Mona, die „Glasprinzessin“ – ein einsames Leben mit Wind und Wetter

 Es regnet und es ist neblig, klamm, kalt, kein Wetter, bei dem man gerne vor die Tür geht. Trotzdem den ganzen Tag draußen zu verbringen ist eine Herausforderung, die niemand freiwillig annimmt. Es gibt Menschen in unserer Gesellschaft, die keine andere Wahl haben. Nicht, weil sie draußen ihre Arbeit verrichten müssen oder sie kein Geld für vernünftigen Wohnraum hätten, nein, dass ist nicht das Problem. Die Rede ist von Menschen, die so schwer auf minimale Spuren von Alltagschemikalien reagieren, dass ihnen kein Aufenthalt in einem Haus oder auch nur in der Nähe von Ansiedlungen möglich ist. Das gibt es nicht? Doch, diese Menschen gibt es leider in unserem Land, und anderswo auch.

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Ein Traum im Sommer bei Sonnenschein, doch was wenn es regnet, wenn es kalt ist? Und wie fühlt sich die Einsamkeit auf Dauer an? 

 

Freiwillig gezwungen – einsames Leben im Wald
Meine erste Begegnung mit einem Menschen, der kein richtiges Zuhause mehr hat aufgrund seiner Chemikalien-Sensitivität, war eine brillante deutsche Wissenschaftlerin, die in den USA krank geworden war. Sie war einer der Überflieger an ihrer Uni gewesen und bekam dadurch ein Stipendium in Berkeley. Jeder, der sich etwas auskennt, weiß: Das will etwas heißen. Sie arbeitete dort in einem Forschungslabor umgeben von viel Phenol, Radioaktivität. Viele der damaligen Mitarbeiter dort sind längst verstorben, und das Labor ist schon lange geschlossen. Niemand will mehr daran erinnert werden, der Fall wurde totgeschwiegen. Die junge Frau wusste nicht, wie ihr geschah, es war nur offensichtlich, dass sie nirgendwo mehr auch nur für Minuten Ruhe finden konnte, ohne schwerste körperliche Beschwerden zu bekommen oder zu kollabieren. Es folgte ein Leben in einer alten Schutzhütte mitten in der Einsamkeit in den Wäldern von Kalifornien. Wie ihre Krankheit hieß, die dies gnadenlos von ihr abforderte, wurde ihr viel später gesagt. Heute lebt sie einsam fernab von anderen Menschen in Colorado, weil ihre Chemikalien-Sensitivität dies noch immer von ihr abfordert. 

Ein „Kaktushaus“ statt einer Villa
Eine weitere Begegnung, an die ich mich noch wie heute erinnere, hatte ich in Arizona. Es war ein junger intelligenter Mann, der durch Pestizide und Schimmelpilze extrem krank und hypersensibel geworden war. Er hatte eine Familie, die ihm jedes Haus gekauft hätte, ganz gleich zu welchem Preis. Der Reichtum der Familie nutzte nichts, denn in der Nähe von Häusern brach der junge Mann sofort zusammen, was von ihm ein einsames Leben in der kargen Wüste von Arizona forderte. Mit einem alten, längst ausgedünsteten Auto kam er alle paar Tage zu einem ebenfalls chemikaliensensiblen Freund und duschte dort unter größten Schmerzen. Wenn er abfuhr, winkte er zum Abschied und rief. „Bis bald Freunde, mein „Kaktushaus“ ruft.“ 

Tapferer Kampf gegen Schmerzen und die Einsamkeit
Es gibt sie auch in Deutschland, chemikaliensensible Menschen, die gerne wie jeder andere mit ihrer Familie leben würden und deren Krankheit dies nicht zulässt. Mona B., ihre Familie nennt sie „unsere Glasprinzessin“, ist gezwungen, bei Wind und Wetter draußen zu leben. Mona ist tapfer, kämpft für sich und andere, und trotzdem kommt es immer wieder knüppeldick. 

Nichts ist vergönnt
„Habe ich endlich einen Platz gefunden, an dem ich mich einigermaßen aufhalten kann, kommt irgendjemand, der mich vertreibt“, berichtet Mona. „Um all diese Restriktionen zu verkraften und zu ertragen, dass ich meine Enkel nicht einfach lieb drücken kann oder mit ihnen schöne Spiele spielen kann, ihnen etwas vorlesen, ihnen tolle Geschichten erzählen kann, die ich noch von meinem Beruf als Erzieherin im Kopf habe, schreibe ich Gedichte. Eines davon handelt vom Vertriebenwerden von einem Platz, an dem man atmen kann, an dem man keine Schmerzen hat. Ich widme es allen denen da draußen, deren Alltag es ist, und hoffe inständig, dass man aufhört, uns totzuschweigen, und dass wir endlich Hilfe bekommen.“ 

Mona B., Alter: 56 Jahre

MCS durch chronische Formaldehydexposition im Niedrigdosisbereich, Wildlederspray und Insektizide. Ferner als Kind schon hohe Belastung durch Wohnsituation bei der Daimler-Benz Lackiererei, etc. Später kamen Belastung durch Abgase und Harze aus Lacken noch hinzu.

Symptome
Schwere Reaktionen der Haut (Hautvergiftung), Herzrasen, Bluthochdruck, extreme Lichtempfindlichkeit, Elektrosensibilität, narkoseartige Zustände, ständig geschwollene Lymphknoten, Fibromyalgie durch Einlagerung der Stoffe in die Muskeln, Zittern, Schleimhautblutungen nach Duftstoffexposition, Drehschwindel, Leberschwellungen, Magen-Darm-Koliken. 

Es wurde eine „Hautvergiftung“ diagnostiziert, die durch Wildleder-Schuhsprays ganz am Anfang meiner MCS eintrat. Die Haut bekam damals Blasen von den Füßen bis unter die Brust, die dann unter starken Schmerzen aufgingen und aus denen Lymphflüssigkeit lief. Keiner wusste zu helfen, ich starb mehrfach fast durch den Flüssigkeitsverlust. Es dauerte Monate, bis die Haut dann abfiel und wurde von einer Heilpraktikerin dann nur noch mit Heilerde-Ganzkörper-Umschläge entgiftet. Seit dieser Vergiftung durch Wildlederspray leide ich unter Sensitivität auf viele Chemikalien und andere Stoffe. 

Einschränkungen
Seit 8 Jahren muss ich im Wald leben, bin sehr isoliert von sozialen Kontakten.
Meine Bezugspersonen sind mein Mann und eine Freundin mit Duftstoff-Allergie. Es sind keine Besuche bei Freunden möglich, kein Einkaufen, keine Stadt- oder Dorfbesuche. Ein „stabiler Zustand“ ist nur haltbar durch völliges Meiden von Abgasen und chemischen Stoffen in der Luft. 

Meine Kinder und Enkel kann ich nicht besuchen, und sie mich auch nicht in der Wohnung. Nur ganz selten im Sommer und draußen kann ich sie sehen, wenn keine Sonne scheint; mit gebührendem Abstand. Zwangsläufig erfolgte ein Zurückziehen der gesunden Freunde wegen meiner starken Reaktionen. Ich muss mich zurückhalten, darf mir nichts Unnötiges zumuten, damit mein Mann noch seiner Arbeit nachgehen kann und mich nicht noch mehr pflegen muss als schon jetzt. Manchmal habe ich Depressionen, weil Freunde und Kinder und Enkel mir nicht beistehen können, zum Teil aus Unverständnis und durch zu viele Duftstoffe. 

Veränderungen aufgrund von MCS
Ich muss eine Maske beim Autofahren tragen, doch auch damit ist eine Fahrt nur noch 30 Min. möglich, trotz Luftfilter. An Einkaufen ist auch mit Maske nicht zu denken. Sauerstoff für Notfälle, die häufig sind, habe ich im Auto immer dabei und auch zuhause. 

Es waren mehrere Umzüge bis 2000 nötig, bis ich dann hier in dem alten Lehm-Fachwerkhaus am Wald gelandet bin. Meine mir ans Herz gewachsene Arbeit als Erzieherin und als Tagesmutter musste ich 2001 aufgeben. Es gab keine Urlaube mehr seit 8 Jahren. Die starke Elektrosensibilität forderte eine Abschirmung von Zimmer meines Mannes wegen der Elektrogeräte. Radiohören kann ich nur kurz nur mit Batterie, am Laptop kann ich nur 10 Min. und nur mit Akku sein. 

Draußen am See
Seit 2007 lebe ich von März  bis Juni tagsüber bei einer Hütte am See wegen dem häufigen Spritzen der Felder hier auf der einen Seite des Waldes. Es gab viel Kampf um den Aufenthalt dort. Ich muss mich den größten Teil des Tages draußen aufhalten und habe jetzt, für die Zeit des Spritzens der Felder, ein halbes Jahr lang um eine Bretterbude an einem See in einem unbelastetem Gebiet gekämpft mit der Waldgesellschaft und dem Förster usw. Da ich dort nicht schlafen darf (deutsches Gesetz), muss ich dann jeden Tag mit einer Begleitperson dorthin fahren (ca.15 km). Dies wiederum ist eine enorme finanzielle Belastung. Aber immer noch besser als von April – Oktober das Haus überhaupt nicht mehr verlassen zu können und wieder diese schlimmen Reaktionen der Haut zu bekommen. 

Medizinische Behandlung
Kein Ernstnehmen der Ärzte, besonders Umweltambulanz in Giessen-Behandlung mit Atem-Sprays fehlgeschlagen – falsche Diagnosen von Internisten – nur Fibromyalgie diagnostiziert – aber keine Hilfe, außer Selbsthilfe.
Seit 2005 Behandlung durch Umweltarzt, Dr. Kuklinski, Rostock. Dadurch stabilere Lebenssituation und weniger lebensbedrohliche Anfälle. 

Wo ist ein Platz zum Wohnen?
Seit 3 Jahren bin ich auf der Suche nach einem geeigneten Wohnprojekt mit anderen MCS Betroffenen, um von hier, von den mit Pestiziden gespritzten Feldern auf der anderen Seite des Waldes, wegzukommen.
Wohnraum ohne Belastung, vor allem ohne Strahlenbelastung, ist kaum zu finden. Entweder gibt es Abgase und Duftstoffe, auch in Dörfern, oder es hat Felder und gedüngte Wiesen in Waldgebieten. Wohin also? 

Wer immer Wohnraum kennt, sei es eine Höhle, ein Hüttchen, wo man auch schlafen darf während der Monate April-Juni und Sept.-Ende Okt., lasst es mich wissen.
 

Das nachfolgende Gedicht widme ich allen, die wegen Chemikalien- und/oder Elektro-Sensitivität ein Leben in Einsamkeit leben müssen: 

Auf der Flucht
              
Gerade eine Insel
gesichtet
eine Oase des Friedens
und schon
wirst du verjagt
hinweg gebeten
zum Verlassen aufgefordert.

 
Dann suchst du
eine neue Bleibe
mit vielen Bitten
und Hindernissen
und schon wieder
jagen dich
Gesetze davon.
 

Du bist unerwünscht
keiner will
dich haben
Du bist unerwünscht
keiner hält zu dir.
 

Du bist unerwünscht
weil du Dinge
nicht verträgst
weil du nicht bist
wie die Andern
so kannst du
weiter wandern
Du bist unerwünscht.    MB2008

 
 
Mona’s Leben mit MCS kann in ihrem Werk nachgelesen werden: Die Glasprinzessin- Leben mit MCS, 2003

Analyse neuer Wortschöpfungen, die den etablierten Fachausdruck Chemikaliensensitivität (MCS) ersetzen sollen / Teil II

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 Nicht jeder Plan ist letztendlich ein „Goldfisch“   

„Multi-Systemerkrankung“ statt Fachbegriff Multiple Chemical Sensitivity (MCS) 

Es gibt aktuell einen weiteren Versuch, den international eingebürgerten und auch von der WHO verwendeten Fachbegriff Multiple Chemical Sensitivity, kurz MCS, durch eine neue Wortschöpfung zu ersetzen. Nicht von Interesse scheint dabei zu sein, dass sich Patientenvertreter, Organisationen und Aktivisten aus ganz Europa längst entschieden haben, dass der Fachbegriff MCS bleiben soll.

