortschreiben der Barmer

Sehr geehrte Frau Mueller,

mit E-Mail vom 02.01.09 stellen Sie Fragen, die im Zusammenhang mit der durch die Krankenkassen in Nordrhein-Westfalen gekündigte Umweltmedizin-Vereinbarung stehen.

Zu den einzelnen Fragen nehmen wir wie folgt Stellung:

zu 1) Welche Möglichkeiten der Diagnostik und Behandlung im Rahmen der Kassenleistungen stehen für die Mitglieder der Barmer in NRW, die unter Umweltkrankheiten und/oder MCS (ICD-10 T78.4) leiden, ab diesem Jahr noch offen?

Alle in der gesetzlichen Krankenversicherung vom gemeinsamen Bundesausschuss vorgesehenen diagnostischen Maßnahmen für den Patienten können natürlich weiter erbracht werden. Die Umweltmedizinvereinbarung in der bisherigen Form richtete sich in erster Linie an eine ggf. notwendige Untersuchung des häuslichen Umfelds und in Einzelfällen der Untersuchung von verdächtigen Materialien in einem Labor. Diese Kosten für Untersuchungen von z.B. Teppichproben, Farbanalysen etc. muss der Versicherte nun, wie in anderen Bundesländern auch, privat bezahlen.

zu 2) Welche Möglichkeiten haben niedergelassene Kassenärzte, um dieser Patientengruppe mit besonderen Bedürfnissen gerecht zu werden?

Die Behandlung des Patienten war nie Bestandteil der Umweltmedizinvereinbarung. Die Behandlung von Patienten mit Umweltkrankheiten kann somit auch zukünftig in der gewohnten Qualität weitergeführt werden.

zu 3) Welche Gründe von Seiten der Barmer führten zur Kündigung der Umweltmedizin-Vereinbarung?

Ab diesem Jahr gibt es einen einheitlichen Beitragssatz für alle gesetzlich krankenversicherten Personen. Gleichzeitig müssen die durch gesetzliche Vorgaben stark steigenden Ausgaben im vertragsärztlichen und stationären Bereich über diesen Beitragssatz finanziert werden. In dieser Situation haben die Krankenkassen einige Vereinbarungen gekündigt, um keinen Zusatzbeitrag zur Deckung aller Ausgaben erheben zu müssen. Hierzu gehörte auch die Umweltmedizin-Vereinbarung in Nordrhein und Westfalen-Lippe.

Mit freundlichen Grüßen

Frank Szczepanski

BARMER Hauptverwaltung Wuppertal
Abteilung Ärzte, Zahnärzte, Arznei- und Heilmittel
SG I Ambulante Ärztliche Behandlung

Antworten für Umweltkranke und Umweltärzte nicht zufriedenstellend
Diese Antworten der Krankenkassen und KVNo bewogen den Präsidenten einer Standesgesellschaft für Umweltmedizin zu einer Stellungnahme, über die wir in einem der nächsten Artikel der CSN Fortsetzungsserie „Umweltmedizin in Deutschland“ berichten werden.

Autor:
Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 26. 02.2008

Umweltmedizin wird in Deutschland systematisch auf das Abstellgleis geschoben

Bye, Bye Umweltmedizin

Als in den Achtziger und Neuziger Jahren publik wurde, dass immer mehr Menschen unter Umweltkrankheiten und MCS – Multiple Chemical Sensitivity leiden, waren viele Mediziner, Politiker und teilweise auch Behörden hoch motiviert, den Erkrankten zu helfen. Es gab erste Pilotprojekte, später kamen Umweltambulanzen, Ausbildung zum Umweltmediziner und umweltmedizinische Verein-barungen der Krankenkassen hinzu.

Die Zahl der Erkrankten hat seit den Achtziger Jahren drastisch zugenommen, doch statt die umweltmedizinische Versorgung weiter auszubauen, internationales Wissen zu integrieren und zielgerichtete Präventionsmaßnahmen zu ergreifen, ist in den letzten Jahren ein eher gegensätzlicher Trend zu beobachten. Interessen-vertreter betreiben zielgerichtete Lobbyarbeit, um Umweltkrankheiten eine psychische, psychiatrische Genese anzudichten und damit den Erkrankten adäquate Hilfe zu verbauen.

Kranke werden alleine gelassen
Patienten und niedergelassene Umweltmediziner zeigen sich von der gegenwärtigen Situation gleichermaßen besorgt und fordern funktionierende medizinische Versorgungsprogramme für Umwelt-kranke. Rein ökonomisch würden angemessene Maßnahmen sogar erheblich dazu beitragen, Gelder zu sparen, wie sowohl wissenschaftliche Studien als auch wirtschaftliche Erhebungen und Einschätzungen deutscher Krankenkassen bereits ermittelten.

Wider alle Vernunft wurde aktuell zum Jahresanfang 2009 die Umweltmedizinische Vereinbarung von den Krankenkassen in Nordrhein – Westfalen gekündigt. (1) Damit ist eine Versorgungs-lücke entstanden, die nicht zu schließen ist. Umweltambulanzen, die an Universitäten angeschlossen sind, werden die entstandene Lücke jedenfalls nicht schließen können, wie aus den über Jahre getätigten Äußerungen von Leitern solcher Umweltambulanzen in der Öffentlichkeit zweifelfrei erkennbar war.

Umweltambulanzen für Psychiatrisierung bekannt
Die Vorsitzenden der KV Nordrhein und der Ärztekammer Nordrhein hatten sich über diese Tatsache und den Nutzen der niederge-lassenen Umweltmedizin bereits im Dezember 2000 im Rheinischen Ärzteblatt geäußert:

„In der praktischen, klinischen Umweltmedizin kann auf den immer wieder geforderten interdisziplinären Ansatz verzichtet werden, da das etablierte System von Überweisung und Konsil eine differenzialdiagnostische Abgrenzung zu anderen Fachgebieten sichert. Dies vermeidet eine unzulässige Psychiatrisierung der Patienten, wie sie in „Umweltambulanzen“ mit einer obligaten psychiatrischen Testung durch das System impliziert wird.“ (2)

In der Fortsetzungsserie – Umweltmedizin in Deutschland – wird die Situation von verschiedenen Seiten beleuchtet werden.

