Monatsarchiv für September 2010

Wissenschaftlich begleitetes MCS-Wohnprojekt ist im Entstehen

In Zürich entsteht bis 2013 ein Wohnprojekt für Menschen mit MCS. Die Umwelt- krankheit ist auch in der Schweiz verbreitet, man geht von Behördenseite von ca. 5000 Betroffenen aus, und nun will man Nägel mit Köpfen machen. Die Stadt Zürich wird mit einem Grundstück und Baurecht zum Wohnprojekt für Chemikaliensensible beitragen. Das Vorhaben, dass rund 5,8 Millionen Franken kosten wird, werde als Pionierleistung für gesundes Wohnen in die Geschichte eingehen, sagte der Züricher Stadtrat Marin Vollenwyder auf der heutigen Pressekonferenz in Zürich. Die Stadt habe sich zum Legislaturziel WOHNRAUM FÜR ALLE gesetzt und das hieße für die Stadt auch, eine solche Bevölkerungsgruppe zu unterstützen, die es auf dem Wohnungs- markt besonders schwierig habe.

Endlich Hoffnung in greifbarer Nähe

Christian Schifferle, der Gründer der Baugenossenschaft Gesundes Wohnen MCS und Präsident der Selbsthilfegruppe MCS-Liga Schweiz, setzt sich schon viele Jahre für dieses Projekt ein. Vor zwei Jahren gründete er die Genossenschaft, seitdem geht es in großen Schritten voran. Heute schrieb Ch. Schifferle eine E-Mail:

Gerade komme ich von der Medienkonferenz der Stadt Zürich, MCS-Pilot- wohnungsprojekt, bin noch ganz geschafft und überwältigt, habe immerhin meine Rede halten können. Die Neue Zürcher Zeitung hat schon einen Bericht verfasst.

Ev. kommt heute oder Morgen ein Bericht auf Tele Top. Sicher werden wir in der nächsten Zeit ausführlich berichten… Ich schlafe zurzeit im Auto und verspreche mir baldige Hilfe beim Wohnraum suchen als Übergangs- lösung.

Architektin packt mit an

Eine weitere gute Nachricht war diese Woche aus der Schweiz zu vernehmen. Christian Schifferle ließ wissen, dass die Wohnbaugenossenschaft Gesundes Wohnen MCS seit gut zwei Wochen durch Marianne Dutli Derron verstärkt wird. Die Architektin ist als Beraterin beim SVW Zürich tätig, der Dachorganisation von über 200 Züricher Wohnbaugenossenschaften. Ihr Büro liegt direkt neben dem der MCS Wohnungsbaugenossenschaft. Frau Dutli Derron wurde jetzt auch in die Geschäfts- leitung der Wohnungsbaugenossenschaft gewählt, die sie nun zusammen mit Dr. Roman Lietha und Christian Schifferle bildet. An der nächsten Generalversammlung soll Marianne Dutli außerdem als Vorstandsmitglied und Co-Präsidentin vorgeschlagen werden, war von Ch. Schifferle zu hören. Acht Jahre Erfahrung als Präsidentin einer anderen Züricher Wohnbaugenossenschaft bringt sie mit. Vor einigen Wochen hatte Ch. Schifferle die Architektin angefragt, bei der MCS-Genos- senschaft mitzumachen, und natürlich war er sehr erfreut, ihre Zusage zu erhalten.

Professionelle Unterstützung

Das Thema MCS Wohnraum ist Frau Dutli Derron nicht fremd, sie war eines der Jury-Mitglieder des MCS-Architekturwettbewerbs und hat sich entsprechend gut eingearbeitet. Ch. Schifferle ist professionelle Unterstützung ein besonders großes Anliegen. Er selbst leidet von Kindheit an unter schwerer MCS und hat seine Kräfte seit Jahren in das Vorhaben investiert. Anstrengende Sitzungen wird es in den nächsten Monaten und in der Bauphase viele geben, dafür braucht es gesunde Unterstützung mit viel Sachverstand.

Gesundes Wohnen hat eine große Zukunft

Die Stadt Zürich leistet mit dem MCS Wohnprojekt in der Tat Pionierarbeit. Es ist das erste Wohnprojekt für Chemikaliensensible in Europa, das nun in Zürich-Lembach Zug um Zug entsteht.

Im September 2009 hatte das Finanzdepartment der Stadt einen Kredit von 150 000 Franken zur Durchführung eines Studienauftrages für das Wohngebäude mit zehn Wohnungen für MCS-Betroffene bewilligt. Das MCS Haus wird von Grund auf baubiologisch konzipiert und Wissenschaftler begleiten das Wohnprojekt.

Technisches und althandwerkliches Meisterwerk

Aus der Neuen Züricher Zeitung war zu erfahren, das Augenmerk liege bei diesem besonderen Neubau auf einer äußerst sorgfältigen Materialwahl und Verarbeitung. Das Gebäude werde sogar mit speziellen Schleusen ausgerüstet, damit sich die Bewohner von chemischen Substanzen beim Betreten reinigen können.

