Diabetes – Bitter, süß oder giftig?

Indigene Völker, Diabetes und die Bürde der Umweltverschmutzung

Diabetes wird heute vielerorts als die Epidemie des 21. Jahrhunderts angesehen. Mit ungefähr 284 Millionen Menschen, bei denen diese Krankheit gegenwärtig diagnostiziert wurde, ist dies bestimmt keine Übertreibung, nicht zuletzt für Indigene Völker.

Nach dem „State of the World’s Indigenous Peoples Report“, dem Bericht über die Lage der Indigenen Weltbevölkerung der Vereinten Nationen, haben mehr als 50% der Indigenen Erwachsenen über 35 Jahre Diabetes Typ 2, und es heißt darin, „diese Zahlen werden voraussichtlich noch steigen“.

Diabetes wird „Lifestyle Krankheit“ genannt, für deren grassierende Ausbreitung man Fettleibigkeit verantwortlich macht, die unserem zunehmenden Verlass auf die westliche Ernährungsweise (auch als Fleisch-Zucker-Diät bekannt) und unserem Verzicht auf regelmäßige körperliche Betätigung geschuldet ist.

Während dies sicher mitverursachende Faktoren sein können, gibt es immer mehr wissenschaftliche Belege, dass zwischen Diabetes und unserer Umwelt ein enger Zusammenhang besteht. Es wurden über ein Dutzend Studien veröffentlicht die langlebige organische Schadstoffe, Persistent Organic Pollutants (POPs), darunter Polychlorierte Biphenyle (PCBs), als Dioxine bekannte krebserzeugende Kohlenwasserstoffe und das tödlichste synthetische Pestizid DDT, in einen Zusammenhang mit höheren Raten der Erkrankung bringen.

„Wenn es die POPs sind, wenn nicht Übergewicht Diabetes verursacht, ist dies wirklich heftig, wenn es stimmt“, meint Dr. David O. Carpenter, Direktor des Institutes für Gesundheit und Umwelt an der Universität von Albany (im Bundesstaat New York).

Einer von vier Indigenen Erwachsenen, die in Kanadischen Reservaten leben, wurde mit Diabetes vom Typ 2 diagnostiziert, der am weitesten verbreiteten Form von Diabetes. Die Prävalenz dieser Erkrankung scheint dermaßen stark zu sein, dass die Zahl der in Kanada neu diagnostizierten Fälle über dem Wachstum der Indigenen Bevölkerung liegen könnte. Es ist nicht mehr ungewöhnlich, Kinder die nicht älter als drei Jahre sind, mit dieser Erkrankung zu finden. Nach der Statistik der Regierung werden 27 Prozent aller Indigenen Menschen in Kanada in den nächsten 10 Jahren an Diabetes vom Typ 2 leiden.

Die Situation der Sandy Lake First Nation in der Sioux Lookout Zone von Nord Ontario entspricht genau diesen Daten. Eine Studie vom März 2009, die von Dr. Stewart Harris mitverfasst wurde stellte fest, dass 26 Prozent der Gemeinschaft an dieser Krankheit leiden, die höchste in Kanada festgestellte Diabetes-Rate. Mit einer Bevölkerung von 2.500 wurde die nördliche Cree Gemeinschaft kürzlich als ein „Epizentrum“ der Epidemie beschrieben.

Es wurde wenig über die Konzentrationen langlebiger organischer Schadstoffe in Sandy Lake geforscht, doch nach Angaben des First Nations Environmental Health Innovation Network (FNEHIN), (Plattform zur Vernetzung von First Nations und Umweltmedizin-Forschung) sind von mehreren Nachbar-Gemeinschaften die ebenfalls hohe Diabetes Raten aufweisen, wie der Kitchenuhmaykoosib Inninuwug First Nation, erhöhte PCB-Werte ihrem Blut bekannt.

Die Mohawk Gemeinschaft von Akwesasne muss sich auf ihre Art mit Diabetes und der Belastung durch POPs auseinandersetzen. Ihr Lebensraum erstreckt sich über die Staatsgrenze zwischen New York und Ontario-Quebec entlang des St. Lawrence Flusses. Über Jahrzehnte leiteten drei Aluminium-Gießereien stromaufwärts des Reservats PCBs in den Fluss und verseuchten Wasser, Boden und Vegetation.

Dr. Carpenter hat sich jahrelang mit erwachsenen Mohawks in Akwesasne wissenschaftlich beschäftigt. Erst kürzlich, im Jahre 2007, war er an einer Studie beteiligt, die den Zusammenhang zwischen Diabetes und Umweltverschmutzung in der Gemeinschaft untersuchte. „Unsere Studie an erwachsenen Mohawks zeigte eine auffällige Erhöhung der Diabetes-Raten in Abhängigkeit von den Blutwerten dreier langlebiger organischer Schadstoffe, DDE, dem Stoffwechselprodukt von DDT, Hexachlorbenzol und PCBs“, so Dr. Carpenter. „Unsere Ergebnisse stimmen sehr gut mit denen von Lee et al überein.“

2006 zeigten Dr. Dae-Hee Lee und ihre Kollegen, dass für Menschen mit der höchsten Belastung durch POPs die Wahrscheinlichkeit an Diabetes zu erkranken ungefähr 38 mal höher ist, als für solche mit der niedrigsten Belastung. Außerdem, „zeigten sie, dass für Personen die zwar übergewichtig waren, aber keine hohen Werte von POPs im Blut aufwiesen, das Risiko an Diabetes zu erkranken nicht erhöht war“, fährt Dr. Carpenter fort. „Wahrscheinlich werden die meisten Leute übergewichtig, weil sie zu viele tierische Fette aufnehmen und genau in denen sind die POPs enthalten.“

Die Aufnahme von POPs über die Nahrung wurde von der Amerikanischen EPA (Environmental Protection Agency) in ihrem Entwurf von 1994 zur Dioxin Neubewertung bestätigt, der offiziell nie veröffentlicht worden ist. Nach diesem Entwurf zur Neubewertung stammt 93 Prozent unserer Dioxinbelastung aus dem Verzehr von Rindfleisch, Milchprodukten, Milch, Geflügel, Schweinefleisch, Fisch und Eiern. Mit anderen Worten, die westliche Ernährungsweise.

Eine im Mai 2001 im Journal für Toxikologie und Umweltmedizin veröffentlichte Studie zog ähnliche Schlüsse aus der Neubewertung der EPA. Zusätzlich zeigte die Studie, dass „Säuglinge sehr viel mehr Dioxine in Relation zum Körpergewicht aufnehmen, als alle älteren Altersgruppen“ und dass Muttermilch doppelt so giftig ist wie Milch aus dem Handel. Außerdem wurde festgestellt, dass Veganer den aller niedrigsten Anteil von POPs in ihrem Körper aufwiesen.

Nach einer Veröffentlichung vom Oktober 2009, des Forschungszentrums für Umweltchemie und Ökotoxikologie der Masaryk University, sind die Weltmeere eine weitere Hauptquelle von POPs, insbesondere DDT. Darüber hinaus wurde in der Abhandlung festgestellt, dass trotz aller Einschränkungen, die der Verwendung von DDT vor über 30 Jahren auferlegt wurden, die Konzentrationen des Giftes weiter zunehmen.

Indigene Völker tragen einen ungleich hohen Anteil dieser globalen Giftlast. Nach dem National Pollutant Release Inventory (NPRI), der staatlichen Erfassung von Schadstoffemissionen von Environment Canada, einer Einrichtung des Kanadischen Umweltministeriums, gibt es in Kanada beispielsweise 212 Indigene Gemeinschaften, die flussabwärts oder in der Nähe von Zellstoff-Fabriken oder anderen Anlagen leben, die Dioxine oder Furane abgeben. Ein erschreckendes Beispiel ist die alte Dryden Pulp Mill in der Nähe von Grassy Narrows. Nach Auskunft des Mercury Disability Boards, dem von den betroffenen Gemeinschaften gebildeten Rat für Quecksilber-Behinderung, der auf gesetzlicher Grundlage über Entschädigungsrenten für Angehörige der Grassy Narrows und Islington Bands entscheidet, leitete dieser Betrieb von 1962 bis 1970 tonnenweise Quecksilber-Abwasser, das zusätzlich Dioxin enthielt, in den English-Wabigoon River.

Vierzig Jahre später stellt der giftige Abfall immer noch eine „ernsthafte Gefahr“ für die Grassy Narrows und die Wabaseemoong First Nations dar, wie das Disability Board erklärt. Zur Dekontamination wurden von der Staats- oder Landesregierung keinerlei offizielle Schritte unternommen.

