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MCS-Patientin berichtet über ihre Reise in die Umweltklinik EHC-Dallas

Manuela im EHC bei der Sauerstofftherapie

 

Die Behandlung von Chemikalien-Sensivität (MCS) steckt in Deutschland noch immer in den Kinderschuhen. Keine Umweltklinik in unserem Land ist in der Lage, Patienten, die sich im Hypersensitivitätszustand befinden, auch nur aufzunehmen. Eine Umweltklinik mit angemessener Ausstattung, konsequentem Duftstoff- und Rauchverbot existiert nicht. 

Als Option begeben sich einige MCS-Patienten in die US Umweltklinik von Prof. Dr. William J. Rea, das EHC-Dallas. Manuela ist eine dieser Patientinnen, die eine Behandlung dort durchliefen. Sie berichtete uns vor einigen Wochen über ihren Behandlungsaufenthalt. Er hat ihr gut getan, nur hat sie den dringend Zuhause benötigten Sauerstoff leider noch nicht genehmigt bekommen. 

Nachfolgend berichtet Manuela über den Flug, ihre Erfahrungen mit amerikanischen Patienten und die Kosten, die auf einen zukommen, wenn man einen Behandlungsaufenthalt in der amerikanischen Umweltklinik anstrebt. Anzumerken ist, dass Patienten in einem fragilen Zustand nur mit Begleitung, mit Sauerstoffversorgung und Rollstuhlservice fliegen können. 

Wer Teil I von Manuela’s Bericht verpasst hat:

Erfahrungen einer MCS-Patientin in der Umweltklinik EHC-Dallas   

Erfahrungen bei Flug und Aufenthalt

Wer nicht fast am Ende seiner Kräfte ist, kann den Flug auch allein bewältigen. Die Fluglinie sollte vorher befragt werden, ob sie Pestizide in den Passagierraum sprüht. Ich bin mit American Airlines geflogen und hatte damit keine Probleme. 

Nach Möglichkeit organisiere man sich einen Platz hinter einer Trennwand. Dadurch wird vermieden, dass jemand vor einen mit einer „Parfümwolke“ sitzt. Auch wer allein fliegt, sollte eine Begleitperson bis zum unmittelbaren Abflug bei sich haben, denn das Bewegen des Gepäcks und das Finden des konkreten Terminals kann sehr anstrengend und belastend sein, wenn man sich nicht auf dem Flughafen auskennt. Die kühlen Temperaturen in den Flugzeugen sollten nicht unterschätzt werden. Eine warme Jacke sollte immer in greifbarer Nähe sein, auch wenn es draußen heiß ist. Das trifft auch später für den Aufenthalt im Hotel und der Klinik zu. Bei der Rückkehr aus dem je nach Jahreszeit sehr heißen Texas sollte unbedingt bedacht werden, dass es in Deutschland empfindlich kühl oder sogar kalt sein kann. Ebenfalls sollte die Atemschutzmaske immer sofort parat sein.

 Wer weiter vom Flughafen entfernt wohnt und ein Reisebüro für seinen Flug bemüht, dem kann es passieren, dass die Fluglinie die Zugfahrt zum und wieder vom Flughafen nach Hause nach dem Rückflug finanziert. Dafür erhält man einen Schein, auf dem eine Reservierungsnummer für das Zugticket abgedruckt ist. Diese Nummer muss am Fahrkartenautomaten (die mit dem Display, wo mit einer EC-Karte bezahlt werden kann) eingetippt werden. Danach wird das Zugticket kostenfrei ausgedruckt. Wir kannten uns damit nicht aus und bemerkten diesen Sachverhalt erst 15 Minuten vor der Zugabfahrt… 

Der Flug selbst war zwar sehr lang und da ich während des Fluges nicht schlafen konnte, war mir auch langweilig, aber ich hatte ihn besser überstanden, wie ich gedacht hatte. 

Fleißige Helfer zuhause

So angenehm es auch sein mag, dass der Ehepartner beim Flug und während des Behandlungszeitraumes in Dallas ist, was sicher vieles erleichtert, so war ich doch froh, dass mein Mann zu Hause geblieben war. Vieles bekommt man erst im EHC zu erfahren und ich konnte meinen Mann viele „Aufträge“ telefonisch mitteilen, was in der Zwischenzeit zu Hause alles erledigen werden sollte und musste. Das beginnt bei der Organisierung von genau den Biolebensmitteln, die man nach der Rückkehr als erstes essen darf (in Großstädten mag das kein Problem sein, in Klein- und Mittelstädten schon), das geht weiter mit vielen Dingen, die die Wohnung in einem cleanen Zustand versetzen soll und die man für die Weiterbehandlung zu Hause braucht (wer schon lange Zeit an MCS leidet und erst später fliegt, für den wird das kein Thema mehr sein) und hört bei bestimmten Vorarbeiten auf, damit möglichst schnell bestimmte Ärzte, Behörden usw. aufgesucht werden können, zwecks weiterer Krankschreibung, Anträge bei Arbeitsämtern, der ARGE usw.  

Mein Mann hatte z.B. während der Zeit meines Aufenthaltes fast die gesamte Wäsche mit viel Natron, duftfreien Waschmitteln und Essig als Spülmittel gewaschen, um die Wäsche duftfrei zu bekommen, er wischte die Schränke mit Natronlauge und Essigwasser aus, um die Schränke selbst von den sehr hartnäckigen Duftstoffen zu befreien. Er baute eine Heimsauna, versiegelte ausdünstende Holz und Spanplattenmöbel, machte bestimmte Wandabschnitte schimmelfest, kaufte und installierte Auftischwasser- und Duschfilter, organisierte die erwähnte Biokost und vieles andere mehr. 

Wer verständnisvolle Eltern, Schwiegereltern, erwachsene Kinder usw. hat, für den mag das alles kein Problem sein und er kann seinen Partner getrost mitnehmen. Es ist aber auch eine Kostenfrage bezüglich des Fluges, der Unterbringung und der Verpflegung. Da die Biokost nicht billig ist, kann das für vier Wochen schon ins Gewicht fallen. Ich konnte einiges an Geld sparen, indem ich ab der zweiten Woche mir ein Zimmer mit einer anderen Patientin teilte. Das eingesparte Geld konnte ich dringend für die Behandlung gebrauchen. 

ALGII-Bezieher wissen, dass sie nur 3 Wochen Urlaubsanspruch haben, sich aber dennoch für den gesamten Zeitraum von meist mindestens vier Wochen abmelden und nach der Rückkehr wieder anmelden müssen.  

Erfahrungen mit amerikanischen Mitpatienten 

Grundsätzlich muss ich sagen – auch wenn wir Deutsche das nicht gern hören: Die Amerikaner sind erheblich herzlicher, freundlicher und hilfsbereiter wie wir Deutsche. Wenn ich einmal nicht wusste, wie ich von der Klinik zurück zum Hotel kommen sollte, wurde ich ohne viel Aufsehens mit in das Hotel genommen. Ebenso, wenn ich mal in die Stadt zum Einkaufen wollte. Als ich nicht wusste, wie ich die restlichen Medikamente, die bis zum Abflug nicht fertig werden würden, nach Deutschland bringen sollte, bot sich sofort ein Amerikaner an, diese nach Wien zu schicken, wo er Freunde hatte. Von dort hätte ich sie mir abholen können. Eine schwer elektrosensible und MCS-kranke Frau fragte, sobald sie mich sah, wie es mit ginge und bot ihre Hilfe an, um mit Dr. Rea bezüglich eines wichtigen Attestes für mich zu reden. 

Eine schwer krebskranke Amerikanerin schenkte mir, einfach so, einen Luftionisator, den man um den Hals hängen kann, für 190 Dollar und bot mir an, für mich Lebensmittel zu kaufen, nachdem ich im Scherz sagte, ich habe bald kein Geld mehr, um mir Lebensmittel zu kaufen, weil die Behandlung so teuer ist. 

Die Amerikaner halten uns Deutsche für streng, mit relativ wenig Humor. Unsere Regeln erlauben kaum Toleranz. Wenn sie einem helfen wollen, fragen sie nicht – wie bei anderen Aufgaben – warum dies nicht möglich sein könnte, sondern wie es trotz Probleme geschafft werden könnte. Insgesamt gesehen nehmen die Amerikaner alles lockerer wie wir Deutsche. Besonders Kinder, die in den USA aufgewachsen sind, aber deutsche Eltern haben, finden diese Strenge der Deutschen anstrengend. 

