Analyse neuer Wortschöpfungen, die den etablierten Fachausdruck Chemikalien-Sensitivität (MCS) ersetzen sollen

 

Kranke IdeeVon Zeit zu Zeit wird der Versuch unternommen, den international eingebürgerten und auch von der WHO verwendeten Fachbegriff Multiple Chemical Sensitivity, kurz MCS, durch neue Wortschöpfungen zu ersetzen. Die Gründe hierfür sind mannigfaltig, in erster Linie will man durch die Einführung eines neuen Begriffs bereits feststehende Fakten wieder eliminieren und davon ablenken, wie viel an Wissen, Anerkennung, sowie validierter Diagnose- und Falldefinitionen bereits existieren.  Mancher, der sich mit den Hintergründen nicht ganz auskennt, mag denken „neuer Name, neues Glück“, doch dem ist nicht so, denn ein neuer Krankheitsbegriff kommt einem Start bei Null gleich, was unglaublich viel Zeit für die „MCS-Gegenseite“ einbringen würde. Zeit, die man nutzen würde, die Ursachen und Auswirkungen des Krankheitsbildes unter einem Leichentuch begraben zu halten.  

Also ist es ganz klar eine ausgeklügelte, aber auch sehr durchsichtigeTaktik, den Fachbegriff MCS durch immer neue Wortschöpfungen eliminieren zu wollen, nach dem Motto: klappt es beim ersten Mal nicht, dann eben beim zweiten, dritten oder vielleicht erst zehnten Mal, Hauptsache, die Fakten werden immer wieder verschleiert und die Kranken permanent verunsichert, damit sie sich nicht mehr eigenständig zur Wehr setzen können.  

Wir möchten in Folge die einzelnen Wortschöpfungen analysieren und gleichzeitig deren Unfähigkeit, MCS zu ersetzen, belegen.  Mit einem aktuell in Umlauf gebrachten und völlig inkorrekten Begriff, nämlich Erworbene Chemikalienintoleranz„, wollen wir beginnen. 

Der von der Industrie ausgewählte Begriff „IEI – Idiopathische Umweltintoleranz“ war der erste groß angelegte Versuch, den Krankheitsbegriff  MCS abzuschaffen. Er schlug fehl, doch weitere Versuche folgten. Kürzlich tauchte sogar „Multi Systemerkrankung“ als Ersatz für MCS auf, die Hintergründe hierfür hat ein renommierter Professor beleuchtet, dazu später mehr. 

„Erworbene Chemikalienintoleranz“. 

Der Begriff „Erworbene Chemikalienintoleranz“  

ad 1: ist in sich unlogisch und 

ad 2: verharmlosend und 

ad 3: suggeriert völlig inkorrekte Kausalzusammenhänge. 

Der medizinische Fachausdruck einer „erworbenen Intoleranz“ bezieht sich auf Substanzen, die bei normaler Stoffwechselsituation für den Körper völlig unschädlich oder sogar als Nährstoffe geeignet sind. Bei bestimmten Krankheitsbildern (Beispiel: Lactose Intoleranz) ist es dem Erkrankten nicht oder nicht mehr möglich, eine oder mehrere spezifische, an sich aber harmlose Substanzen zu verstoffwechseln oder zu tolerieren. Dies kann „erworben“ oder bereits genetisch determiniert sein. 

Den Begriff „erworbene Intoleranz“ auf toxische Substanzen zu beziehen, ist daher grundsätzlich falsch, da ein Organismus für ihn toxische Substanzen gar nicht tolerieren, sondern lediglich die Giftwirkung in gewissem Umfang kompensieren kann! Abhängig von individueller Prädisposition, bereits erfolgten Intoxikationen und allgemeiner Gesundheitslage können Organismen die Wirkungen von Toxinen bis zu einer individuell sehr unterschiedlichen Grenze und natürlich abhängig von der Art des Toxins zwar kompensieren, nie aber tolerieren, in dem Sinne, dass überhaupt keine toxische Wirkung auftritt. 

Daraus folgt: 

Punkt 1: Es kann grundsätzlich keine „erworbene Intoleranz“ auf Chemikalien geben, die an sich bereits toxisch sind. 

Punkt 2: Da mit dem Begriff Erworbene Chemikalienintoleranz eindeutig suggeriert wird, die Wirkung von Toxinen einerseits und an sich harmlosen Substanzen andererseits sei grundsätzlich gleichwertig, wird hier bereits mittels der Wortwahl eine völlig inkorrekte und die toxischen Chemikalien extrem verharmlosende Definition kreiert. 

Punkt 3: Ergibt sich aus den vorherigen Ausführungen.