  1. Teil – Krankenkassen schafften Basis für Hilfe bei Umweltkrankheiten
  2. Teil – Umweltmedizinische Vereinbarung ein erfolgreiches Konzept
  3. Teil – Kündigung Umweltmedizinische Vereinbarung, Resonanz der Krankenkassen
  4. Teil – Resonanz des Ministeriums in NRW
  5. Teil – Situation Umwelterkrankter aus der Sicht des Präsidenten einer Standesgesellschaft für Umweltmedizin

Autor:
Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 23. 02.2009

Literatur:
1. KV Nordrhein, Umweltmedizin-Vereinbarung zum 31. Dezember 2008 beendet
2. Dr. Leonhard Hansen – Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, Dr. Dietrich Rohde – Mitglied des Vorstandes und Vorsitzender des Ausschusses „Umweltmedizin“ der Ärztekammer Nordrhein,  Honorierung qualitätsgesicherter umweltmedizinischer Leistungen, Rheinisches Ärzteblatt 12/2000

Umweltambulanz einer Krankenkasse findet Schadstoffe als Ursache von Krankheiten

Schadstoffbelastung in Häusern führt oft zu Krankheit

Umweltkrankheiten sind auf dem Vormarsch. Eine deutsche Krankenkasse hat dies erkannt und zum Wohle ihrer Mitglieder eine Umweltambulanz gegründet, die nach den Ursachen von Atemwegserkrankungen, Müdigkeit, Augenreizungen, Kopfschmerzen und Anfälligkeit für Infektionen sucht und tatkräftig Hilfe anbietet. Ganz das Gegenteil vieler universitärer Umwelt-ambulanzen, die sich offensichtlich darauf verlegt haben, die Existenz von Umweltkrankheiten in Abrede zu stellen oder vehement der Psyche zuzuordnen.

Ursache bekannt: Wohngifte, Schadstoffe
„Atemwegserkrankungen, Müdigkeit, Augenreizungen, Kopfschmerzen, Allergien und Anfälligkeit für Infektionen. Diese Erkrankungen haben alle etwas gemeinsam: Sie alle sind die häufigsten Beschwerden, die durch Wohngifte und Schimmelpilze entstehen.“ So steht es in der Beschreibung der Umweltambulanz der IKK Niedersachsen zu lesen. (1)

Helfen und sparen, statt Patienten im Regen stehen zu lassen
Aussagen von Umweltkranken und Statistiken nach zu urteilen ist es schwer, überhaupt einen Arzt zu finden, der Beschwerden dem Kontakt mit Umweltschadstoffen zuordnen kann. Für Krankenkassen kann dies teuer werden, denn zwangläufig geht der Patient auf der Suche nach Hilfe von Arzt zu Arzt. Viele Beschwerden chronifizieren, weil die Ärzte zwar alle Möglichkeiten der Diagnostik ausnutzen, aber dennoch zu keinem konkret verwertbaren Ergebnis kommen, um den Patienten zu helfen. Es fehlt an spezifischem Fachwissen zum Erkennen umweltbedingter und schadstoff-induzierter Erkrankungen. Mancher Patient kann daher eine Odyssee von über 50 Ärzten und Kliniken aufweisen.

Eine Umweltambulanz geht Ursachen auf den Grund
Früher führte ein Hausarzt noch Hausbesuche durch und kannte dadurch das Lebensumfeld seiner Patienten. Dieser häusliche Kontakt ist heutzutage nicht mehr möglich, und ein Arzt kann in seiner Praxis zwar den Verdacht erheben, dass eine Erkrankung vom Wohnraum herrühren kann, aber dann sind ihm die Hände weitgehend gebunden. Die IKK Umweltambulanz Niedersachsen schreibt dazu: „Ohne genaue Kenntnis der Wohnbedingungen der Patienten kann der Arzt keine weiteren Rückschlüsse ziehen, denn die labormedizinischen Untersuchungen allein bringen nicht die gewünschte Klärung.“

Die Krankenkasse bietet an, dass in einem solchen Fall die Ärzte ihre Patienten an die Umweltambulanz verweisen können. Die Umweltambulanz übernimmt dann die Aufgabe, den häuslichen Bereich der Patienten umfassend zu untersuchen.

Die Aussagen einer der Experten der IKK Umweltambulanz machen Sinn:
„Nach Betrachtung der gesundheitlichen Probleme der Betroffenen inspizieren wir bei einer Wohnungsbegehung alle Räume vom Keller bis zum Dachstuhl. Wir ermitteln mögliche Quellen für Schadstoffe oder Feuchtigkeit durch orientierende Messungen, durch Materialproben oder Probennahmen der Raumluft“, erklärt Diplom-Chemieingenieur Christian Tegeder von der Umweltambulanz der IKK Niedersachsen.

Schadstoffquellen, die Krankheiten auslösen können, gibt es tatsächlich in vielen Wohnungen, wie an einem der von der IKK beschriebenen Beispiele, dem Formaldehyd, deutlich wird:

„Formaldehyd ist ein sehr bekannter Schadstoff. Er gast insbesondere aus Spanplatten aus, die in Möbeln, Paneelen, Fußböden oder Trennwänden verwendet werden. Hohe Ausdünstungen von Formaldehyd können zu Schleimhautreizungen, Kopfschmerzen, chronischen Erkältungen und Allergien führen.“

Schimmel – kein Problem
Ein weiteres rasant wachsendes Innenraumproblem durch abgedichtete Häuser ist Schimmel. Die Umweltambulanz verfügt daher sogar über einen eigenen schwedischen Spürhund, der speziell für die Suche nach versteckten Schimmelpilzen und Bakterien ausgebildet wurde. Die Proben werden anschließend im eigenen Labor untersucht. Ist das Ergebnis positiv, wird der Patient nicht mit einem Laborbogen alleine gelassen, sondern bekommt konkrete Sanierungsvorschläge. Die IKK Niedersachsen ist vorbildhaft, denn sie übernimmt sogar die Kosten für Anfahrt, Beratung und Begehung vollständig. Bei den Kosten für Messungen und Berichte beteiligt sich die IKK Niedersachsen an 80 % der Kosten, maximal bis zu 400 €.

Enorme Erfolgsquote
Das Konzept scheint offensichtlich komplett aufzugehen. Die IKK Umweltambulanz berichtet, dass, wenn Patienten von Ärzten an die Umweltambulanz verwiesen wurden, diese in den meisten Fällen auch Schadstoffe findet, die als Ursache für die Erkrankung in Frage kommen.