Kosten, die man einplanen muss

Wer eine Behandlung im EHC-Dallas plant und anschließend die Behandlung zu Hause weiterführt und teilweise auch Veränderungen an seiner Wohnung vornehmen muss, sollte für folgende Kosten eine Planung vornehmen: 

Flug und was man sonst so alles braucht:

  • Flug, Taxikosten in Dallas und in Deutschland
  • Flugtaugliche Koffer und andere Reiseutensilien
  • Reisehaarföns und Steckdosenadapters
  • Kühltaschen und Kühlpacks für den langen Transport von Medikamenten 

Notwendiges vor Ort

  • Duftfreie Wasch- und Spülmittel, Waschlotionen u.a. Körperpflegemittel (geht auch im EHC)
  • Bio-Lebensmittel, man muss sich selbst verpflegen
  • Leihwagen oder Taxikosten, falls kein Shuttleservice genutzt wird
  • Unterbringung in einem speziellen cleanen Klinik-Hotel (in Dallas)
  • Waschen von Wäsche im Hotel 

Kosten für Behandlung und Hilfsmittel während der Behandlung im EHC

  • Ärztliche Sprechstunden
  • Beratungskosten für den Ernährungsberater
  • Laborkosten für Immunstatus, Schwermetall- und Chemikalienbelastung
  • Sauerstofftherapie
  • Therapeutischer Besuch der Sauna für die Entgiftung, Massage
  • Keramikmaske mit einem Gaspuffersystem für die Sauerstofftherapie
  • Atemschutzmaske gegen Chemikalien, Duftstoffe und Feinstaub
  • Nährstoffe
  • Allergietests
  • Herstellung von Vaccinen 
  • Herstellung und Austestung des individuellen Immunregulationsmittels ALF. Herstellung und Austestung der individuellen Antigene zur Desensibilisierung. Desinfektionstücher, Einwegspritzen, etc. 
  • Erstellung des ärztlichen Abschlußberichtes (erfolgt erst 4-5 Wochen nach der Behandlung im EHC-D)  

Mögliche Kosten Zuhause

  • Wasserfilter für die Wohnung
  • Duschfilter zur Beseitigung des Chlors und für einen auch für Warmwasser geeigneten Carbon-Duschfilters
  • Versieglungsmaterial, um die Ausdünstungen von Holz- und Spannplattenmöbel zu unterbinden
  • Ev. Materialien zur Sanierung der Wohnung, z.B. Luftentfeuchter
  • Natron für therapeutische Entgiftungsbäder und zur Beseitigung von Duftstoffen und Chemikalien aus der Wäsche
  • Kosten für das mehrmalige Waschen der gesamten Haushaltswäsche, um sie von Duftstoffen und Chemikalien clean zu bekommen (falls nicht schon geschehen)
  • Bau oder Kauf einer Heimsauna, für die weiterführende tägliche therapeutische Saunasitzung zur Entgiftung
  • Energiekosten für die tägliche Saunasitzung
  • verträgliche Bionahrungsmitteln für die tägliche Ernährung
  • Spezielle Leuchtmittel, weil der Elektrosmog der Energiesparlampen oft nicht vertragen wird und das Risiko einer Quecksilberbelastung zu hoch ist
  • Luftreiniger
  • Weiterführende Sauerstoffbehandlung in Deutschland, falls die Krankenkassen das nicht übernehmen (dürfte meistens der Fall sein)

 

Autor: Manuela für CSN – Chemical Sensitivity Network, 25. Nov. 2009 

Teil I von Manuelas Bericht:

Erfahrungen einer MCS-Patientin in der Umweltklinik EHC-Dallas

Weitere Informationen über die Behandlung im EHC Dallas:

Die nuklearmedizinischen Verfahren PET und SPECT weisen bei MCS-Patienten Veränderungen im Gehirn nach

SPECT und PET -Scan häufig auffällig bei MCS Patienten

 

Eine Reihe wissenschaftlicher Studien belegen, dass bei einem Teil der Patienten mit MCS – Multiple Chemical Sensitivity Veränderungen im Gehirn vorliegen. Der Nachweis wurde mittels der bildgebenden radiologischen Untersuchungen PET oder SPECT erbracht. Bei einigen der Studien setzte man die Patienten Chemikalien aus, um die nach der Exposition folgende Veränderung zu dokumentieren. Die jüngste Studie, die belegte, dass MCS Patienten Auffälligkeiten im Gehirn aufweisen, ist gerade einen Monat alt und wurde von der Universität Barcelona durchgeführt. 

Thommy’s MCS – Blogfrage der Woche

  • Habt Ihr ein PET oder SPECT Scan durchführen lassen?
  • Hat man Veränderungen bei Eurem Gehirn festgestellt?
  • Wie schwerwiegend sind die Schädigungen, die bei Euch festgestellt wurden?
  • Korrelieren die Schädigungen mit den Funktionseinschränkungen in Eurem Alltag?
  •  Habt Ihr einen Provokationstest durchlaufen? Wie war das? Mit welcher Chemikalie wurdet Ihr exponiert?
  • Zeigten die radiologischen Aufnahmen einen Unterschied vor und nach der Exposition?

AGÖF startet neues Forschungsvorhaben zur Innenraumluftqualität

Labor - Team forscht nach Schadstoffen in Innenräumen

 

Datenerhebung zur Raumluftqualität von Wohn- und Bürogebäuden als Bewertungsgrundlage von Zielkonflikten energieeffizienter Bauweise

Die Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute ist seit 01.10.2009 vom Umweltbundesamt beauftragt, ein vom BMU gefördertes, dreijähriges FuE-Vorhaben mit dem Thema „Zielkonflikt energieeffiziente Bauweise und gute Raumluftqualität – Datenerhebung für flüchtige organische Verbindungen in der Innenraumluft von Wohn- und Bürogebäuden (Lösungswege)“ durchzuführen. Im Rahmen des Projektes werden umfangreich Daten zu flüchtigen organischen Verbindungen in der Innenraumluft von Wohn- und Bürogebäuden erhoben, in einer Datenbank zentral erfasst und ausgewertet. 

Ziel ist es, mögliche Konflikte zwischen einer zunehmend dichteren Gebäudehülle und der Raumluftqualität empirisch besser beschreiben und bewerten zu können. Anhand fundierter Daten werden Lösungswege für die raumlufthygienische Optimierung energieeffizienter Gebäude entwickelt, die bei weiteren Energiesparmaßnahmen gezielte Hinweise für Politik und Verwaltung liefern können. 

Schwerpunkt des Vorhabens ist die Erfassung und Auswertung vorhandener Daten zur Qualität der Innenraumluft. Die AGÖF-Institute führen jährlich bundesweit mehrere tausend Raumluftuntersuchungen durch. Damit steht dem Vorhaben für die Jahre 2007 bis 2012 ein großer Pool an Daten zur Auswertung zur Verfügung. Sie werden durch Daten aus den Jahren 2002 und 2006 ergänzt, die im FuE-Vorhaben „Erstellung einer Datenbank zum Vorkommen von flüchtigen organischen Verbindungen in der Raumluft“ schon erfasst wurden. 

Ergänzend zu vorhandenen, auftragsbezogen erhobenen Daten werden im Rahmen des Projektes in 50 Gebäuden, die entsprechend der Energieeinsparverordnung 2002 bzw. später errichtet oder saniert wurden, gezielt Messungen durchgeführt. Geplant sind Messungen in Wohn- und Schulgebäuden jeweils in unterschiedlichen Klimasituationen (Winter/Sommer). Ein hoher Anteil von Gebäuden mit Lüftungsanlagen wird angestrebt, um den Einfluss unterschiedlicher Lüftungsarten zu erfassen. 

Die Mitglieder der AGÖF haben schon früh auf mögliche Auswirkungen der Energieeinsparbemühungen im Bauwesen auf die Raumlufthygiene hingewiesen und Lösungskonzepte dazu erarbeitet. Die AGÖF begrüßt deshalb ausdrücklich die Chance, das Konfliktpotential mit aussagekräftigen Zahlen belegen zu können. Darüber hinaus ermöglicht die umfangreiche Datenerhebung Hinweise auf zeitliche Trends bei Schadstoffen in Innenräumen und eine Aktualisierung der AGÖF Orientierungswerte. 

Projektleitung: Dr. Heidrun Hofmann und Dr. Peter Plieninger

Weitere Informationen über die Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute e.V. (AGÖF):   AGÖF

Was hilft, wenn der Körper keine Nahrung mehr toleriert?