Das Pionierprojekt wird eine Herausforderung in der Ausführung darstellen, denn es sollen uralte Handwerkstechniken, die teils schon in Vergessenheit geraten sind, mit hochmodernen Materialien kombiniert werden. Es wird beispielsweise eine Glas- faserstabarmierung zum Einsatz kommen, die bis jetzt noch nie für die Statik eines ganzen Wohnhauses eingesetzt wurde. Das Material leitet weder Wärme noch Strom. Ansonsten soll das MCS-Haus eine homogene Außenwandkonstruktion aus Wärmedämmbacksteinen mit einer vielfältig biologisch wirksamen inneren Haut mit Lehm und Kalkputzen erhalten. Im Idealfall können aus der Anwendung solcher im Moment vielleicht eher ungewöhnlich anmutenden Materialien und Verarbeitungs- techniken Erfahrungen für den normalen Wohnungsbau gewonnen werden. Das erhofft sich jedenfalls das Architekturbüro, das den Zuschlag erhalten hat für das innovative Projekt, das gerade im Entstehen ist.

Für Christian Schifferle heißt es jetzt noch zwei weitere Jahre durchhalten, kalte lange Nächte im Auto oder auf dem Feldbett im Wald. Nach der enormen Leistung, die er vollbracht hat, wird er auch diese Zeit schaffen. Dann wird er hoffentlich ein Zuhause haben, in dem er und andere MCS-Betroffene beschwerdefrei leben und gesunden können. Als nächsten Schritt plant die Wohnungsbaugenossenschaft Gesundes Wohnen MCS Wohnprojekte für Chemikaliensensible in Deutschland.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 7. September 2010.

Bild: Wohnungsbaugenossenschaft Gesundes Wohnen MCS

Weitere Artikel zum Wohnprojekt / Links zum Video der TV Sendung von Tele Top:

Das Öl ist überall

Krise der Demokratie: Wirkliche Lösungen für die BP-Ölkatastrophe

Der BP-Ölunfall hat den Bewohnern am Golf von Mexiko das Problem der unkontrollierten Macht von Konzernen schmerzhaft vor Augen geführt. Riki Ott, Überlebende des Exxon-Valdez Unglücks, meint, dies könnte Anlass sein, uns die Demokratie über alle politischen Unterschiede hinweg wieder anzueignen.

Als der Öltanker Exxon Valdez in der Prince William Meerenge in Alaska auf ein Riff lief, lebte Riki Ott in der Nähe der kleinen Stadt Cordova, wo sie als gewerbliche Fischerin arbeitete, die zugleich über Meeres-Toxikologie mit Schwerpunkt Ölverschmutzung promoviert hatte. Sie bekam die Zerstörung einer Stadt, eines Ökosystems und einer Lebensweise aus erster Hand mit – wie auch den verlorenen Kampf, dies alles zu retten.

Einundzwanzig Jahre nach Exxon-Valdez hat der Konzern lediglich ein Zehntel der ursprünglich festgelegten Schadenersatzsumme ausgezahlt. Ott erkennt einige Taktiken von Exxon im derzeitigen Gebaren von BP wieder: Das Ausmaß des Unglücks geringer angeben, Schäden verbergen und herunterspielen, frühzeitig versuchen, die juristische Verantwortung zu begrenzen. Sie war seit Anfang des Sommers ganz nahe an den Ereignissen im Golf, um andere von ihren Graswurzel-Strategien für Widerstand und Schadensbeseitigung profitieren zu lassen. Doch die wahre Krise ist größer als dieser oder jeder andere Ölunfall. Es ist eine Krise der Demokratie: Konzerne sind derart mächtig geworden, dass unser politisches System sie nicht ausreichend reglementieren kann, um solche Katastrophen zu verhindern oder wenn sie geschehen, auf ein verantwortbares Maß zu begrenzen.

Ott erkannte, dass die Macht der Konzerne eine fundamentale Bedrohung darstellt, als sie zusah, wie Exxon weiterhin Gewinne machte, während sie und ihre Nachbarn ihre Existenzgrundlage mit wenig Aussicht auf Entschädigung verloren. Nun sieht sie in der Golfregion ein ähnliches Erwachen der Bewohner, die über politische Barrieren hinweg zusammenarbeiten, um von BP Gerechtigkeit zu erfahren.

Ott glaubt, dies könnte der Impuls zum Durchbruch sein, von den Konzernen die Macht zurück zu fordern. Sie berichtete der Online-Redakteurin Brooke Jarvis vom ‚YES! Magazine‘ von den besten Strategien, um unsere Demokratie zu gebrauchen und letztlich wieder herzustellen.

Brooke: Letzte Woche (Mitte August) hat BP angekündigt, dass sie keine neuen Schadenersatzforderungen mehr akzeptieren werden; die großen amerikanischen Zeitungen fragen; „Wo ist nun das Öl?“ Ist das Unglück vorüber?

Riki: [lacht] Nicht, wenn sie in meinen Email-Eingang sehen. Mich verwundert das alles: Was soll diese Farce? Weshalb gibt es dieses starke Bestreben, alles als beendet zu erklären? Ich denke, es kommt dem am nächsten, wenn eine Versicherungsgesellschaft nach einem Verkehrsunfall so schnell wie möglich abrechnen möchte. Sie möchten sagen können: „Es tut uns leid, Sie haben dieses Dokument hier bereits unterschrieben, und wir haften nicht weiter für diesen Fall.“ Ich denke, die Vorstellungen von BP gehen gerade sehr in diese Richtung. Dieses toxische Gebräu aus Öl und Dispergiermitteln, das im Golf freigesetzt wurde, ist ein Experiment – es ist nicht erforscht, deshalb wissen wir zurzeit nicht, welchen Schaden es hervorrufen wird. BP denkt, wenn sie nun entschädigen, müssen sie nicht für den absehbaren Schaden aufkommen, der eintreten wird.