Die Lage der Tohono O’odham Nation erinnert sehr an die Grassy Narrows: diese Nation im Südwesten Arizonas weist die welthöchste Diabetesrate auf. Stammeseigenen Gesundheitsbeamten zufolge wurde bei fast 70 Prozent der 28.000 Menschen zählenden Bevölkerung diese Erkrankung diagnostiziert. Die O’odham Angehörigen sind die zweitgrößte Indigene Nation in den Vereinigten Staaten.

Lori Riddle gehört zur Aquimel O’odham Gemeinschaft und ist Gründerin der Gila River Alliance for a Clean Environment (GRACE), der Gila River Allianz für eine unbelastete Umwelt.

GRACE dient dem zehnjährigen Kampf gegen eine gefährliche Müllaufbereitungsanlage, die ohne ausreichende Genehmigung für Jahrzehnte auf O’odham-Gebiet in Betrieb war. Die Anlage gehörte der Romic Environmental Technologies Corporation und spuckte ununterbrochen Abwasser in die Luft, bis sie schließlich 2007 geschlossen wurde.

Die Anlage von Romic war nicht der erste Beitrag zur toxischen Belastung der O’odham’s, erklärt Riddle. Sich an ihre Kindheit erinnernd berichtet sie: „Fast ein Jahr lang, immer wenn ein Flugzeug über unseren Köpfen geflogen ist, konnte man den Nebel sehen. Wir dachten nie daran unser Wasser abzudecken. Die Chemikalien bemächtigten sich unser und wurden ein Teil von uns.“

Von den frühen 50’er Jahren bis in die späten Sechzigern sprühten Baumwoll-Farmer im Wassereinzugsgebiet des Gila Rivers routinemäßig DDT auf ihre Pflanzen um sie gegen Baumwollraupen zu schützen. Nach Angabe der Agentur für giftige Substanzen und Erfassung von Erkrankungen, der Agency of Toxic Substances and Disease Registry (ATSDR), versprühten die Farmer jährlich ungefähr 23 Pfund DDT pro Acre, das sind etwa 25.7 Kilogramm pro Hektar.

1969 wurde im Staat Arizona der Einsatz von DDT verboten. Zu dem Zeitpunkt war der Fluss hochgradig kontaminiert. Nach Auskunft der ATSDR wechselten die Farmer danach zu Toxaphen, einem Ersatz für DDT, bis dieses 1990 von der US-Regierung verboten wurde.

Wegen diesen Chemikalien, erklärt Riddle, waren die O’odham gezwungen, ihre traditionelle Ernährung aufzugeben und die westliche anzunehmen. Auch mussten Farmen aufgegeben werden und nötigten die Familien ihre Stammesgemeinschaft zu verlassen. Gesellschaften wie Romic begannen, sich auf ihrem Gebiet nieder zu lassen und trieben die Situation auf die Spitze. „Das hat unserer Lebensqualität einen Tribut abverlangt“, sagt sie. „Ich habe mich in den Schlaf geweint.“

Die O’odham schlagen sich mit dem herum, was Riddle als „Cluster Symptome“ bezeichnet. Das sind Fehlgeburten, Arthritis der Wirbelsäule, Atemprobleme, unerklärliche Hautausschläge und Probleme mit der Produktion roter Blutkörperchen. Dies zusätzlich zu Diabetes, der häufig zu Nierenversagen, Erblindung, Herzerkrankungen und Amputationen führt.

Es werden immer mehr Studien veröffentlicht, die in Nachfolge der wegweisenden „Ranch Hand“ Studie den Zusammenhang zwischen Diabetes und langlebigen organischen Schadstoffen wie DDT belegen. 1998 stellte diese Studie für US Air Force Personal, das während des Vietnamkrieges mit dem Herbizid und Entlaubungsmittel Agent Orange besprüht worden war, eine Zunahme von Diabetes (der eine Insulinkontrolle erfordert) um 166 Prozent fest. Die Studie zeigte auch, dass sich mit höheren Dioxinwerten die Häufigkeit und die Schwere von Typ 2 Diabetes ebenfalls erhöht; die Zeit bis zur Erkrankung verkürzte sich einem ähnlichen Trend folgend.

Dr. Carpenter weist jedoch darauf hin, dass wegen der überall auf Zustimmung stoßenden Meinung, Diabetes sei eine durch die Lebensweise verschuldete Erkrankung, die von der Ernährungsweise und dem Maß an Bewegung abhängt, dem Zusammenhang mit POPs von Regierungen, Nachrichtenagenturen oder irgend einer von den Hunderten an gemeinnützigen Diabetes-Stiftungen weltweit, wenig Beachtung geschenkt wird. „Nicht einmal bei uns, in Medizinerkreisen, ist dies angekommen“, fügt Dr. Carpenter hinzu. „Man braucht viel Zeit um beides zu ändern, die Ansichten der Medizin und die der Öffentlichkeit.“

„Das eine was jeder tun kann ist eindeutig, weniger tierisches Fett zu essen“, empfiehlt Dr. Carpenter. Einige Indigene Gemeinschaften im nördlichen Manitoba und in British Columbia haben damit begonnen dies zu tun, indem sie ihre eigenen Gärten bepflanzen und Gewächshäuser bauen; indem sie ganz traditionell auf ein paar Lebensmitteln zurückgreifen, die sie seit Millenien versorgt haben. Andere wenden sich körperlichen Aktivitäten zu, was nicht nur für die Prävention von Diabetes, sondern für ihre gesamte Gesundheit eine wichtige Rolle spielt.

„Wir müssen also Wege finden, die POPs aus den Tieren herauszubekommen, die wir essen. Das wird nicht einfach sein, angesichts des Ausmaßes, wie verseucht wir die Welt gemacht haben“, ergänzt Dr. Carpenter. Deshalb weist Lori Riddle, die selbst an Diabetes erkrankt ist, auf den Tribal Council (Stammesrat) und auf die US-Bundesregierung hin.

Autor und Copyright:

John „Ahniwanika“ Schertow, Indigenous people, diabetes and the burden of pollution, Winnipeg 02.02.2010

Zum Autor: Ahni  ist ein Verfechter Indigener Rechte und Autor des Blogs Intercontinental Cry

Wir danken Ahni für die Genehmigung den Artikel übernehmen und übersetzen zu dürfen.

Wer den Artikel übernehmen möchte, bitte bei Ahni Kontakt oder CSN anfragen.

Übersetzung: IP: 87.187.136.186 @19.02.2010 00:40:56

Übergewicht – Warum wir fett werden – Fakten, Hintergründe, Prävention

Übergewicht hat Hintergründe - Chemikalien

 

MEINE MUTTER HAT MICH FETT GEMACHT

 

Wenn Joannie nicht etwa dreimal die Woche Big Macs gegessen hätte, wäre sie nicht fett geworden. Wenn sie, während sie noch im Bauch ihrer Mutter war, nicht den Chemikalien x, y und z ausgesetzt gewesen wäre, hätte Joannie nicht die Neigung gehabt fett zu werden. Und wenn Joannie’s Mutter etwas vernünftiger gegessen hätte, wäre beider Hüften schlanker. 

Fette Menschen sind meistens schon programmiert dafür, fett zu werden, bevor sie auch nur den ersten Schluck Milch getrunken haben. 

Die Nachricht des Tages ist, dass Pestizide zu den Chemikalien gehören, die für diese Programmierung verantwortlich sind. 

Zwei von drei erwachsenen Amerikanern sind jetzt als übergewichtig eingestuft. Typ II Diabetes hat über die letzten Jahrzehnte wie eine Maßeinheit zugenommen, Herzerkrankungen ebenfalls. Das ist kein Zufall. Diese Krankheiten teilen sich gemeinsame Charakteristika: Sie werden im Mutterleib durch Exposition gegenüber bestimmten Chemikalien ausgelöst, und das Ergebnis zeigt sich im Erwachsenenleben. Wissenschaftler nennen dieses Gebilde „den fetalen Ursprung von Erwachsenenkrankheiten.“ 

Die wahrscheinlichsten Missetäter sind Chemikalien, die jetzt zusammen in der Rubrik „endokrine Disruptoren“ gruppiert werden. (Anm.: Damit werden Stoffe bezeichnet, die wie Hormone wirken und so das empfindliche Gleichgewicht des Hormonsystems stören können). 