 Im aktuellen Fall soll „Multi-Systemerkrankung“ den etablierten Fachbegriff Multiple Chemical Sensitivity (MCS) ersetzen. Dieser Begriff rückt gezielt noch weiter von der Realität ab, als der in Teil I der Analyse der neuen Wortschöpfungen angeführte Begriff „erworbene Chemikalienintoleranz“.  

Als Hauptgrund dafür, den in der Medizin und Wissenschaft verwendeten Fachbegriff Chemikalien-Sensitivität durchMulti-Systemerkrankung“ zu ersetzen, wurde angegeben, dass eine Abänderung der Bezeichnung MCS notwendig sei, denn  „der Name ist zu abgenutzt“.  Die eigentlichen Gründe für diese neue Wortschöpfung sind, wie beim Begriff „erworbene Chemikalienintoleranz“, ebenfalls mannigfaltig. Auch in diesem Fall würde man durch die Einführung eines neuen Begriffs bereits feststehende Fakten wieder eliminieren und davon ablenken, wie viel an Wissen, Anerkennung, sowie validierter Diagnose- und Falldefinitionen bereits existieren.  

Allerdings geht die Wortschöpfung „Multi-Systemerkrankung“ noch einen Schritt weiter. Aus einem prägnanten Begriff würde ein verwässertes Nichts, das für eine Gruppe von Hunderten vielerlei gearteter Krankheiten steht. Als Clou würde jedoch der im Fachbegriff Chemikalien-Sensitivität enthaltene eindeutige Hinweis auf die eigentliche Ursache von MCS, nämlich Chemikalien, eliminiert.  

Zwei Experten auf dem Gebiet Chemikalien-Sensitivität, Prof. Dr. Plumlee aus den USA und Dr. Tino Merz aus Deutschland, äußerten sich in Stellungnahmen, die für jeden verständlich darlegen, was von einem Namenstausch Chemikalien-Sensitivität gegen „Multi-Systemerkrankung “ zu halten ist und wo die Hintergründe zu suchen sind.  

Stellungnahme von Prof. Dr. Lawrence Plumlee 

Prof. Dr. Lawrence Plumlee kennt beide Seiten, er leidet selbst an Chemikalien-Sensitivität und war früher bei der Umweltschutzbehörde EPA tätig. Prof. Plumlee ist Träger des ersten Theron Randolph Award für besonderen Aktivismus für Chemikaliensensible 

Seit über 10 Jahren versucht die Chemieindustrie, das Wort „Chemikalien“ aus dem Begriff Chemikalien-Sensitivität heraus zu bekommen.
Vorgeschlagen wurde der Name „Idiopathische Umweltintoleranzen“, weil idiopathisch bedeutet, dass der Grund unbekannt ist. Aber ein Untersuchungssachverständiger berichtete kürzlich, dass toxische Chemikalien idiopathische Umweltintoleranzen hervorrufen. Also sind die Intoleranzen doch nicht wirklich „idiopathisch“.

Es ist absolut sinnlos, Chemikalien-Sensitivität „Multi-Systemerkrankung“ zu nennen, denn viele andere Erkrankungen betreffen multiple Systeme. 

„Multi-Systemerkrankung“ ist eine Bezeichnung, die von der spezifischen, wissenschaftlichen anerkannten Bezeichnung abrückt, zurück auf eine unspezifische Bezeichnung. Sie ist in diesem Fall eine medizinische Absurdität.  

„Chemikalien-Sensitivität“ ist eine Bezeichnung, die von Wissenschaftlern und Gerichten anerkannt ist und mit der bereits Prozesse gewonnen wurden. Wieso sollte man dann einen Namen einführen, der nichts bedeutet und mit dem niemals ein Gerichtsprozess gewonnen wurde. Der angestrebte Namenswechsel ist nur eine weitere Masche der Chemieindustrie, das Wort „Chemikalien“ aus dem Begriff „Chemikalien-Sensitivität“ heraus zu bekommen.  

Lawrence Plumlee M.D.  

Stellungnahme Dr. Merz

Dr. Tino Merz ist für Menschen, die in Deutschland durch Chemikalien erkrankten, kein Unbekannter. Durch viele Publikationen, Vorträge bei Kongressen und in der Vertretung von Erkrankten als Sachverständiger hat er sich seit Jahren einen Namen gemacht.  

Wer eine Umbenennung von MCS fordert, ist sich darüber im Klaren, dass er damit alles vernichtet, was zu diesem Thema seit 60 Jahren erforscht wurde. MCS ist definiert, es gibt Diagnosekriterien und es gibt eine lange Liste sensibilisierender Stoffe in der MAK-Liste. Mit einer Umbenennung finge alles von vorn an. Das will die Gegenseite.    

In den 90er Jahren hat das die chemische Industrie vergeblich bei der WHO versucht (Damaliger Vorschlag IEI). Deshalb ist kaum anzunehmen, das zwei deutsche Vereine, die noch nicht lange existieren, aber schon von Start weg Führungsansprüche anmeldeten, allzu viel Schaden anrichten werden.  

Interessant ist, dass diesmal die Initiative aus den Reihen der Organisationen der Betroffen kommt.   

Daraus kann man lernen: diese Möchtegerneführer  wollen eine Umbenennung, verlangen Kooperation mit dem Gegner und erörtern Provokationstests.  

Eine Anmerkung: auch in den 90er Jahren schlug ein Tübinger Psychologieprofessor vor, die MCS-Patienten zu begasen, um Ihnen die Angst vor Chemikalien abzugewöhnen. Er nannte das Therapie. Ich habe ihm damals mitgeteilt, dass das unabhängig davon, ob die Begasten reagieren oder nicht, vorsätzliche Körperverletzung ist. Danach war davon nicht mehr die Rede. 

Wer solche Provokationsversuche vorschlägt, ignoriert und revidiert den Stand der Wissenschaft zu MCS. Es unterstützt die Propaganda der Gegenseite „wir wissen nichts über MCS, vielleicht ist es psychisch“. Denn solche Provokationsversuche sind unnötig. 1966 wurde MCS doppelblind mit sehr niedrigen Dosen per Provokation bereits nachgewiesen. Solche Vorschläge sind demnach eine Revision des Standes der Wissenschaft um mehr als 40 Jahre.   

Wenn diese Diskussion von außen gesteuert ist, sollte den Hintermännern gesagt werden, dass sie sich besser informierte Protagonisten aussuchen sollten. Soweit sich hier nur eitler Egoismus spreizt, sollte man den Protagonisten einen Strauß Narzissen offerieren.  

Dr. Tino Merz
Sachverständiger   
 

Um es nochmals abschließend auf den Punkt zu bringen: MCS Gegner, die u.a. behaupten, „der Name MCS ist zu abgenutzt“, bezeugen mit dieser Aussage ihre absolute Unkenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten sowohl des internationalen wissenschaftlichen Sachstandes als auch der vielen positiven gesellschaftlichen und auch juristischen Anerkennungen von MCS und auch der Fortschritte für MCS-Kranke. Dass die gewollte Abschaffung des Fachbegriffes MCS ausschließlich denen nutzt, die auch weiterhin die Auswirkungen toxischer Chemikalien verschleiern wollen, und zwar auf Kosten der Menschen, der Umwelt und der Gesellschaft, und auch denen, die sich am Leid der MCS-Kranken sogar noch bereichern wollen, anstatt ihnen aufrichtig zu helfen, diese Schlussfolgerung liegt klar auf der Hand.

Analyse neuer Wortschöpfungen, die den etablierten Fachausdruck Chemikalien-Sensitivität (MCS) ersetzen sollen

 

Kranke IdeeVon Zeit zu Zeit wird der Versuch unternommen, den international eingebürgerten und auch von der WHO verwendeten Fachbegriff Multiple Chemical Sensitivity, kurz MCS, durch neue Wortschöpfungen zu ersetzen. Die Gründe hierfür sind mannigfaltig, in erster Linie will man durch die Einführung eines neuen Begriffs bereits feststehende Fakten wieder eliminieren und davon ablenken, wie viel an Wissen, Anerkennung, sowie validierter Diagnose- und Falldefinitionen bereits existieren.  Mancher, der sich mit den Hintergründen nicht ganz auskennt, mag denken „neuer Name, neues Glück“, doch dem ist nicht so, denn ein neuer Krankheitsbegriff kommt einem Start bei Null gleich, was unglaublich viel Zeit für die „MCS-Gegenseite“ einbringen würde. Zeit, die man nutzen würde, die Ursachen und Auswirkungen des Krankheitsbildes unter einem Leichentuch begraben zu halten.  

Also ist es ganz klar eine ausgeklügelte, aber auch sehr durchsichtigeTaktik, den Fachbegriff MCS durch immer neue Wortschöpfungen eliminieren zu wollen, nach dem Motto: klappt es beim ersten Mal nicht, dann eben beim zweiten, dritten oder vielleicht erst zehnten Mal, Hauptsache, die Fakten werden immer wieder verschleiert und die Kranken permanent verunsichert, damit sie sich nicht mehr eigenständig zur Wehr setzen können.  

Wir möchten in Folge die einzelnen Wortschöpfungen analysieren und gleichzeitig deren Unfähigkeit, MCS zu ersetzen, belegen.  Mit einem aktuell in Umlauf gebrachten und völlig inkorrekten Begriff, nämlich Erworbene Chemikalienintoleranz„, wollen wir beginnen. 

Der von der Industrie ausgewählte Begriff „IEI – Idiopathische Umweltintoleranz“ war der erste groß angelegte Versuch, den Krankheitsbegriff  MCS abzuschaffen. Er schlug fehl, doch weitere Versuche folgten. Kürzlich tauchte sogar „Multi Systemerkrankung“ als Ersatz für MCS auf, die Hintergründe hierfür hat ein renommierter Professor beleuchtet, dazu später mehr. 

„Erworbene Chemikalienintoleranz“. 

Der Begriff „Erworbene Chemikalienintoleranz“  

ad 1: ist in sich unlogisch und 

ad 2: verharmlosend und 

ad 3: suggeriert völlig inkorrekte Kausalzusammenhänge. 

Der medizinische Fachausdruck einer „erworbenen Intoleranz“ bezieht sich auf Substanzen, die bei normaler Stoffwechselsituation für den Körper völlig unschädlich oder sogar als Nährstoffe geeignet sind. Bei bestimmten Krankheitsbildern (Beispiel: Lactose Intoleranz) ist es dem Erkrankten nicht oder nicht mehr möglich, eine oder mehrere spezifische, an sich aber harmlose Substanzen zu verstoffwechseln oder zu tolerieren. Dies kann „erworben“ oder bereits genetisch determiniert sein. 

Den Begriff „erworbene Intoleranz“ auf toxische Substanzen zu beziehen, ist daher grundsätzlich falsch, da ein Organismus für ihn toxische Substanzen gar nicht tolerieren, sondern lediglich die Giftwirkung in gewissem Umfang kompensieren kann! Abhängig von individueller Prädisposition, bereits erfolgten Intoxikationen und allgemeiner Gesundheitslage können Organismen die Wirkungen von Toxinen bis zu einer individuell sehr unterschiedlichen Grenze und natürlich abhängig von der Art des Toxins zwar kompensieren, nie aber tolerieren, in dem Sinne, dass überhaupt keine toxische Wirkung auftritt. 

Daraus folgt: 

Punkt 1: Es kann grundsätzlich keine „erworbene Intoleranz“ auf Chemikalien geben, die an sich bereits toxisch sind. 

Punkt 2: Da mit dem Begriff Erworbene Chemikalienintoleranz eindeutig suggeriert wird, die Wirkung von Toxinen einerseits und an sich harmlosen Substanzen andererseits sei grundsätzlich gleichwertig, wird hier bereits mittels der Wortwahl eine völlig inkorrekte und die toxischen Chemikalien extrem verharmlosende Definition kreiert. 

Punkt 3: Ergibt sich aus den vorherigen Ausführungen.

WIDERLEGT – Die Lüge „Chemikalien-Sensitivität sei nicht anerkannt“ / Teil III

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Eine Gesellschaft ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied

Chemikalien-Sensitivität stellt unbestritten eine Herausforderung für alle dar. In erster Linie natürlich für den Erkrankten, seine Familie, aber auch für sein Umfeld und nicht zuletzt für unsere Gesellschaft. Ein Leugnen kommt einer Selbstverleugnung gleich, denn wer bis jetzt noch nicht verstanden hat, dass ein Umdenken auf die leichtfertige Handhabung von Chemikalien stattfinden muss, hat seine Augen vor der Realität verschlossen.