Eine Auswertung der Ärzte-Zeitung habe ergeben, dass Ärzte oftmals wirklich goldrichtig liegen, wenn sie auf die IKK Umweltambulanz verweisen:

Hautärzte lagen in 74 % der Fälle richtig, wenn sie eine Umweltbelastung als Ursache einer Hautkrankheit vermuteten, Lungenärzte lagen sogar in 88 % der Fälle richtig. Am häufigsten verweisen im übrigen Allgemeinmediziner ihre Patienten auf die Umweltambulanz, gefolgt von Kinderärzten, Internisten, Haut- und Lungenärzten. (1)

Qualitätsunterschiede bei Umweltambulanzen
Während die IKK Umweltambulanz Niedersachen durch ihre gezielte Vorgehensweise, inkl. Hausbegehungen, bei über einem Dreiviertel der Umweltpatienten fündig wird und dadurch die Situation für den Patienten verbessern kann, gibt es in anderen Umweltambulanzen gegenteilige Denkansätze und Vorgehensweisen.

In einer Veröffentlichung einiger universitärer Umweltambulanzen im Deutschen Ärzteblatt stand zwar zu lesen, dass neben der Anamnese, klinischen Untersuchung und Differenzialdiagnose nach strenger Indikationsstellung Analysen von Körperflüssigkeiten, Ortsbegehungen und Umgebungsanalysen in die Bewertung mit einzubeziehen seien, doch in der Praxis kommt man zu völlig anderen Ergebnissen als in Niedersachsen. Nur bei bis zu 15 % der Patienten gelänge es, eine relevante Exposition zu identifizieren. In 40 bis 75 % der Fälle würden andere somatische und/oder psychische Erkrankungen ohne eine nachvollziehbare oder nachweisbare Exposition diagnostiziert werden. (2)

Die Autoren gaben im Ärzteblatt deutlich zu verstehen, dass es zur Indikationsstellung wichtig sei, die Grenzen umweltmedizinischer Diagnoseverfahren zu kennen. Nur so könne ihrer Meinung nach vermieden werden, dass Untersuchungen durchgeführt werden, aus deren Ergebnissen sich keine Konsequenzen ableiten lassen und die daher weder dem Arzt noch dem Patienten weiterhelfen würden. (2)

Klinischer Alltag an universitären Umweltambulanzen
Als Bedeutung für ihren klinischen Alltag und die Therapie der Patienten gaben die Autoren im Ärzteblatt an: „Die beklagten körperlichen Beschwerden lassen sich nicht oder nicht hinreichend durch eine organische Erkrankung erklären und eine Somatisierung ist in vielen Fällen das zentrale Problem. Die Frage nach der Ätiologie von Beschwerden kann mit dieser Diagnose für den Patienten meist nicht befriedigend beantwortet werden. Auf der Basis dieser Diagnose kann man ihm jedoch unter anderem psychotherapeutische Angebote machen.“ (2)

Konträre Diagnose- und Therapieangebote
Wie konträr die Einstellung dieser universitären Umweltambulanzen gegenüber dem Angebot der IKK Umweltambulanz ist, verdeutlicht auch die Aussage des Mitautors des angesprochenen Artikels im Deutschen Ärzteblatt. Der Leiter der Umweltambulanz Giessen, Prof. Dr. Thomas Eikmann, gab in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau folgenden Einblick in seine Auffassung hinsichtlich effektiver Diagnostik und Therapie von Umweltkranken. Sein Team versuche, den Patienten andere Erklärungsmuster zu geben, „um sie aus dem Teufelskreis herauszukriegen“. So sollen sie seiner Meinung nach versuchen, Gerüche auszuhalten, „ohne gleich umzufallen. Die müssen aus der sozialen Isolierung raus.“ (3)

Auch der Leiter des Robert Koch-Institut, Dr. Dieter Eis, hat Zweifel an der Diagnose „krank durch Schadstoffe“. In der Apotheken-umschau konnte der Leser seine Meinung vernehmen: „Da tummelt sich ein breites Spektrum von Anbietern.“
„Das reicht von wissenschaftlich basierter Arbeit bis hin zu paramedizinischen Methoden“. „Wenn man saubere Befunde haben will, ist das aufwendig und schwierig“, erläutert Eis. „Da werden viele Fehler gemacht und voreilige Schlüsse gezogen.“ (4)

Mit einer Aussage von Thomas Eikmann von der Umweltambulanz Giessen schloss den Artikel in der Apothekenumschau wie folgt ab:  „Krankheiten haben viele Ursachen“, erklärt Thomas Eikmann. „Schadstoffe spielen dabei nur eine begrenzte Rolle“. Eine einfache Zeitreihe widerlege, dass Alltagschemie uns immer kränker mache: „Die durchschnittliche Lebenserwartung der Deutschen steigt seit Langem – und zwar stetig und ungebremst.“ (4)

Wesentlich innovativer und effektiver sieht da die Vorgehensweise der IKK Umweltambulanz aus:  Dort hat die IKK Umweltambulanz Niedersachsen mit dem Verband des Tischlerhandwerks in Niedersachsen und Bremen gemeinsam mit weiteren Projektpartnern wie dem Beratungs- und Kompetenzzentrum „BWE Bauen Wohnen Energie“ und dem Malerverband Niedersachsen die Initiative „Gesundes Wohnen“ gestartet. Qualifizierte Fachbetriebe aus diesen Branchen beraten Patienten fachkundig zu allen Fragen rund um deren Wohnumfeld, um deren gesundheitliche Situation zu verbessern.

Auf die Frage, ob Schadstoffquellen wie bspw. Holzdecken oder verschimmelte Dämmstoffe sofort entfernt werden müssen, gab der Experte der IKK Umweltambulanz zur Antwort:

„Meistens ja. Belastete Paneele, schimmelige Wandverkleidung, Laminat oder Spanplatten müssen raus und ersetzt werden. Die Erfahrung zeigt: Wer seine Wohnräume auf Schadstoffe untersuchen lässt, hat oft schon seit Jahren gesundheitliche Probleme. Man sollte die Ursachen also klären lassen und dann zügig und vor allem fachgerecht beseitigen. Am besten von einem Betrieb, der sich als Fachbetrieb für gesundes Wohnen hat zertifizieren lassen.“ (1)

Schadstoffbedingte Krankheiten: Akzeptieren und Handeln spart Unsummen
Das Konzept der IKK, Schadstoffe als Ursache für Beschwerden der Patienten ernst zu nehmen, geht jedenfalls auf, wie die Erfolge bestätigen. Es sollte Schule machen, denn es hilft im beträchtlichen Maße, die leeren Taschen der Krankenkassen zu schonen. Nicht nur das, wie viel Gesundheit kann zurück gewonnen oder Chronifizierung von Krankheiten entgegengesteuert werden, wenn die richtige Diagnose zügig gestellt wird und darauf folgend bspw. eine sachgemäße Sanierung eingeleitet wird.