Die Exxon-Valdez hat uns gezeigt, dass Ölunfälle in der Tat langfristige Schäden verursachen. Der Heringsfang in der Prince William Meerenge ruht immer noch – er ruht auf unbestimmte Zeit, bis sich die Bestände erholen, und wir unterhalten uns nun einundzwanzig Jahre später, und wie jeder weiß, war es weniger Öl.

Brooke: Wird jeder in der Golfregion Schwierigkeiten bekommen, der das Öl oder seine Wirkung nicht ignoriert?

Riki: Als das schändliche Tortendiagramm veröffentlicht wurde, legten es die Medien so aus, dass 75 Prozent des Öls verschwunden wären. „Aufgelöstes“ Öl ist aber nicht verschwundenes Öl, es mag auf der Oberfläche nicht vorhanden sein, aber es ist in der Wassersäule, es überzieht den Meeresboden, es ist in der Nahrungskette. Wenn Sie die Anteile des „chemisch aufgelösten Öls“ und des „natürlich aufgelösten Öls“ zum restlichen Öl hinzu addieren, sind in Wahrheit 75 Prozent des Öls immer noch da, nur in anderer Form. Für BP ist es wirklich praktisch, dass es nicht an der Oberfläche ist – und dies mag bei der Entscheidung, diese toxischen Dispergentien einzusetzen, eine Rolle gespielt haben, denn diese erleichtere es zu behaupten, das Öl wäre weg.

An jenem Tag nahm ich an einem Treffen in Gulfport, Mississippi mit ungefähr 100 Fischern aus vier verschiedenen Bundesstaaten teil. Die Mobiltelefone der Leute liefen von den eintreffenden Berichten heiß, über Boote und Flugzeuge, die nachts Dispergiermittel sprühten, über Leute, die besprüht, den Mitteln ausgesetzt und krank wurden – ich meine derart krank, dass sie braunen Auswurf hatten und braun urinierten – und Berichte über Fischsterben und Muschelsterben. In dem Augenblick in Gulfport, Mississippi zu sein, als die Katastrophe für beendet erklärt wird, während Fischer aus vier verschiedenen Staaten gerade Anrufe von Zuhause bekommen und „Oh mein Gott, oh mein Gott!“ sagen, war ein erstaunlicher Kontrast. Der entstehende Schaden gab sich gerade als Realität zu erkennen, als BP und Regierung mit dem „Alles wäre vorüber“ Spiel anfingen.

Das war eine schlimme Woche. Ich versuchte, Leute in Unfallstationen bringen zu lassen und Ärzte zu finden, die ihre Symptome richtig diagnostizieren. Die Menschen sind krank, und was ich absolut unentschuldbar finde, ist zu behaupten, alle diese Erkrankungen wären etwas anderes als das, was sie sind. Mein Gott, ich sprach mit Arbeitern, die Ölsperren ausgelegt hatten und bei denen damals im Mal Lebensmittelvergiftung und Hitzeschlag diagnostiziert wurde, die immer noch mit den gleichen Symptomen erkrankt sind. Dauern Lebensmittelvergiftung und Hitzeschlag drei Monate?

Und dann gab es die Mitteilung, dass Fischereiprodukte gefahrlos verzehrt werden könnten. Die Fischer würden nichts mehr lieben als wieder hinaus zu fahren und etwas zu fangen, das man sicher essen kann. Aber sie sind diejenigen, die dort draußen mit ihren Sonaren falsche Tiefen messen – für das Tiefenmessgerät ist es 3.7 Meter (12 feet) tief, aber in Wirklichkeit sind dort unten Schwaden aus Öl und Dispergiermitteln. Sie haben aus ihren Booten absorbierende Ballen hinunter gelassen, einfach um festzustellen, was dort unten ist. Als die Ballen wieder an die Oberfläche kamen, trieften sie vor Öl – obwohl die Oberfläche sauber war und blau funkelte. Sie sagen, „Nein, wir wollen in so etwas nicht fischen. Wir denken nicht, dass Nahrung aus dem Meer sicher ist“.

Brooke: Es muss zornig machen, wenn sich sogar Leute von Ihnen abwenden, während es immer noch so viel Leid gibt. Was macht man in so einem Fall?

Riki: Im Grunde sind wir hier noch mitten in einem Krieg, indem wir so gut wie möglich versuchen, dieses sich entwickelnde Grauen zu dokumentieren, das aufgedeckt wurde. Wir versuchen die Leute bei Laune zu halten und sagen: „Das gehört alles zum Spiel und wir haben gerade den nächsten Level geschafft, bleibt beisammen und deckt auf, was passiert. Macht die Fotos, schreibt die Berichte, dokumentiert weiter. Den ganzen Sommer gab es Lügen. Das einzige, was sich geändert hat, ist, dass dies noch heftiger geschieht. Darum lasst uns weiter am Ball bleiben.“

Wir stecken viel von unserer Kraft in Umweltstudien mit Bürgerbeteiligung. Damit meine ich, Daten der Luft- und Wasserqualität, der öffentlichen Gesundheit und von Giftstoffen im Blut der Menschen zu sammeln. Vielen Menschen fehlt das Selbstvertrauen, ihre Erkrankungen, – Kopf- und Halsschmerzen, Pusteln – mit Chemikalien in Zusammenhang zu bringen, einfach weil die Bundesbehörden ihnen erzählen, dass es keine Probleme mit der Luft- und Wasserqualität gibt. Wir nehmen Proben,, um zu beweisen, dass es welche gibt. Wir versuchen auch, in jeden betroffenen Bundesstaat eine öffentliche Klinik zu gründen und Gesundheitsdienstleistern zu helfen, chemische Erkrankungen zu erkennen.