Allergien gegen Nahrungsmittel Bei Chemikaliensensiblen treten neben den bekannten Reaktionen auf Alltagschemikalien häufig auch schwerwiegende Allergien und Sensitivitäten gegenüber Nahrungsmitteln oder deren Bestandteile (Zitronensäure, Phenole, Histamin, etc.) auf. Wird darauf kein Augenmerk gerichtet, wird die Anzahl der Nahrungsmittel, die noch vertragen werden, immer kleiner. MCS Patienten, die nur noch weniger als fünf Nahrungsmittel essen können, sind durchaus keine absolute Seltenheit. 

Symptome, die durch Nahrungsmittel-sensitivitäten ausgelöst werden, können leicht bis sehr schwer sein. Eine Ernährung ausschließlich mit biologischer Nahrung ohne Zusatzstoffe ist in solchen Fällen zwingend. Eine Rotationsdiät kann zu wesentlicher Besserung und zu Toleranzgewinn beitragen. Doch was kann unternommen werden, wenn fast kein Nahrungsmittel mehr toleriert wird? Oder wenn eigentlich kein Nahrungsmittel mehr ohne Beschwerden gegessen werden kann? Der Gewichtsverlust immer bedenklicher wird? Ward Ihr einmal in dieser Situation? 

Anlass der heutigen Blogfrage: Mit Euren Antworten könnt Ihr möglicherweise den MCS-Kranken unter uns weiterhelfen, die sich im Augenblick in der oben beschriebenen schlimmen Situation befinden. 

Thommy’s Blogfrage der Woche: 

  • Welche Erfahrung habt Ihr mit schweren Nahrungsmittelsensitivitäten?
  • Wie habt Ihr Euch stabilisiert, was half Euch, damit Euer Körper wieder mehr Nahrungsmittel tolerierte?
  • Habt Ihr Erfahrung mit künstlicher Ernährung? Gibt es welche ohne Zusatzstoffe?
  • Habt Ihr Ärzte gefunden, die sich mit dieser extremen Problematik auskennen und weiterhelfen können?

Dr. Merz regt Hilfsfond für MCS-Kranke an

Hilfe für Umwelterkrankte ist dringend notwendig

 

Es ist der Ruf nach Soforthilfe für Menschen mit MCS – Multiple Chemical Sensitivity aufgekommen. Denn es hat wieder eine Tote gegeben. Diese schwer kranken Menschen hatten keinen anderen Ausweg als Suizid. So gesehen ist die Forderung notwendig. Aber sie genügt nicht. 

Für den Sozialstaat existiert Chemikalien-Sensitivität / MCS schlicht nicht. Es gibt nichts, was dem Problem gerecht würde – auf keiner Ebene. Dies zu ändern wird dauern, denn es existiert noch nicht einmal ein politischer Ansatz, geschweige eine politische Diskussion, die den Namen verdient. Der Rechtsstaat bietet Möglichkeiten, aber die werden nicht genutzt. Dies können die Umwelterkrankten selbst ändern. Um dies in Gang zu setzen, habe ich mich dazu entschlossen, bei CSN zu bloggen. 

In der Diskussion nach dem letzten Blog „Ist MCS lebensgefährlich?“ tauchte der Vorschlag auf, einen Fond zu bilden. Nun, ein solcher Fond benötigt eine Satzung, die die Verwendungszwecke definiert – also etwa Notaufnahme, Prozesshilfe, gezielte Aufklärung gegen die gezielte Psychopropaganda – und ein Gremium, das für die konkreten Entscheidungen verantwortlich zeichnet. In allen Fälle bedarf es zunächst eines Konzeptes: es ist z. B. nicht sicher, dass Wohncontainer billiger sind als Wohnungen, denn alle Container für MCS-Kranke brauchen Luftfilter, Wasserfilter, Versorgungsanschlüsse, emissionsfreie Heizung, Wärmedämmung etc., das ist letztlich High-tech. Prozesse ganz besonders Musterprozesse benötigen eine juristisches Konzept, wie der Stand der Wissenschaft wirksam gemacht werden kann; gegen die hocheffiziente Propaganda bedarf es Aufklärungskonzepte, die einen großen Wissenschaftshorizont genauso effektiv auf den Punkt bringt. Keiner wird größere Beträge überweisen, wenn nicht die Garantie gegeben werden kann, dass das Geld den Zielen gemäß verwendet wird, und zwar mit professioneller Effektivität. 

Ein erster Schritt könnte sein, ein Sperrkonto einzurichten, um den Fond überhaupt einrichten zu können in Verbindung mit einer Informationsoffensive. 

Jeder Schritt in die richtige Richtung wird in der Gesellschaft mittlere bis große Veränderungen nach sich ziehen, denn MCS ist keine seltene Krankheit. Das weiß jeder oder ahnt es zumindest, deshalb ist der Widerstand so groß. Die Alternative ist, dass es so weitergeht wie in den letzten 15 Jahren, nämlich gar nicht. So gesehen, kann man es doch mal anders probieren. 

Autor: Dr. Tino Merz, Sachverständiger Umweltfragen für CSN – Chemical Sensitivity Network, 16. November 2009

Vorhergehende Blogs zur Serie und zum Thema:

 

Weiterführende Informationen:

Interview mit Eva Caballé über MCS – Multiple Chemikalien-Sensitivität und über ihr neues Buch

EVA-CABALLEEva Caballé ist Autorin des kürzlich auf Spanisch erschienenen Buches „Desaparecida. Una vida rota por la sensibilidad química múltiple“ (Vermißt. Ein durch Multiple Chemikalien-Sensitivität zerstörtes Leben). Verlag El Viejo Topo, Barcelona, Spanien, 2009.
 
Interview Salvador López Arnal mit Eva Caballé, November 2009
 
„Ja, in dem Schweigen ist etwas versteckt. Es sind die Interessen der chemischen und pharmazeutischen Industrie. Die Leute sollen nicht erfahren, dass ihre Produkte solche neuen und schrecklichen Krankheiten wie Multiple Chemikalien-Sensitivität hervorrufen. Es wurde nachgewiesen, dass MCS keine psychische Erkrankung ist und dass die alten Studien mit solchen Ergebnissen zurechtgebogen wurden, um die Interessen der chemischen und pharmazeutischen Industrie zu schützen.“     Eva Caballé
 
Eva Caballé ist eine 37 jährige Ökonomin, die an MCS erkrankt ist und in Barcelona lebt. Sie war Bankangestellte und Mitglied der Rockband Lefthanded und nun ist sie Autorin des kürzlich bei Libros de El Viejo Topo erschienenen Buches „Desaparecida. Una vida rota por la sensibilidad química múltiple“. 
 
In der Einführung schreibt Clara Valverde: „Eva ist jedoch kein Sonderling. Es ist bekannt, dass 0.75% der Bevölkerung an MCS erkrankt sind und dass bis zu 12% leicht oder moderate MCS haben. All jene Leute, denen Gerüche zusetzen, gehören zu diesen 12 Prozent. Doch die meisten Ärzte und der größte Teil der Gesellschaft wissen nichts davon und deshalb wurde Evas Erkrankung erst nach so vielen Jahren richtig diagnostiziert. Darum wird ihr lediglich durch ihre engste Familie geholfen. Darum gibt es deswegen weder Demonstrationen in den Straßen, noch ist ihr Fall auf den Titelseiten der Zeitungen zu finden.“
 
Eva Caballé schreibt auch den No Fun Blog. Sie sagt, No Fun ist ein Blog über Multiple Chemikalien-Sensitivität, Chronisches Müdigkeitssyndrom/ME und Fibromyalgie, der Rat und Informationen für Kranke bietet und für jeden, der ein gesünderes, von Chemikalien freies Leben führen möchte.
 
López-Arnal: Fangen wir mit der Definition an. Was ist MCS?*
 
Eva Caballé: MCS ist eine erworbene chronische Erkrankung, keine psychische. Sie manifestiert sich in multisystemischen Symptomen als Reaktion auf sehr geringe Expositionen chemischer Produkte. Das sind normale, aber unnötige Alltagschemikalien wie Parfüme, Lufterfrischer oder Weichspüler.
 
Die Symptome, die chronisch sind und in Krisen akut werden, umfassen Müdigkeit, Atemwegsbeschwerden, Verdauung, Herz, Haut und neurologische Probleme.
 
MCS ist eine Erkrankung mit drei Schweregraden, darum leiden nicht alle von uns Kranken unter dem gleichen Grad der Behinderung und Isolation.
 