Der Großteil der amerikanischen Gouverneure haben den Notstand die Bevölkerung über toxische Schädigungen und Chemikalien-Sensitivität zu informieren seit Jahren erkannt und rufen deshalb den Monat Mai seit zehn Jahren als Aufklärungsmonat aus.

Eine peinliche Lüge: „MCS ist nirgends anerkannt“

Sehr engagiert traten in den vergangenen Jahren amerikanische Behörden für die Erkrankten ein. Um Basis für Gesetzesgrundlagen und Änderungen im Sozialwesen zu schaffen, gab es u. a. einige staatlich finanzierte Kongresse und zahlreiche Studien, die zur Definition und weiteren Erforschung der Erkrankung dienten. Auch Wohnungsbauprojekte für Chemikaliensensible wurden staatlich unterstützt. Gesetze zum Schutz chemikaliensensibler Menschen und Regelungen zum Erhalt und Schaffung von Arbeitsplätzen für Betroffene wurden verabschiedet.

Nachfolgend jeweils eine kleine Auswahl von Anerkennungen und Mitteilungen über Akzeptanz gegenüber Chemikalien-Sensitivität, um einen Eindruck zu verschaffen.

Behörden unterstützen Chemikaliensensible

Das US Access Board ist ein unanhängiger Bundesausschuss, der den Zutritt von Behinderten in staatliche Einrichtungen regelt. Die Hälfte der Mitglieder sind Repräsentanten von staatlichen Behörden.

Das US Access Board übernahm am 26. Juli 2000 folgende Richtlinie (1):

Bundesregister Nachrichten, die Sitzungen von Behörden bekannt geben, werden folgende Anweisung umfassen:

Personen, die an Behördensitzungen teilnehmen, werden für das Befinden anderer Teilnehmer gebeten, davon Abstand zu nehmen Parfüm, Cologne und andere Duftstoffe zu benutzen. Ein Schild wird außerhalb des Sitzungsraumes aufgestellt, dass Teilnehmer der Sitzung darauf hinweist, auf Duftstoffe zu verzichten.

Hotels und andere Einrichtungen, in denen Sitzungen abgehalten werden, werden gebeten, Duftstoff versprühende Apparate von den Sitzungsräumen und anschließenden Toiletten zu entfernen oder abzuschalten und jegliche Umbaumaßnahmen (Malerarbeiten, Anstriche, etc.) oder Teppichshampoonierungen und Pestizidausbringungen nicht vor den Sitzungen zu terminieren.

Senatsunterausschuss für die Rechte der Behinderten: Senator Milton Marks aus Kalifornien beschloss 1996 behindertengerechte Bedingungen für Menschen mit einer Multiplen Chemikalien-Sensitivität. (2)

MCS in Medizin und Forschung

Im Vergleich zum Schweregrad der Erkrankung und dass sie bis dato unheilbar ist, wird Forschung und Förderung von Projekten auf diesem Sektor zwar nur gering, aber dennoch unterstützt.

Fachkrankenhaus Nordfriesland: Seit 1992 werden in der Institutsambulanz und seit 10/1995 auch im stationären Bereich des Fachkrankenhauses Nordfriesland in Bredstedt Patienten mit MCS behandelt. Die Klinik wurde als Pilotprojekt finanziert. Von Anfang an wurde die Arbeit durch die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holsteins und das Institut für Toxikologie der Christian-Albrechts-Universität in Kiel dokumentiert. Von 1996 bis 1998 wurde eine prospektive Beobachtungsstudie zur Evaluation der Arbeit der Klinik durch das Institut für Sozialmedizin der Medizinischen Universität Lübeck durchgeführt. (3)

Mit Hilfe des Bundesministeriums für Gesundheit konnte das Fachkrankenhaus Nordfriesland ein Patientenregister erstellen, um die einzelnen Bereiche der Therapie auf ihre Gewichtung im gesamttherapeutischen Ansatz zu überprüfen. (4)

Qualitätszirkel MCS: Der Qualitätszirkel MCS (Multiple Chemical Sensitivity-Syndrom) wurde 2001 von Ärzten und Betroffenen der Selbsthilfegruppe MCS in Hamburg gegründet. Der Qualitätszirkel trifft sich in regelmäßigen Abständen. Zum Qualitätszirkel werden Referenten eingeladen, die zu unterschiedlichen Themen vortragen. Hierbei geht es um die Ätiologie, die Diagnostik und auch die Therapie des MCS. Der Qualitätszirkel MCS ist zudem bei der Hamburger Ärztekammer als zertifizierte Fortbildung anerkannt und wird je Sitzung mit 1 Fortbildungspunkt versehen. (5)

Fachgespräch MCS im Jahr 2003 im Umweltbundesamt

Stellungnahme Prof. Dr. med. Thomas Eikmann, Dr. med. Doris Stinner, Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Justus-Liebig-Universität Giessen. „Was hat das abgeschlossene MCS-Vorhaben gebracht? Aus der Sicht der beteiligten Ambulanzen“ (6):

„…Die Anzahl nationaler und internationaler Patienten mit selbst berichteter Multipler Chemikalien Sensibilität (MCS) ist insbesondere auf der Basis US-amerikanischer Studien als bedenklich hoch einzustufen.

…Dies führt zu meiner Empfehlung, für diese Patienten im allgemeinmedizinischen und umweltmedizinischen Versorgungsbereich angemessene Therapiemöglichkeiten und Kapazitäten zu schaffen, die innerhalb der vorhandenen Sozialversicherungssysteme liegen.

…Obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen zur unfallversicherungsrechtlichen Anerkennung von MCS als Berufskrankheit derzeit nicht gegeben sind, sollte das Vorliegen einer MCS- Symptomatik zumindest in den übrigen Sozialversicherungsbereichen durch eine angemessene Einschätzung des Schweregrades berücksichtigt werden.

…Weiterhin sollte die Entwicklung spezifischer Betreuungsmodelle, z.B. in Form spezieller Zentren, unter Einbeziehung der MCS- Patienten bzw. Patientenverbände entwickelt werden. Um den betroffenen Patienten in ausreichendem Maße gerecht zu werden, sind finanzielle Mittel für die Versorgung umweltkranker Patienten bereit zu stellen.“

Die erste staatliche Umweltklinik entstand in Nova Scotia in Kanada. (7)

Das Jewish Hospital (Jüdisches Hospital) in Louisville, KY, verfügt über eine Abteilung, die speziell für Chemikaliensensible eingerichtet ist und unterzieht das Personal ständigen Schulungen bezüglich der speziellen Erfordernisse Chemikaliensensibler.

US Department of Defense: Senator Tom Harkin legt fest, dass 3 Millionen Dollar des DOD’s Etat für die Erforschung der Golfkriegskrankheit in multidisziplinäre Studien über CFS; FM und MCS fließen, 1999. (8)

New Jersey Department of Health (Gesundheitsministerium von New Jersey): Gab eine umfangreiche Bewertung über MCS mit Empfehlungen für staatliche Maßnahmen in Auftrag. „Chemical Sensitivities: A Report to the New Jersey Department of Health“. Der auch in Deutschland in Buchform erschiene Bericht wurde 1989 von Dr. Nicholas Ashford und Dr. Claudia Miller erstellt. (9)

MCS in Politik, Regierung und Ländern

Es wurde über Jahre viel Akzeptanz von Seiten der deutschen Politik und Regierung ausgesprochen.

Die Bundesregierung erklärte 1996 gegenüber dem Deutschen Bundestag, dass sie keinerlei Bedenken gegen die Anerkennung des MCS Syndroms als Schwerbehinderung nach dem geltenden Schwerbehindertenrecht hat. (10)

MCS Patienten wird in einer gemeinsamen Presseerklärung des BGVV und Umweltbundesamtes angeraten, bezüglich symptomauslösender Chemikalien Vermeidungsstrategien zu entwickeln, diese dürfen jedoch nicht zu einer sozialen Isolation führen. (11)

Die Bundesregierung erklärte gegenüber dem Deutschen Bundestag, dass sie keinerlei Bedenken gegen die Anerkennung des MCS Syndroms als Schwerbehinderung nach dem geltenden Schwerbehindertenrecht hat. (12)

Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage vom April 1997:

„.. Wenngleich es hinsichtlich derartiger umweltassoziierter Krankheitsbilder noch eine Vielzahl ungeklärter Fragen im Hinblick auf Krankheitsursachen und Entwicklung, Diagnostik und Therapie gibt, ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es gegenwärtig darauf ankommt, die Patienten ernst zu nehmen und angemessen zu betreuen, Krankheiten mit definierten Ursachen auszuschließen (Differentialdiagnose), geeignete Forschungsstrategien hinsichtlich Ursachen, Entstehungsmechanismen, Krankheitsspezifität, Betreuung und Behandlung zu entwickeln.

…Die Bundesregierung hat inzwischen internationale und nationale Fachtagungen zur MCS- Problematik gefördert und Forschungsmittel für geeignete Projekte im Rahmen des Umweltforschungsplanes zur Verfügung gestellt.

…Es ist auch nicht in ihrem Sinne, wenn Patienten, die ihre Beschwerden auf chemikalienbedingte Einflüsse zurückführen, von vorneherein pauschal als psychisch krank bezeichnet werden.“ (13)

Diese Antwort der Bundesregierung aus dem Jahr 1998 wurde mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit namens der Bundesregierung übermittelt:

Antworten auf kleine Anfrage: Hilfe für Menschen mit MCS- Syndrom

„…Die Symptome von MCS-Patienten sind individuell stark unterschiedlich und treten typischerweise in mehr als einem Organsystem auf. Es handelt sich um schwere chemische Verletzungen, und es ist unbestritten, dass den Betroffnen alle nur mögliche Hilfe zuteil werden muss.

…es ist unbestritten, dass weltweit Patienten unter einer Vielzahl von – durch Chemikalien im Niedrigdosisbereich ausgelösten – Symptomen leiden und dass sie professioneller Hilfe bedürfen.

…Es ist wichtig, dass in Deutschland MCS- Patienten angemessene Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Ebenso wichtig ist es, dass sich der Gesetzgeber bemüht, Menschen mit Multiple Chemikalienempfindlichkeit zu ermöglichen, am öffentlichen Leben teilzunehmen.“ (14)

Ärztlicher Sachverständigen Rat, Sektion Versorgungsmedizin, Bundesministerium für Arbeit im November 1998:

„Gemäß Beschluss sind so genannte Umweltkrankheiten, wie das „MCS- Syndrom“, die mit vegetativen Symptomen, gestörter Schmerzverarbeitung, Leistungseinbussen und Körperfunktionsstörungen, etc. einhergehen, grundsätzlich als Behinderung nach dem Schwerbehindertenrecht SGB IX anerkannt. Es wird darauf hingewiesen, dass psychische oder psychiatrische Krankheiten nicht mit dieser Einstufung verbunden sind.“ (15)

Bayerisches Landesamt für Umweltschutz im November 2001:

„Umweltsyndrome“ Ein zunehmender Anteil von Menschen in Industrienationen leidet unter ihnen – in Deutschland vorsichtigen Schätzungen zufolge etwa zwei bis zehn Prozent der Bevölkerung allein an MCS.

„Außer Frage steht, dass die Patienten ihre Beschwerden tatsächlich erleben und einer gezielten Diagnose und umfassender Beratung bedürfen.“ (16)

Arbeiten trotz Chemikalien-Sensitivität

In Deutschland verwiesen Politiker 1998 darauf, dass Chemikalien-Sensitivität für die Betroffenen katastrophale persönliche, finanzielle und soziale Folgen hat. Insbesondere der Wirtschaft und in der Industrie entstünden jährlich Kosten in Milliardenhöhe aufgrund der nachlassenden Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz.