Brooke: Sie haben neulich geschrieben: „Bei diesem Kampf geht es um weit mehr als nur Dollars und Schäden. Es geht um die Fähigkeit unseres Landes, große Konzern-Kriminelle im Sinne des öffentlichen Interesses zur Verantwortung zu ziehen und sicher zu stellen, dass sie sich an die Gesetze halten, die wir beschließen. Was bedeutet es, über die sich unmittelbar stellende Frage nach der Verantwortung für diese eine Katastrophe hinaus zu gehen und die größere Frage nach der Verantwortung von Konzernen zu stellen?

Riki: Diese BP-Katastrophe ist wie die Exxon-Valdez mehr als eine Umweltkrise – es ist eine Krise der Demokratie. Gerade jetzt steht uns das [übliche] Spiel bevor: Die Regierung befasst sich öffentlich damit, ein paar Gesetze werden verschärft. Doch das ist nicht gut genug. Die wirkliche Frage ist, wie können wir diese großen Konzerne kontrollieren?

Die Menschen haben nicht lange gebraucht, um sich mit diesem größeren Thema zu befassen und zu fragen, was wir gegen Konzerne unternehmen können, die völlig außer Kontrolle geraten sind. Ich bräuchte nur fragen, „Denkt jemand, die Regierung hat das Sagen?“ Und niemand würde seine Hand heben. „Gut, wer ist es dann?“, würde ich fragen. „Heißt es [in der Verfassung] ‚Wir das Volk‘, oder ‚Wir der Konzern‘?“ In diesem Fall ist es klar, dass die Konzerne die Fäden ziehen. Die Leute werden von ihren Ständen weg geschubst, man sagt ihnen, sie dürfen keine Kameras dabei haben und dürfen sich den Kadavern [der am Öl verendeten Tiere] nicht nähern. Es ist wie, „Moment mal, ich dachte, wir wären in Amerika?“

Die Leute verbinden die Macht der Konzerne tatsächlich mit der Art, wie diese Katastrophe gehandhabt wird. Zuerst gab es die Ausnahmeregelungen und der Verzicht [auf Kontrolle], was BP gestattete, unzureichende Ausrüstung einzusetzen, die zu diesem Ölunfall geführt hat. Dann kam heraus, dass BP nicht ehrlich war, was und wie viel wirklich aus dem Bohrloch sprudelte – sie hatten seit einem Monat hoch aufgelöste Bilder, die sie der Regierung nie zukommen ließen. Deshalb haben sich die Leute hier unten gewundert, „Warum man es der Industrie überlässt zu sagen, wieviel Öl sie auslaufen ließ, wenn diese eine Strafe zu zahlen hat, welche von der Ölmenge, die sie auslaufen lässt, abhängt?“ Dann gibt es diese Art, mit der sie die Medien – und normale Leute mit Kameras – von der Küste, dem Wasser und den Kadavern ferngehalten haben. Was hier geschieht, ist ein Witz: Die Leute sehen die toten Tiere am Strand, oder sie sehen, wie sich diese in der Meeresströmung zu tausenden ansammeln, und sie wissen, dass diese nicht gezählt werden. Man droht den Leuten mit Arrest, allein schon, wenn sie sich nähern. Die Kadaver werden nicht zur Bemessung des Schadens aufgehoben, wie man es nach der Exxon-Valdez getan hat. Oder wenn Leute von Öl auf der Wasseroberfläche berichten, sehen sie nicht, dass es abgeschöpft oder gesammelt wird; sie kommen am nächsten Tag zurück und sehen diese verräterischen Blasen, wo Dispergiermittel versprüht wurden.

Die Leute haben angefangen zu fragen, „Wie konnte BP so viel Kontrolle erhalten? Warum wurde die Küstenwache als öffentliche Abschirmung gegen uns benutzt. Wer ist dafür verantwortlich?“

Die Konzerne haben wirklich gelernt, solche Situationen zu beherrschen. Sie hatten die Umweltbewegung nicht erwartet, die sich 1969 nach dem Bohrinsel-Unfall vor Santa Barbara entwickelte und die half, die Gesetzgebung, wie z.B. die Gesetze für saubere Luft und sauberes Wasser und das nationale Umweltgesetz, voran zu bringen. Aber seitdem haben sie immer besser gelernt, die Verschmutzung zu managen. Das ist wirklich der größte Unterschied, den ich zwischen der Exxon-Valdez und dem BP-Unfall gesehen habe: Die Konzerne wissen, was sie für ihre Zweck tun müssen, um die Regierung, die Leute und die Medien unter ihre Kontrolle zu bekommen. Sie waren damit sehr erfolgreich, und das sieht man.

Brooke: Gibt es aber eine Chance für einen Impuls zum Durchbruch, eine wirkliche Bewegung, um Konzerne zu kontrollieren, wenn der Unfall und seine Folgen den Einfluss der unkontrollierten Macht der Konzerne dermaßen hervorheben?

Riki: Ich habe festgestellt, dass die Leute dazu neigen sich zusammenzuschließen, um ihre Lebensweise zu verteidigen, wenn es zu einer Katastrophe wie dieser kommt. Die Grenzen zwischen den politischen Lagern fangen irgendwie zu wackeln an. Die Wirklichkeit verändert sich genau vor ihrer Nase wahnsinnig schnell und plötzlich funktioniert die Welt nicht mehr so, wie sie dachten. Es gibt eine Möglichkeit, diese Grenzen zu überwinden, die normalerweise sehr fest und eng und beständig sind und uns in Rot und Blau, in liberal und konservativ trennen.