Es ist seit etwa zwei Jahrzehnten bekannt, wenn auch von den Herstellern bestritten, dass diese Chemikalien die normalen Signalübertragungswege für Hormone verändern. Man denke an Bisphenol A (BPA), zur Zeit der meist gefeierte endokrine Disruptor der Nation. 

Pestizide, wenn auch nicht speziell als endokrine Disruptoren gedacht, noch als solche geregelt, können ebenso die normale Entwicklung aus der Spur bringen. Die Wissenschaft hat gerade eben festgestellt, dass eine Gruppe von Pestiziden, die zudem weltweit am Häufigsten Verwendung findet, in Zusammenhang mit diesen drei Erwachsenenkrankheiten steht. Es ist die Gruppe der Organophosphate, zusammengebraut aus Mineralöl mit einer Beigabe von Phosphorsäure.  

Wenn Ratten diesen Pestiziden durch die Nahrung der Mutter in der Entwicklungsphase ausgesetzt sind, die equivalent dem zweiten Trimester eines menschlichen Babys im Mutterleib ist, verändert sich deren Metabolismus auf zwei Arten: Ihr Cholesterol und die Triglyzeride steigen an. Diese abnormen und bleibenden Veränderungen ähneln denen, die im späteren Leben Übergewicht, Diabetes und Herzkrankheiten vorausbestimmen und lenken (Speziell Arteriosklerose, ein Zustand, bei dem sich fettes Material entlang der Arterien ansammelt und die Arterienwände verhärten lässt). 

Diese Veränderungen des Metabolismus geschehen auf niedrigem Niveau, innerhalb der Werte, denen wir einheitlich ausgesetzt sind, Werte, von denen die Umweltschutzbehörde angibt, dass sie „sicher“ sind, was sie aber augenscheinlich nicht sind. Die Veränderungen sind am Stärksten, wenn die Rattenmütter mit einer fettreichen Diät gefüttert werden. Menschliche Babys, selbst wenn sie bei Geburt untergewichtig sind (und es gibt eine Flut von untergewichtigen Babys) werden schnell übergewichtig. 

Menschen sind diesen Pestiziden durch unsere Nahrung und unser Wasser ausgesetzt. Natürlich sind unsere Kinder ihnen, wenn sie geboren sind, weiterhin ausgesetzt, und in Wahrheit sind sie ihnen als Erwachsene noch stärker ausgesetzt, weil sie in Relation mit ihrem Körpergewicht mehr essen und trinken und eine vergleichbar größere Hautoberfläche haben.

Die weiteren Bevölkerungsgruppen, die am häufigsten Organophosphaten und anderen Pestiziden ausgesetzt sind, sind die gleichen Bevölkerungsgruppen mit den höchsten Übergewichtsanteilen – Menschen, die in heruntergekommenen innerstädtischen Gegenden wohnen, die Armen, und die Landarbeiter. Nochmals, das ist kein Zufall, aber ein Zusammenhang, ein Auslöser.

Dr. Ted Slotkin von der Duke University, der Forscher, der verantwortlich ist für diese Erkenntnisse, hat einen anderen zwingenden Anhaltspunkt gefunden: Exposition verursachte Schädigungen im Gehirn von Nagetieren, als auch in dessen Metabolismus. Wenn das exponierte Labortier dann geboren ist und angefangen hat, selbstständig zu fressen, reduzierte der Verzehr fettreicher Nahrung die widrigen Symptome bei deren Hirnfunktion. Wie Dr. Slotkin sinnierend sagte, „Wenn man neurofunktionale Defizite entwickelt hat, und diese durch pausenloses Essen von Big Macs ausgeglichen werden können, dann wird man natürlich (aber unbewusst) diese Art von Essen auswählen, weil man sich dadurch besser fühlt.“ Bedauerlicherweise, verstärkt jedoch vermehrtes Fett die Schädigung des Metabolismus bei Tieren oder bei Menschen.  

Was diese Erkenntnisse für Sie bedeuten:  

Speziell wenn man schwanger werden will, während der Schwangerschaft, während des Stillens und für Ihre Kinder, sollten Sie Pestizide vermeiden; Sie sollten biologisch essen.

Als Information über Hormonsystem beeinträchtigende Substanzen sollte man die Broschüren, die von einer gemeinnützigen Initiative herausgegeben wurde, lesen: BUND INFO-BROSCHÜREN

Autor: Alice Shabecoff für CSN – Chemical Sensitivity Network, 8. November 2009

Übersetzung: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network

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Alice Shabecoff war in ihrem Berufsleben als Journalistin für die New York Times, die Washington Post und die International Herald Tribune tätig. Sie schrieb zusammen mit ihrem Mann Philip Shabecoff das Buch Poisoned Profits.

CSN Artikel zum Buch von Philip und Alice Shabecoff: Vergiftete Profite

Neues zur Umwelterkrankung MCS: Die Erde ist eine Scheibe!

Die Erde ist eine Scheibe

 

Wir wissen heute, daß die Erde keine Scheibe ist. Trotzdem muß man dies scheinbar immer wieder neu beweisen. Thomas S. Kuhn ein amerikanischer Wissenschaftstheoretiker hat gezeigt, daß die Wissenschaft keinen geraden Weg vom Aberglauben zum überprüfbaren Wissen geht. Es bilden sich herrschende Lehren. Deren Paradigmen beanspruchen selbst dann noch ihre Gültigkeit, wenn neue Paradigmen die Wirklichkeit längst besser erklären. Damit es zum Fortschritt kommt, muß eine wissenschaftliche Revolution stattfinden. Diese Revolutionen sind nicht gesitteter als die politischen. Auch Wissenschaftler haben Interessen und Eitelkeiten, sind zu Lügen und Intrigen imstande.

Thomas Kuhn fiel mir wieder ein, als Night Jumper den neusten Canary Report weiter twitterte. Darin las ich einen schönen Satz:

There is a long history of false psychogenic claims in medicine, where such diseases as asthma, autism, Parkinson’s disease, ulcers, multiple sclerosis, lupus, interstitial cystitis, migraine and ulcerative colitis have been claimed to be generated by a psychological mechanism.

Diese Feststellung von Professor Pall, Emeritus für Biochemie und Medizinische Grundlagenforschung an der Washington State University lautet auf Deutsch:

Falschbehauptungen über psychische Ursachen haben in der Medizin eine lange Geschichte. Es wurde behauptet, die Entstehung von Erkrankungen wie Asthma, Autismus, Parkinson, Magengeschwüre, Multiples Sklerose, Lupus, chronische Blasenentzündung, Migräne und chronische Darmentzündung wären auf psychische Mechanismen zurück zu führen.

Diese Krankheiten kann man inzwischen zum Nutzen der Patienten besser erklären. Beispielhaft erwähnt Professor Pall, daß im Jahre 2005 Robin Warren und Barry Marshall den Nobel-Preis für den Nachweis bekamen, daß Magengeschwüre auf bakterielle Infektionen und nicht auf psychische Ursachen zurückzuführen sind.

Der Canary Report berichtet noch mehr ermutigendes. Er gewährt vorab Einblick in ein von Prof. Pall verfaßtes Kapitel einer Referenz-Publikation für Toxikologie.

Der Inhalt kann an anderer Stelle kompetenter als von mir erläutert werden. Ich fasse grob zusammen:

Multiple Chemikalien Sensibilität ist weiter verbreitet als Diabetes. Das belegen epidemologische Studien aus den Vereinigten Staaten, aus Kanada, Deutschland, Schweden und Dänemark. MCS ist auf Exposition durch insgesamt sieben Chemikalien-Klassen zurückzuführen. U.a. Pestizide und organische Lösungsmittel. Dies wurde, wie es so schön heißt, am Tiermodell bewiesen. Die biochemischen Vorgänge sind erforscht. Man kann sowohl die Entstehung von MCS als auch die Reaktionen MCS-Kranker auf biochemischer Ebene beschreiben. Wer sich damit auseinander setzen will, muß sich mit NMDA-Rezeptoren und mit dem NO/ONOO-Kreislauf befassen.

Zu finden in:

General and Applied Toxicology, 3rd Edition
Bryan Ballantyne (Editor), Dr Timothy C. Marrs (Editor), Tore Syversen (Editor)
ISBN: 978-0-470-72327-2
Hardcover
3944 pages
October 2009

Eigentlich hab ich nun alles gesagt. Wer anderer Meinung ist, kann sich an die Arbeit machen, die Ergebnisse von Prof. Pall zu widerlegen. Da nun aber schon wieder eine Erkrankte gestorben ist, kann ich mir die folgenden Anmerkungen nicht verkneifen.