Damit Chemikaliensensiblen geholfen wird, sie u. U. weiter arbeiten oder eine neue Beschäftigung finden können, versuchen Rehabilitationsexperten Barrieren zu reduzieren oder zu beseitigen. Es gibt dazu in den USA und Kanada seit vielen Jahren von staatlichen Behörden und Gewerkschaften geführte Programme, die für eine effektive Integration von Chemikaliensensiblen sorgen, statt sie völlig aus der Gesellschaft auszustoßen. Das erste groß angelegte Programm startete 1993. Es gab dazu sogar Arbeitsbücher und ein Video für Mitarbeiter und Vorgesetzte zur besseren Veranschaulichung. (17,18,19)

Das amerikanische Job Accommodation Network gab im Jahr 2006 einen ausführlichen Bericht heraus, der darstellt, was Chemikalien-Sensitivität ist, welche Limits daraus entstehen können, wie man Mitarbeitern helfen kann, wie ein MCS Arbeitsplatz aussehen sollte, etc. Das Hauptaugenmerk liegt darauf, diese behinderten Menschen im Arbeitsleben zu integrieren und Schaden von ihnen abzuwenden. (20)

Gleichstellung Behinderter am Arbeitsplatz in Bezug auf Chemikalien-Sensitivität wurde 1996 in einem Brief der US. Equal Employment Opportunity Commission dargelegt. (21)

CAW, eine kanadische Gewerkschaft, hat eigens einen Leitfaden herausgegeben, in dem Chemikalien-Sensitivität beschrieben wird und erläutert wird, wie man Erkrankten das Arbeitsleben erleichtert, bzw. ermöglichen kann. (22)

Pestizide besonders gefährlich für Chemikaliensensible

Pestizide gehören zu den folgenreichsten Auslösern von Reaktionen bei Chemikaliensensiblen. Die Florida State Legislatur (Gesetzgeber Floridas) schuf ein freiwilliges Pestizid Benachrichtigungsregister für Personen mit Pestizidsensibilität oder MCS, voraussetzend, dass deren Gesundheitszustand von einem Mediziner der Fachrichtung Arbeitsmedizin, Allergologie / Immunologie oder Toxikologie bestätigt ist. Diese Gesetzgebung verlangt von Straßenpflegefirmen, registrierte Personen über Chemikalienausbringung bis eine halbe Meile vor deren Haus, zu benachrichtigen. Colorado, Connecticut, Louisiana, Maryland, Michigan, New Jersey, Pennsylvania, West Virginia und weitere US Bundesstaaten haben ähnliche Register übernommen. (23,24) In Washington State existiert ein solches Register beispielsweise seit 1992. (24)

Durch MCS obdachlos

Manche der hypersensiblen Menschen finden seit Jahren keine Unterkunft. Sie schlafen in der Natur, in einem Aluwohnwagen oder in einem Auto. Es wird immer wieder über traurige Fälle berichtet, bei denen Chemikaliensensible letztendlich keinen anderen Ausweg sahen, als Suizid zu begehen.

Minneapolis Public Housing Authority (Behörde für öffentlichen Wohnungsbau in Minneapolis): Brachte in einem Brief 1994 an die Twin Cities Human Ecology Action League (HEAL) und an das US Department of Urban Development (US Ministerium für Städtebau) ihr Interesse zusammen mit HEAL Häuser für Menschen mit MCS zu entwickeln zum Ausdruck.

Pennsylvania Human Rights Commission (Kommission für Menschenrechte in Pennsylvania): Hielt einen Widerspruch gegenüber dem Gericht für Gemeinwesen aufrecht, dass ein Vermieter angemessenes Entgegenkommen gegenüber einem Hausbewohner mit MCS zeigen muss, einschließlich einer Benachrichtigung im Vorfeld über Malerarbeiten und Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen.

Die Stadt Zürich beschloss im Februar 2008 den Bau eines Apartmenthauses für Chemikaliensensible. (25)

Duftstoffe die größte unsichtbare MCS Barriere

Als Konsens zur multizentrischen MCS Studie wurde 2003 bei einem Fachgespräch zu MCS im Umweltbundesamt festgestellt, dass Patienten, die unter MCS leiden, schwer krank sind und Hilfe benötigen. Es sei derzeit nur eine symptomatische Therapie möglich. Duftstoffe spielen beim MCS Krankheitsgeschehen eine wichtige Rolle, der unnötige Einsatz von Duftstoffen sollte möglichst unterbleiben. (26)

Das Bayrisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, gab 2003 eine Fachinformation heraus: Ist angenehmer Duft auch immer gesund? (27) Riech-, Duft- und Aromastoffe

Bei besonders empfindlichen Personengruppen wie Asthmatikern, bei Patienten mit Heuschnupfen und Patienten mit einer Multiplen Chemikalien- Überempfindlichkeit wird über Unverträglichkeiten gegen Parfüm berichtet.

Empfehlung für den Verbraucher:

  • Verzichten Sie auf Duftstoffe in der Raumluft. Denken Sie an empfindliche Personen. Helfen Sie Allergien zu vermeiden!
  • Bewahren Sie Duftöle außerhalb der Reichweite von Kindern auf.
  • Geben Sie Duftstoffe nur in die Raumluft, wenn alle Raumbenutzer einverstanden sind.

San Francisco Department of Public Health, HIV Health Services Planning Council

Ministerium für Öffentliche Gesundheit in San Franzisko, HIV Gesundheitsservice Planungsrat): Seit Jahren und auch 2008 weist man darauf hin, dass in Anbetracht von teilnehmenden Personen mit schweren Allergien, Umweltkrankheiten, Multipler Chemikaliensensibilität und ähnlichen Behinderungen, Besucher bei öffentlichen Sitzungen daran erinnert werden, dass andere Teilnehmer auf verschiedene chemische Produkte sensibel reagieren und man auf Duftstoffe und Chemikalien verzichten soll. (28)

Contra Costal Medical Advisory Planning Commission (Kommission für Einsparungen im Medizinsektor): Mitteilung bei Ankündigungen öffentlicher Sitzungen: „Bitte helfen Sie uns, Personen mit EI/MCS entgegenzukommen und verzichten Sie darauf, Duftstoffe bei dieser Anhörung zu tragen.“ 1994.

San Francisco Board of Supervisors (Aufsichtsrat von San Franzisko): Fordert von Bürgern die an öffentlichen Sitzungen teilnehmen „das Benutzen von Parfüm und anderen Duftstoffen zu unterlassen, um Personen mit MCS eine Möglichkeit zu geben, teilzunehmen“,1993.

Immer mehr Schulen und Universitäten duftstoff- und chemiefrei

Bei einer spontanen CSN Recherche wurden mit minimalem Zeitaufwand über 30 Schulen und Universitäten in USA und Kanada gefunden, die weitgehend auf Verwendung von Chemikalien verzichten und über ein Duftstoffverbot verfügen. Nachfolgend ein Beispiel zur Verdeutlichung:

Die kanadische Mennonite Universität, eine christliche Universität in Winnipeg, ist duftfrei. Die Regelung wurde getroffen, um Studenten die unter MCS oder Asthma leiden, die Möglichkeit zu geben, studieren zu können.

Die Resonanz der Studenten war sehr positiv, sagte Peters Kliewer, der Leiter der Universität. Die Universität hat alle möglichen Produkte in duftfreie oder Produkte mit geringem Geruch umgestellt. Dies betrifft beispielsweise Reinigungsmittel für die Böden oder Seife für die Spender auf den Toiletten. Die Abteilung für Instandhaltung kauft ebenfalls nur Farben und Baumaterialien mit geringem Geruch. Randy Neufeld, der Leiter der Einrichtung sagte:

„Es kostet zwar ein wenig mehr, aber das ist es wert, für das Wohlbefinden und die Sicherheit der Studenten.“

Wenn mit Produkten gereinigt werden muss, die stärker riechen, werden die Studenten, die Probleme damit haben rechtzeitig benachrichtigt, damit sie das Areal meiden können oder für ein paar Stunden fernbleiben.

Um Besucher über die duftfreie Regelung zu informieren, hat jede Tür, die in die Universität führt, ein Schild mit der Aufschrift: „In Anbetracht der Rücksicht auf Personen, die unter Asthma, Allergien und Umwelt-, Chemikaliensensibilitäten leiden, werden Sie gebeten, es zu unterlassen Duftstoffe, oder duftende Produkte auf dem Campus zu tragen. CMU bemüht, sich eine duftfreie Umgebung zu sein.“

Anerkennung auf dem „kleinen Dienstweg“

Vor einiger Zeit bekam CSN eine Mail von einer amerikanischen Mutter, deren schulpflichtige Tochter chemikaliensensibel ist. Molly stand kurz davor, die Schule verlassen zu müssen, weil es ihr täglich schlechter ging. Der Schulleiter, die Lehrer, Eltern und Mitschüler hatten Verständnis, und Molly bekam Unterstützung. Sogar der Jahresabschlussball war duftfrei, und sie konnte teilnehmen.

Die Mutter von Molly berichtete, dass sie zu 95% klarkommt und, im Gegensatz zu vorher, ihre Noten hervorragend seinen. Molly ist unter Gleichaltrigen, kommt jetzt gesundheitlich gut klar, und die anderen Mitschüler sind stolz auf sie, genau wie ihre Mutter. Nur deren Mut, mit dem Leiter der Schule zu sprechen, und dessen Offenheit und Menschlichkeit ist es zu verdanken, dass ein junger Mensch trotz Handicap seinen Weg macht.

Akzeptanz von chemikaliensensiblen Mitmenschen sollte viel öfter auf dem „kleinen Dienstweg“ erfolgen, anstatt schwer kranke Menschen fortwährend zermürbenden, Kräfte raubenden Dialogen zu unterziehen, sie sogar zu diskriminieren oder ihnen selbst minimalstes menschliches Entgegenkommen zu verwehren.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, Mai 2008

Literatur:

  1. US Access Board, Board Policy to Promote Fragrance-Free Environments, 26.07. 2000
  2. C A L I F O R N I A L E G I S L A T U R E, SENATE SUBCOMMITTEE ON THE RIGHTS OF THE DISABLED SENATOR MILTON MARKS CHAIRMAN, FINAL REPORT, ACCESS FOR PEOPLE WITH ENVIRONMENTAL ILLNESS/ MULTIPLE CHEMICAL SENSITIVITY AND OTHER RELATED CONDITIONS, SEPTEMBER 30, 1996
  3. Fachkrankenhaus Nordfriesland – KV Schleswig-Holstein, Uni Kiel, 1992
  4. Fachkrankenhaus Nordfriesland – Bundesministerium für Gesundheit, 2001
  5. Qualitätszirkel MCS Hamburg, 2001
  6. Fachgespräch MCS im Umweltbundesamt, 04.09.2003
  7. Gerald H. Ross, Services Provided at the Nova Scotia Environmental Medicine Clinic, Herbst 1994
  8. MCS Definition, Multiple Chemical Sensitivity: A 1999 Consensus, Archives of Environmental Health v.54, n.3 May/Jun99
  9. Nicholas A. Ashford, Low-level chemical sensitivity: implications for research and social policy, Ashford Toxicol Ind Health.1999; 15: 421-427
  10. Bundesregierung Bundestagsdrucksache 13/6324 Ziffer 15, 1996
  11. Presserklärung BGVV, Umweltbundesamt, Feb. 1996
  12. Bundesregierung Bundestagsdrucksache 13/6324 Ziffer 15, 1996
  13. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage mit BT- Drs. 13/7463, Ziff. 3, April 1997
  14. Deutscher Bundestag, Antwort der Bundesregierung, 13. Wahlperiode, Drucksache 13/11125 vom 17.06.1998
  15. Ärztlicher Sachverständigen Rat, Sektion Versorgungsmedizin, Bundesministerium für Arbeit, TOP 1.9, Nov. 1998.
  16. Bayerisches Landesamt für Umweltschutz , Fachinformation „Umwelt und Gesundheit“ Umweltsyndrome, November 2001
  17. Multiple Chemical Sensitivities at Work: A Training Workbook for Working People, New York: The Labor Institute, 1993
  18. Videotape „MCS: An Emerging Occupational Hazard.“ New York: The Labor Institute, 1993
  19. Job Accommodation Network, Tracie DeFreitas Saab, Accommodation and Compliance Series: Employees with Multiple Chemical Sensitivity and Environmental Illness, 01/02/06.
  20. Job Accommodation Network, Accommodation and Compliance Series: Employees with Multiple Chemical Sensitivity and Environmental Illness, 01.02.2006
  21. EEOC GUIDANCE LETTER, US. EQUAL EMPLOYMENT OPPORTUNITY COMMISSION, Washington, DC 20507, JULY 24 1996
  22. CAW, Multiple Chemical Sensitivity Syndrome, 2006
  23. Pesticide Registration Registries: Descriptive Summary of a Survey of State Pesticide Sensitivity Registries and Evaluation of Louisiana’s Registry for Pesticide sensitive Individuals, Louisiana Department of Health and Hospitals, Dezember 2003.
  24. Washington State, Pesticide Sensitivity Registry, 16.07.2007
  25. Silvia K. Müller, Anerkennung von MCS durch Stadt Zürich, CSN Blog, 18.Feb. 2008
  26. Umweltbundesamt, Fachgespräch zum MCS Syndrom, Sept. 2003
  27. Bayrisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, 17.09. 2003
  28. San Francisco Department of Public Health, Mitchell H. Katz, M.D., Director of Health, February 6, 2008

WIDERLEGT Lüge Nummer 4: „Chemikalien-Sensitivität ist nicht anerkannt“

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Der Kampf um Anerkennung lohnt

Chemikalien-Sensitivität ist als Behinderung anerkannt / Teil I

Die Barrieren sind unsichtbar und oft sogar geruchlos, aber dennoch unüberwindbar. Kein Aufzug, keine Rampe bietet Abhilfe. Kein Signalton und kein Warnlicht bietet Schutz davor. Gemeint sind die Hürden im Alltag, die bei bestimmten Menschen u.a. Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Krämpfe, Sehverlust, Erschöpfung, Artikulationsstörung und bei schweren Fällen sogar Bewusstlosigkeit auslösen.