Ein Beispiel, und es ist nur eines. Als ich in Fort Walton, Florida war, schrieben wir eine Petition, um die EPA (US-Umweltbehörde) mit der Befugnis auszustatten, Produkten, welche die Öffentlichkeit nicht wünscht, die Zulassung zu entziehen (zur Zeit kann die Zulassung nicht aberkannt werden und das macht es schwer, Unterstützung für ein Verbot des Dispergiermittels Corexit zu bekommen). Alle waren wild begeistert, einschließlich einiger Leute, die nach einer elektronischen Fassung fragten, damit sie diese in ihrem Netzwerk von 78 Tea-Party-Gruppen [linksallergische Klüngel und Sexualpraktik] im ganzen Bundesstaat Florida verbreiten können. Mich hat das fast umgehauen. Und die waren ebenso überrascht zu erfahren, wie viel wir gemeinsam haben – ich hatte Leute im Publikum, die anschließend erschrocken sagten, „Ich fühlte mich durch nichts von dem, was Sie erzählten, angegriffen“. Dann baten sie mich vorbeizukommen und einen Vortrag über die Entwicklung der Persönlichkeitsrechte von Firmen und den Niedergang der Demokratie zu halten. Gruppen in Tallahassee, Florida und Jackson, Mississippi haben gesagt, sie möchten bei „Move to Amend“ mitmachen, ein nationaler Zusammenschluss zur Änderung der US-Verfassung, die dafür sorgen soll, dass nur Menschen verfassungsmäßige Rechte haben und dass nicht lebende Konstrukte – oder wie ich sage, Fünftklässler [Schimpfwort], Dinge ohne Bauchnabel – diese nicht haben.

Ich denke, diese BP-Katastrophe hat der Bereitschaft der Leute, den Mythos zu akzeptieren, dass wir in einer funktionierenden Demokratie leben, einen Schlag versetzt, egal ob sie zu den Roten oder Blauen, zur Tea-Party oder zu sonst was gehören. Nach der Entscheidung (PDF, engl) [des Supreme Court vom 21.01.2010, die Firmen als Personen anerkennt] über die Klage von Citizens United [gegen die FEC (Bundeswahlbehörde)] sagten 80% der Amerikaner ungeachtet ihrer politischen Einstellung, dass sie denken, Firmen sollten nicht jene Rechte haben, welche Menschen besitzen. Doch nun wird es schmerzhaft klar, warum dies so wichtig ist.

Es sind bekanntlich die sozial Schwachen, welche die Bedrohung durch Firmen zuerst erkennen, da es sie zuerst betrifft – sie wissen, wen das Recht schützt, da sie es nicht sind. Wirklich verändert hat sich etwas für jene, die glaubten, die Regierung würde sich um sie kümmern und die Gesetze würden greifen, um sie zu schützen. Wortwörtlich erzählen sie nun das gleiche, das wir nach der Exxon-Valdez in Cordova gesagt haben: „Mir kommt es vor, als ob ein Film von meinen Augen weg gezogen wurde, und ich sehe nun, wie die Welt wirklich funktioniert.“ Ich höre genau dieselben Worte am Golf: „Mir kommt es so vor, als ob ein Schleier von meinen Gesicht gezogen wurde.“ Die Leute wachen nun auf und sie sind bereit, das Joch der Arbeit auf sich zu nehmen, die es braucht, um jenes Land zu schaffen, das wir zu haben glaubten.

Brooke: Was bedeutet dies in den Gemeinden, in denen sie an der Golfküste waren? Was unternehmen die Leute, um eine andere Art von Land zu schaffen.

Riki: Nun, viele von ihnen schließen sich dem Kampf an, die Macht der Konzerne zu begrenzen. Es geht aber um mehr als nur um eine Theorie und eine Verfassungsänderung durch zu bekommen – es geht auch darum, in unseren Gemeinden Demokratie zu praktizieren. Es wirklich zu tun. Die Vision aufbauen. Ich denke, viele von uns erkennen, was wir tun müssen, und deshalb müssen wir uns hinsetzen und Gemeinde für Gemeinde heraus finden, wie wir selbständiger sein und uns flexibler einrichten können. Eine Übergangsgemeinde werden, unsere Städte dazu bringen, das Kyoto-Protokoll zu unterzeichnen, jede einzelne unserer Gemeinden selbständiger machen. Energie aus der Gegend, Lebensmittel aus der Gegend, lokale Wasserversorgung, Gartenbau, Stärkung der Nachbarschaft, unsere Geschäftsbeziehungen mehr horizontal als vertikal ausbauen.

Stellen wir uns der Herausforderung: Konzerne werden versuchen, alles zu zerstören, was wir in der großen Politik aufgebaut haben. Doch wenn wir in unseren Gemeinden unterhalb der Auflösung ihres Radarschirmes agieren, können wir sehr viel tun. Die Menschen scheinen zu denken, Veränderungen finden immer woanders statt. In Wirklichkeit geht es um ihren Hinterhof. Demokratie ist voller Wirren, aber sie funktioniert tatsächlich, wenn wir uns hinsetzen und anfangen, einander zuzuhören. Und es gibt keine Entschuldigung, es nicht zu tun. Wir wollten Demokratie mit und für die Menschen, und das bedeutet, jeder muss sich aus seinem Sessel erheben und Demokratie lernen. Wenn viele etwas Anstrengendes tun, wird es leichter.