Eigentlich sollte es völlig egal sein, wie eine Krankheit zu erklären ist. Ein Kranker erwartet, daß man ihm so gut es geht hilft, selbst wenn man nicht genau weiß, was ihm fehlt.

Wer am lautesten schreit, muß nicht am kränksten sein, dennoch sollte man Patienten ernst nehmen. Außerdem spricht der Körper mit seinen Symptomen eine Sprache die Mediziner verstehen. Man sieht was dem Patient bekommt oder schadet. Selbst wenn die körperlichen Reaktionen psychosomatisch bedingt wären, was bei MCS nicht der Fall ist, darf man diese Reaktionen nicht vorsätzlich hervorrufen.

Wenn keine schulmedizinische Medikation möglich ist, hat sie zu unterbleiben! Im Falle von MCS hilft nur striktes Vermeiden von Stoffen die Reaktionen auslösen, Entgiftung, z.B. mittels Sauna und gesunde Lebensweise. Dabei bleibt mit Diagnose (PDF-Link), Untersuchungen, Rat und Tat immer noch genug Arbeit für den Arzt. Sie können solchen Patienten am besten helfen, indem Sie sich unvoreingenommen aus allen Quellen über Umwelterkrankungen informieren und den Mist vom Ökochonder nicht glauben.

Autor: BrunO Zacke, Ufocomes Blog, 19. Okt. 2009

Herzlichen Dank an BrunO, dass wir diesen Artikel im CSN Blog einstellen durften.

Weitere Blogs zum Thema MCS von BrunO:

Multiple Chemical Sensitivity – eine Krankheit verursacht durch toxische Chemikalienexposition

Prof. Dr. Martin PallEine bedeutender Artikel über MCS – Multiple Chemical Sensitivity wurde am 23. Oktober 2009 von Professor Martin L. Pall als Kapitel XX in einem angesehenen Referenzwerk für  Toxikologen, „General and Applied Toxicology, 3rd Edition“ (John Wiley & Sons) veröffentlicht. Multiple Chemical Sensitivity (MCS) ist auch als Chemical Sensitivity, chemische Intoleranz und toxisch bedingter Toleranzverlust bekannt, wobei der letzte Begriff die Rolle von Chemikalien als Krankheitsauslöser unterstreicht. Pall’s Veröffentlichung mit dem Titel: Multiple Chemical Sensitivity: Toxikologische Fragen und Mechanismen, basiert auf fünf wichtigen Fakten über MCS:    

1. MCS ist eine erstaunlich häufige Krankheit, sogar häufiger als Diabetes. Das stellte sich durch eine Reihe von neun epidemiologischen Studien aus den Vereinigten Staaten und jeweils einer Studie aus Kanada, Deutschland, Schweden und Dänemark heraus. In den Vereinigten Staaten sind schätzungsweise 3,5% der Bevölkerung von schwerer MCS betroffen, eine weitaus höhere Anzahl, mindestens 12% der Bevölkerung, ist mäßig betroffen. MCS ist demnach eine sehr große international auftretende Krankheitsepidemie mit weitreichenden Auswirkungen in Hinsicht auf die öffentliche Gesundheit.  

2. MCS wird durch toxische Chemikalienexposition verursacht. MCS Krankheitsfälle werden durch Exposition gegenüber sieben verschiedenen Chemikalienklassen initiiert. Dazu gehören drei Klassen von Pestiziden und die sehr große Klasse organischer Lösungsmittel und verwandter Verbindungen. Ergänzend führen publizierte Studien Quecksilber, Schwefelwasserstoff und Kohlenmonoxyd als Initiatoren an. Von allen dieser sieben Chemikalienklassen wurde in Tierversuchen gezeigt, dass sie eine gemeinsame Reaktion im Körper hervorrufen, und zwar eine übermäßige Aktivität eines Rezeptors, der als NMDA Rezeptor bekannt ist. Weiterhin haben Tierversuche demonstriert, dass bei den Chemikalien, die einer dieser sieben Klassen angehören, die toxische Wirkung durch Medikamente, die die NMDA-Aktivität vermindern, stark reduziert wird. Weil übermäßige NMDA-Aktivität auch nach anderen Studien an MCS beteiligt ist, haben wir jetzt eine überzeugende, bei allen MCS-Fällen gemeinsame Reaktion, die erklärt, wie derartig verschiedene Chemikalien die Krankheit, die wir MCS nennen, hervorrufen können.  

3. Die Rolle von Chemikalien als Giften bei MCS wurde durch genetische Studien bestätigt. Vier solcher Studien haben gezeigt, dass Gene, die die Geschwindigkeit der Metabolisierung von an MCS beteiligten Chemikalien bestimmen, die Anfälligkeit, an MCS zu erkranken, beeinflussen. Diese vier Studien wurden durch drei Wissenschaftlerteams in drei Ländern, den USA, Kanada und Deutschland publiziert. Sie haben insgesamt sechs Gene ermittelt, die an der Festlegung der Suszeptibilität für MCS beteiligt sind. Jedes dieser sechs Gene hat eine Rolle bei der Festlegung der Metabolisierungsrate von Chemikalien, die mit MCS in Zusammenhang stehen. Die deutschen Studien von Schnakenberg und seinen Kollegen, die vier dieser sechs Gene einbezog, sind hierbei wegen des extrem hohen Grades an statistischer Signifikanz ihrer Studien besonders überzeugend. Es gibt nur eine Interpretation für die Rolle dieser Gene bei der Festlegung der Suszeptibilität für MCS. Und zwar, dass Chemikalien bei der Initiierung von MCS-Krankheitsfällen als Gifte agieren und dass die Verstoffwechselung dieser Chemikalien zu Formen, die dabei entweder weniger aktiv oder stärker aktiv sind als zu Beginn, deswegen die Wahrscheinlichkeit beeinflusst, ob eine Person an MCS erkranken wird. Es ist daher offensichtlich, dass MCS ein toxikologisches Phänomen ist, bei dem Krankheitsfälle durch eine toxische Reaktion gegenüber Chemikalienexposition verursacht wurden.  

4. Wir haben einen detaillierten und generell gut untermauerten Mechanismus für MCS. Dieser Mechanismus erklärt sowohl die hochgradige Chemikalien-Sensitivität, die das charakteristischste Symptom von MCS ist, als auch viele andere Symptome und Kennzeichen dieser Erkrankung. Dieser Mechanismus beruht auf einem biochemischen Teufelskreis, der auch als NO/ONOO-Zyklus bekannt ist, und mit anderen Mechanismen interagiert, die schon vorher als für MCS mitverantwortlich verdächtigt worden waren, insbesondere neuronale Sensibilisierung und neurogene Entzündung. Diese agieren lokal in den verschiedenen Geweben des Körpers, um eine lokale Sensibilität in Regionen des Gehirns und der peripheren Gewebe zu erzeugen, einschließlich der Lungen, des oberen Respirationstraktes, Regionen der Haut und des Verdauungstraktes. Auf Grund dieser lokalen Beschaffenheit, also weil die betroffenen Gewebe sich von einem Patienten zum anderen unterscheiden, unterscheiden sich verschiedene MCS Patienten von einander auch in ihren Sensibilitätssymptomen. Zusätzlich zu den oben diskutierten Belegen, wird dieser generelle Mechanismus durch verschiedene physiologische Veränderungen unterstützt, die bei MCS und verwandten Krankheiten gefunden werden, bei MCS-Tiermodellen, bei objektiv messbaren Reaktionen von MCS-Patienten gegenüber Chemikalien im Niedrigdosisbereich und bei therapeutischen Reaktionen, die bei MCS und verwandten Krankheiten gefunden werden.   

5. Seit über 20 Jahren haben einige fälschlicherweise behauptet, MCS sei eine psychogene Erkrankung, die nach deren Sicht durch schlecht definierte psychologische Mechanismen erzeugt wird. Diese Sicht ist jedoch vollständig inkompatibel mit den ganzen Beweisen, die zuvor in dieser Veröffentlichung diskutiert wurden.  Obwohl solche Unvereinbarkeit schon mehr als Grund genug ist, diese psychogenen Behauptungen zurückzuweisen, führt der MCS-Toxikologie Artikel acht weitere schwerwiegende Mängel in den psychogenen Argumentationen auf. Es gibt eine lange Historie falscher Psychogenitätsbehauptungen in der Medizin, während der über Krankheiten wie Asthma, Autismus, Parkinson, Magengeschwüre, Multiple Sklerose, Lupus, interstitielle Zystitis, Migräne und Colitis Ulcerosa behauptet wurde, sie würden durch psychologische Mechanismen erzeugt werden. Der Nobelpreis in Physiologie und Medizin im Jahr 2005 wurde Dr. Robin Warren und Barry Marshall verliehen, weil sie zeigten, dass Magengeschwüre durch eine bakterielle Infektion verursacht werden und nicht psychogenen Ursprungs sind. Es ist nunmehr klar, dass MCS eine physiologische, durch Chemikalienexposition hervorgerufene Erkrankung ist, von der fälschlicherweise behauptet wurde, sie sei psychogen.   

