US Hersteller nehmen toxische Babyflaschen vom Markt – Verkauf nach Europa geht weiter
In den USA haben die sechs größten Hersteller für Babyflaschen in der ersten Märzwoche mitgeteilt, dass sie den Verkauf von Fläschchen einstellen, die Bisphenol A (BPA) enthalten. (1) Der Druck von Konsumenten und Verbraucherorganisationen war immer stärker geworden. Erst kürzlich war bekannt geworden, dass bei Babyflaschen aus Polycarbonat durch Erhitzung in der Mikrowelle erhebliche Konzentrationen BPA in die Nahrung übergehen. (2) Generalsstaatsanwälte aus vier U.S. Bundesstaaten hatten aufgrund der zunehmenden Fakten über die Toxizität von den größten Herstellern für Babyflaschen erbeten, die Chemikalien aus der Produktion zu verbannen.
Bisphenol A – Jeder ist betroffen
Bisphenol A ist eine Chemikalie, die großflächig in der Kunststoffproduktion eingesetzt wird. BPA gilt als gesundheitsschädlich, insbesondere, weil sie in das Hormonsystem des Körpers eingreift. Wissenschaftler warnen seit Jahren immer stärker davor, dass Bisphenol A bereits in geringster Konzentration gesundheitlich folgenreich sein kann. Insbesondere für Ungeborene, Babys und Kleinkinder ist sie sehr bedenklich. Die Chemikalie greift u.a. in die Zellfunktion ein und stört die Entwicklung des Gehirns.
Bisphenol A wird in der Industrie seit den fünfziger Jahren eingesetzt. Die Chemikalie kann in der Bevölkerung nahezu bei jedem im Urin nachgewiesen (3) werden, was ein Beleg dafür ist, dass BPA in extrem vielen Produkten enthalten ist. Über 90% der industrieunabhängigen Studien belegen, dass die Chemikalie Risiken für die Gesundheit birgt. Wissenschaftliche Studien ergaben, dass BPA neben der Wirkung auf das Hormonsystem u. a. Herz- und Kreislauferkrankungen, Diabetes, Krebs und Leberschäden auslösen kann.
Behörden in Deutschland & Europa: Keine Gefahr durch Bisphenol A
In Deutschland wurde durch Umweltorganisationen, Zeitungs- und Fernsehberichte über die Gefahren der Babyfläschchen aus Kunststoff hingewiesen. Die Organisationen und Medien informierten die Verbraucher detailliert über gesundheitliche Folgen. Offizielle Stellen hingegen gaben mehrfach Entwarnung und ließen verlauten, es bestünde keine Gefahr. (4,5,6)
Wie man von Behördenseite in der EU die Basis für die Entwarnung für die Chemikalie Bisphenol A schafft, konnten interessierte Leser bspw. in der Süddeutschen Zeitung erfahren. (3) Dort stand nachzulesen, dass man in der EU die Grenzwerte für die Chemikalien um das fünffache erhöht habe. Die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA habe sich für die Heraufsetzung der Grenzwerte auf zwei Industriestudien berufen, die vom Interessenverband der Kunststoffhersteller bezahlt wurden.
Das deutsche Bundesamt für Risikobewertung BfR konnte sich bisher zu noch keiner eindeutigen Warnung hinreißen, im Gegenteil, man ließ Ende letzten Jahres in deutscher und in englischer Sprache verlauten, dass gemäß dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Kenntnistand auf Babyflaschen aus Polycarbonat nicht verzichtet werden müsse. (4,5)
Der Deutsche Bundestag gab im November 2008 in einer offiziellen Meldung Entwarnung für die Bedenklichkeit von Babyflaschen, die Bisphenol A enthalten: (6)
„Berlin: (hib/HLE) Mehrere für Gesundheit und Verbraucherschutz zuständige nationale und europäische Einrichtungen sehen kaum Risiken durch den Kunststoffbestandteil Bisphenol A, der zum Beispiel in Behältern für Kleinkindnahrung enthalten ist.