Die Menschen, von denen die Rede ist, gehören zu den 15-30% in der Allgemeinbevölkerung eines Landes, die unter Chemikalien-Sensitivität (MCS) leiden und auf Duftstoffe, Farben und Lacke, frischen Asphalt, Zigarettenrauch, Reinigungsmittel, neuen Teppichboden und viele andere Alltagschemikalien oft in Sekundenschnelle Beschwerden entwickeln, die zumeist Stunden bis Tage anhalten. Bei schweren Fällen führt die Erkrankung zu völliger Behinderung und unweigerlich zu Isolation.

Um chemikaliensensiblen Menschen zu helfen, wurden in einigen Ländern begonnen in verschiedenen Lebensbereichen Gesetze und Regelungen zu deren Schutz und Hilfe zu schaffen.

Sachliche Aufklärung führt zu Anerkennung

In mehreren Etappen stellen wir eine kleine Auswahl von dokumentierten Fällen dar, um zu zeigen, dass Chemikalien-Sensitivität (MCS) sehr wohl auch von behördlicher Seite anerkannt wird, und nicht nur dort, auch in der Gesellschaft werden, langsam zwar, aber dennoch mehr und mehr Barrieren abgebaut.

Es ist jedoch zu erwarten, dass noch Einiges an Zeit verstreichen wird, bis wir in Deutschland soweit sind, dass auf Chemikaliensensible genauso viel Rücksicht genommen wird, wie bereits jetzt schon auf andere Behinderte. Ansätze und einige erste Grundlagen sind bereits vorhanden. Es liegt mit an den durch Chemikalien Erkrankten selbst, weitere Aufklärung über toxische Schädigungen und die damit sehr häufig verbundene Chemikalien-Sensitivität zu betreiben.

Eine Trendwende zugunsten von mehr Lebensqualität und Überlebensgrundlagen für Chemikaliensensible wird nicht zum Nachteil der Allgemeinheit führen, ganz im Gegenteil, sie wird dazu beitragen, dass in vielen Bereichen Menschen gesünder und damit produktiver sein können.

Behörden schaffen Grundlagen
Im Jahr 1945 wurde erstmals in einer medizinischen Fachzeitschrift über Chemikalien-Sensitivität berichtet. Es sollte jedoch viele Jahrzehnte dauern, bis diese Erkrankung, die viele Menschen betrifft und in schweren Fällen jegliche Existenzgrundlage raubt, von der WHO in die Klassifizierung von Krankheiten einfloss.

Nach der „International Classification of Diseases“ der WHO, 10 Auflage (1990), ICD-10, im Gebrauch seit 1994, hat MCS die Klassifikation T78.4 und ist dem Bereich „Vergiftungen, Verletzungen andere äußere Ursachen“ zugeführt. T78.4 steht für „Allergien, Überempfindlichkeiten.“ (1,2)

In Australien ist MCS, vom National Centre for Classification in Health, ebenfalls mit einem WHO ICD -10 – AM Code beziffert. Dort floss die Einklassifizierung unter neu definierte Erkrankungen ein (3).

Chemikalien-Sensitivität ist eine Behinderung
Als Behinderung kann Chemikalien-Sensitivität in den USA in Einzelfallentscheidung seit 1992 geltend gemacht werden. (4) Der erste bekannt gewordene Fall, dass MCS zu einer Anerkennung als Behinderung führte, wurde jedoch schon 1979 von einem Gericht auf Hawaii beschieden.

Den Erkrankten wird von US Behördenseite in erster Linie dadurch geholfen, dass zunehmend Wohnraum, öffentliche Gebäude und Arbeitsplätze für deren besondere Bedürfnisse angepasst werden. Die amerikanische Behörde „US Access Board“ setzt sich intensiv mit Modalitäten auseinander, die es Behinderten ermöglichen sollen, öffentliche Gebäude zu betreten und an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen zu können. Mit diesem Abbau „unsichtbarer Barrieren“ sollen Chemikalien- und Elektrosensible die Möglichkeit erhalten, am Leben teilzunehmen. So gibt es in der Stadt San Franzisko bspw. keine öffentliche Versammlung, in der Duftstoffe oder Zigarettenrauchen erlaubt wäre. Auf chemische Reinigungsmittel wird vor einer Veranstaltung ebenso verzichtet, wie auf das Versprühen von Pestiziden in einem bestimmten Zeitrahmen davor. (5)

Ein weiteres Beispiel, wie in der Praxis mit wenig Mühe Hilfe für Chemikaliensensible betrieben wird:

Im Staat Washington kann eine Person, die unter MCS leidet und als schwer behindert anerkannt ist, beim Ministerium ein spezielles Nummernschild beantragen. Das Ministerium sendet dann einen Fragebogen an den behandelnden Arzt. Wenn der Arzt bestätigt, dass der Patient unter schwerer MCS leidet, bekommt er ein spezielles Nummernschild für Schwerbehinderte. Mit diesem Nummernschild wird das Auto des MCS Kranken an Tankstellen von einem Angestellten betankt. Diese Maßnahme sorgt dafür, dass Chemikaliensensible keine Benzindünste beim Tanken einatmen müssen und im Wagen sitzen bleiben können.

MCS in Deutschland als Behinderung anerkannt
In Deutschland erfolgte eine Aufnahme in das Register für Behinderungen erst auf Druck von Seiten der Erkrankten, deren Ärzten, Politikern und Rechtsanwälten. Doch dann verschloss sich sogar die deutsche Arbeitsmedizin nicht mehr den Empfehlungen, grenzte lediglich zum Selbstschutz ein. (6,7,8,9)

Bundestagsdrucksache, 1996

„Die Bundesregierung erklärte gegenüber dem Deutschen Bundestag, dass sie keinerlei Bedenken gegen die Anerkennung des MCS Syndroms als Schwerbehinderung nach dem geltenden Schwerbehindertenrecht hat.“ (7)

Ärztlicher Sachverständigen Rat, 1998

„Gemäß Beschluss sind so genannte Umweltkrankheiten, wie das „MCS- Syndrom“,  die mit vegetativen Symptomen, gestörter Schmerzverarbeitung, Leistungseinbussen und Körperfunktionsstörungen, etc. einhergehen, grundsätzlich als Behinderung nach dem Schwerbehindertenrecht SGB IX anerkannt. Es wird darauf hingewiesen, dass psychische oder psychiatrische Krankheiten nicht mit dieser Einstufung verbunden sind. „(8)

Deutsche Arbeitsmedizin, 2002

„Gesetzliche Voraussetzungen für die Anerkennung als Berufskrankheit liegen nicht vor, dessen ungeachtet kann das Vorliegen einer MCS- Symptomatik in den übrigen Sozial-versicherungsbereichen berücksichtigt werden“. (6)

Behinderung anerkannt, Diskriminierung abgestellt
In Deutschland wurde MCS als Behinderung 2004 eingegliedert, aber sehr zum Leidwesen der Erkrankten und deren Ärzte hatte man Chemikalien-Sensitivität (MCS) und Chronische Erschöpfung (CFS) in den Leitlinien unter Ziffer 26.3 „Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, psychische Traumen“ gelistet. Die Erkrankten und ihre Ärzte empfanden diese Einstufung zu Recht als Diskriminierung, was zu einer Neueingliederung im Jahr 2005 führte. Seitdem werden MCS und CFS unter Ziffer 26.18 „Haltungs- und Bewegungsapparat, rheumatische Erkrankungen“ geführt. Nun kann beim Vorliegen einer besonders schweren MCS ein GdB von mehr als 50 anerkannt werden. (9)

Kanada allen voraus
In Kanada geht man noch einen Schritt weiter. Mitte des Jahres 2007 hat die kanadische Menschenrechts-kommission sehr deutlich bekundet, dass sie für Menschen mit Chemikalien-Sensitivität ganz besonders eintritt.

Aus einem über 100-seitigen Bericht der kanadischen Menschenrechtskommission geht hervor: (3)

Personen mit Umweltsensibilitäten verspüren eine Reihe von negativen Reaktionen gegenüber Umweltagenzien bei Konzentrationen, die weit unter dem liegen, was „Normalpersonen“ beeinträchtigt. Dieser medizinische Zustand ist eine Behinderung, und diejenigen, die mit Umweltsensibilitäten leben müssen, stehen unter dem Schutz des Canadian Human Rights Act (Gesetzgebung der kanadischen Menschenrechtskommission), welche die Diskriminierung einer Behinderung verbietet. Die kanadische Menschenrechtskommission wird jede Anfrage und jeden Beschwerdevorgang von Personen verfolgen, die glauben, dass er oder sie aufgrund einer Umweltsensibilität diskriminiert wurden. Wie Andere mit einer Behinderung, wird vom Gesetz her verlangt, denjenigen mit Umweltsensibilitäten entgegenzukommen.

Der CHRC Act (Gesetzgebung der kanadischen Menschen-rechtskommission), spornt Arbeitgeber und Dienstleister an, Eigeninitiative zu zeigen in diesen Belangen und hinsichtlich der Sicherstellung, dass ihre Arbeitsplätze und Einrichtungen für Personen mit einer großen Bandbreite von Behinderungen zugänglich sind. Erfolgreiche Anpassungen für Personen mit Umweltsensibilitäten erfordern innovative Strategien, um Expositionen gegenüber Auslösern aus der Umwelt zu reduzieren oder zu eliminieren.

Diese schließen ein:

  • Entwicklung von Richtlinien für die Durchsetzung von Duftstoffverboten und Vermeidung von Chemikalien
  • Vereinbarung von Ausbildungsprogrammen zur Erreichung freiwilliger Einhaltung solcher Richtlinien
  • Minimierung von Chemikalieneinsatz und Kaufen von schadstoffarmen Produkten
  • Benachrichtigung von Mitarbeitern und Kunden im Vorfeld von Bau- oder Umbauarbeiten und Reinigungsaktivitäten

CHRC bekräftigt diese Vorhaben mit der Aussage:

Solche Maßnahmen können Verletzungen und Krankheiten verhindern, Kosten, Gesundheits- und Sicherheitsrisiken reduzieren.

Autor:
Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, Mai 2008

Literatur:

  1. DIMI- Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation, Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, ICD-10-GM, Alphabetisches Verzeichnis, Seite 143, Version 2008
  2. Dr. Ursula Kueppers, DIMDI, e-Mail an CSN
  3. Margaret E. Sears, Canadian Human Rights Commission, Policy on Environmental Sensitivities, Mai 2007
  4. HUD, Carole W. Wilson, Associate General Counsel for Equal Opportunity and Administrative Law, Memorandum Multiple Chemical Sensitivity Disorder and Environmental Illness as Handicaps, March 5, 1992
  5. US Access Board, Access Board Policy, Juli 2000
  6. Prof. Dr. med. Renate Wrbitzky / Abt. Arbeitsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover; Prof. Dr. med. Thomas Kraus, Institut für Arbeitsmedizin der RWTH Aachen; Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Andreas Zober, Abt. Arbeitsmedizin und Gesundheitsschutz der BASF Ludwigshafen, Deutsches Ärzteblatt, Heft 38, Seite A 2474, Jahrgang 2002.
  7. Bundestagsdrucksache 13/6324 Ziffer 15 aus dem Jahr 1996
  8. Ärztlicher Sachverständigen Rat, Sektion Versorgungsmedizin, Bundesministerium für Arbeit, TOP 1.9, Nov. 1998
  9. BMGS Berlin, MCS Ziffer 26.18, Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit, Anhaltspunkte 2005

Die 10 größten Lügen über Chemikalien-Sensitivität (MCS)

Alle 10 größten Lügen über Chemikalien-Sensitivität sind längst widerlegt.