Martin L. Pall ist Professor Emeritus für Biochemie und Allgemeinmedizinische Wissenschaft an der Washington State University.   

Kontakt: martin_pall@wsu.edu  Webseite: www.thetenthparadigm.org  

Übersetzung: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network 

Weitere Artikel über Prof. Martin Pall und seine Wissenschaft:

MCS-Kranken eine Stimme geben: Mia’s Fall

Zerstörte Existenz durch Pestizide

Zerstörte Existenz durch Pestizide

Mia war Lehrerin und kann heute wegen ihrer Chemikalien-Sensitivität (MCS) nicht mehr arbeiten. Sie wurde durch Chemikalien im eigenen Haus krank. Beim Gesundheitsamt wurde sie nicht ernst genommen und sogar verbal angegriffen. Geholfen hat ihr natürlich niemand.

„Sehr schlimm war für mich, als mich die damalige Amtsärztin unseres „Gesundheitsamtes“ hier im Emsland fertigmachte, nachdem ich 4 Wochen in der damaligen Umweltklinik in Inzell/Bayern erfolgreich verbracht hatte. Ich hatte einen regulären Termin bei ihr, nachdem ich (nach 4jähriger, nachgewiesener Intoxikation mit Insektizidstäuben in unserem Wohnhaus) aus Gesundheitsgründen meinen Beruf im Schuldienst nicht mehr ausüben konnte und freiwillig aufgegeben hatte.

Diese Klinik hatte mir endlich geholfen und ich sah Perspektiven für meine Zukunft. Der Bericht aus Inzell hatte klar die allergologischen, immunologischen und andere Gesundheitsschäden definiert.

Die Amtsärztin, als Aufsichtsperson über den bei uns eingesetzten Schädlingsbekämpfer, der uns genau von dieser Behörde empfohlen worden war, schrie mich an, was mir einfiele, ihr so einen Bericht vorzulegen. Zitat: „Sie schminken sich nicht und essen wohl nur Körner, Sie gehören wohl zu den Grünen!“ Damit war für Frau Dr. G…berg das Thema Gift in unserem ganzen Haus und meine schwere Erkrankung erledigt.

Genau diese Personen sind es, die diese Vergiftungen nicht weitermelden, weil sie ihre eigene Verantwortung fürchten oder ihr gutes Verhältnis zur Firma des Kammerjägers nicht belasten wollen. An diesen Personen scheitert schon die Aufklärung über Umweltkrankheiten und ihre Ursachen.

In meiner Personalakte, die ich, leider erst Jahre später, einsah, hieß es dann. Zitat:“ Frau ….. ist sich der Ursache Ihrer Erkrankung selber nicht bewusst.“ Eine glatte Lüge. Bis dahin hatte sich Frau „Dr. G…berg“ längst versetzen lassen und damit vom Acker gemacht. Dass für mich und meinen Mann damals wieder eine Welt zusammenbrach, nachdem wir gerade Haus und Hab und Gut (alles war kontaminiert) verloren hatten, interessierte sie keine Spur.“

Fakt ist, dass bei Mia die Erkrankung diagnostiziert und definitiv vorhanden war. Durch die jahrelange Giftbelastung im Haus war sie empfindlich auf Chemikalien geworden. Das hatte nichts mit ihrer Einstellung oder mit Angst vor Chemikalien zu tun. Die Aussage der Amtsärztin war also ausschließlich als Beleidigung gedacht und hatte keinen Bezug zur Realität.

Mias Fall ist kein Einzelfall. Es würde Behörden Geld kosten, wenn sie anerkennen, dass Menschen durch Chemikalien krank werden und dann nicht mehr arbeiten können. Das scheint auch den einzelnen Personen in den Behörden klar zu sein. Sie machen kranke Menschen systematisch fertig.

Autoren: Amalie und Mia, CSN – Chemical Sensitivity Network, 12. Oktober 2009

Weitere interessante Artikel zum Thema:

US Firma muss fast 1 Million Dollar zahlen – Antibakterielle Ausrüstung in Schuhen stellt Pestizide dar

Schuhe mit antibakterieller Ausrüstung

SAN FRANCISCO – Die amerikanische Umweltschutzbehörde EPA hat eine Klage gegen einen Konzern für Outdoor Kleidung eingereicht. Die EPA wirft dem Mutterkonzern der Outdoor Firma The North Face vor, nicht zugelassene Pestizide in Handel und Verkauf gebracht zu haben.

Die EPA gibt an, dass The North Face öffentlich unbegründete Gesundheits-versprechen macht bezüglich nicht zugelassener Produkte und deren Fähigkeit, Bakterien und Krankheitserreger zu kontrollieren. Dies stellt laut EPA Pressemitteilung eine Verletzung der staatlichen Gesetzgebung für Insektizide, Fungizide und Rodentizide dar. Die beanstandeten Produkte wurden online ausfindig gemacht und Beweisstücke fanden sich in Einzelhandelsgeschäften von The North Face in San Francisco. Dies veranlasste die Behörde, eine Beschwerde gegen den Mutterkonzern VF Corporation zu erheben.

„Die EPA nimmt ihre Verantwortung, gegen Unternehmen vorzugehen, die Produkte mit unbegründeten antimikrobiellen Fähigkeiten verkaufen, sehr ernst“, sagte Katherine Taylor, die stellvertretende Direktorin der EPA Pacific Southwest Region. „Unbewiesene öffentliche Gesundheitsversprechen können Menschen dazu führen anzunehmen, dass sie beschützt sind vor krankheitsverursachenden Organismen, wobei sie in Wahrheit nicht davor geschützt sind.“

In Frage gestellt wurden mehr als 70 verschiedene Schuhmodelle, die ein AgION silberbehandeltes Fußbett besitzen. Die Firma verkaufte diese Produkte mit den unbegründeten Versprechungen, dass diese Schuhe krankheitsverursachende Bakterien verhindern könnten. Insbesondere beanstandet wurden folgende von The North Face gemachten öffentlichen Gesundheitsversprechen über die Schuhe online und auf Produktverpackungen:

  • „AgION antimikrobielle Silbersubstanzen hemmen das Wachstum von krankheitsauslösenden Bakterien“
  • „Verhindert Bakterien- und Schimmelwachstum“
  • Anhaltende Freisetzung von antimikrobiellen Substanzen

Nachdem The Noth Face von der EPA kontaktiert wurde, stoppte die Firma die Versprechungen, dass ihr Schuhwerk gegen Bakterien schützt, entfernte die Versprechungen auf der Webseite und überarbeitete die Produktverpackungen.

Produkte, die Bakterien oder Erreger töten, sind im festgelegten Sinne Pestizide und müssen von der EPA vor Vertrieb und Verkauf zugelassen werden. Die Behörde lässt kein Pestizid zu, bis sie geprüft hat, dass es kein unzumutbares Risiko darstellt, wenn es gemäß der Gebrauchsanweisung verwendet wird. Konsumenten sollten vorsichtig sein und nachschauen nach der EPA Registrierungsnummer, die auf einem Produktlabel aufgedruckt ist, und sollten die Gebrauchsanweisung für eine ordnungsgemäße Verwendung befolgen.

Literatur:

EPA, „The North Face“ Clothing Parent Company Facing Nearly $1M in Federal Fines Following Unsubstantiated Product Claims, 09/22/2009

Übersetzung: CSN

CSN im TV – Wenn der Job Menschen krank macht – Gift am Arbeitsplatz

Gift am Arbeitsplatz

Heute wurde ein TV Beitrag gedreht, in dem auch CSN und Dr. Klaus Runow vom Institut für Umweltkrankheiten mitgewirkt haben. Die Reportage „Gift am Arbeitsplatz“ wird morgen schon gesendet. Wer den SWR nicht empfangen kann, ab Freitag wird der Beitrag auch online zu sehen sein.