Es ist eine Krankheit, die seit den 50’er Jahren bekannt war. Die Anerkennung durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) steht noch aus, obwohl es über 100 Forschungsberichte gibt, welche die organische Basis von MCS stützen, obwohl die Zahl der in jungen Jahren Betroffen schnell zunimmt und das Europäische Parlament MCS zu jener wachsenden Zahl von Krankheiten zählt, die auf Umweltfaktoren zurückzuführen sind.
 
LA: Sie sagen, dass MCS trotz der Zahl wissenschaftlicher Artikel, welche die organische Basis der Erkrankung stützen, nicht durch die WHO anerkannt ist. Warum denken Sie, ist die WHO so skeptisch und vorsichtig? 

EC: Wir wissen, dass die WHO das Thema MCS seit Jahren diskutiert. Doch der Prozess der Anerkennung dieser Krankheit dauert aufgrund des Druckes, den die chemische und pharmazeutische Industrie auf die WHO ausüben, länger als sonst. Sie sind nicht daran interessiert, dass ihre direkte Verantwortung für diese Krankheit bekannt wird. In Deutschland, wo, ohne hier näher darauf einzugehen, MCS als organische Krankheit anerkannt ist, geht die Kontrolle dieser Industrie über Werkzeuge wie Wikipedia weiter. Dies wurde durch das CSN in einem Artikel angeprangert, den ich übersetzt und in meinem Blog veröffentlicht habe.
 
Der deutsche Wikipedia-Artikel über MCS wird täglich editiert, manchmal alle paar Minuten, da die industriefreundlichen Wiki-Admins Informationen nicht zulassen. Sie bemühen sich darum, dass MCS nicht oder nur als eine psychosomatische Erkrankung bekannt wird.
 
LA: Sie sagen auch, dass die Zahl der Menschen mit MCS schnell wächst. Können sie das weiter ausführen?
 
EC: Ich beziehe mich auf Dr. J Fernández-Solà, Spezialist für Innere Medizin an der Hospital Clinic Barcelona. Der sagte in einem Interview, das mit ihm Anfang des Jahres für einen Artikel über MCS im spanischen Magazin Interviu gemacht wurde, dass die Gesamtzahl der Patienten, die wegen dieser Erkrankung medizinische Hilfe suchen, schnell wächst. In diesem Krankenhaus gibt es jedes Jahr zwischen 50 und 60 neue Patienten. Das bedeutet, einen neuen Patienten pro Woche.
 
LA: Aufgrund welcher Symptome können Menschen denken, diese Erkrankung zu haben?
 
EC: Das am meisten verbreitete Symptom ist, unerträglich Gerüche wahrzunehmen, die einem früher nie auffielen. Man hört auf, verschiedene chemische Stoffe zu tolerieren, wie Reinigungsmittel, Parfüme, Zigarettenrauch, Autoabgabe etc. Wenn man MCS hat und diesen chemischen Stoffen ausgesetzt ist, werden eine Reihe von Symptomen automatisch ausgelöst, z.B. Erstickungszustände, Irritationen des Atemapparates, Herzrasen, Kopfschmerzen, geistige Verwirrung, Schwindel, Übelkeit, Durchfall, extreme Müdigkeit und/oder Schmerzen. Diese Symptome bessern sich nicht, solange Sie jenen chemischen Stoffen nicht ausweichen, die sie hervorgerufen haben.
 
Normalerweise vertragen Sie auch keinen Alkohol, keine Molkereiprodukte und kein Gluten mehr. Sie entwickeln verschiedene Nahrungs- und Arzneiunverträglichkeiten.
 
Oft gibt es weitere umgebungsbezogene Unverträglichkeiten: gegenüber Hitze, Kälte, Lärm, Sonnenlicht bis hin zu elektromagnetischen Feldern (von Computern, Stromleitungen, Telefonen, Mobilfunkantennen und Mikrowellenherden usw).
 
LA: Welcher Unterschied besteht zwischen MCS und sagen wir mal Fibromyalgie?
 
EC: MCS, Chronic Fatigue Syndrome/Myalgic Encephalopathy (CFS/ME) und Fibromyalgie (FMS) sind Krankheiten derselben Familie. Tatsächlich sind viele von uns an allen dreien erkrankt und immer mehr Menschen, die entweder CFS/ME oder FMS haben, entwickeln mit den Jahren MCS.
 
Wir haben viele Symptome gemeinsam, aber der größte Unterschied ist, dass jene mit MCS nicht die geringste Exposition gegenüber chemischen Substanzen vertragen. Das ist der Grund, warum wir eine strenge Kontrolle unserer Umgebung aufrechterhalten müssen. Wir können ohne Atemmaske mit einem Kohlefilter, der Umweltgifte ausfiltert, nicht raus gehen.
 
LA: Welche medizinische Behandlung erhält eine Person mit MCS vom spanischen Gesundheitssystem? Denken Sie, diese ist angemessen? Ist sie fair?
 

EC: In Spanien ist MCS nicht als Krankheit anerkannt, deshalb kennen jene, die im Gesundheitssystem arbeiten, und die allgemeine Bevölkerung dieses schwere Krankheitsbild nicht.
 
Stattdessen haben es Länder wie Deutschland sowie vor kurzem Österreich und Japan  anerkannt. Andere sind auf dem Weg, es auch zu tun und bieten den Betroffenen medizinische Unterstützung an und entwickeln Vorschriften zur Vorbeugung.
 
In Spanien gibt es kaum Ärzte im öffentlichen Gesundheitssystem, die diese Krankheit diagnostizieren können. Es ist sehr schwierig, eine Diagnose, und noch schwieriger, eine Behandlung zu bekommen. Ich bin überzeugt, in unserem Land gibt es viele Menschen, die MCS haben und nicht diagnostiziert werden, viele, die aufgrund des fehlenden Wissens unserer Ärzte in die Fänge von Psychiatern gelangen. Auch gibt es keine Vorschriften oder Regeln für duftstofffreie Krankenhäuser und öffentliche Gebäude. Ins Krankenhaus zu müssen bedeutet für uns kränker werden.
 
Wir mit MCS haben in Spanien keine Gesundheitsversorgung, wir haben kein Recht auf finanzielle Unterstützung für die Kosten unserer Behinderung und wir haben keinen Anspruch auf eine Rente, wenn wir nicht arbeiten können. Ich sehe dies nicht nur als ungerecht an. Ich denke, wie wir behandelt werden, ist eine Verletzung unserer verfassungsmäßigen Rechte.
 
LA: Aber ist es nicht ein kleiner Widerspruch, die Tatsache, dass das Europäische Parlament MCS als Umwelterkrankung betrachtet und dass in Spanien die Regierung und die regionalen Verwaltungen dies anders sehen? 

EC: Natürlich ist es das. Es wird immer damit entschuldigt, dass die WHO diese Krankheit noch nicht anerkannt hat. Dies bedeutet nicht, dass sie nicht existiert. Die Entscheidungen auf Verwaltungsebene lassen uns Patienten nicht wie von Zauberhand verschwinden.
 
Sie benutzen dieses Argument, um die Krankheit unglaubwürdig zu machen, obwohl es in Wirklichkeit um Interessen geht. Sie werden Ihnen erzählen, dass es keine spezifischen Biomarker für MCS gibt, während dies bei anderen anerkannten Krankheiten genauso wenig der Fall ist.
 
LA: Wie hoch ist der aktuell vermutete Bevölkerungsanteil an von dieser Krankheit Betroffenen?
 
EC: Nach der Studie die von J. Fernández-Solà (Innere Medizin) und S. Nogué Xarau (Toxikologie) der Barcelona Hospital Clinic 2007 veröffentlicht wurde, haben 5% der Bevölkerung MCS. Sie führen aus, dass ca. 15% der Gesamtbevölkerung Mechanismen heftiger Reaktionen aufweisen, wenn sie mit chemischen oder mit Reizstoffen aus der Umwelt konfrontiert werden. Bei 5% sind diese Vorgänge eindeutig pathologisch und über dem Anpassungsvermögen des Organismus und führen deshalb zu Haut-, Atmungs- und neurospychologischen Auswirkungen, die oft chronisch und persistent sind.
 
Wenn also 5% der Bevölkerung von MCS betroffen sind, kann man dies nicht als eine „seltene Krankheit“ deklarieren, denn das sind solche Krankheiten, die weniger als 0.0005% der Menschen betreffen.
 