Mehr dazu in den nächsten CSN Blogs.

Domina bietet außergewöhnliche Dienste an

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Rücksicht auf Chemikaliensensible ist Pflichtprogramm

Hi, hier ist Lady Nell. Mein schwarz gestrichenes Atelier mit Käfig und Stahlfesseln und meine Peitsche warten auf Dich„.

Die harte dominante Frauenstimme auf dem Anrufbeantworter fährt nach dem scharfen Zischen einer Peitsche fort:

Lass mich beim Bestätigungsanruf wissen, ob Du Probleme mit Parfum oder Allergien auf Duftstoffen hast, ich richte mich in diesem Punkt nach Dir, ansonsten bist Du mein Spielzeug und unterliegst meinen Regeln. Mein Atelier ist rauchfrei„.

Diesen außergewöhnlichen Service bietet Lady Nell, eine strenge Domina aus San Francisco an und füllt damit eine Marktlücke. Es gäbe immer mehr Kunden, die zwar höchsten Wert darauf legen, sich nach allen Regeln der Kunst zu unterwerfen, sie wollen ihr Sklave sein, doch Lady Nell hat dennoch kein Bestreben, ihre Schmerz liebenden Kunden mit Kopfschmerzen, Schwindel, Ausschlag, Atembeschwerden, Übelkeit oder ähnlichem nach Hause zu schicken, weil diese allergisch auf Duftstoffe reagieren oder zu jenen gehören, die chemikaliensensibel sind. Diese Leute gäbe es immer häufiger, lässt die mit Vorliebe in schwarzem Lack gekleidete Frau wissen. Das müsse man als erfahrene Domina wissen und einplanen, meint Lady Nell und ihre harte Stimme lässt keine Zweifel aufkommen als sie abschließend sagt:

Der Schmerz muss aus erotischer Dominanz und meiner Hand stammen, nicht durch ein banales Parfum oder Weichspüler in der Bettwäsche erzeugt werden, das ist in meiner bizarren Welt nicht erwünscht“.

Das alles erfuhr ich, nachdem ich einen Artikel über Chemikalien-Sensitivität, Duftstoffverbote und Leute, die auf Parfum reagieren, in einer großen amerikanischen Zeitung las und anschließend zum Telefonhörer griff,

Euer Thommy

WIDERLEGT Lüge Nummer 3: „Chemikalien-Sensitivität ist eine neue Krankheit“

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Chemikalien-Sensitivität ist keine „neue Krankheit“, eher ein „alter Hut“

Es war im geschichtsträchtigen Jahr 1945, als die erste Veröffentlichung über Menschen, die plötzlich auf minimale Spuren von Alltagschemikalien reagierten, mit denen sie zuvor keine Probleme hatten, in einer medizinischen Fachzeitschrift für Allergologen in den USA erschien. Theron Randolph, der Autor des Artikels, stand damals noch in den Anfängen seiner Beobachtungen, doch lernte er durch seine Patienten rasch hinzu.

Über ein Schlüsselerlebnis berichtet Randolph in einer frühen Fallbeschreibung aus dem Jahr 1947:

Eine 41-jährige Kosmetikverkäuferin, die Frau eines Arztes, litt unter häufigen Kopfschmerzen, chronischer Erschöpfung, ständigem Schnupfen, Ausschlag, Irritiertheit, etc. Jedes Mal, wenn sie Nagellack auftrug, bekam sie spontan Ödeme und Ausschlag an den Augenlidern. Sie hatte ganz offensichtlich eine Hypersensitivität gegenüber Parfums, Kosmetika mit Duftstoffen und vielen Medikamenten.

Im Verlauf stellte Randolph fest, dass sie auch auf Hausstaubmilben, Seide und sehr viele Nahrungsmittel reagierte. Das Spektrum der Substanzen, auf die die Frau Reaktionen entwickelte, weitete sich immer weiter aus. Randolph berichtet, dass diese Frau beispielweise jedes Mal, wenn sie zu ihm nach Chicago zur Behandlung fuhr, akuten Husten, Asthmaanfälle und Kopfschmerzen bekam, wenn sie eine Gegend im nördlichen Indiana erreichte, in der eine große Ölraffinerie ihren Stützpunkt hatte. An nebligen oder regnerischen Tagen ging es ihr noch schlechter, weil die Emissionen der Ölraffinerie nach unten gedrückt wurden.

Auch auf Autoabgase, insbesondere Dieselabgase, regierte die ehemalige Kosmetikverkäuferin sehr stark. So konnte sie im Hotel nur im obersten Stockwerk übernachten, wo sie keinen Abgasen ausgesetzt war. Hielt sie sich im zwanzigsten Stock des Hotels auf, verbesserte sich ihr Zustand innerhalb vierundzwanzig Stunden. Hielt sie sich im Parterre des Hotels auf, ging es ihr zunehmend schlechter. Randolph musste zusehen, wie sich die Gesundheit der Frau zunehmend verschlechterte. Sie bekam Phasen, in denen sie wie betrunken herum torkelte und das Bewusstsein verlor. Dreimal lief sie in einen Wagen in einem solchen Zustand.

Der Allergologe Randolph verschrieb eine möglichst weiträumige Karenz gegenüber allen Auslösern der Reaktionen, die ihm und der Patientin bekannt waren, und siehe da, die Frau stabilisierte sich und Randolph war klar, dass Vermeidung ein Grundpfeiler der Behandlung von Patienten sein musste, die besondere Empfindlichkeit gegenüber Alltagschemikalien zeigten. 

Theron Randolph, der Autor dieses Fallberichtes, stand damals noch in den Anfängen seiner Beobachtungen, die er im weiteren Verlauf intensivierte und die er 1962 im ersten Buch über die Krankheit Chemikaliensensitivität ausführlich darlegte (1,2). Wenig später sollte der Allergologe die erste Umweltklinik weltweit gründen. Diese Klinik hatte sehr streng kontrollierte Umweltbedingungen, die bis heute in ihrer Perfektion nicht oft erreicht wurden. Randolph veröffentlichte insgesamt 4 Bücher, sowie über 300 medizinische Artikel, die einen ersten Grundstock für die heutige Umweltmedizin bilden und noch immer informative lesenswerte Standartwerke darstellen.

Der Aufschrei blieb bis heute aus

Eigentlich hätte mit Erscheinen von Randolphs erstem Buch und seinen vielen damaligen Publikationen in medizinischen Zeitschriften ein Aufschrei erfolgen müssen, und gleichzeitig hätte die Medizin beginnen müssen, diese anschaulich vermittelten Erkenntnisse in die Praxis einfließen zu lassen. Doch weit gefehlt, nichts geschah, denn man befand sich gerade im Rausch der Möglichkeiten, die ständig neu auf den Markt kommende Chemikalien boten. Nylonstrümpfe, Haarspray, Nagellack, Putzmittel, die im Nu jeden Fleck tilgen, erste synthetische Parfums, wetterfeste Farben und wunderschöne chromblitzende, benzinfressende Straßenkreuzer, die Statussymbol einer ganzen Ära wurden.

Das Wirtschaftwunder hatte sich seinen Weg gebahnt und wollte nicht durch Menschen gestört werden, die auf das „Wunder Chemie“ reagierten, welches einer aufstrebenden Industrie größten Profit versprach. Man wollte den Zweiten Weltkrieg vergessen, man wollte leben, das Leben in vollen Zügen genießen.

Seit der damaligen Zeit ist die Zahl der auf dem Markt befindlichen Chemikalien rasant angestiegen. Eine Welt ohne synthetische Chemikalien ist undenkbar geworden. Wir profitieren davon, müssen aber längst die Kehrseite der Medaille bezahlen, wie durch Chemikalien induzierte Krankheiten beweisen.

Die Fragen, mit denen Randolph sein 1962 erschienenes Buch „Human Ecology and Susceptibility to the Chemical Environment“ beginnt, können bis heute nicht vollständig beantwortet werden (2).

Theron Randolph, 1962:

  • Wie sicher ist unsere derzeitige chemische Umwelt?
  • In welchem Ausmaß trägt sie zu chronischen Krankheiten bei?
  • Wieviel wissen wir über die Langzeitfolgen von solchen Nebenprodukten des „Fortschritts“; wie chemischen Schadstoffe in der Luft unserer Häuser und Städte; chemische Zusatzstoffe und Kontaminierungen in unserer Nahrung, im Wasser und in biologischen Medikamenten ebenso wie in synthetischen Medikamenten, Kosmetika und vielen anderen persönlichen Expositionen, denen wir ausgesetzt sind, und den Kontakten mit den von Menschen hergestellten Chemikalien am Arbeitsplatz?

Das Szenario, dass Chemikalien in der Tat einen negativen Einfluss auf unsere Gesundheit, Gene und Fortpflanzungsfähigkeit haben können, wird heutzutage durch wissenschaftliche Veröffentlichungen bestätigt. Es wird täglich deutlicher und mahnt zu sorgsamerem Umgang mit Chemikalien.

Forschung in den Sechzigern weiter als heute?

Ab den sechziger Jahren häuften sich die Fälle von Chemikalien-Sensitivität, und man fing man an, die Krankheit wissenschaftlich zu erforschen. Erste Doppelblindstudien von Eloise Kailin belegten schon damals, 1963, dass die Beschwerden der Patienten real sind und Erkrankte sich von Normalpersonen durch ihre Reaktionen auf Chemikalien unterscheiden. (4-6) Verstärkte Forschung über Chemikalien-Sensitivität wurde ab den achtziger Jahren betrieben. Heute ist die Zahl der wissenschaftlichen Studien auf über 800 angewachsen (7,8). Das ist viel für eine Krankheit, die angeblich „neu“ sein soll, und für „eine Krankheit, die es nicht gibt“, wie manche Interessenvertreter als Abwehrmechanismus gerne behaupten.

Wo bleibt Hilfe für Chemikaliensensible nach über 60 Jahren?

Vergleichsweise gibt es tatsächlich Krankheiten, die noch weitgehend „jung“ sind im Gegensatz zu Chemikalien-Sensitivität. Dennoch wird dazu weltweit geforscht. Erkrankte solcher „neuen Krankheiten“ bekommen Therapien angeboten, auch wenn die Krankheit bis dato nicht heilbar ist. Je nachdem gibt es Hilfsfonds, Unterstützung, Beistand, kurzum es existiert im Nu eine Infrastruktur für die Erkrankten. Anders bei Chemikalien-Sensitivität. Warum?

Über 60 Jahre, das ist länger als ein halbes Jahrhundert, ist es nun bekannt, dass es Menschen gibt, die leichte bis völlig behindernde Symptome auf Alltagschemikalien im Niedrigdosisbereich erleiden. In all dieser Zeit verloren viele der Erkrankten ihre Gesundheit, Arbeit, Familie, Existenz und ihre Lebensqualität. Manche brachten sich sogar um, weil ihnen keiner half, weil sie auf alles reagierten und nur diskriminiert wurden oder weil sie keinen Ort fanden, an dem sie auch nur Minuten beschwerdefrei leben konnten.

FAZIT: Die Behauptung, „MCS ist eine neue Krankheit“, stellt nachweisbar eine dreiste Lüge dar. Gegenüber vielen anderen Krankheiten ist Chemikalien-Sensitivität ein „alter Hut“. Wo bleibt also Hilfe, medizinische Versorgung, Unterstützung und unabhängige Forschung für die Millionen Erkrankten, die es zweifelsfrei weltweit gibt?