SWR Ländersache – Sendung am Donnerstag, 03.09.2009, 20.15 bis 21.00 Uhr

Wenn der Job Menschen krank macht – Gift am Arbeitsplatz

Sie darf weder Weichspüler noch Haarspray benutzen, und wenn Besucher kommen, bittet sie sie, kein Parfum aufzulegen. Silvia Müller ist krank – ihr Körper reagiert allergisch auf immer mehr Chemikalien. Der Grund: Ihr früherer Arbeitgeber, ein großes Warenhaus, versprühte jede Nacht Insektengift, Silvia Müller und mehrere ihrer Kollegen wurden dadurch offensichtlich vergiftet. Inzwischen ist sie schwerbehindert und Frührentnerin.

Kein Einzelfall: Auch verschiedene Mitarbeiter einer Modekette in Mainz wurden krank: Beim Auspacken und Aufbügeln der frisch gelieferten Ware kamen sie zu oft in Kontakt mit Chemikalien in Kleidung und Verpackung. Eine junge Dekorateurin musste mit gerade einmal Mitte 20 ihren Beruf aufgeben.

Viele Menschen werden krank durch ihren Arbeitsplatz – auf Hilfe von außen können sie meist nicht hoffen; Berufsgenossenschaften und Staatsanwälte scheuen sich offenbar, Präzedenzfälle zu schaffen. Sabine Rappen über das Tabuthema Berufskrankheit.

Text SWR: Sabine Rappen

Bild: SWR

Kräuter und „Killergewürze“ als biologische Pestizide: wirkungsvoll, gesundheitsverträglicher und umweltschonend

Kräuter als Schädlingsbekämpfungsmittel

Öl aus Rosmarin, Nelke und Pfefferminze schützt vor Schädlingen

Zunehmend wird man sich der Gefahr chemischer Pestizide bewusst und den Schäden, die sie bei Mensch und Natur anrichten. Wissenschaftler weltweit suchen gezielt nach Alternativen. Die Natur hat einiges aufzuwarten um Schädlinge in den Griff zu bekommen. Allergiker müssen jedoch auch bei den natürlichen Alternativen abwägen, ungefährlicher als langlebige hochtoxische Chemikalien sind sie jedoch allemal. Der nachfolgende Bericht aus Vancouver erläutert die Möglichkeiten und auch deren bisherige Schwächen, die man zu beseitigen versucht.

Natürliche Schädlingsbekämpfung im Trend

Extrakte aus Kräutern und Gewürzen bilden eine umweltverträgliche und gesündere Alternative zur herkömmlichen Schädlingsbekämpfung in der Landwirtschaft. Zu diesem Schluss kommen US-amerikanische Forscher beim Treffen der American Chemical Society Laut einem BBC-Bericht entwickelten sie biologische Pestizide, die auf der Mischung winziger Mengen von zwei bis vier verschiedenen Kräutern beruhen, die in Wasser aufgelöst werden. Die Substanzen töten Insekten direkt ab oder halten sie fern, ohne dabei für den Menschen oder die Umwelt ungünstige Nebenwirkungen zu entfalten. Besonders konzentrierten sich die Wissenschaftler dabei auf Wirkstoffe aus Rosmarin, Thymian, Gewürznelke und Pfefferminze.

Killergewürze

„Die neu entwickelten Produkte erweitern die bisher beschränkten Möglichkeiten, Schädlinge in der biologischen Landwirtschaft zu bekämpfen. Bisher gibt es nur wenige dafür geeignete Insektizide, doch ihre Zahl steigt ständig“, berichtet Studienleiter Murray Isman von der University of British Columbia http://www.ubc.ca. Einige Gewürz-basierte kommerzielle Produkte, die derzeit von Bauern eingesetzt werden, schützen bereits mit Erfolg biologische Erdbeer-, Spinat- und Tomatenfelder vor Blattläusen und Milben. Anders als konventionelle Pestizide könnten die „Killergewürze“ laut Isman den Zulassungsbehörden furchtlos ins Auge blicken und seien zudem bereits fertig für ihren Einsatz. „Ein wichtiger Vorteil dieser Methode ist, dass die bekämpften Insekten keine Resistenzen entwickeln“, so Isman. Zudem seien sie auch sicherer für Beschäftigte in der Landwirtschaft, die gewöhnlich den Pestiziden in Verbindung mit hohem Risiko ausgesetzt sind.

Pluspunkte bei Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit

Derzeit haben biologische Pestizide allerdings noch mit einigen Schwächen zu kämpfen. So verdunsten und zerfallen ätherische Pflanzenöle etwa schnell unter Sonnenlicht, zudem ist der Arbeitsaufwand größer, da Bauern sie häufiger als herkömmliche Pestizide anwenden müssen. „Die Wirkung von manchen Essenzen vergeht sogar schon nach einigen Stunden, während herkömmliche Pestizide tage- bis monatelang wirken. Da sie außerdem weniger stark sind, müssen sie in höheren Konzentrationen eingesetzt werden, um erwünschte Effekte zu erzielen“, so Isman. Um diesen Nachteil aufzuholen, sucht man derzeit nach Methoden, die neuen Wirkstoffe länger haltbar und stärker zu machen. „Sie sind kein Allheilmittel für die Schädlingsbekämpfung, haben jedoch in Sachen Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit eindeutige Vorteile.“

Pflanzliche Wirkstoffe weniger Gegenargumente als behauptet

„Der biologische Landbau verwendet „Pflanzenschutzmittel“ im wahrsten Wortsinn, wohingegen diese Aussage beim Einsatz herkömmlicher Pestizide ironisch ist. Hier trifft eher „Schädlingsbehandlung zu“, betont Lukas Schrattenthaler, Sprecher von Bio-Austria, gegenüber pressetext. In der EU sind mehrere hundert pflanzliche Wirkstoffe erlaubt, die in der biologischen Landwirtschaft eingesetzt werden können. Viele dieser Essenzen fördern auch gezielt die Entwicklung von Nützlingen, die das Pflanzenwachstum begünstigen. Schrattenthaler sind die Probleme, mit denen biologische Pestizide zu kämpfen haben, bekannt. „Die Benetzung und Haftung ist geringer als beim Einsatz von Chemie. Das oft vorgebrachte Gegenargument, dass die Notwendigkeit, in Folge häufiger in den Acker gehen zu müssen, dem Boden mehr schadet als die Chemie, ist jedoch nicht haltbar.“

Sensibilisierung der Konsumenten verlangt sichere Produkte

Als entscheidenden Vorteil der pflanzlichen Düngemethode sieht der Biobauern-Sprecher die Vermeidung von Rückständen in den Produkten selbst als auch in der Umwelt. „Ein Teil der herkömmlichen Spritzmittel landet in der Luft, im Boden oder im Trinkwasser und sorgt auch dort für entsprechende, unerwünschte Umweltwirkungen. Biologische Lösungen sind somit Teil des Umwelt- und Klimaschutzes und liefern einen gesellschaftlichen Beitrag.“ Schrattenthaler hält es für wahrscheinlich, dass „biologische Pestizide“ eines Tages auch in der nicht-biologischen Landwirtschaft größere Verbreitung erringen. „Erstens spielt der Kostenfaktor eine entscheidende Rolle, denn chemische Dünge- und Pflanzenschutzmittel werden immer teurer. Daneben steigt beim Konsumenten die Sensibilisierung dafür, dass Agrarförderungen aus Steuermitteln für Lösungen eingesetzt werden, die umweltverträglich sind.“

Autor:

Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 20. August 2009

pressetext.austria, Kräuter als biologische Pestizide, Vancouver (pte/19.08.2009/11:35)

Pollen, Getreidestaub, Pestizide, Schimmelpilze bei der Getreideernte – Ein Problem für Umweltkranke und Allergiker

Getreideernte sorgt bei Allergikern für Gesundheitsbeschwerden und Allergie

Seit ein paar Wochen sind Mähdrescher überall im vollen Einsatz und holen Getreide ein. Die Staubfahnen, die beim Abmähen des Getreides entstehen, steigen hoch und werden mit dem Wind kilometerweit getragen.

Der feine Staub dringt durch jede Ritze, und mancher Allergiker oder Umweltkranke erleidet schwerste Symptome: Erschöpfung, Kopfschmerzen, Fieber, Unruhe, Atemwegsbeschwerden, Schüttelfrost, ständiges Frieren, etc.

Nicht verwunderlich, denn der Getreidestaub, der beim Abmähen freigesetzt wird, besteht aus Pollen, Getreidestaub, Pestizid- und Fungizidrückständen, und manchmal kommen noch Schimmelpilze hinzu.