Eine Erhebung der staatlichen kanadischen Umweltklinik in Nova Scotia bestätigt die Richtigkeit und Effizienz solcher gezielten Herangehensweise, des Akzeptierens der Existenz von schadstoffbedingten Umweltkrankheiten und deren adäquater Behandlung:

Der gesamte jährliche Rückgang der Arztkonsultationen während der Jahre seit der ersten Konsultation der Umweltklinik in Fall River bis 2002 lag bei der Gruppe im Jahr 1998 bei 9,1%, bei der Gruppe von 1999 bei 8% und bei der Gruppe von 2000 bei 10,6%, verglichen mit 1,3% bei der Gesamtbevölkerung von Nova Scotia. Bei der Patientengruppe von 1998 lag die Reduzierung der Arztbesuche bei den Patienten mit den meisten Symptomen vor der Therapie sogar bei 31% in den Folgejahren nach der Behandlung in der Umweltklinik. (5)

Bleibt zu hoffen, dass das Konzept der IKK Umweltambulanz Nachahmer findet und ein gewaltiges Umdenken an so mancher universitären Umweltambulanz in Deutschland stattfindet.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 29.12.2008

Anm:
Dieser Artikel dient ausschließlich der Information und ist nicht als Werbung für die IKK Krankenkasse zu verstehen. Es bestehen keine Verbindungen oder Abhängigkeitsverhältnisse.

Literatur:
1. IKK Umweltambulanz, Umweltambulanz der IKK Niedersachsen, Stand www. Dez. 2008
2. Klinische Umweltmedizin, Clinical Environmental Medicine, Dtsch Arztebl 2008; 105(30): 523-10000, DOI: 10.3238/arztebl.2008.0523
3. Frauke Haß, Wenn Parfum zur Ohnmacht führt. Manche Menschen vertragen keine Chemikalien, Frankfurter Rundschau, 3.11.2007
4. Apothekenumschau, „Wie gesund ist unsere Umwelt?“, 15.07.2008
5. Silvia K. Müller, Adäquate Behandlung von MCS Patienten in einer Umweltklinik spart Gesundheitskosten, CSN Blog, 30.Sept. 2008

Die Psychiatrisierung von MCS-Kranken stellt in Deutschland den Tatbestand der Diskriminierung körperlich Behinderter dar

Menschen, die an Multiple Chemical Sensitivity (MCS) erkrankt sind, werden mit Faktoren konfrontiert, die bei kaum einer anderen Krankheit in vergleichbarem Maße in Erscheinung treten:

MCS Erkrankte leiden unter:

  • den Schmerzen durch ihre Krankheit
  • der Isolation, erzwungen durch ihre Reaktionen auf minimale Konzentrationen von Alltagschemikalien
  • mangelnder adäquater medizinischer Versorgung
  • dem Verlust von Beruf, Freunden, Vermögen,…
  • der Einbuße ihrer Freiheit und ihrer Lebensqualität
  • der Diskriminierung, der sie von vielen Seiten ausgesetzt sind

Der Faktor, den Chemikaliensensible als den Punkt anführen, unter dem sie am Allermeisten leiden, ist die Diskriminierung, der sie oft in unserer Gesellschaft und durch Behörden ausgesetzt sind.

MCS ist als körperliche Krankheit einklassifiziert
MCS ist im für Deutschland gültigen WHO Register der Krankheiten, dem ICD-10 GM, als körperliche Krankheit einklassifiziert. MCS trägt dort den Diagnoseschlüssel T.78.4 und ist dem Kapitel 19 unter „Verletzungen, Vergiftungen“ zugeordnet. In Deutschland sind Ärzte und Dokumentare in Krankenhäusern nach dem Sozialgesetzbuch V dieser rechtsverbindlichen Klassifizierung verpflichtet. (1,2,3)

MCS ist eine körperliche Behinderung, aber…
Multiple Chemical Sensitivity (MCS) ist in Deutschland seit 2005 als körperliche Behinderung anerkannt (Ziffer 26.18, Register Einschränkung des Bewegungsapparates). Der Behindertenstatus wird auf Antrag im Einzelfall zugebilligt. Behinderte dürfen laut geltendem Recht nicht diskriminiert werden und stehen unter besonderem Schutz. Chemikaliensensible spüren jedoch wenig von der Sicherheit, die ihnen von Rechts wegen gewährt wird, im Gegenteil. Sie werden aufgrund von (teils bewusster) Desinformation als psychisch Kranke abgestempelt, obwohl der internationale wissenschaftliche Sachstand klar darlegt, dass es sich um eine körperliche Krankheit handelt. Ein Kriterium dafür sind die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP), wie man nachfolgend erkennen kann:

In Deutschland wurde MCS im Jahr 2004 erstmals als Behinderung eingegliedert, jedoch hatte man Chemikalien-Sensitivität (MCS) und Chronische Erschöpfung (CFS) sehr zum Leidwesen der Erkrankten und deren Ärzte in den Leitlinien unter Ziffer 26.3 „Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, psychische Traumen“ gelistet. Die Erkrankten und ihre Ärzte empfanden diese Einstufung zu Recht als Diskriminierung, was zu einer Neueingliederung im Jahr 2005 führte. (4) Seitdem werden MCS und CFS unter Ziffer 26.18 „Haltungs- und Bewegungsapparat, rheumatische Erkrankungen“ geführt. Zwar kann seither beim Vorliegen einer besonders schweren MCS ein GdB von mehr als 50 zuerkannt werden, aber in den Leitlinien befindet sich noch immer ein Punkt der Diskriminierung. MCS ist zwar körperlichen Einschränkungen zugeordnet, jedoch steht in der AHP Fassung 2008 zu lesen:

„Die Fibromyalgie und ähnliche Somatisierungssyndrome (z.B. CFS/MCS) sind jeweils im Einzelfall entsprechend der funktionellen Auswirkungen analog zu beurteilen.“

Diese Bewertung „ähnliche Somatisierungssyndrome“ verwundert, denn bereits 1998 hatte der ärztliche Sachverständigen Rat, Sektion Versorgungsmedizin, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, folgende Aussage getätigt:

„Gemäß Beschluss sind so genannte Umweltkrankheiten, wie das „MCS-Syndrom“,  die mit vegetativen Symptomen, gestörter Schmerzverarbeitung, Leistungseinbussen und Körperfunktionsstörungen, etc. einhergehen, grundsätzlich als Behinderung nach dem Schwerbehindertenrecht SGB IX anerkannt. Es wird darauf hingewiesen, dass psychische oder psychiatrische Krankheiten nicht mit dieser Einstufung verbunden sind.“ (5)

MCS Patienten-Initiative reklamiert Diskriminierung Behinderter
Die MCS Patienten-Initiative gegen Diskriminierung trat in Aktion und schrieb das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales an und erwirkte, dass der derzeitige Passus, in dem die Erkrankung MCS unangebrachter Weise als Somatisierungsstörung bezeichnet wurde, nun endgültig von diskriminierenden Bezeichnungen befreit und  geändert wird: (6)

Abschrift des Briefes vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales

Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Bezug auf MCSBundesministerium
für Arbeit und Soziales

MCS Patienten-Initiative
gegen Diskriminierung

Bonn, 21.November 2008

Feststellung nach dem Schwerbehindertenrecht

Sehr geehrte Frau xxx

Wie im Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs Herr Thönnes angekündigt, erfolgt nun die Antwort auf Ihr Schreiben vom 29.09.2008, nachdem der Sachverständigenbeirat Versorg-ungsmedizin getagt hat.

Die Sachverständigen haben empfohlen, den Satz

„Die Fibromyalgie und ähnliche Somatisierungssyndrome (z.B. CFS/MCS) sind jeweils im Einzelfall entsprechen der funktionellen Auswirkungen analog zu beurteilen.“
durch
„Die Fibromyalgie, Chronisches Fatigue Syndrom (CFS), Multiple Chemical Sensitivity (MCS) und ähnliche Syndrome sind jeweils entsprechen der funktionellen Auswirkungen analog zu beurteilen.“
zu ersetzen.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag

Dr. Christa Rieck
Bundesministerium
für Arbeit und Soziales


Diskriminierung in Gutachterleitlinien beendet
In den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) für das kommende Jahr 2009 wird, wie im Schreiben des Bundesministeriums angekündigt, der betreffende Passus, der die Krankheit MCS als „Somatisierungsstörung“ bezeichnete, abgeändert.

Bedeutung für Chemikaliensensible
Den AHP kommt zwar keine Rechtsnormqualität zu, sie sind aber auch nicht nur als unverbindliche Richtlinien für medizinische Sachverständige zur Bewertung von Sachverhalten aufzufassen. Vielmehr handelt es sich bei den AHP nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde, um ein antizipiertes Sachverständigengutachten, das den aktuellen Wissens- und Erkenntnisstand der herrschenden medizinischen Lehrmeinung, d.h. der so genannten Schulmedizin, wiedergibt. Als einleuchtendes, abgewogenes und in sich geschlossenes Beurteilungsgefüge ermöglichen die AHP der Verwaltung und den Gerichten unter Wahrung des allgemeinen Gleichheitssatzes den zutreffenden MdE-Grad bzw. nunmehr GdS für eine Schädigungsfolge oder den GdB für eine Teilhabebeeinträchtigung zu bestimmen. (7)

Fazit für Chemikaliensensible
Durch die Eingliederung von MCS als körperliche Krankheit, der neuen Formulierung in den AHP und der Einklassifizierung von MCS als körperliche Krankheit im ICD-10 haben Chemikaliensensible endlich alles in der Hand, um ihre Krankheit auf Antrag als körperliche Behinderung anerkannt zu bekommen.

Wie aus den oben aufgeführten Tatsachen eindeutig ersichtlich, ist also die Klassifizierung von MCS als eine körperliche und nicht psychische Erkrankung in Deutschland allgemein rechtsverbindlich.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 24.12.2008

Literatur:

  1. DIMDI Schreiben an CSN, MCS ICD-10, 04.09.2008
  2. DIMDI Schreiben, 04.09.2008
  3. Bundesministerium für Gesundheit, Anwendung der ICD-10 in der vertragsärztlichen Versorgung nach § 295 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, 18.12.1995
  4. BMGS Berlin, MCS Ziffer 26.18, Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit, Anhaltspunkte 2005
  5. Ärztlicher Sachverständigen Rat, Sektion Versorgungsmedizin, Bundesministerium für Arbeit, TOP 1.9, Nov. 1998.
  6. Dr. Christa Rieck, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Schreiben „Feststellung nach dem Schwerbehindertenrecht“ vom 21.11.2008
  7. Anhaltspunkte 2008, Rechtsnatur der Anhaltspunkte, Schillings/Wendler 08/2008

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Situation der Umweltmedizin in Kanada & Studie über Multiple Chemical Sensitivity

Umweltmedizin in Nova Scotia

In dieser Woche wurde von kanadischen Umweltmedizinern eine neue MCS-Studie veröffentlicht, die auf Störungen des Autonomen Nervensystems bei Chemikaliensensiblen hindeutet. Chemical Sensitivity (MCS) ist eine weltweit verbreitete Erkrankung, über die bisher fast 1000 wissenschaftliche Studien (peer reviewed) veröffentlicht wurden. Mitautor der aktuellen Studie ist der kanadische Prof. Dr. Roy Fox, Leiter der ersten staatlich finanzierten Umweltklinik weltweit und Professor für Medizin an der Dalhousie University in Halifax. Eine weitere staatlich finanzierte Forschungseinrichtung, die im kommenden Frühjahr eröffnet werden wird, bestätigt Kanadas innovative Einstellung gegenüber der Umweltmedizin und Umweltkrankheiten.

Aus Schaden klug zu werden
In der Vergangenheit kam es immer wieder vor, dass Unglücksfälle oder Katastrophen zu mehr Verständnis für die Situation von Umweltkranken und Chemikaliensensiblen führten. In den USA leugnet man die Existenz von Sick Building Syndrome nicht mehr ab, seit Mitarbeiter der U.S. Umweltschutzbehörde EPA im neu bezogenen Headquater, der Waterview Mall, krank wurden. Einige der Mitarbeiter konnten fortan nur noch von Zuhause arbeiten, während andere überhaupt nicht mehr in der Lage waren zu arbeiten, und viele von ihnen wurden zusätzlich chemikaliensensibel.