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, Mai 2008

Literatur:

  1. Randolph, T.G. 1945. Fatigue and weakness of allergic origin (allergic toxemia) to be differentiated from nervous fatigue or neurasthenia. Ann.Allergy 3:418-430.
  2. Randolph Theron, Human Ecology and Susceptibility to the Chemical Environment, Thomas Publisher, 1962
  3. Randolph, Theron G. (1987). Environmental medicine: beginnings and bibliographies of clinical ecology. Fort Collins, CO: Clinical Ecology Publications.
  4. Kailin, E. and C. Brooks. 1963. Systemic toxic reactions to soft plastic food containers: a double-blind study [of MCS patients]. Med.Ann.Washington DC 32:1-8.
  5. Kailin, E. and C. Brooks. 1965. Cerebral disturbances from small amounts of DDT; a controlled study [of MCS patients]. Med..Ann.Washington DC 35:519-524.
  6. Kailin, E. and A. Hastings. 1966. Electromyographic evidence of DDT-induced myasthenia [in MCS patients]. Med.Ann.Washington DC 35:237-245.
  7. Silvia K. Müller, Wissenschaftlicher Sachstand zu MCS, CSN Blog, Jan.2008
  8. MCS Bibliographie, http://www.csn-deutschland.de/mcs_bib_main.htm

Die 10 größten Lügen über Chemikalien-Sensitivität (MCS)

Alle 10 größten Lügen über Chemikalien-Sensitivität sind längst widerlegt.

WIDERLEGT Lüge Nummer 2: MCS ist selten

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Wer hat MCS? Das sind zu viele!

Chemikalien-Sensitivität (MCS) wird von bestimmten Interessenvertretern nach außen immer wieder als selten auftretende, ja geradezu exotische Krankheit dargestellt, und dass, obwohl sie weltweit mit steigender Tendenz auftritt. Das Negieren geschieht in erster Linie, um die Brisanz, die mit der Krankheit verbunden ist, zu untergraben, Ansprüche abzuwehren und den Handlungszwang gegenüber den Erkrankten zu eliminieren, die oftmals krankheitsbedingt in unfreiwilliger Zwangsisolation leben müssen. Dass Chemikalien-Sensitivität de facto keine selten auftretende Erkrankung ist, beweisen epidemiologische Studien und Erhebungen aus verschiedenen Ländern seit Jahrzehnten.

Chemikalien- Sensitivität ist in der Allgemeinbevölkerung häufig

Wissenschaftler in den USA gehen davon aus, dass bereits zwischen 15 – 30 % der Allgemeinbevölkerung, darunter versteht man Personen, die nicht am Arbeitsplatz geschädigt wurden, (1,2,3,4,5,6,7) leicht bis mittelschwer und 4 – 6 % schwer (8) auf Alltagschemikalien, wie z.B. Parfum, Zigarettenrauch, frische Wandfarbe, Duftstoffe, Zeitungsausdünstungen, Autoabgase, etc. mit vielfältigen Symptomen reagieren.

Personen, die in bestimmten Arbeitsbereichen tätig sind, sind zusätzlich prädisponiert, Chemikalien-Sensitivität zu entwickeln (9,10). Maschewsky nennt als Primärrisikoberufe Maler, Drucker, Automechaniker, Chemiearbeiter und Metallberufe.

In Schweden wurde 2005 durch das Ministerium für Arbeits- und Umweltmedizin in Lund festgestellt, dass etwa ein Drittel der Bevölkerung auf Umweltchemikalien reagiert. (12)

Dass die in Deutschland von Prof. Dr. Thomas Zilker/TU München ansässige Umweltambulanz bei ihrer Erhebung anhand 2032 Erwachsenen lediglich 9% „selbstberichtete“ Chemikalien-Sensitivität und 0,5% ärztlich diagnostizierte MCS feststellen (14), lässt in Anbetracht der in den anderen Ländern ermittelten Zahlen die Frage nach der verwendeten MCS Falldefinition und dem anwendeten Studiendesign laut werden. Insbesondere in Anbetracht dessen, dass Deutschland das europäische Land mit den meisten in MCS Selbsthilfegruppen organisierten Chemikaliensensiblen ist.

Auswahl einiger internationaler Studien zur Epidemiologie von Chemikalien-Sensitivität

Autor Art der Untersuchung Ergebnis
1981, NationalAcademy of Sciences (NAS) Bericht 15% der US Bevölkerung leidet unter Chemikaliensensibilität
1987, Mooser SB.The Epidemiology of Multiple Chemical Sensitivities (MCS). Occup Med 2:663-681. Bericht 2 – 10% der US Bevölkerung reagiert hypersensibel auf Chemikalien
1993, Bell IR, Schwartz GE, Peterson JM, Amend D. Self-reported illness from chemical odors in young adults without clinical syndromes or occupational exposures. Arch Environ Health 48:6-13. Wissenschaftliche Studie mit 643 jungen College Studenten in Arizona 15% der Studenten berichteten, sich mittel bis schwerkrank nach Exposition gegenüber einer Auswahl von mindestens 4 von 5 Alltagschemikalien zu fühlen (u. a. Autoabgase, frische Farbe, Parfüm, Pestizide und neuer Teppichboden) 22% der College Studenten fühlten sich mittel bis schwer krank nach mindestens 3 von 5 Alltagschemikalien
1993, Bell IR, Schwartz GE, Peterson JM, Amend D, Stini WA; Possible time-dependent sensitization to xenobiotics: self-reported illness from chemical odors, foods, and opiate drugs in an older adult population. Arch Environ Health 48:315-27. Wissenschaftliche Studie mit 263 älteren Rentnern in Arizona 17% der Teilnehmer einer Langzeitstudie über Osteoporose berichteten, mittel bis schwer krank nach Exposition von mindestens 5 Alltagschemikalien zu sein.
1994, Bell IR, Schwartz GE, Peterson JM, Amend D, Stini WA; Sensitization to early life stress and response to chemical odors in older adults. Biol Psychiatry 35:857-63. Wissenschaftliche Studie mit 192 älteren Rentnern in Arizona 37% gaben im Verlauf der Studie an, besonders sensibel auf bestimmte Chemikalien zu reagieren.
1993, Wallace LA, Nelson CJ, Highsmith R, and Dunteman G., Association of personal and workplace characteristics with health, comfort and odor: a survey of 3948 office workers in three buildings. Indoor Air 3:193-205.1995, Perception of indoor air quality among government employees inWashington, DC. Technology: Journal of the Franklin Institute, 332A:183-198(Anmerkung: Die Wissenschaftler waren Mitarbeiter der EPA, Studie wurde vor der Präsentation und Veröffentlichung durch die EPA geprüft) Wissenschaftliche Studie der EPA mit 3948 EPA Mitarbeitern in Washington D.C. und Virginia 32% der Mitarbeiter der EPA Hauptverwaltung (Amerikanische Umweltschutzbehörde) Waterview Mall sagten, dass sie nach der Verklebung eines neuen Teppichbodens begannen besonders sensibel auf Alltagschemikalien zu reagieren. Zwei weitere EPA Gebäude in Crystal und Fairchild wurden als Kontrollgruppe genommen. 32% und 29% der dort angestellten EPA Mitarbeiter reagierten besonders sensibel auf Alltagschemikalien. 33% einer zusätzlichen Kontrollgruppe von 3000 Mitarbeitern der Kongress Bibliothek sagten ebenfalls, dass sie besonders sensibel auf Alltagschemikalien reagieren.
1995, Kipen HM, Hallman W, Kelly-McNeil K, Fiedler N. Measuring Chemical Sensitivity Prevalence: a questionnaire for population studies. Am J Public Health 85:575-577. Wissenschaftliche Studie mit 705 Patienten einer arbeitsmedizinischen Klinik in New Jersey 54% der Patienten der arbeitsmedizinischen Klinik mit Asthma hatten MCS. 69% der MCS Patienten berichteten über Reaktionen auf 23 und mehr Substanzen. 20% der Gesamtpatientenzahl hatten MCS
1996, Meggs WJ, Dunn KA, Bloch RM, Goodman PE, Davidoff AL. Prevalence and nature of allergy and chemical sensitivity in a general population. Arch Environ Health 51:275-282. Wissenschaftliche Studie mittels Fragebogen und Telefonbefragung von 1027 Bewohnern des ländlichen Bereichs von North Carolina 33% der Bewohner von North Carolina reagierten auf chemische Alltagschemikalien (Parfüm, Pestizide, frische Farbe, Autoabgase, Zeitungsdruck, etc.)
1996, Bell, Miller, Schwartz, Peterson, Amend – Neuropsychiatric and somatic characteristics of young adults with and without self-reported chemical odor intolerance and chemical sensitivity. Arch Envirn Health. Wissenschaftliche Studie über 809 junge Erwachsene in Arizona mit und ohne selbst berichtete Intoleranz gegenüber chemischen Gerüchen oder Chemikaliensensibilität 28% waren besonders sensibel gegenüber Chemikalien
1997, Bell IR, Walsh ME, Gersmeyer A, Schwartz GE, Kano P. Cognitive dysfunctions and disabilities in geriatric veterans with self-reported intolerance to environmental chemicals. J Chronic Fatigue Syndr 2:5-42. Wissenschaftliche Studie mit 160 älteren Rentnern in Arizona 37% der älteren Rentner berichteten über Hypersensibilität gegenüber Chemikalien.
1999, Kreutzer R, Neutra RR, Lashuay N. Prevalence of people reporting sensitivities to chemicals in a population-based survey. Am J Epidemiol 150:1-12. Staatliche wissenschaftliche Studie (CDHS) mit 4000 Teilnehmern in Kalifornien – California Department of Health Services. Die Studie bestätigte den Bericht des NAS 1981 15,9% berichteten über eine ungewöhnliche Sensibilität gegenüber Alltagschemikalien. Die Studie fand eine heterogene Verteilung von MCS in der Bevölkerung unabhängig von Rasse, Geschlecht und Bildungsstand.
6,3% hatten ärztlich diagnostizierte MCS.
2003, Stanley M. Caress, Anne C. Steinemann, A Review of a Two-Phase Population Study of Multiple Chemical Sensitivities, State University of West Georgia, Carollton, Georgia, USA; Georgia Institute of Technology, Atlanta, Georgia, USA. Environmental Health Perspectives. Bevölkerungsbasierte wissenschaftliche Prävalenz- Studie mit 1582 Personen in Georgia 12,6% haben eine Hypersensibilität gegenüber Alltagschemikalien. 3,1% der Personen hatten eine umweltmedizinische Diagnose oder MCS. Nur 1,4% davon hatte eine Vorgeschichte mit emotionalen Problemen.

Verstärkt auch Kinder chemikaliensensibel

Chemikalien-Sensitivität bei Kindern und Jugendlichen ist ein trauriges Kapitel, das bisher kaum Erwähnung findet in der Öffentlichkeit. Doch sie existieren, die Kinder und Jugendlichen, die auf Alltagschemikalien wie Parfum, Lacke, Zeitungen, Abgase, etc. mit zum Teil schweren körperlichen Symptomen reagieren. Schwedische Wissenschaftler fanden in einer aktuellen Studie heraus, dass Chemikalien-Sensitivität bei Jugendlichen mit 15,6% fast genauso häufig wie bei Erwachsenen auftritt. Die Folgen sind weitreichend, denn in Schulen und beim Start ins Berufsleben wird kaum Rücksicht auf sie genommen. Zusätzlich sind Kinder und Jugendliche durch ihre Krankheit zwangsläufig sozial ausgegrenzt (13)

Todschweigen ist folgenreich und kostet ein Vermögen

Menschen mit Chemikalien-Sensitivität zu negieren ist eine zwecklose Vogel-Strauss-Strategie, die erhebliche, nicht abschätzbare Folgen nach sich zieht, wie eine großangelegte Studie der US Wissenschaftler Stanley A. Caress und Anne C. Steinemann verdeutlicht. Deren epidemiologische Studie, die im September 2003 in der Zeitschrift Environmental Health Perspectives erschien, belegt, dass 12,6% der Gesamtbevölkerung in den USA unter Chemikalien-Sensitivität (MCS) leiden. Von dieser Bevölkerungsgruppe mit Hypersensitivität auf Chemikalien haben, laut Caress und Steinemann, 13,5% (oder 1,8% des gesamten Kollektivs) wegen der Erkrankung ihren Job verloren.

Umgerechnet auf die US Gesamtbevölkerung leiden demnach rund 36,5 Millionen Amerikaner an MCS und mehr als 5,2 Millionen, das sind etwa 1,8% der Gesamtbevölkerung, können infolgedessen ihren Arbeitsplatz aufgrund ihrer Chemikalien-Sensitivität verlieren (11).