13 Kommentare zu “Analyse neuer Wortschöpfungen, die den etablierten Fachausdruck Chemikalien-Sensitivität (MCS) ersetzen sollen”

  1. Henriette 27. Mai 2008 um 22:38

    Dieser Blog entspricht voll und ganz meiner Einschätzung dieses immer wieder auffachenden Themas. Die ständig neu aufkommenden Bezeichnungen für MCS, sind allesamt Ablenkungsmanöver und ausgeklügelte Taktik, damit der ganze Kampf für Chemikaliengeschädigte von vorne los geht und wir Betroffenen weiter hingehalten werden, ohne dass ein Ende in Sicht ist.

    Erworbene Chemikelienintoleranz sehe ich wie im Blog beschrieben, als völlig inakzeptabel und unzutreffend für das Krankheitsbild der Multiplen Chemikaliensensibilität an. MCS ist eine aussagefähige Bezeichnung für diese umweltbedingte Erkrankung.

    Sämtliche neue Wortschöpfungen bzgl. MCS, de letzen Zeit, gehen mir ehrlich gesagt ziemlich auf die Nerven. Das ist alles Strategie von gewissen Interessengruppen.

    Mich kann das Getue nicht wirklich beeindrucken.
    In all meinen Befunden steht MCS.
    MCS ist von der WHO anerkannt.
    Bei MCS ist der Bezug zur Krankheitsursache gegeben.
    MCS steht in den Anhaltspunkten 2008.
    MCS steht in meinem Schwerbehindertenbescheid.
    MCS ist eine international anerkannte Krankheitsbezeichnung.

    Warum also ändern?
    Wem dient eine Namensänderung?

    Also Leute, mit MIR nicht!!!!!!!!

  2. Spider 28. Mai 2008 um 09:32

    Alles Strategie und Taktik mit den ganzen neu kreierten Wortschöpfungen und Namensgebungen für die längst etablierte Krankheitsbezeichnung MCS.

    Da es international so viele aussagefähige Studienergebnisse gibt, will man wohl hierzulande durch gewissen Interessengruppen bewirken, wie z. B. durch die CHEMIE-Industrie, den Bezug zu den Krankheitsverursachern zu vertuschen. Das Wort CHEMIE in der Bezeichnung Multiple Chemaikaliensensitivität stößt so manchem CHEMIE-Konzern übel auf, man will schließlich eine weiße Weste haben, keine Entschädigungen zahlen müssen und den Umsatz auch weiterhin steigern, koste es was es wolle, und sei es „nur“ unser aller Gesundheit.

    Nein, der Name MCS ist international anerkannt, durch die WHO gelistet und soll auch in Deutschland bleiben. Alles andere ist ein Machtspiel mit schwer kranken Menschen auf Kosten der Allgemeinheit. MCS ist ein anerkannter Fachausdruck, der eine wahre Aussage trifft und das Krankheitsbild gut beschreibt.

    MCS steht auch in meinen Unterlagen. Ich habe kein Interesse daran, dass MCS nicht mehr MCS genannt werden soll. Ich interpretiere die ganze Chose als pure Ablenkungsstrategie, sonst garnichts.

  3. Analytiker 28. Mai 2008 um 16:31

    Ich bin wirklich gespannt, wie lange es noch dauert, bis den verantwortlichen Entscheidungsträgern endlich ein Licht aufgeht. Durch einen angestrebten Namenswechsel bzgl. MCS und der weiteren Behauptung, MCS sei nicht existent, durch Verdrängung von Fakten und internationalen MCS-Studienergebnissen, ändert sich nichts an der Tatsache, dass es auf diesem eingeschlagenen Weg leider zu vielen weiteren umweltbedingt Erkrankten kommen wird, mit fatalen Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft und unnötigem Leid für alle Betroffenen.

    MCS nun erworbene Chemikalienintoleranz nennen zu wollen, ist m. E. ein völlig indiskutabler Ansatz für eine derartige Erkrankung, Begründung siehe Blog-Bericht, dem ich mich voll und ganz anschließe!

  4. T-Rex 16. Juni 2008 um 08:58

    Warum wollen einzelne Selbsthilfegruppen den Begriff „Multiple Chemical Sensitivity“ weghaben?

    Wer und was gibt ihnen die Befugnis gegen uns alle zu handeln?

    Dass mit einer Wortschöpfung wie „Multi-Systemerkrankung“ oder „erworbene Chemikalienintoleranz“ als absurder Ersatz für MCS alles besser wird, das glaubt doch keiner.

    Also was steckt dahinter????

    Wer hat den Auftrag erteilt einen Namenswechsel in Deutschland durchzudrücken und den von der WHO erfassten Begriff auszuradieren????

    Karten auf den Tisch!

  5. Realityshow 11. Juli 2008 um 16:07

    MCS lässt sich nicht durch neue Wortschöpfungen ersetzen bzw. ablösen. MCS ist international als Krankheitsbezeichnung anerkannt. Chemikaliensensitivität ist nun mal durch Umweltfaktoren und chemische Faktoren ausgelöste Erkrankung, wie die Krankheitsbezeichnung MCS schon sagt…

    Aber genau das ist ja der springende Punkt, weg soll CHEMIE aus der Krankheitsbezeichnung. Wem das wohl gelegen kommen würde, brauche ich hier wohl nicht näher ausführen.