In Kanada passierte Ähnliches. Dort wurden zwischen 1989 und 1993 mehr als 800 von über 1100 Mitarbeitern des Camp Hill Hospital in Halifax durch Chemikalien krank. Rund hundert dieser Hospitalmitarbeiter können bis heute nicht mehr arbeiten und kämpfen um ihr Recht. Ein Amin eines Rostschutzmittels (Diethylaminoethanol) war damals über ein defektes Lüftungssystem in die Innenraumluft des Hospitals gelangt. Man hatte einen Befeuchter an das defekte Lüftungssystem angeschlossen, der mit Wasser gespeist wurde, das aus dem Dampfheizungssystem stammte.

Dieser Unglücksfall führte zur Gründung des Nova Scotia Environmental Health Centre im Mai 1997, der ersten staatlich finanzierten Umweltklinik weltweit, die auch Chemikaliensensible erfolgreich behandelt. Mehr als 800 Patienten stehen derzeit auf der Warteliste der Umweltklinik, die mit schadstoffarmen Baumaterialien gebaut wurde und von Anfang an selbst für Chemikaliensensible zu betreten war.

MCS, eine Krankheit, die Gegner hat
Doch auch in Kanada gibt es wie überall auf der Welt neben Befürwortern auch notorische Gegner von Umweltkrankheiten und spezial bezüglich MCS. Ein interessanter Bericht über die Situation in Kanada wurde von einer Medizinerin dem Beratungsausschuss des Gesundheitsministeriums im Fall des Camp Hill Hospital unterbreitet. Er verdeutlicht die dortige Diskussion über Umweltkrankheiten (MCS, SBS, EHS) und die Kontroverse, die von manchen interessengebundenen Gegnern bewusst eingebracht wird, anschaulich.

Dr. Patricia Beresford, BA, MD:
„Report on Environmental Hypersensitivity in response to the Report of the Advisory Committee to the Minister of Health“, Province of Nova Scotia, January 5, 1998

Dr. Beresford legte in ihrem Bericht dem Ausschuss unter anderem dar, dass eine hohe Notwendigkeit bestünde, Behandlungseinrichtungen zu schaffen, da Tausende von Umweltpatienten aus Nova Scotia und den anderen kanadischen Provinzen auf angemessene Behandlung warteten. Selbst Notfallpatienten mit Anaphylaxie oder schweren neurologischen Symptomen müssten Monate auf adäquate umweltmedizinische Behandlung warten. Sie kritisierte in ihrer Antwort an den Untersuchungsausschuss auch dessen Konzept von beharrlichem „Aufrechterhalten der beruflichen Beschäftigung“, während sie die Auffassung vertrat, dass die Krankheit klinisch gesehen weiter fortschreitet, wenn ein Angestellter weiter in einer Umgebung mit toxischer Belastung arbeiten müsse.

Hinweis auf Fehlfunktion des autonomen Nervensystems
Während man sieht, dass auch in Kanada kontroverse Diskussionen stattfinden, gehen patientenorientierte Mediziner jedoch währenddessen kontinuierlich daran, Ursachen und Folgen von Umweltkrankheiten und insbesondere MCS zu erforschen.

Die Wissenschaftler der aktuell erschienenen MCS-Studie sind der Auffassung, dass klinische Beobachtungen darauf hindeuten, dass Frauen mit MCS möglicherweise ein erhöhtes Risiko für Fehlfunktionen des vegetativen (autonomen) Nervensystems haben, wie sie sich in abnormen Werten für Herzfrequenz und Amplitude (Differenz zwischen systolischem und diastolischem Blutdruck) nach Belastung ausdrücken.

Das Wissenschaftlerteam untersuchte 17 weibliche MCS-Erkrankte mittels Impedanz-Kardiographie und erhob hämodynamische Messwerte, im Sitzen und sofort nach dem Aufstehen.

Als Reaktion auf das Aufstehen sahen die hämodynamischen Messwerte folgendermaßen aus:

  • gesteigerte Herzfrequenz / Herzschlagfrequenz (p < 0,0001)
  • herabgesetztes Schlagvolumen (p = 0,002)
  • verkürzte linksventrikuläre Auswurfzeit (p < 0,0001)
  • erhöhter diastolischer Blutdruck (p = 0,01),
  • und erhöhter peripherer Gefäßwiderstand (p= 0,002)
    (Erklärung p: siehe Anhang)

Dieses Reaktionsmuster entspräche laut der Wissenschaftler zwar prinzipiell dem gesunder Menschen; die bei MCS-Erkrankten festgestellten Veränderungen fielen laut der Mediziner jedoch deutlich geringer aus als bei Gesunden. Dieses aktuelle Studienergebnis fordert weitere tiefer gehende Untersuchungen, die in der Lage sind, Veränderungen am autonomen Nervensystem bei Chemikaliensensiblen aufzudecken.

Forschung über Umweltkrankheiten geht weiter
Im nächsten Frühjahr wird in Kanada eine mit 2 Millionen Dollar budgetierte neue Einrichtung eröffnet, die sich mit der Erforschung von Umweltkrankheiten beschäftigt. Getragen wird das Projekt von der Regierung von Nova Scotia und der Dalhousie Medical School. Die Vollzeit arbeitende Einrichtung wird sich zwanzig Kilometer außerhalb von Halifax in Fall Rivers befinden.

Auch in Kanada gibt es Gegner von Umweltmedizin, die ihre Stimme erheben, wenn solche Projekte publik werden. So äußerte Dr. Kempton Hayes, ein Skeptiker in Sachen Umweltmedizin, das dieses Projekt Nova Scotia zum Gespött der medizinischen Fachwelt machen würde. Er hält MCS für „Geschwafel“.

Dr. Elaine Nepjuk, die vor Jahren selbst am Camp Hill Hospital krank wurde, unter schwerer MCS leidet und durch Behandlung am Nova Scotia Environmental Health Centre ihre Gesundheit wesentlich verbessern konnte, ist jedoch völlig anderer Auffassung, sie nannte das Vorhaben innovativ. Dass ihre Sichtweise realitätsorientiert ist, konnte uns eine vorherige Studie von Prof. Roy Fox bereits darlegen. Die Studie hatte belegt, dass die Behandlung von Chemikaliensensiblen in einer adäquaten Umweltklinik hilft, die Kosten im Gesundheitssystem zu senken.

Autor:
Silvia K. Müller, CSN – Chemical sensitivity Network, 22. November 2008

Übersetzung: Annamaria

Literatur:
McFetridge-Durdle J, Routledge F, Sampalli T, Fox R, Livingston H, Adams B, Hemodynamic Response to Postural Shift in Women with Multiple Chemical Sensitivities, Biol Res Nurs. 2008 Nov 17.