LA: Meinen Sie nur die spanische Bevölkerung oder denken sie im Europäischen oder globalen Maßstab?
 
EC: Ich spreche von der ganzen Welt. MCS wird als eine Krankheit der industrialisierten Welt betrachtet.
 
In Ländern, wie z.b. in Kanada, in denen es eine Statistik dieser Krankheit gibt, sehen wir, dass die Gesamtzahlen der Menschen, die MCS haben, nicht gering sind. Nach der Environmental Health Association von Quebec gibt es in Kanada 4 Millionen Menschen mit MCS.
 
 
 
Übersetzung: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network, 11. November 2009
 
* *
 
Fortsetzung folgt…

Ist MCS lebensgefährlich?

Kann MCS lebensgefährlich sein?

Direkt nicht.  Aber MCS – Multiple Chemical Sensitivity (ICD-10 T78.4)  ist eine allgemeine Schwächung des Organismus, birgt die Gefahr der Anaphylaxie und des Suizids.

Eine allgemeine Schwächung des Organismus dürfte zu einer niedrigeren Lebenserwartung führen. Die nächste Generation wird vielleicht eine allgemein gesunkene Lebenserwartung feststellen. In Sachen toxischer Risiken hinkt die Gesellschaft stets Jahrzehnte hinterher. Rekordverdächtig ist etwa das HCB-Verbot: zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis (Porphyrie, 1956) und Verbot (1978) lagen „nur“ 22 Jahre. Unbestritten ist, dass die Morbidität steigt. Die Rate der Frührentner steigt und das durchschnittliche Eintrittsalter dafür sinkt.

Tödliche Folgen von Reaktionen sind in Einzelfällen bekannt. Die statistische Relevanz ist unklar.

Der Zusammenhang zwischen Chemikalien und Suiziden ist seit der berühmten Boehringerstudie bekannt. Prof. Manz, ein Arbeitsmediziner, hatte bei den Beschäftigten mit Pestizidkontakt (2,4,5-T-Säure, als Vietnamgift „Agent Orange“ bekannt und enthielt Dioxin ) eine signifikant erhöhte Suizidrate nachgewiesen. Es wäre ja auch verwunderlich, wenn Nervenschäden zu keiner Schwächung der Psyche führen würden.

Zitat aus dem SPIEGEL von 1991 (32/1991):

„Die Firmenleitung und die Berufsgenossenschaft boykottierten anfangs die Untersuchung, so daß Manz über Friedhöfe, Sterberegister und 400 Interviews dem Tod auf die Spur kommen mußte. Erst kurz vor Abschluß seiner Untersuchung erhielt er von Boehringer eine Personalliste.

Die in der Bundesrepublik einzigartige Studie, die im Herbst vom Hamburger Senat veröffentlicht wird, zeigt, daß Arbeiter, die 20 Jahre bei Boehringer beschäftigt waren, doppelt so häufig an Krebs erkranken wie andere Deutsche. Besonders diejenigen, die in Harri Garbrechts T-Säure-Abteilung den hohen Dioxin-Mengen ausgesetzt waren, zeigen eine „deutliche Übersterblichkeit“ von 240 Prozent.

Die Selbstmordrate ist um 62 Prozent überhöht.“

Falsche wissenschaftliche Darstellung kann tödlich sein

Angesichts dieser Tatsache erscheint die Psychothese in einem anderen Licht. Sie ist nicht nur wissenschaftlich abwegig und bei genauer Betrachtung eine absichtliche Vertauschung von Ursache und Wirkung, sondern in zweifacher Weise für den Tod durch Suizid verantwortlich. Angelika S. hat sich erst das Leben genommen, als sie keinen Ort mehr gefunden hat, den sie vertragen hat. Diese Phantomdebatte über angeblich psychische Verursachung von MCS hat dazu geführt, dass in Deutschland, ja in Europa, keine Klinik existiert, die solche Patienten aufnehmen kann. Wenn man obendrein Schwerstkranke auch noch als „Psycho“ beschimpft, sie als unglaubwürdig hinstellt, ihnen also auch noch die menschliche Würde und vor allem ihre verfassungsmäßigen Rechte nimmt, so ist man obendrein auch direkt verantwortlich für solche lebensbeendenden Folgen. Ein Mensch, der sein Leben erst dann beendet, nachdem alle Bemühungen über Internet fehlgeschlagen sind, ist bestimmt eine starke Persönlichkeit. Eine psychische Schwäche ist hier nicht zu erkennen.

Rechtliche Würdigung

Man kann zunächst konstatieren, dass eine solche Art Medizin zu betreiben, den Patienten schädigt. Zum einen ist dies unterlassene Hilfeleistung, und zum anderen ist es psychische Verletzung. Der Hippokratische Eid verbietet das. Darüber hinaus ist es fahrlässig, die Möglichkeit einer organischen Schädigung außer acht zu lassen, wenn man dem Patienten sonst nicht helfen kann.  Das gilt ganz besonders dann, wenn auf Ebene höchster Autorität MCS als organische Schädigung anerkannt ist.

Wenn im Weiteren, nämlich in einer anhaltenden Diskussion über mehr als ein Jahrzehnt, sowohl die Gefahr der Anaphylaxie als auch die Gefahr des Suizids und obendrein andere schwere Organschädigungen in der Folge von MCS  (Rea, Chemical Sensitivity, Volume 3, ca. 900 Seiten) ignoriert werden, so nimmt man diese Schäden billigend in Kauf. Dies ist grob fahrlässig, wenn nicht sogar bedingt vorsätzlich.

Es ergibt sich also, dass solche Aktivitäten einen Bruch des Hippokratischen Eids darstellen, unterlassene Hilfeleistung und Körperverletzung. Da es sich um hartnäckiges Vertreten einer fragwürdigen Auffassung von Wissenschaft handelt, sind diese Aktivisten auch persönlich für die Folgen verantwortlich.

Da es Tote gegeben hat, ist es an der Zeit darüber nachzudenken, diese Tatbestände auch in einem rechtlichen Verfahren wirksam werden zu lassen. Die Erfahrung hat gelehrt, dass stetige moralische Empörung diesem Tun nicht einmal Grenzen setzen kann. So ist es sinnvoller, die Energie in rechtlich wirksame Aktivitäten fließen zu lassen. Die Hauptschwierigkeit wird nicht sein, den Nachweis zu führen, denn wir besitzen alles Schwarz auf Weiß. Die Hauptschwierigkeit wird sein, ein Gericht zu finden, das die Klage überhaupt annimmt.

Von dieser Stelle ergeht die Aufforderung, darüber eine Diskussion zu beginnen und zwar eine ernsthafte.

Autor: Dr. Tino Merz, Sachverständiger Umweltfragen für CSN – Chemical Sensitivity Network, 9. November 2009

Vorhergehende Blogs zur Serie und zum Thema:

Weiterführende Informationen:

Übergewicht – Warum wir fett werden – Fakten, Hintergründe, Prävention

Übergewicht hat Hintergründe - Chemikalien

 

MEINE MUTTER HAT MICH FETT GEMACHT

 

Wenn Joannie nicht etwa dreimal die Woche Big Macs gegessen hätte, wäre sie nicht fett geworden. Wenn sie, während sie noch im Bauch ihrer Mutter war, nicht den Chemikalien x, y und z ausgesetzt gewesen wäre, hätte Joannie nicht die Neigung gehabt fett zu werden. Und wenn Joannie’s Mutter etwas vernünftiger gegessen hätte, wäre beider Hüften schlanker. 

Fette Menschen sind meistens schon programmiert dafür, fett zu werden, bevor sie auch nur den ersten Schluck Milch getrunken haben. 

Die Nachricht des Tages ist, dass Pestizide zu den Chemikalien gehören, die für diese Programmierung verantwortlich sind. 

Zwei von drei erwachsenen Amerikanern sind jetzt als übergewichtig eingestuft. Typ II Diabetes hat über die letzten Jahrzehnte wie eine Maßeinheit zugenommen, Herzerkrankungen ebenfalls. Das ist kein Zufall. Diese Krankheiten teilen sich gemeinsame Charakteristika: Sie werden im Mutterleib durch Exposition gegenüber bestimmten Chemikalien ausgelöst, und das Ergebnis zeigt sich im Erwachsenenleben. Wissenschaftler nennen dieses Gebilde „den fetalen Ursprung von Erwachsenenkrankheiten.“ 

Die wahrscheinlichsten Missetäter sind Chemikalien, die jetzt zusammen in der Rubrik „endokrine Disruptoren“ gruppiert werden. (Anm.: Damit werden Stoffe bezeichnet, die wie Hormone wirken und so das empfindliche Gleichgewicht des Hormonsystems stören können). 