Nachbemerkung:

Ich habe diesen Text übersetzt, weil sich Riki Ott gegen eine Fehlentwicklung unserer Demokratien stark macht. Auch in Deutschland genießen juristische, also biologisch nicht lebende Personen, Persönlichkeitsrechte. Das stört mich schon seit Jahren. Dies führt zu einer Verschiebung des gesetzlich garantieren Schutzes zugunsten des Stärkeren. Das widerspricht rechtlichen Grundsätzen, wie sie z.B. im Straßenverkehr zur Anwendung kommen, wo der Schwächere den größeren Schutz genießt. In einer menschenwürdigen Gesellschaft sollte dies generell der Fall sein.

Eine juristische Person muss sich, wie ich woanders geschrieben habe, nicht die Zähne putzen. Die Definition von Prof. Riki Ott finde ich aber auch praktisch: sie hat keinen Bauchnabel. Im Gegensatz dazu müssen Menschen noch viel mehr, können krank werden und sogar sterben.

Persönlichkeitsrechte für juristische Personen hebeln Artikel 14 Abs. 2 GG aus. Unsere Gesetze schützen das Leben ebenso unzureichend, wie sie eher das unter dem Schutz des Privateigentums stehende Eigentum der Konzerne schützen. Ich kann mir allzu gut vorstellen, wie schnell man sich mit solchen Gedanken den Vorwurf einfängt, ein Kommunisten- und Sozialistenschwein zu sein.

Aber auch wir haben schon seit längerem einen Oilspill, wenn bei uns Menschen von den Nebenwirkungen unserer Lebensweise z.B. an MCS oder CFS erkranken. Und psychiatrisiert wird immer alles, was nicht sein darf. Die Parallelen sind auffällig und immer geht es um Öl und Produkte, die aus Öl hergestellt werden. Das ungesunde Zeug hätte man lieber in der Erde lassen sollen. Anzumerken bleibt auch, dass das Festhalten am Öl sinnvollere Innovationen verhindert.

Interview und Vorwort: Brooke Jarvis, 23. August 2010

Übersetzung und Nachbemerkung: BrunO

Brooke Jarvis interviewte Prof. Riki Ott für das Amerikanische Nonprofit ‚YES! Magazine‘. Der Originalartikel steht wie diese Übersetzung und unser Kommentar unter einer Creative Commons Lizenz.

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Allergie durch Auswirkungen von Ozon? Ozon erhöht die Allergenbelastung

Umweltbelastungen und Klimawandel wirken sich auch auf Allergien aus

Ozon wirkt auf Pollenallergene: Bei einer für den photochemischen Smog typischen Ozonkonzentration entwickeln sich in Pollen vermehrt Allergene. Diese in Roggen nachgewiesene Beziehung wird in der renommierten medizinischen Fachzeitschrift Journal of Allergy Clinical Immunology publiziert. Das vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützte Projekt zeigt, dass bei erhöhter Ozonkonzentration während der Reifung sowohl der Proteingehalt als auch der Allergengehalt von Roggenpollen ansteigt. Damit deutet sich ein Zusammenhang zwischen aktuellen Umweltproblemen und der Zunahme von Allergien an.

Ozon ist in aller Munde, vor allem während des photochemischen Smogs, der die Großstädte weltweit in den Sommermonaten belastet. Neben der Umweltverschmutz- ung trägt auch der Klimawandel zu dessen immer häufigerem Auftreten bei. Das allein stellt schon ein großes gesundheitliches Problem dar, doch seit Kurzem gibt es zusätzliche Hinweise darauf, dass erhöhte Ozonkonzentrationen den Gehalt an Allergenen in Pollen ansteigen lassen. Ein Wissenschaftlerteam der Medizinischen Universität Wien und des Austrian Institute of Technology hat nach den Gründen für dieses Phänomen gesucht.

Ozon stimuliert Roggen

Ein Wissenschaftlerteam unter Leitung von Prof. Rudolf Valenta vom Zentrum für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie der Medizinischen Universität Wien kultivierte für seine Untersuchungen zwei verschiedene Sorten von Roggenpflanzen unter kontrollierten Umweltbedingungen. Dabei wurde für eine Gruppe der Pflanzen die Ozonkonzentration der Luft zeitweise auf 79 parts per billion (ppb) erhöht. Dieser Wert liegt mehr als dreifach über der normalen Ozonkonzentration in Bodennähe, die ca. 22 ppb beträgt, und entspricht damit den gesundheitskritischen Spitzenwerten, die an heißen Tagen in Wien auftreten. Zum späteren Vergleich mit denjenigen Pflanzen, die hohem Ozon ausgesetzt waren, wuchs eine Kontrollgruppe ausschließlich bei normalen Ozonwerten heran.

Nach Reifung der Pollen wurden diese geerntet und für die weiteren Untersuchungen gesammelt. Die dabei gefundenen Ergebnisse waren von überzeugender Klarheit, wie Prof. Valenta erläutert:

„Als Erstes waren wir in der Lage zu zeigen, dass bei den Pollen beider Roggensorten die Ozonbelastung einen deutlichen Anstieg des Proteingehalts zur Folge hatte. Weitere Analysen zeigten dann, dass zu diesem Anstieg Allergene der sogenannten Klassen 1, 5 und 6 sowie ein weiteres Allergen, das Profilin, beitragen. Auch in der zweiten Roggensorte führte erhöhte Ozonkonzentration bei der Pollenreifung zu einem starken Anstieg der Gruppe 1-Allergene und Profilin.“

Bedeutet Allergen gleich Allergie?