Erklärungen:
p = statistische Irrtumswahrscheinlichkeit / (Signifikanz)
(kleines p = kleine Irrtumswahrscheinlichkeit = das Ereignis tritt recht zuverlässig auf)

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WIDERLEGT Lüge Nummer 4: „Chemikalien-Sensitivität ist nicht anerkannt“

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Der Kampf um Anerkennung lohnt

Chemikalien-Sensitivität ist als Behinderung anerkannt / Teil I

Die Barrieren sind unsichtbar und oft sogar geruchlos, aber dennoch unüberwindbar. Kein Aufzug, keine Rampe bietet Abhilfe. Kein Signalton und kein Warnlicht bietet Schutz davor. Gemeint sind die Hürden im Alltag, die bei bestimmten Menschen u.a. Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Krämpfe, Sehverlust, Erschöpfung, Artikulationsstörung und bei schweren Fällen sogar Bewusstlosigkeit auslösen.

Die Menschen, von denen die Rede ist, gehören zu den 15-30% in der Allgemeinbevölkerung eines Landes, die unter Chemikalien-Sensitivität (MCS) leiden und auf Duftstoffe, Farben und Lacke, frischen Asphalt, Zigarettenrauch, Reinigungsmittel, neuen Teppichboden und viele andere Alltagschemikalien oft in Sekundenschnelle Beschwerden entwickeln, die zumeist Stunden bis Tage anhalten. Bei schweren Fällen führt die Erkrankung zu völliger Behinderung und unweigerlich zu Isolation.

Um chemikaliensensiblen Menschen zu helfen, wurden in einigen Ländern begonnen in verschiedenen Lebensbereichen Gesetze und Regelungen zu deren Schutz und Hilfe zu schaffen.

Sachliche Aufklärung führt zu Anerkennung

In mehreren Etappen stellen wir eine kleine Auswahl von dokumentierten Fällen dar, um zu zeigen, dass Chemikalien-Sensitivität (MCS) sehr wohl auch von behördlicher Seite anerkannt wird, und nicht nur dort, auch in der Gesellschaft werden, langsam zwar, aber dennoch mehr und mehr Barrieren abgebaut.

Es ist jedoch zu erwarten, dass noch Einiges an Zeit verstreichen wird, bis wir in Deutschland soweit sind, dass auf Chemikaliensensible genauso viel Rücksicht genommen wird, wie bereits jetzt schon auf andere Behinderte. Ansätze und einige erste Grundlagen sind bereits vorhanden. Es liegt mit an den durch Chemikalien Erkrankten selbst, weitere Aufklärung über toxische Schädigungen und die damit sehr häufig verbundene Chemikalien-Sensitivität zu betreiben.

Eine Trendwende zugunsten von mehr Lebensqualität und Überlebensgrundlagen für Chemikaliensensible wird nicht zum Nachteil der Allgemeinheit führen, ganz im Gegenteil, sie wird dazu beitragen, dass in vielen Bereichen Menschen gesünder und damit produktiver sein können.

Behörden schaffen Grundlagen
Im Jahr 1945 wurde erstmals in einer medizinischen Fachzeitschrift über Chemikalien-Sensitivität berichtet. Es sollte jedoch viele Jahrzehnte dauern, bis diese Erkrankung, die viele Menschen betrifft und in schweren Fällen jegliche Existenzgrundlage raubt, von der WHO in die Klassifizierung von Krankheiten einfloss.

Nach der „International Classification of Diseases“ der WHO, 10 Auflage (1990), ICD-10, im Gebrauch seit 1994, hat MCS die Klassifikation T78.4 und ist dem Bereich „Vergiftungen, Verletzungen andere äußere Ursachen“ zugeführt. T78.4 steht für „Allergien, Überempfindlichkeiten.“ (1,2)

In Australien ist MCS, vom National Centre for Classification in Health, ebenfalls mit einem WHO ICD -10 – AM Code beziffert. Dort floss die Einklassifizierung unter neu definierte Erkrankungen ein (3).

Chemikalien-Sensitivität ist eine Behinderung
Als Behinderung kann Chemikalien-Sensitivität in den USA in Einzelfallentscheidung seit 1992 geltend gemacht werden. (4) Der erste bekannt gewordene Fall, dass MCS zu einer Anerkennung als Behinderung führte, wurde jedoch schon 1979 von einem Gericht auf Hawaii beschieden.

Den Erkrankten wird von US Behördenseite in erster Linie dadurch geholfen, dass zunehmend Wohnraum, öffentliche Gebäude und Arbeitsplätze für deren besondere Bedürfnisse angepasst werden. Die amerikanische Behörde „US Access Board“ setzt sich intensiv mit Modalitäten auseinander, die es Behinderten ermöglichen sollen, öffentliche Gebäude zu betreten und an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen zu können. Mit diesem Abbau „unsichtbarer Barrieren“ sollen Chemikalien- und Elektrosensible die Möglichkeit erhalten, am Leben teilzunehmen. So gibt es in der Stadt San Franzisko bspw. keine öffentliche Versammlung, in der Duftstoffe oder Zigarettenrauchen erlaubt wäre. Auf chemische Reinigungsmittel wird vor einer Veranstaltung ebenso verzichtet, wie auf das Versprühen von Pestiziden in einem bestimmten Zeitrahmen davor. (5)

Ein weiteres Beispiel, wie in der Praxis mit wenig Mühe Hilfe für Chemikaliensensible betrieben wird:

Im Staat Washington kann eine Person, die unter MCS leidet und als schwer behindert anerkannt ist, beim Ministerium ein spezielles Nummernschild beantragen. Das Ministerium sendet dann einen Fragebogen an den behandelnden Arzt. Wenn der Arzt bestätigt, dass der Patient unter schwerer MCS leidet, bekommt er ein spezielles Nummernschild für Schwerbehinderte. Mit diesem Nummernschild wird das Auto des MCS Kranken an Tankstellen von einem Angestellten betankt. Diese Maßnahme sorgt dafür, dass Chemikaliensensible keine Benzindünste beim Tanken einatmen müssen und im Wagen sitzen bleiben können.