Thommy’s Blogfrage der Woche: Wie geht es Euch während der Erntesaison?

  • Reagiert Ihr auf die Mischung von Pollen, Getreidestaub, Pestiziden, Fungiziden und Schimmelpilzen?
  • Hat sich Euer Gesamtzustand oder Eure Chemical Sensitivity während der Erntesaison verschlechtert?
  • Habt Ihr schwerere Symptome als sonst? Welche?
  • Wie schützt Ihr Euch im Haus, im Auto, unterwegs?

Insektizideinsatz im Ferienflieger – Welche Ansprüche hat der Passagier?

In den Urlaub mit dem Flugzeug - Pestizide fliegen oft mit

Würzburg, 26.05.2009. So mancher Passagier wundert sich vor dem Rückflug aus fernen Ländern, dass das Flugpersonal vor Abflug und lediglich nach einer kurzer Ankündigung unerwartet ein Insektizid über die Köpfe der Passagiere hinweg versprüht, ohne dass diese sich – beispielsweise durch eine Atemmaske – dagegen schützen können.

Wer zum ersten Mal eine Fernreise gebucht hat, ist in aller Regel mehr als überrascht, nun plötzlich vor dem Rückflug aus dem Urlaubsland von einem Mittel eingenebelt zu werden, dessen Namen, Wirkung und Risiko er nicht kennt und das nach den Angaben des Flugpersonals angeblich in keiner Weise gesundheitsschädlich ist Denn keine oder kaum eine Airline weist ihre Passagiere bereits vor der Buchung ausdrücklich auf die Anwendung dieses im Fachjargon „Blocks-Away-Method“ genannten Verfahrens und etwaige Risiken hin. Es fragt sich, welche Rechte dem Passagier gegen die Airline im Zusammenhang mit dieser sog. „Desinsektion“ zustehen.

I. Urteil des Amtsgericht Frankfurt am Mai v. 04.12.2008 (Az. 29 C 1524/08 – 46)

Am 04.12.2008 entschied das Amtsgericht Frankfurt am Main in einem von mir gegen die Air France geführten Verfahren über Auskunftsansprüche eines Passagiers. Das Urteil ist nach meiner Kenntnis deutschlandweit das erste überhaupt zu dieser Fragestellung. Zur Hälfte wurde der Klage stattgegeben, im Übrigen wurde sie zurückgewiesen. Die Zurückweisung wurde damit begründet, dass der Kläger nach Ansicht des Gerichts in Bezug auf zwei Klageanträge kein Rechtsschutzbedürfnis hatte, u.a., weil er sich über das von der Beklagten angeblich verwendete Permethrin:

(…) vorprozessual bereits selbst umfassend und mit einer Gründlichkeit informiert hatte, wie sie von der Beklagten nur schwer überboten werden dürfte“.

Erst kurz vor Ende des Verfahrens stellte sich heraus, dass nicht Permethrin, sondern d-Phenothrin versprüht worden war, also ein gänzlich anderes Insektizid als dasjenige, das zunächst von der Air France angegeben wurde. Dennoch wurde die Klage zum Teil abgewiesen.

Das Amtsgericht Frankfurt am Main verurteilte die Beklagte, dem Kläger darüber Auskunft zu erteilen:

1. welche Konzentration an Permethrin und ggf. welche weiteren Inhaltsstoff ein welcher Menge das von der Beklagten auf dem Rückflug des Klägers von Kuba nach Paris Charles de Gaulle versprühte Produkt enthält.

2. in welcher Menge dieses Insektizid auf diesem Flug versprüht wurde.

II. Rechtsgrundlage des Anspruchs und Feststellungen des Gerichts

Das Amtsgericht leitete den Auskunftsanspruch des Klägers aus dem mit der Airline abgeschlossenen Beförderungsvertrag in Verbindung mit den Grundsätzen von Treu und Glauben her und führt in seinem Urteil wörtlich aus:

Dem Kläger steht zunächst grundsätzlich ein Auskunftsanspruch über Zusammensetzung, Intensität, Menge, Wirkweise und Gesundheitsrisiken des von der Beklagten anlässlich des streitgegenständlichen Fluges verwendeten Mittels zu. Insoweit ist die Beklagte aus vertraglicher Nebenpflicht des Luftbeförderungsvertrages heraus verpflichtet, zumindest auf konkrete Anfrage eines über gesundheitliche Beschwerden nach dem Flug klagenden Fluggastes umfassend Auskunft über das eingesetzte Desinsektionsmittel zu erteilen, um es dem betroffenen Fluggast zu ermöglichen, sich ein Bild über mögliche gesundheitliche Risiken zu verschaffen, ggf. angemessene ärztliche Behandlungsmaßnahmen einzuleiten und für sich zu entscheiden, ob künftig Flüge dieser Art für ihn noch verträglich sind.“

Das Gericht stellt weiter fest:

„Hierbei kann es für die Bejahung eines solchen, individuellen Anspruches des Klägers dahinstehen, ob von dem durch die Beklagte verwendeten Desinsektionsmittel üblicherweise keine Gesundheitsgefahren ausgehen und der ganz überwiegende Großteil aller Fluggäste nicht über Beeinträchtigungen der Gesundheit klagt.

(…) Hier ist die Frage entscheidungserheblich, ob die Beklagte auf Nachfrage eines über gesundheitliche Beeinträchtigungen aufgrund der durchgeführten Desinsektion klagenden Fluggastes nachträglich verpflichtet ist, umfassend Auskunft über das verwendete Desinsektionsmittel zu erteilen.

(…) Ein Anspruch des Fluggastes besteht bereits auch, um zu ermitteln, ob diese Beschwerden auf das Desinsektionsmittel oder auf andere Ursachen zurückzuführen sind. (…) Denn es ist dem derart betroffenen Fluggast nicht zuzumuten und auch nicht ohne weiteres möglich, sich die erforderlichen Informationen eigenständig zu beschaffen, um die für ihn von dem Desinsektionsmittel ausgehenden Gesundheitsrisiken einzuschätzen.

(…) Die Erteilung solcher Informationen in Einzelfällen wie dem hier gegenständlichen ist der Beklagten auch zuzumuten. Hierbei fällt wesentlich ins Gewicht, dass die Versprühung des Desinsektionsmittels durch die Beklagte veranlasst wird und davon auszugehen ist, dass sich die Beklagte im Klaren darüber ist, welche inhaltliche Zusammensetzung in welcher Konzentration und Menge mit welchen möglichen Gesundheitsrisiken über die Köpfe ihrer Fluggäste versprüht wird.“

III. Aufklärungspflicht bereits vor Buchung der Reise?

Über die Frage, ob Passagiere auch Anspruch darauf haben, bereits vor Abschluss des Luftbeförderungsvertrags darüber aufgeklärt zu werden, dass vor dem Rückflug aus dem Urlaubsland eine Desinsektion durchgeführt werden wird, hatte das Gericht nicht zu entscheiden. Nach meiner Ansicht muss jedoch auch ein solcher Anspruch bejaht werden und zwar aus den folgenden Gründen:

Nach den Grundsätzen der sog. culpa incontrahendo (vorvertragliches Verschulden) ist der eine Vertragspartner dem anderen gegenüber verpflichtet, diesen unaufgefordert über solche Umstände aufzuklären und zu informieren, die für dessen Entscheidung erheblich sind. (1) Tut er dies nicht, dann kann sich hieraus eine Schadensersatzpflicht ergeben.

Die Frage, ob die von den Airlines eingesetzten Insektizide beim Menschen oder auch nur bei manchen Menschen wie beispielsweise Asthmatikern oder Chemikaliensensiblen, Gesundheitsbeschwerden hervorrufen können, wird in der Wissenschaft zwar nicht einheitlich beantwortet, aber in der Literatur sind eine ganze Anzahl von Fällen dokumentiert, in denen Fluggäste oder auch Bordpersonal nach Durchführung einer Desinsektion im Flugzeug über Gesundheitsprobleme klagten. (2)

Dies ist auch den Airlines bekannt oder muss ihnen jedenfalls bekannt sein. Mir liegen Berichte von drei weiteren Personen vor, die angaben, nach Durchführung einer blocks-away-Desinsektion unter gesundheitlichen Problemen gelitten zu haben. Eine diese Personen gab an, nach der Desinsektion auf einem Flug für rund eine Viertelstunde ohnmächtig gewesen zu sein. Eine weitere dieser Personen, die nach einer Desinsektion zusammen mit ihrem Ehemann unter starken Atemproblemen litt, beschwerte sich nach einem Flug von Dubai nach Paris schriftlich bei der Air France und schrieb zudem einen Leserbrief an das Magazin Stern (Nr. 18/2008).