Dieses Ergebnis alleine würde schon zeigen, dass eine erhöhte Ozonkonzentration das Allergiepotenzial von bestimmten Gräsern steigern kann. Jedoch „mehr Allergene“ bedeutet nicht unbedingt auch „mehr Allergien“. Für Prof. Valenta und sein Team war klar, dass potenzielle Allergene nicht immer vom Immunsystem erkannt werden und somit auch nicht immer einen Anstieg von Allergien auslösen. „Eine Studie aus dem Jahr 2007 zeigt, dass Ozon sogar die Allergenität von Roggenallergenen senken kann, fügt Prof. Valenta an. Es mag also noch mehr Allergene geben, als unsere Arbeit zeigt, doch ob diese mit den für Allergien verantwortlichen IgE-Antikörpern des Menschen reagieren und damit Allergien auslösen können, war zunächst unklar.“

Ein weiteres Experiment brachte jedoch auch zu dieser Frage rasch eine klare Antwort: Proteinextrakte der beiden Roggensorten wurden mit IgE-Antikörpern von allergischen Patienten inkubiert. Dabei zeigte sich, dass die Proteinextrakte der durch Ozon gestressten Pflanzen stärker mit den für die Entstehung von Allergien relevanten IgE-Antikörpern reagieren, als die Kontrollpflanzen. Was bedeutet, dass die mit Ozon exponierten Roggenpollen ein stärkeres allergenes Potential besitzen.

Folglich gelang es dem Team von Prof. Valenta, Dr. Thomas Reichenauer und Prof. Verena Niederberger in diesem vom FWF geförderten Projekt, eindeutig zu demonstrieren, dass Umweltprobleme, wie steigende Ozonkonzentrationen in Bodennähe, mitverantwortlich sein können für die ständige Zunahme von allergisch bedingten Erkrankungen in unserer Gesellschaft in den letzten Jahren.

Literatur:

Exposure of rye (Secale cereale) cultivars to elevated ozone levels increases the allergen content in pollen, J. Eckl-Dorna, B. Klein, T.G. Reichenauer, V. Niederberger, R. Valenta, J Allergy Clin Immunol. doi:10.1016/j.jaci.2010.06.012

Photo Nr.2: Monika Grote

Übersetzung: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network

Experten geben Antwort: Die besten Tipps für duftfreie Wäsche

Für Allergiker, Asthmatiker und insbesondere für Chemikaliensensible ist duftfreie Wäsche einfach ein MUSS. Duftende Waschmittel, Weichspüler und Parfüm lösen bei diesen Personen oft schon in geringster Konzen- tration erhebliche Gesundheitsbeschwerden aus. Atembeschwerden, Asthmaanfälle, Kopf- schmerzen, Schwindel, Ekzeme, juckende Augen und auch Gemütsschwankungen, Depressionen, Aggressionsschübe, gehören u.a. zu den Symptomen, die berichtet werden. Besserung kann für die betroffenen Personen nur eintreten, wenn sie den Duftstoffen nicht mehr ausgesetzt sind. Das bedeutet Arbeit, denn in der Regel „duftet“ der komplette Wäschebestand und oft sogar der Kleider- und Wäscheschrank. 24 Stunden täglich sind wir von Kleidung und Wäsche umgeben.

Wer am Anfang seiner Erkrankung steht, muss zügig das Problem lösen, seine Wäsche und die Waschmaschine von den Duftstoffen und Parfüms zu befreien. Nicht unbedingt einfach, denn die in heutigen Waschmitteln und Weichspülern enthaltenen Duftstoffe sind so ausgelegt, dass sie möglichst intensiv und lange haften. Einfach mit duftneutralem Waschmittel waschen reicht nicht, und was auch nicht zu vergessen ist, häufig ist die Waschmaschine ebenfalls völlig kontaminiert. Guter Rat ist also teuer.

Wir möchten mit Euch die nützlichsten Tipps zusammentragen, wie man am besten vorgeht, denn wer könnte zuverlässiger Auskunft geben als jemand, der MCS hat? Die Chemikaliensensitivität hat viele der Erkrankten zwangsläufig zu Experten gemacht. Nicht dass es einfach gewesen ist, im Gegenteil, wer MCS hat, musste oft aus Schaden lernen. Genau deshalb möchten wir mit Euch „Expertentipps“ zusammentragen, die dann allen weiterhelfen, die verzweifelt auf der Suche nach Lösungen sind. Kontinuierlich möchten wir mit Euch zusammen eine Serie mit den besten Tipps zur Lösung von speziellen Alltagsproblemen erstellen. Sicherlich werden nicht nur Chemikaliensensible und Allergiker daraus profitieren, sondern auch die zunehmende Zahl der Menschen, die gesundheits- und umweltbewusst leben möchten.

Ihr seid die Experten, lasst uns Eure besten Tipps wissen:

  • Was hilft am besten, um Kleidungsstücke, die nach Waschmittel, Weichspüler oder Parfüm riechen, duftfrei zu bekommen?
  • Wie bekommt man eine mit Waschmittelgeruch kontaminierte Waschmaschine clean?
  • Wie bekommt man Kleider- und Wäscheschränke duftfrei?

Studie konnte Zusammenhang zwischen Chemikalien-Sensitivität und psychischen Krankheiten nicht bestätigen

Die Schwedin Prof. Dr. Eva Millqvist forscht schon seit einigen Jahren über Hyperreaktivität der Atemwege und die Umweltkrankheit MCS – Multiple Chemical Sensitivity. Ihr Spezialgebiet liegt im Bereich Reaktionen der Atemwege auf Reizstoffe.