MCS in Deutschland als Behinderung anerkannt
In Deutschland erfolgte eine Aufnahme in das Register für Behinderungen erst auf Druck von Seiten der Erkrankten, deren Ärzten, Politikern und Rechtsanwälten. Doch dann verschloss sich sogar die deutsche Arbeitsmedizin nicht mehr den Empfehlungen, grenzte lediglich zum Selbstschutz ein. (6,7,8,9)

Bundestagsdrucksache, 1996

„Die Bundesregierung erklärte gegenüber dem Deutschen Bundestag, dass sie keinerlei Bedenken gegen die Anerkennung des MCS Syndroms als Schwerbehinderung nach dem geltenden Schwerbehindertenrecht hat.“ (7)

Ärztlicher Sachverständigen Rat, 1998

„Gemäß Beschluss sind so genannte Umweltkrankheiten, wie das „MCS- Syndrom“,  die mit vegetativen Symptomen, gestörter Schmerzverarbeitung, Leistungseinbussen und Körperfunktionsstörungen, etc. einhergehen, grundsätzlich als Behinderung nach dem Schwerbehindertenrecht SGB IX anerkannt. Es wird darauf hingewiesen, dass psychische oder psychiatrische Krankheiten nicht mit dieser Einstufung verbunden sind. „(8)

Deutsche Arbeitsmedizin, 2002

„Gesetzliche Voraussetzungen für die Anerkennung als Berufskrankheit liegen nicht vor, dessen ungeachtet kann das Vorliegen einer MCS- Symptomatik in den übrigen Sozial-versicherungsbereichen berücksichtigt werden“. (6)

Behinderung anerkannt, Diskriminierung abgestellt
In Deutschland wurde MCS als Behinderung 2004 eingegliedert, aber sehr zum Leidwesen der Erkrankten und deren Ärzte hatte man Chemikalien-Sensitivität (MCS) und Chronische Erschöpfung (CFS) in den Leitlinien unter Ziffer 26.3 „Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, psychische Traumen“ gelistet. Die Erkrankten und ihre Ärzte empfanden diese Einstufung zu Recht als Diskriminierung, was zu einer Neueingliederung im Jahr 2005 führte. Seitdem werden MCS und CFS unter Ziffer 26.18 „Haltungs- und Bewegungsapparat, rheumatische Erkrankungen“ geführt. Nun kann beim Vorliegen einer besonders schweren MCS ein GdB von mehr als 50 anerkannt werden. (9)

Kanada allen voraus
In Kanada geht man noch einen Schritt weiter. Mitte des Jahres 2007 hat die kanadische Menschenrechts-kommission sehr deutlich bekundet, dass sie für Menschen mit Chemikalien-Sensitivität ganz besonders eintritt.

Aus einem über 100-seitigen Bericht der kanadischen Menschenrechtskommission geht hervor: (3)

Personen mit Umweltsensibilitäten verspüren eine Reihe von negativen Reaktionen gegenüber Umweltagenzien bei Konzentrationen, die weit unter dem liegen, was „Normalpersonen“ beeinträchtigt. Dieser medizinische Zustand ist eine Behinderung, und diejenigen, die mit Umweltsensibilitäten leben müssen, stehen unter dem Schutz des Canadian Human Rights Act (Gesetzgebung der kanadischen Menschenrechtskommission), welche die Diskriminierung einer Behinderung verbietet. Die kanadische Menschenrechtskommission wird jede Anfrage und jeden Beschwerdevorgang von Personen verfolgen, die glauben, dass er oder sie aufgrund einer Umweltsensibilität diskriminiert wurden. Wie Andere mit einer Behinderung, wird vom Gesetz her verlangt, denjenigen mit Umweltsensibilitäten entgegenzukommen.

Der CHRC Act (Gesetzgebung der kanadischen Menschen-rechtskommission), spornt Arbeitgeber und Dienstleister an, Eigeninitiative zu zeigen in diesen Belangen und hinsichtlich der Sicherstellung, dass ihre Arbeitsplätze und Einrichtungen für Personen mit einer großen Bandbreite von Behinderungen zugänglich sind. Erfolgreiche Anpassungen für Personen mit Umweltsensibilitäten erfordern innovative Strategien, um Expositionen gegenüber Auslösern aus der Umwelt zu reduzieren oder zu eliminieren.

Diese schließen ein:

  • Entwicklung von Richtlinien für die Durchsetzung von Duftstoffverboten und Vermeidung von Chemikalien
  • Vereinbarung von Ausbildungsprogrammen zur Erreichung freiwilliger Einhaltung solcher Richtlinien
  • Minimierung von Chemikalieneinsatz und Kaufen von schadstoffarmen Produkten
  • Benachrichtigung von Mitarbeitern und Kunden im Vorfeld von Bau- oder Umbauarbeiten und Reinigungsaktivitäten

CHRC bekräftigt diese Vorhaben mit der Aussage:

Solche Maßnahmen können Verletzungen und Krankheiten verhindern, Kosten, Gesundheits- und Sicherheitsrisiken reduzieren.

Autor:
Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, Mai 2008

Literatur:

  1. DIMI- Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation, Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, ICD-10-GM, Alphabetisches Verzeichnis, Seite 143, Version 2008
  2. Dr. Ursula Kueppers, DIMDI, e-Mail an CSN
  3. Margaret E. Sears, Canadian Human Rights Commission, Policy on Environmental Sensitivities, Mai 2007
  4. HUD, Carole W. Wilson, Associate General Counsel for Equal Opportunity and Administrative Law, Memorandum Multiple Chemical Sensitivity Disorder and Environmental Illness as Handicaps, March 5, 1992
  5. US Access Board, Access Board Policy, Juli 2000
  6. Prof. Dr. med. Renate Wrbitzky / Abt. Arbeitsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover; Prof. Dr. med. Thomas Kraus, Institut für Arbeitsmedizin der RWTH Aachen; Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Andreas Zober, Abt. Arbeitsmedizin und Gesundheitsschutz der BASF Ludwigshafen, Deutsches Ärzteblatt, Heft 38, Seite A 2474, Jahrgang 2002.
  7. Bundestagsdrucksache 13/6324 Ziffer 15 aus dem Jahr 1996
  8. Ärztlicher Sachverständigen Rat, Sektion Versorgungsmedizin, Bundesministerium für Arbeit, TOP 1.9, Nov. 1998
  9. BMGS Berlin, MCS Ziffer 26.18, Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit, Anhaltspunkte 2005

Die 10 größten Lügen über Chemikalien-Sensitivität (MCS)

Alle 10 größten Lügen über Chemikalien-Sensitivität sind längst widerlegt.

Mehr dazu in den nächsten CSN Blogs.