Es ist seit etwa zwei Jahrzehnten bekannt, wenn auch von den Herstellern bestritten, dass diese Chemikalien die normalen Signalübertragungswege für Hormone verändern. Man denke an Bisphenol A (BPA), zur Zeit der meist gefeierte endokrine Disruptor der Nation. 

Pestizide, wenn auch nicht speziell als endokrine Disruptoren gedacht, noch als solche geregelt, können ebenso die normale Entwicklung aus der Spur bringen. Die Wissenschaft hat gerade eben festgestellt, dass eine Gruppe von Pestiziden, die zudem weltweit am Häufigsten Verwendung findet, in Zusammenhang mit diesen drei Erwachsenenkrankheiten steht. Es ist die Gruppe der Organophosphate, zusammengebraut aus Mineralöl mit einer Beigabe von Phosphorsäure.  

Wenn Ratten diesen Pestiziden durch die Nahrung der Mutter in der Entwicklungsphase ausgesetzt sind, die equivalent dem zweiten Trimester eines menschlichen Babys im Mutterleib ist, verändert sich deren Metabolismus auf zwei Arten: Ihr Cholesterol und die Triglyzeride steigen an. Diese abnormen und bleibenden Veränderungen ähneln denen, die im späteren Leben Übergewicht, Diabetes und Herzkrankheiten vorausbestimmen und lenken (Speziell Arteriosklerose, ein Zustand, bei dem sich fettes Material entlang der Arterien ansammelt und die Arterienwände verhärten lässt). 

Diese Veränderungen des Metabolismus geschehen auf niedrigem Niveau, innerhalb der Werte, denen wir einheitlich ausgesetzt sind, Werte, von denen die Umweltschutzbehörde angibt, dass sie „sicher“ sind, was sie aber augenscheinlich nicht sind. Die Veränderungen sind am Stärksten, wenn die Rattenmütter mit einer fettreichen Diät gefüttert werden. Menschliche Babys, selbst wenn sie bei Geburt untergewichtig sind (und es gibt eine Flut von untergewichtigen Babys) werden schnell übergewichtig. 

Menschen sind diesen Pestiziden durch unsere Nahrung und unser Wasser ausgesetzt. Natürlich sind unsere Kinder ihnen, wenn sie geboren sind, weiterhin ausgesetzt, und in Wahrheit sind sie ihnen als Erwachsene noch stärker ausgesetzt, weil sie in Relation mit ihrem Körpergewicht mehr essen und trinken und eine vergleichbar größere Hautoberfläche haben.

Die weiteren Bevölkerungsgruppen, die am häufigsten Organophosphaten und anderen Pestiziden ausgesetzt sind, sind die gleichen Bevölkerungsgruppen mit den höchsten Übergewichtsanteilen – Menschen, die in heruntergekommenen innerstädtischen Gegenden wohnen, die Armen, und die Landarbeiter. Nochmals, das ist kein Zufall, aber ein Zusammenhang, ein Auslöser.

Dr. Ted Slotkin von der Duke University, der Forscher, der verantwortlich ist für diese Erkenntnisse, hat einen anderen zwingenden Anhaltspunkt gefunden: Exposition verursachte Schädigungen im Gehirn von Nagetieren, als auch in dessen Metabolismus. Wenn das exponierte Labortier dann geboren ist und angefangen hat, selbstständig zu fressen, reduzierte der Verzehr fettreicher Nahrung die widrigen Symptome bei deren Hirnfunktion. Wie Dr. Slotkin sinnierend sagte, „Wenn man neurofunktionale Defizite entwickelt hat, und diese durch pausenloses Essen von Big Macs ausgeglichen werden können, dann wird man natürlich (aber unbewusst) diese Art von Essen auswählen, weil man sich dadurch besser fühlt.“ Bedauerlicherweise, verstärkt jedoch vermehrtes Fett die Schädigung des Metabolismus bei Tieren oder bei Menschen.  

Was diese Erkenntnisse für Sie bedeuten:  

Speziell wenn man schwanger werden will, während der Schwangerschaft, während des Stillens und für Ihre Kinder, sollten Sie Pestizide vermeiden; Sie sollten biologisch essen.

Als Information über Hormonsystem beeinträchtigende Substanzen sollte man die Broschüren, die von einer gemeinnützigen Initiative herausgegeben wurde, lesen: BUND INFO-BROSCHÜREN

Autor: Alice Shabecoff für CSN – Chemical Sensitivity Network, 8. November 2009

Übersetzung: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network

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Alice Shabecoff war in ihrem Berufsleben als Journalistin für die New York Times, die Washington Post und die International Herald Tribune tätig. Sie schrieb zusammen mit ihrem Mann Philip Shabecoff das Buch Poisoned Profits.

CSN Artikel zum Buch von Philip und Alice Shabecoff: Vergiftete Profite

Franzi, umweltkrank – Gezielt mittellos gemacht und sich selbst überlassen

Umweltkranke erhalten eine Stimme

 

Franzi litt über Jahrzehnte an MCS (Multiple Chemikalien Sensitivität), ohne es zu wissen. Sie hatte schwere, teils lebensbedrohliche Beschwerden. Statt sie ernst zu nehmen, versuchten Ärzte, sie mit Mitteln zu behandeln, die sie nicht vertrug. „Ich habe seit drei Jahrzehnten schwere Allergien bis hin zum langanhaltenden anaphylaktischen Schock mit Koma auf Medikamente, bes. Schmerz- und Kreislaufmittel, sowie später Penicilline. Es kam immer mehr dazu. Ich bekam sie auch leider oft verschrieben und erlebte jedes Mal eine böse Überraschung, bevor ich das ganze Ausmaß kannte, während ich aber die meiste Zeit noch nicht auf Alltagschemikalien reagierte und auch noch nichts von MCS wusste.

Oft habe ich dabei aber an den Reaktionen der Ärzte erfahren müssen, dass sie offenbar meinten, ich würde die allergischen Reaktionen „willentlich“ hervorrufen. Sie waren sauer auf mich und beschimpften mich mitunter heftig. Deshalb vermied ich es meist, überhaupt noch zum Arzt zu gehen.“

 „Versteckte“ Informationen statt korrekte Diagnose

Irgendwann erfuhr Franzi dann doch von ihrer Krankheit. „Die erste „versteckte“ Information erhielt ich, als ich mich bereits acht Jahre mit schwersten Reaktionen herumplagte, von denen meine damalige „Noch-Allergologin“, wo in der Praxis Jahrzehnte zuvor eine damals auch MCS-Kranke mit denselben Worten abgewiesen wurde (was ich aus dem Wartezimmer mit Entsetzen beobachtete), auch nur meinte: „Sowas gibt’s gar nicht – also kannte sie das sehr wohl.“ 

Suche nach der Nadel im Heuhaufen

Weitere Hinweise bekam Franzi von einer Frau, die auf Pestizide in Wolle reagierte. Sie suchte selbst monatelang, und fand schließlich die  Adressen von Umweltmedizinern und eines deutschen Krankenhauses, das auch MCS-Fälle aufnimmt. Dorthin wollte sie sich einweisen lassen. „Zuvor wurde ich zum ambulanten Vorgespräch bestellt, wo ich auch hingefahren wurde von Freunden, die sich ganz auf meine Bedürfnisse eingestellt hatten. Aus dem Vorgespräch, das sich u. a. auf meine umweltrelevanten Eintragungen bezüglich meiner persönlichen Belastungen im umfangreichen Fragebogen stützte, ergaben sich für mich gravierende Mängel bei bestimmten Mineralstoffen, Vitaminen und Spurenelementen, die ich dann aufgeschrieben bekam und mir besorgen konnte – dachte ich wenigstens. Sehr schnell stieß ich auf Probleme dabei, weil meist Zusatzstoffe drin sind, und das sollte nicht sein.“ Fakt ist: Man kann solche Mittel ohne Zusatzstoffe (oft ist es nur Farbstoff und Aroma) herstellen. Aber da jede Firma ein anderes, für sich typisches Produkt auf den Markt werfen muss… 

„Zur stationären Aufnahme kam es aber nicht mehr. Ich bekam einen Einweisungsschein für das Fachkrankenhaus von meinem Lungenarzt, den ich zur Krankenkasse zur Genehmigung brachte. Sie genehmigten die Einweisung aber nicht, sondern übten in massivster Form Psychoterror auf mich aus durch psychologische Untersuchungen, die dann natürlich Falschdiagnosen zur Folge hatten.“

Krankheit eindeutig als körperlich nachweisbar belegt

Franzi nahm dann Kontakt zu verschiedenen Umweltmedizinern auf. Hier wurde ihre Krankheit eindeutig als körperlich nachweisbar belegt.  „Dort wurde mit mir ein LTT auf einige Chemikalien sowie ein Test auf Nahrungsmittel- und Konservierungsmittel-Unverträglichkeiten gemacht, wo dann auch prompt eine Unmenge von Unverträglichkeiten zutage traten. Als ich diese Dinge dann aus meiner Ernährung komplett strich, hatte ich auch das allererste Mal nach 50 Jahren Fehlernährung keinerlei ernährungsbedingte Symptome mehr.“ Krankenkassen ist das natürlich egal. 