Krank durch Gerüche und Duftstoffe

Patienten mit Atemwegsbeschwerden, die durch Chemikalien und Gerüche ausgelöst werden, sind in Allergiekliniken häufig anzutreffen. Laut Millqvist und ihrem Team sind diese Gesundheitsprobleme jedoch nicht durch asthmatische oder allergische Reaktionen erklärbar.

Deutsche Patienten berichten häufig, dass ihnen vom Allergologen das Aufsuchen eines Psychologen empfohlen wurde, nachdem sie über Reaktionen auf Chemikalien oder Gerüche berichtet hatten. Darüber, ob dazu tatsächlich Anlass besteht, gibt die neue Studie aus Schweden Aufschluss.

Studien zeigten Reaktionen

Frühere Studien von Millqvist haben gezeigt, dass MCS-Patienten oft eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber inhaliertem Capsaicin aufweisen. Dieser Bestandteil von Chili ist dafür bekannt, dass er sensorische Reaktivität reflektiert. Als Diagnose wurde „sensorische Hyperreaktivität der Atemwege“ (SHR) für diese Art von Beschwerden vorgeschlagen.

Haben es Patienten mit Asthma oder SHR häufiger an der Psyche?

In ihrer jüngsten Studie setzten sich die renommierte Wissenschaftlerin und zwei Kollegen das Ziel herauszufinden, ob es eine Beziehung zwischen Asthma und sensorischer Hyperreaktivität (SHR) gibt. Zusätzlich wollte das Forscherteam untersuchen, ob Patienten mit Anzeichen von SHR eine erhöhte psychiatrische Morbidität (Ängste, Depressionen, etc.) aufweisen.

Patienten wurden Tests und Fragebogen unterzogen

Die Wissenschaftler hatten in ihre Studie 724 Patienten eines Asthma-Zentrums einbezogen, bei denen Verdacht auf Allergien oder Asthma bestand. Alle Patienten mussten einen quantitativen Fragebogen ausfüllen und darin über affektive Reaktionen und Verhaltensstörungen durch duftende Stoffe, bzw. solche, die stechend wirken, berichten.

Ein standardisierter Capsaicin-Test wurde durchgeführt und ein Fragebogen zur Beurteilung der psychiatrischen Morbidität bei Patienten mit ausgeprägter Chemikalien-Sensitivität angewendet, um diejenigen zu identifizieren, die unter SHR leiden.

Keine Anzeichen für Depressionen oder Ängste

Von den Asthma-Patienten des Allergie-Zentrums, die an der Studie teilnahmen, wiesen ca. 6% eine sensorische Hyperreaktivität (SHR) auf. Millqvist und ihre Kollegen gaben an, dass dies im Einklang mit der Prävalenz in der allgemeinen schwedischen Bevölkerung steht. Es gab keinen signifikanten Hinweis darauf, dass SHR mit Ängsten oder Depressionen in Verbindung steht.

Patienten sollten auf genauer diagnostischer Abklärung bestehen

Die Studie erschien in der Ausgabe Juli 2010, der medizinischen Fachzeitschrift „Annals of Allergy, Asthma & Immunology“. Sie sollte Patienten, die auf Chemikalien und Gerüche mit hyperreaktiven Atemwegsbeschwerden reagieren und deswegen vom Allergologen einen Hinweis auf das mögliche Vorliegen einer psychischer Erkrankung erhielten, den Impuls geben, sich damit nicht zufrieden zu geben und vielleicht zusätzlich einen erfahrenen Umweltmediziner aufzusuchen.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 2. September 2010.

Literatur:

Johansson A, Millqvist E, Bende M., Relationship of airway sensory hyperreactivity to asthma and psychiatric morbidity, Department of Respiratory Medicine, Central Hospital, Skövde, Sweden, Ann Allergy Asthma Immunol. 2010 Jul;105(1):20-3.

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Die am häufigsten gelesenen Blogs im August 2010

Die im August am häufigsten gelesenen Artikel im CSN-Blog repräsentieren eine Situation, die erschütternd ist. Menschen, die durch Chemikalien krank werden, überlässt man in Deutschland weitgehend sich selbst und der Obhut von Selbsthilfeorganisationen. Unternehmen, die ihre Angestellten Chemikalien ohne adäquaten Schutz aussetzen, haben oft nicht viel zu fürchten. Einzig die zunehmende Vernetzung der Opfer trägt dazu bei, dass Missstände offenkundig werden und fängt das Leid, das von Verursachern hinterlassen wird, ein wenig auf.

Zum Lesen der CSN Top 10 Artikel, einfach anklicken:

  1. Nachwort zum Freitod von Heide N.
  2. 81-jährige stellt eigene Webseite zum Thema Gifte am Arbeitsplatz ins Internet
  3. Envio PCB-Skandal: Die Opfer stehen im Regen
  4. Laminat belastet Umwelt und Gesundheit
  5. Wenn die Galle überläuft – Natürliche Hilfe bei Gallensteinen, Gallenkolik & Co.
  6. Pestizide: Gefahr für Umwelt und Gesundheit oder Hysterie
  7. Verändert ein dänisches MCS –Wissenscenter die internationalen Erkenntnisse über Chemikalien-Sensitivität?
  8. Hilferuf: Spanischer Professor mit chronischer Quecksilbervergiftung und MCS trat in Hungerstreik
  9. Gericht entschied: Parfüm ist bei Therapie von Duftstoffallergikern nicht akzeptabel
  10. Bremsenstiche