    Mit neuen Wortschöpfungen würden wir bei Null beginnen.

    Aber das ist so mancher Interessengruppe ja gerade recht.

    Diejenigen, besonders die aus den eignen Reihen, die sich als Spielfigur aufstellen lassen, werden auch noch dahinter kommen, dass sie sich sozusagen ins eigene Fleisch schneiden.

    Da kann man nur sagen:
    Denn sie wissen nicht was sie tun.

    Anders kann ich mich solches Verhalten nicht erklären.

  6. Blondie 11. Juli 2008 um 20:50

    Es sollte eigentlich jedem ein Licht aufgehen, dass neue Wortschöpfungen wie z. B. „Erworbene Chemikalienintolerenz“ und wie sie alle heißen, ein Schuß in den Ofen sind.

    Die Chemie-Industrie wird´s freuen, dass einige Leute, sogar MCS-Kranke und SHG neuerdings daran interessiert sind, diese neue Wortschöpfungen gegen die altbewährte Krankheitsbezeichnung MCS eintauschen zu wollen.

    Ich glaube, einen größeren Gefallen kann man der Industrie und weiteren Interessengruppen dieses Landes nicht bereiten.

    Man sieht, es gibt immer wieder „Überraschungen“, auch wenn sie von Dummheit nicht zu überbieten sind.

  7. Analytiker 13. Juli 2008 um 19:20

    Gibt es noch weitere Wortschöpfungen oder ist die kreative Phase im Kreise mancher SHG sowie anderer Interessenverbände schon wieder zu Ende?

  8. T-Rex 2. November 2008 um 22:35

    Doch, letztens sah ich etwas völlig „überfliegeremäßiges“. Ich schau nach Analytiker.

  9. Emily Erdbeer 16. November 2008 um 19:52

    Gebt den Namesschöpfern dieses Dokument, das läßt sie im Nu verstummen:

    http://www.csn-deutschland.de/dimdi_icd-schreiben.pdf

  10. Janik 19. November 2008 um 14:33

    Eine wirklich bemerkenswerte neue Wortschöpfung:

    „Multiple Chemikalienresistenz“ unterteilt in „selbstberichtete MCS“ und „ärztlich diagnostizierte MCS“

    —-

    Eine repräsentative, bevölkerungsbasierte

    Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach

    an 2 032 Erwachsenen in Deutschland ergab für die

    multiple Chemikalienresistenz eine Häufigkeit von 9 %

    selbstberichteter MCS (sMCS) und von 0,5 % ärztlich

    diagnostizierter MCS“

    Deutsches Ärzteblatt⏐Jg. 105⏐Heft 30⏐25. Juli 2008

    http://arbmed.klinikum.uni-muenchen.de/um_uebersicht_daeb_2008.pdf

  11. Annamaria 20. November 2008 um 14:33

    Dass „-resistenz“ nicht gemeint sein kann, dürfte sofort klar sein. Es wäre ja total das Gegenteil.

    Nachdem das richtige Wort „-sensibilität“ aber deutlich anders klingt als „-resistenz“, kann es sich wohl nicht um eine Verwechslung dieser beiden Worte handeln.

    Ich glaube also, sie verwechselten etwas anderes und meinten in Wirklichkeit entweder „-resonanz“ (als Reaktion des Körpers auf die Chemikalien) oder „-existenz“, „-persistenz“ (als langfristiges Vorhandensein von Chemikalien in Mensch und Tier, Natur und Umwelt).

    Ja, oder irgend so etwas. Ich meine, sie werden schon wissen, was sie meinen. Oder etwa nicht?

    Annamaria

  12. Stables 7. April 2009 um 20:59

    Die Verwendung der merkwürdigen Wortschöpfungen für MCS hat in den letzten Monaten stark abgenommen. Einige der SHG Leiter, die laut herumposaunten, man solle dieses und jenes anstatt MCS benutzen, nur dann würde die Krankheit anerkannt, sind verstummt. Mancher von denen, die am lautesten gegen MCS wetterten, benutzen den Begriff selbst klammheimlich wieder.

    Warum?

    Tja, die behördlichen Dokumente die bei CSN online gestellt wurden, ließen null Zweifel, dass MCS anerkannt ist und wie die Krankheit offiziell heißt. Die Worthülsen haben abgedankt.

  13. Henriette 7. April 2009 um 23:02

    Stables, Du hast recht.

    Den hier im CSN-Blog fundierten eingestellten behördlichen Fakten zu MCS, konnten diejenigen SHG, die Multiple Chemikaliensensitivität ( MCS ) nicht mehr MCS nennen wollten, nichts entgegensetzen. Sie sind mit ihrer breit angelegten Aktion, dem vielfachen Kreieren neuer Wortschöpfungen, um den international anerkannten medizinischen Fachausdruck MCS ersetzen zu wollen, voll und ganz gescheitert.

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