Trotz umweltmedizinischer Behandlung verschlechterte sich Franzis Erkrankung. Sie begann, auf kleine Mengen Duftstoffe, auf die Druckerfarbe in Zeitungen usw. deutlich zu reagieren. Insgesamt ging es ihr dennoch besser, weil sie unverträgliche Substanzen so gut es ging mied. 

Erfahrungen im Krankenhaus 

Später hatte Franzi einen Unfall. „Ein freilaufender Hund schoss von mir aus gesehen hinter mir quer über den Radweg, wo ich gerade mit meinem Rad vom Einkaufen nach Hause fuhr, und rannte mich mitsamt Fahrrad um. Ich fiel aufs Pflaster und war sofort bewusstlos. Soviel zu den Möglichkeiten, was passieren kann.

Im Krankenhaus wollte das Notaufnahmepersonal meine Papiere haben. Ich gab sie ihnen. Das Papier, auf dem die im Notfall zu verständigenden Personen mit Adresse sowie Telefonnummer(n) verzeichnet sind, wollten sie ausdrücklich nicht haben, obwohl ich es ihnen hinhielt: „Das brauchen wir nicht.“ MCS-Kranke legen sich Papiere zurecht, wo drauf steht, was sie nicht vertragen, welche Mittel sie nicht bekommen dürfen usw. Es zeigt sich: Vollkommen nutzlos.

Im Krankenhaus ging es dann weiter. Franzi musste zweieinhalb Tage bleiben, und konnte während der ganzen Zeit ausschließlich im leeren Aufenthaltsraum sitzen, weil im restlichen Gebäude so viele Duftstoffe und Chemikalien waren, dass der Aufenthalt unmöglich wurde. Da Franzi einige Mittel sowie verträgliches Essen, das es im Krankenhaus nicht gab, braucht, wollte sie jemanden anrufen, der ihr ihre Sachen bringen könnte. Handy hatte sie nicht. Und dem Krankenhauspersonal passte es nicht, dass sie das Krankenhaus nicht vertrug.  „Deshalb waren sie ärgerlich über mich und ich musste jemand anrufen können, mir diese lebensnotwendigen Dinge von mir zu Hause zu holen und zu bringen. Ich bekam aber kein eigenes Telefon und durfte über das Diensttelefon nur ganz kurz anrufen. Das haben sie mir mit deutlichem Unwillen gewährt!“ 

 Wem wird wohl geglaubt?

„Die Untersuchungen im Krankenhaus waren sehr nachlässig durchgeführt worden und mit falschen Ergebnissen, wie sich später dann herausstellte. Außer diesen Lügen standen im Entlassungsbericht angebliche Aussagen von mir, die tatsächlich genau gegenteilig waren. Ärzte lügen und verkehren Patientenantworten ins Gegenteil, was sie dann schriftlich dokumentieren. Frage: Wem wird wohl geglaubt?“ 

„Solch eine Erfahrung mit dem Krankenhaus in Verbindung mit einem Unfall wird wohl leider eher die Regel sein. Nach der Ausnahme sucht so mancher sicher leider vergeblich.“

 Weniger als 100 Euro im Monat und keine medizinische Versorgung

Franzi hat also keinen Zugang zur medizinischen Versorgung. Die Krankenkasse zahlt keines der Mittel, die sie braucht. „Das allerschlimmste ist: Alles ist selber zu bezahlen, aus dem eigenen Portemonnaie, und das bei Hartz IV. Hätte ich jetzt auch Geld zum Leben, dann wäre alles gut. „Doch wie lässt sich in einem „Gesundheits“-System das Unrecht von Grund auf ändern, das schamlos geübt wird, um Betroffene in den allermeisten Fällen offiziell und privat zu diskriminieren, mittellos zu machen, sich selbst zu überlassen etc.? Meine Erfahrung (…) beinhaltete im tatsächlichen damaligen ausführlichen Ablauf bewusste Versuche gleichzeitig auf mehreren höheren Ebenen, das an mir begangene Unrecht so weit wie möglich zu vergrößern. “ Abzüglich des Geldes für ihre Mittel muss Franzi von weniger als 100 Euro im Monat leben. Obwohl sie viele Nahrungsmittelunverträglichkeiten hat, muss sie an der Tafel essen. 

 Minitropfen auf den heißen Stein

„Die BAgIS gewährt ja nur aufwendige Ernährungskosten-Zusatzpauschale wegen Diabetes, die ich auch vollumfänglich bekomme, aber das ist ein Minitropfen auf den heißen Stein. Diese MCS-relevanten Nahrungsergänzungsmittel sowie der Eigenanteil der zahnärztlichen besonderen Maßnahmen uvm. sind natürlich ungleich viel teurer, was mir ja niemand bezahlt. Nähme ich die Sachen nicht, wäre ich wohl im Handumdrehen bettlägerig. Und daran habe ich die nächsten Jahre zu knapsen….mal sehen, wieviel EUROs nächsten Monat übrig bleiben oder ob überhaupt“  Würde man Franzi den Ernährungszuschlag streichen, könnte sie gleich sterben. Das Geld, was sie bekommt, genügt jedenfalls schon nicht mehr zum Überleben. 

Autor: Amalie, CSN – Chemical Sensitivity Network, 5. November 2009

Weitere Artikel über die Situation Umwelterkrankter:

Die letzten Monate im Leben der chemikaliensensiblen Angelika S.

Trauer um einen lieben Menschen

 

Vor 6 Monaten ging es Angelika S. noch relativ gut. Sie lebte mit ihrer Familie in einer Stadt in einem Vorort. Sie liebte Tiere sehr und hatte eine kleine Tierpension. Auch kümmerte sie sich viel um andere Menschen. 

Ich lernte sie kennen durch meine Cousine, die sie öfters besuchte und mir dann vor etwa 4 Monaten erzählte, dass Angelika nun auch so merkwürdige Symptome hätte wie ich. Sie vertrug auf einmal den Weichspüler nicht mehr…die Duschgels ihrer Familie und das Deo und vieles mehr. Meine Cousine erzählte ihr von mir, und so kamen wir erst einmal per Brief in Kontakt. Sie wollte gerne Info-Material über MCS und ich schickte es ihr. Fast gleichzeitig hörte ich, dass sie die Möbel und die Fußböden in ihrem Haus nicht mehr tolerierte und nun in der Küche auf dem Fußboden auf einer Decke schlief. Alles ging rasend schnell. Fast jeden Tag rief meine Cousine an und meldete mir neue Unverträglichkeiten. 

Da es nun auch im August sehr heiß war, konnte sie nur noch im Hof schlafen auf einer Matte von verträglichem Material. Dann ging auch das nicht mehr… 

Beim Anruf bei einem Umweltarzt musste sie mehrere Wochen auf einen Termin warten (Urlaub etc.). Dann hatte ich auch telefonischen Kontakt mit ihr, jeweils nur 5-7 Minuten, weil sie nun auch gleichzeitig elektrosensibel wurde. 