Da die Airlines also wissen, dass die von ihnen zur Desinsektion verwendeten Mittel zumindest bei einer Anzahl von Personen zum Teil erhebliche Beschwerden hervorrufen können, ergibt sich nach meiner Ansicht nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo und dem Grundsatz von Treu und Glauben eine Pflicht der Airlines, ihre potentiellen Passagiere bereits vor Buchung einer Reise in geeigneter Weise – z.B. auf den Internetseiten – auf das Verfahrender Desinsektion und die damit etwaig verbundenen Risiken hinzuweisen.

Nur so ist sichergestellt, dass sich beispielsweise ein Asthmatiker, Allergiker oder chemikaliensensibler Mensch bereits vor Antritt einer Reise bei seinem Arzt informieren kann, ob er den Strapazen einer solchen Flugreise gesundheitlich überhaupt gewachsen ist. So fern es in diesem Punkt Zweifel gibt, kann er sich noch gegen eine Buchung entscheiden, anstatt vollkommen uninformiert zu buchen und dann erst vor Antritt des Rückflugs aus heiterem Himmel und ohne Möglichkeit, sich zu schützen, von einem Insektizid eingenebelt zu werden und womöglich einen Asthmaanfall zu erleiden.

Unterlässt es eine Airline, ihre Passagiere bereits vor Buchung entsprechend aufzuklären und zu informieren, so kann sie sich nach meiner Ansicht gegenüber Passagieren, die nach einer Desinsektion unter Gesundheitsbeschwerden leiden, schadensersatzpflichtig machen.

IV. Verpflichtung zur Ermöglichung des Selbstschutzes?

Selbst wenn man aber eine solche Aufklärungspflicht vor Buchung der Reise verneint, so muss nach meiner Ansicht jedenfalls folgendes gelten:

Da die Airlines wissen, dass eine Desinsektion – insbesondere unter Anwendung der „Blocks-Away-Method“ – bei manchen Menschen gesundheitliche Beschwerden hervorruft, sind sie verpflichtet, ihre Passagiere durch ihr Bordpersonal zumindest direkt vor Versprühung des Insektizids so rechtzeitig zu informieren, dass sich diese noch gegen das Insektizid schützen können, z.B. durch Luftanhalten, Abschirmen von Mund und Nase, Schließen der Augen und/oder Abdecken der Haut.

Eigentlich sollte man in diesem Zusammenhang auch erwarten können, dass Airlines im Sinne eines Services am Kunden ihren Passagieren eine Atemmaske anbieten, damit sie sich auf diese Weise schützen können, wenn sie dies möchten.

Wenn eine Airline ihre Passagiere weder vor Buchung des Fluges noch unmittelbar vor Versprühen des Insektizids informiert und aufklärt und ihren Passagieren zudem nicht die Möglichkeit gibt, sich zu schützen, dann kommen bei Passagieren, die nach einer Desinsektion an Beschwerden leiden, Schadensersatzansprüche in Betracht.

V. Kleine Anfrage der FDP-Fraktion vom 18.03.2009

Vor Kurzem wurde das Thema der Desinsektion von Flugzeugen auch von der FDP-Fraktion aufgegriffen. Auf deren Kleine Anfrage antwortete die Bundesregierung am 28.04.2009 und teilte u.a. folgendes mit:

1. Sie schließt sich der Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), das Inflight-Spraying berge Gesundheitsrisiken für die Flugzeuginsassen, an.

2. Es hängt von der Entscheidung des Staates des Zielflughafens ab, ob eine Desinsektion von Luftfahrzeugen verlangt wird oder nicht, die Anlage 5Abs. 2 Satz 1 der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005) enthält in Bezug auf die Befreiung von Flugzeugen von Insekten nur eine Soll-Vorschrift.

3. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, wie viel Prozent der Personen, die sich an Bord von Flugzeugen befinden, in denen Inflight-Spraying-Desinsektionen durchgeführt werden, durchschnittlich darauf zurückzuführende Beschwerdeanzeichen zeigen.

4. Ein Inflight-Spraying wird nach Erkenntnissen der Bundesregierung von Deutschen Fluggesellschaften nicht angewandt.

Nach Auskunft der Bundesregierung zwingen also die internationalen Gesundheitsvorschriften weder dazu, gerade das Inflight-Spraying anzuwenden noch zwingen sie dazu, überhaupt eine Desinsektion durchzuführen. Dass eine solche zur Verhinderung der Ausbreitung gefährlicher Krankheitserreger sinnvoll sein kann, steht sicherlich außer Frage. Es gilt dann jedoch, zumindest ein solches Verfahren anzuwenden, das die Passagiere weitest möglich schont. Das vom BfR entwickelte Preembarkation-Verfahren ist nach dessen Bewertung sicher wirksam, dabei aber für die Passagiere schonender als das Inflight-Spraying. Trotzdem wird dieses Verfahren auch weiterhin nicht offiziell von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen.

Einige Airlines berufen sich offenbar darauf, sie seien deshalb gezwungen, nur die Verfahren anzuwenden, die von der WHO empfohlen werden, die WHO zwinge sie hierzu. Dies aber ist so nicht richtig. Die WHO hat in Bezug auf die Desinsektion von Flugzeugen lediglich Empfehlungen ausgesprochen, die nicht rechtsverbindlich sind. Entsprechend wendet z.B. die Lufthansa das Preembarkation-Verfahren an, (3) ohne dass dies Sanktionen durch die WHO oder andere Institutionen zur Folge hätte.

Kein Staat, der eine Desinsektion für unverzichtbar hält, wäre demnach gehindert, Rechtsvorschriften zu erlassen, die die Anwendung des Preembarkation-Verfahrens vorsehen. Sehr interessant in diesem Zusammenhang ist dabei auch die folgende Mitteilung der Bundesregierung in deren Antwort vom 28.04.2009:

„Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit des gewählten Mittels gelten ferner Artikel 22 Abs. 3 IGV sowie Annex 9 Punkt 2.25 des ICAO-Abkommens: Die Befreiung von Insekten wird so durchgeführt, dass u.a. Verletzungen und soweit möglich Unannehmlichkeiten für Personen verhindert werden.“

Danach ließe sich die Auffassung vertreten, dass aus Gründen der Verhältnismäßigkeit sogar eine Pflicht zur Anwendung des Preembarkation-Verfahrens besteht, eben weil dies schonender ist und feststeht, dass zumindest die blocks-away-method Beschwerden hervorrufen kann, die man wohl sicherlich als Verletzungen in diesem Sinne werten muss.

Offenbar existieren in Frankreich nationale Vorschriften, die ausschließlich die Verfahren „blocks-away“ und „top-of-descent“ erlauben, dies jedenfalls geht aus einem Information Paper aus dem Jahr 2001 hervor, das mir im Verfahren vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main von der Beklagtenseite vorgelegt wurde. Beide Verfahren beinhalten ein Inflight-Spraying, also eine Desinsektion in Anwesenheit der Passagiere.

Es steht zu hoffen, dass es in diesem Punkt zu einem Umdenken und einer Änderung der einschlägigen Bestimmungen kommt, denn sonst wird Passagieren, die befürchten, empfindlich auf eine Desinsektion zu reagieren, wohl nur übrig bleiben, sich gezielt zu informieren, ob auf einer bestimmten Flugroute eine Desinsektion durchgeführt wird, in welchem Verfahren diese erfolgt und sich dann im Zweifel für die Airline zu entscheiden, die das schonendere Verfahren anwendet oder gänzlich von der Reise abzusehen.

Autor:

RA Dr. jur. Burkhard Tamm

Medizinrecht-Versicherungsrecht-Lebensmittelrecht

Bohl & Coll. Rechtsanwälte

Franz-Ludwig-Str. 9

97072 Würzburg

Tel. 0931 – 796 45-0 E-Mail: tamm@ra-bohl.de

Internet: www.tamm-law.de und www.ra-bohl.de

Literatur:

  1. Vgl. Palandt, 67. Aufl., § 242, Rn. 37 und § 280, Rn. 30.
  2. Vgl. z.B. State of California Health and Human Services Agency, Department of Health Services „Occupational Illness Among Flight Attendants due to Aircraft Desinsection“, October 23, 2003.2