Fazit: Chemikalien- Sensitivität ist also, wenn man die bisherigen epidemiologischen Studien genau betrachtet, keine seltene Erkrankung. Die Konsequenzen, wenn man Chemikalien-Sensitivität ignoriert, sind äußerst folgenreich und stellen, ganz abgesehen vom ethisch-moralischen Aspekt her, keine angemessene Strategie im Umgang mit dieser Bevölkerungsgruppe dar.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, Mai 2008

Literatur:

  1. Wallace, Nelson, Kollander, Leaderer, Bascom, Dunteman – Indoor air quality and work environment study. Multivariate statistical analysis of health, comfort and odor perceptions as related to personal and workplace characteristics. US Environmental Protection Agency vol. 4, EPA Headquaters Buildings. Atmospheric Research and Exposure Assessment Laboratory. 1991
  2. Bell, Miller, Schwartz, Peterson, Amend – Neuropsychiatric and somatic characteristics of young adults with and without self-reported chemical odor intolerance and chemical sensitivity. Arch Envirn Health. 1996
  3. Meggs, Dunn, Bloch, Goodman, Davidoff – Prevalence and nature of allergy and chemical sensitivity in a general population. Arch Environ Health 1996
  4. Bell, Schwartz, Amend, Peterson, Stini – Sensitization to early life stress and response to chemical odors in older adults. Biol. Psychiatry. 1994
  5. Bell, Walsh, Goss, Gersmeyer, Schwartz, Kanof – Cognitive dysfunction and disability in geriatric veterans with self-reported sensitivity to environmental chemicals. J.Chronic Fatigue Syndrome. 1997
  6. Bell, Schwartz, Peterson, Amend – Self-reported illness from chemical odors in young adults without clinical syndromes or occupational exposures. Arch Environ Health. 1993
  7. Bell, Schwartz, Peterson, Amend, Stini – Possible time-dependent sensitization to xenobiotics: self – reported illness from chemical odors, foods and opiate drugs in an older adult population. Arch Environ. Health. 1993
  8. Kreutzer, Health Investigations branch, Department of Health Services, State of California. 1997
  9. Morrow, Ryan, Hodgson, Robin – Alternations in cognitive and psychological functioning after organic solvent exposure. J Occup Med. 1990
  10. Maschewsky – MCS und Porphyrinopathien. Zeitung für Umweltmedizin 1996
  11. Stanley M. Caress, Anne C. Steinemann, A Review of a Two-Phase Population Study of Multiple Chemical Sensitivities, State University of West Georgia, Carollton, Georgia, USA; Georgia Institute of Technology, Atalanta, Georgia, USA. Environmental Health Perspectives, Sept. 2003
  12. Carlsson F, Karlson B, Orbaek P, Osterberg K, Ostergren PO., Prevalence of annoyance attributed to electrical equipment and smells in a Swedish population, and relationship with subjective health and daily functioning.Public Health. 2005 Jul;119(7):568-77.
  13. Andersson L, Johansson A, Millqvist E, Nordin S, Bende M., Prevalence and risk factors for chemical sensitivity and sensory hyper reactivity in teenagers, Int J Hyg Environ Health. 2008 Apr 8
  14. Hausteiner C, Bornschein S, Hansen J, Zilker T, Forstl H.,Self-reported chemical sensitivity in Germany: a population-based survey, Int J Hyg Environ Health. 2005; 208(4):271-8.
  15. Katie Rook, 1.2 million Canadians suffer from unexplained illnesses, CanWest News Service; National Post, January 13, 2007
  16. Danish Environmental Protection Agency, Environmental Project no. 988, 2005, Multiple Chemical Sensitivity, MCS,2002

Die 10 größten Lügen über Chemikalien-Sensitivität (MCS)

  • WIDERLEGT Lüge Nummer 1: Chemikalien-Sensitivität (MCS) existiert nicht
  • WIDERLEGT Lüge Nummer 2: Chemikalien-Sensitivität (MCS) ist selten
  • Lüge Nummer 3: Chemikalien-Sensitivität (MCS) ist eine neue Krankheit
  • Lüge Nummer 4: Chemikalien-Sensitivität (MCS) ist nicht anerkannt
  • Lüge Nummer 5: Chemikalien-Sensitivität (MCS) ist nicht erforscht
  • Lüge Nummer 6: Chemikalien-Sensitivität (MCS) ist psychisch bedingt
  • Lüge Nummer 7: Chemikalien-Sensitivität (MCS) hat unbekannte Ursachen
  • Lüge Nummer 8: Chemikalien-Sensitivität (MCS) kommt nicht durch Chemie
  • Lüge Nummer 9: Chemikalien-Sensitivität (MCS) ist keine Behinderung
  • Lüge Nummer 10: MCS Erkrankte haben keine nachweisbaren pathologischen Befunde

Alle der „10 größten Lügen über Chemikalien-Sensitivität“ sind längst widerlegt.

Die 10 größten Lügen über MCS

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Notorische Lüge: „MCS ist eine neue, nicht anerkannte, von den Medien hochgespielte seltene und psychisch bedingte Krankheit.“

  • Lüge Nummer 1: Chemikalien-Sensitivität (MCS) existiert nicht
  • Lüge Nummer 2: Chemikalien-Sensitivität (MCS) ist selten
  • Lüge Nummer 3: Chemikalien-Sensitivität (MCS) ist eine neue Krankheit
  • Lüge Nummer 4: Chemikalien-Sensitivität (MCS) ist nicht anerkannt
  • Lüge Nummer 5: Chemikalien-Sensitivität (MCS) ist nicht erforscht
  • Lüge Nummer 6: Chemikalien-Sensitivität (MCS) ist psychisch bedingt
  • Lüge Nummer 7: Chemikalien-Sensitivität (MCS) hat unbekannte Ursachen
  • Lüge Nummer 8: Chemikalien-Sensitivität (MCS) kommt nicht durch Chemie
  • Lüge Nummer 9: Chemikalien-Sensitivität (MCS) ist keine Behinderung
  • Lüge Nummer 10: MCS Erkrankte haben keine pathologischen Befunde

Die Realität sieht anders aus, denn die 10 größten Lügen über Chemikalien-Sensitivität sind längst widerlegt.

Interview: MCS aus heiterem Himmel

WERNER SALLMAIER, FILMAUTOR DER ALPENKLINIK, IM GESPÄCH MIT SILVIA K. MÜLLER, CHEMICAL SENSITIVITY NETWORK.

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Am 4.April 2008 sahen die Fernsehzuschauer der beliebten ARD Serie Alpenklinik, was passiert, wenn eine Rose zur Ohnmacht führt:

„Kurz vor der Hochzeit bricht Miriam scheinbar ohne Grund ohnmächtig zusammen. Sie zeigt lebensgefährliche Vergiftungssymptome und ringt mit dem Tod. Daniel befindet sich am Rande der Verzweiflung, denn er kann ihr nicht helfen…“ Nach erneutem Zusammenbruch durch Pestizid behandelte Rosen, die ihr diesmal der Bürgermeister persönlich in die Klinik bringt, ist die Diagnose klar: Manchmal kommt eine MCS Erkrankung „Aus heiterem Himmel.“

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SILVIA K. MÜLLER: Herr Sallmaier, Chemikaliensensible in Deutschland haben sich unglaublich über Ihren Film gefreut, sie fühlten sich besser verstanden als beim Arzt. Der Film hat für viele MCS Kranke und ihre Angehörigen eine große Bedeutung, und er hat diese Menschen in ihrer Verzweifelung sehr aufgebaut, weil in der Alpenklinik so sachlich über die Krankheit und mögliche Ursache gesprochen wurde.

WERNER SALLMAIER: Das Interesse MCS- Betroffener war eine Überraschung. Das hätte ich nicht erwartet. Mich freuen die Reaktionen ganz besonders. Es kommt sehr selten vor, dass mit einem Unterhaltungsformat“ und das ist die „Alpenklinik“ ein ernstes Thema doch so nachhaltig von einem breiten Publikum erlebt wird.

Wenn gerade Betroffene so positiv reagieren, dann tut das dem Autor gut. Es zeigt ihm: Du hast deinen Job gut gemacht. Gut und sorgfältig recherchiert. Eine Umsetzung gefunden, die ein heikles Thema glaubwürdig darstellt.Ich muss dazu sagen, dass ich in keiner Weise medizinisch „vorbelastet“ bin. Ich versuche nur, meine Arbeit ernst zu nehmen. Das heißt, sich mit Figuren und den Situationen, in die man sie als Autor schickt, sehr intensiv auseinanderzusetzen.

Natürlich hat sich jeder der MCS Kranken gefragt: Wo kam bloß die Idee her. Auch in unserem Forum für Chemikaliensensible wurde gerätselt. Möchten Sie es uns verraten?

Wir wollten in dieser Folge eine dramatische, lebensbedrohliche Situation für Miriam. Es musste aber ein gutes Ende möglich sein. Ein Unfall, wo und wie auch immer, schied aus. Ebenso Krebsleiden und ähnliche Erkrankungen. Das wird ja oft genug erzählt.

Bei meinen Recherchen stieß ich durch Zufall (ja, so war’s) auf diese Chemikalien-Sensitivität. Je mehr ich darüber las, desto interessanter wurde das Thema. MCS passte perfekt zu dem dramaturgischen Bogen, den ich spannen wollte. Ein „Krankheitsbild“ wurde für Miriam geschaffen. Mögliche Diagnosen entwickelt etc.

Kennen Sie persönlich jemanden der unter MCS leidet?

MCS war mir bis zu diesem Zeitpunkt völlig unbekannt. Durch die Beschäftigung damit beginnt man aber die Welt (vor allem unsere Umwelt) mit anderen Augen zu sehen. Für chemikaliensensible Menschen kann der Alltag zum Spießrutenlauf werden. Glücklich, wer damit kein Problem hat.

Ist es Ihnen selbst schon einmal schlecht geworden von Parfüm oder sogar von einer pestizidbehandelten Rose?

Persönlich versuche ich, mit so wenig Chemie wie möglich durch mein Leben zu kommen. Das kommt aber eher aus allgemeinem Umweltbewusstsein. Lieber den Apfel mit einem Wurm teilen, als mit der chemischen Keule zuschlagen.

Die MCS Kranken waren, wie gesagt, begeistert über die Sachlichkeit bei der Diagnosestellung. Wie haben Sie diese fachlichen korrekten Details gefunden? Gab es einen Arzt, der sie beraten hat?

Neben diverser Fachliteratur konnte ich während des ganzen Arbeitsprozesses auf ärztliche Beratung zurückgreifen. Es war immer das Bestreben, diese Erkrankung so dramatisch wie nur möglich, jedoch auch in allen Bereich plausibel zu erzählen. Ein Arzt hier aus Österreich hat mich beraten über MCS.

Hat Ihnen die Redaktion völlig freie Hand gelassen bei der Ausarbeitung der MCS Szene?

Von Seiten der Redaktion (der Sender) hatte ich völlig freie Hand. Es gab da keine Vorbehalte, Einschränkungen etc. Die Geschichte musste stimmen. Hier liegt die Verantwortung beim Autor und der Produktion.

Möchten Sie uns verraten, ob Miriam weiter an MCS leiden wird in den Folgesendungen?

Ob MCS für die Figur der Miriam weiter eine Rolle spielt? Diese Erkrankung wird Teil ihrer „Biografie“. Das heißt, es kann nicht vergessen werden. Es ist jedoch kaum anzunehmen, dass MCS in einer weiteren Folge so dominant angesprochen wird. Aber: Nichts ist fix. Und ich bin nur einer von mehreren Autoren, die an dieses Reihe schreiben.

Ganz herzlichen Dank für das nette Interview, Herr Sallmaier. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg mit der Alpenklinik und werden sicher bei der nächsten Folge wieder dabei sein, denn für uns Chemikaliensensible wird es auf jeden Fall spannend anzuschauen, was nun weiter passiert.

Manchmal sind es eben wirklich Zufall und Glück, die beim Schreiben „Regie“ führen. Wenn es mit dieser Geschichte aus der „Alpenklinik“ gelungen ist, Betroffenen „aus der Seele“ zu sprechen, ihr Anliegen zu unterstützen, dann freut mich das ganz besonders.

Copyright: CSN-Chemical Sensitvity Network

Photos: Copyright Mona/Lisa Film