Ich riet ihr dann, soviel wie möglich in ein naheliegendes Naturgebiet zu fahren, was sie dann jeden Morgen um 7-8 Uhr mit ihrem Ehemann machte. Dort ging es ihr etwas besser. Aber es raste weiter…Atemnot…Herzrasen…Schwäche in Armen und Beinen…Lungenprobleme… alles wurde immer mehr…  

Da sie nicht mehr telefonieren konnte, sprach ich nun öfters mit dem Ehemann. Er brachte sie dann im September auf einen verlassenen Zeltplatz seines Vereins und sie schliefen im Auto…in kleinen Autos…sie in ihrem und er in seinem, weil er von der Arbeit ja auch belastet war. Tagsüber musste er 25 km auf die Arbeit fahren und sie dort alleine lassen, abends kochte er ihr Essen und brachte es ihr…wieder 25 km… Die Nächte im Auto…schlimm für die Gelenke… 

Dann rief er wieder bei dem Umweltarzt an und es wurde ihm gesagt, ihr ein „cleanes“ Zimmer im Haus zu machen und sie nicht mehr rauszulassen…

Daraufhin riss er den Fußboden heraus und flieste ein Zimmer und strich die Wände mit Rügener Kreidefarbe. Angelika war immer noch auf dem Zeltplatz, tagsüber alleine und es wurde kalt… 2 Luftfilter von PN wurden besorgt, dazu Sauerstoff-Flaschen für die Heimfahrt und dann der Versuch sie wieder in das Zimmer zu bringen. 

Während der ganzen Zeit musste sich der Ehemann immer wieder freinehmen von der Arbeit, was auch immer schwieriger wurde. Die Sorge nun auch noch die Arbeit zu verlieren nahm zu… 

Meine Cousine konnte nun auch nicht mehr zu Besuch kommen, als sie wieder zurück war, ebenso keiner mehr aus der Familie. Als der Sohn kam, musste sie flüchten…keinen Kontakt mit dem geliebten Enkel. 

Ich selbst habe MCS nun schon über 10 Jahre und konnte da langsam hineinwachsen und weiß was Isolation bedeutet. Die Seele leidet…die Tränen kommen…manchmal Depressionen…..und wenn man kaum Hoffnung hat und gar nicht weiß, was eigentlich richtig mit einem geschieht…ist es alles noch viel schlimmer. 

Aber Angelika lernte schnell und versuchte nun alles zu meiden, ernährte sich biologisch, hatte alles umgestellt…aber es dauert ja auch, bis die Gerüche aus einem normalen Haushalt verschwunden sind… 

Ich unterstützte sie, wo ich konnte mit Beruhigung und Informationen… Dann kam der Termin bei dem Professor… Er sagte, sie habe das ganze Programm von MCS auf einmal und riet ihr an Therapie lediglich B12 Spritzen für 6 Wochen täglich und B1 und B6. Sie begann diese Therapie, aber alles wurde noch schlimmer…

Angelika hatte in 6 Monaten die „Endphase“ von MCS erreicht. 

Als es noch nicht ganz so schlimm war, hatte ich ihr im September angeboten, hierher zu mir zu kommen und es hier zu versuchen…. aber sie wollte es erst in diesem gefliesten Raum zuhause probieren. 

Letzten Samstag rief mich der Ehemann an und sagte mir, dass sie jetzt fast jede Nacht von 2-4 Uhr wegfahren müssten, entweder dort in den Wald oder zum Friedhof, damit sie überhaupt noch Luft bekommt… Durch die Heizperiode war die Luft für Angelika in dieser Stadt unerträglich geworden. Jede Nacht Herzrasen, Atemnot und vieles andere… Ich sagte, versucht zu kommen und sie kamen am letzten Sonntag, den 25.10.hier morgens um 9 Uhr an. 

Die letzten 5 Tage im Leben von Angelika S.:

Sie kam mit Maske und nach viel Sauerstoff auf der Fahrt hier völlig fertig an. Wir setzten sie auf die Terrasse. 

Ihre Kleidung war von der Umgebung für mich kontaminiert. Ich musste Abstand nehmen und dann wollte sie sich umziehen…etwas von mir…was sie aber auch nicht vertrug…durch mein Klar-Waschpulver, das ich noch gut toleriere… 

AngelikaDamit sie bei mir hinein konnte, duschten wir sie dann am Abend und fanden noch eine Jogginghose meines Mannes und einen Pullover aus Baumwolle, die lange nicht gewaschen waren und Socken…. 

Doch worauf sollte sie schlafen? Sie vertrug kein Holz mehr, auch kein Naturholzmöbel, auch wenn es alt war oder den noch älteren Schrank, in dem für sie zurechtgemachten Zimmer. 

Sie wollte auf dem Boden liegen auf einem Bettbezug, der auch lange nicht gewaschen war und eine Decke, die lange Zeit auf dem Dachboden hing…

Fenster offen die ganze Nacht und den ganzen Tag zum Wald hin… 

Wir leben hier in einem 22 km Waldgebiet im Vogelsberg und so tat ihr die Luft zwar gut, aber ab Montag wurde es feucht und neblig und Tiefdruck… 

Ihre Hoffnung, dass es hier besser werden würde, schwand, aber sie wollte es versuchen, wollte nicht zurück…. 

Angelika

Entweder lag sie und saß auf der Terrasse…ich kochte für sie, gab ihr viel Wasser zu trinken…versuchte alles, sie seelisch und geistig aufzubauen…erzählte von CSN und anderen, die sich auch wieder stabilisiert hatten durch Meiden der Stoffe und Isolation. Jeden Tag gingen wir hinaus, um Luft zu haben. Da konnte sie auch noch einen Spaziergang von einer Stunde machen, am Dienstag zwar langsam, aber es ging. bis ein Auto kam und damit die Abgase, die sie trotz Maske befielen… 

Dann sagte sie, sie könne nicht so leben wie ich, ohne Menschen und so lange in Isolation, und dann wurde es immer schlimmer…sie hatte keinerlei Hoffnung mehr hier bleiben zu können, weil sie die feuchte Luft, besonders Nachts, nicht mehr tolerierte…sie wollte nichts mehr essen und trinken…war verzweifelt und ihre Schleimhäute waren so wie zuhause auch, rot und geschwollen. 

Sie musste hier wieder weg, aber wohin?????? 

Wir überlegten viele Möglichkeiten, Schweiz, Nordsee…wieder auf den Zeltplatz, weil dort war nicht so viel dichter Wald wie hier ist…eine Alu-Blechhütte dort aufstellen…wie aber heizen…und so fort… 

Am Mittwoch um 15 Uhr kam der Sohn meiner Cousine mit einem größeren Wagen, gecleanter als ihrer und ihr Ehemann und wir verabschiedeten uns… 

Sie wussten nicht, wohin…sie wussten nicht…was tun, …also fuhren sie erstmal wieder in das geflieste Zimmer und in das Naturgebiet dort in der Nähe. 

Sie überstand noch die Fahrt mit 5 Grad Raumtemperatur im Auto und dann hörte ich nichts mehr von ihr…. 

Donnerstagmittag, als ihr Ehemann zu seiner Arbeit musste und noch etwas einkaufen…machte sie ihrem Leben ein Ende! Ich erfuhr es erst am Freitagabend, weil es der Ehemann so wünschte. 

Wir sind in tiefer Trauer um einen lieben Menschen…einen Menschen…der noch hätte weiterleben können, gäbe es in diesem Land Unterkünfte für solche Fälle. Gäbe es eine, nur eine Klinik, wo man hingehen kann mit „CleanRooms“ wie im Environmental Health-Center in Dallas / USA. Gäbe es Ärzte, die MCS rechtzeitig erkennen…, gäbe es Unterstützung für die Angehörigen, die nicht wissen, warum das alles so passiert… 

Würde die Ignoranz und Intoleranz gegenüber einer Umwelterkrankung endlich aufhören. Krankheiten, die von Professoren, wie Prof. Dr .Pall und anderen als das erkannt wurden, was sie wirklich sind. 

  • 2 Selbstmorde, die ich miterlebt habe seit Juli…
  • 2 wertvolle Menschen, die in ihrer grenzenlosen Verzweiflung nicht mehr weiter wussten…
  • 2 Menschen, die sich als L A S T empfanden für ihre Familie…
  • 2 Menschen, die jahrelang treu ihrer Arbeit nachgingen… 

Wir trauern um Angelika S., und wir sind bestürzt über mangelnde Hilfen für MCS-Schwerkranke. 

Möge der Gott des Trostes auch die Angehörigen in ihrem Leid trösten und mögen sie Hoffnung finden, dass es nicht für immer ist….

dass es nicht für immer so bleibt…

dass all das Leid eines Tages aufhört…

dass es eine Wiederherstellung aller Dinge geben wird…

Autoren: Wolfgang und Mona B. für CSN – Chemical Sensitivity Network, 31. Oktober 2009

Weiterer Artikel zum Fall Angelika S.: Angelika musste sterben