In der Antwort der Bundesregierung (16/10759) auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion (16/10672) heißt es, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit habe in einer Studie 2008 darauf hingewiesen, dass auch Säuglinge und Kleinkinder über eine ausreichende Stoffwechselkapazität zur Eliminierung der Mengen an Bisphenol A verfügen, wie sie bei der Aufnahme von Flaschennahrung auftreten könnten, schreibt die Regierung. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und die Gesellschaft für Toxikologie e.V. würden sich der Einschätzung der Europäischen Behörde anschließen. Aus den Studien ergebe sich, „dass oral aufgenommenes Bisphenol A schnell in Darm und Leber zu einem hormonell/östrogen unwirksamen Metaboliten verstoffwechselt und bei Primaten einschließlich des Menschen mit einer Halbwertszeit von weniger als sechs Stunden ausgeschieden wird“, erläutert die Regierung. „Daher ist derzeit nicht davon auszugehen, dass es zu einer Akkumulation von Bisphenol A im menschlichen Körper kommt“, erklärt die Regierung.“
Behördenmeinung zweitrangig – Hersteller handeln
In den USA wird von Behördenseite ebenfalls Unbedenklichkeit proklamiert. Doch trotz dass das FDA und der American Chemical Council (vertritt die Chemische Industrie) in den vergangenen Tagen wiederholt bekundeten, dass Bisphenol A sicher sei (6), haben nun die größten Hersteller von Babyflaschen in den USA in der ersten Märzwoche den endgültigen Beschluss verkündet, keine BPA-haltigen Babyfläschchen mehr zu verkaufen. (1)
Babyflaschen aus Polycarbonat waren in den vergangenen Jahren sehr populär geworden, weil das Material bruchfest und leichter als Glas ist. Zunehmend waren jedoch Bedenken durch Wissenschaftler, Verbraucherorganisationen und Konsumenten an die Hersteller herangetragen worden, was diese nun letztendlich zum Handeln zwang.
Völliger Sinneswandel und der Entschluss, den Verkauf BPA-haltiger Babyflaschen zu stoppen, trat ein, nachdem der Generalstaatsanwalt von Connecticut, Richard Blumenthal, zusammen mit Generalstaatsanwälten aus Connecticut, Delaware und New Jersey elf Hersteller von Babyflaschen anschrieben und um freiwilligen Verzicht auf die in Verruf geratene Chemikalie BPA in ihrer Produktion baten.
In USA und Kanada ade, in Europa weiterhin „Herzlich Willkommen“?
In Kanada steht Bisphenol A schon seit Oktober 2008 auf der Liste für toxische Substanzen. (8,9) Seit Mitte 2008 sind dort der Verkauf, die Herstellung und der Vertrieb von Babyflaschen aus Polycarbonat, die BPA enthalten, verboten.
Jetzt stehen BPA-haltige Babyflaschen seit vergangener Woche bei den sechs größten amerikanischen Herstellern auf der Liste für auslaufende Produkte.
Die Sprecherin des größten Babyflaschenherstellers, Phillips Avent, sagte öffentlich, dass dieser Entschluss gefasst wurde, weil man BPA nicht mehr verwenden wolle. Ein weiterer Hauptgrund sei auch gewesen, dass die größten U.S. Discounter für Baby- und Kinderartikel Druck ausgeübt und die Abnahme ihrer Produkte eingestellt hätten.
Die Phillips Avent Sprecherin gab in ihrem Statement abschließend bekannt, dass der Konzern BPA-haltige Produkte nach der Deadline 31. Dezember 2009 in Europa weiterhin verkaufen werde. (1)
Giftige Babyflaschen? „Nein Danke“
Europäische Verbraucherorganisationen sind nun aufgerufen, gegen eine Verklappung von gesundheitsschädlichen Bisphenol A-haltigen Babyflaschen auf dem Europäischen Markt zu protestieren.
Wie in den USA bewiesen, können Verbraucher mithelfen, die Hersteller durch rigorosen Kaufverzicht toxischer Babyflaschen unter Handlungszwang setzen, hierdurch könnte ein eindeutiges Signal gesetzt werden, dass die Gesundheit von Babys und Kindern grundsätzlich vor Marktinteressen zu stellen sind.
Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 9. März 2009
Literatur:
- Washington Post, No BPA for Baby Bottles in the U.S., March 6. 2009
- Silvia K. Müller, Mikrowelle löst die gefährliche Chemikalie Bisphenol-A aus Plastik, CSN Blog 25.11.2008
- Iain A. Lang, PhD; Tamara S. Galloway, PhD; Alan Scarlett, PhD; William E. Henley, PhD; Michael Depledge, PhD, DSc; Robert B. Wallace, MD; David Melzer, MB, PhD, Association of Urinary Bisphenol A Concentration With Medical Disorders and Laboratory Abnormalities in Adults, JAMA. 2008; 300(11):1303-1310, September 16, 2008
- BfR, Ausgewählte Fragen und Antworten zu Bisphenol A in Babyfläschchen, Aktualisierte FAQ vom 29. Januar 2007
- BfR, Why has bisphenol A not been banned? 6.6.2008
- Deutscher Bundestag, hib-Meldung 312/2008, Behörden sehen kaum Risiken durch Bis-Phenol-A, 12.11.2008
- Manufacturing News, FDA: Baby Bottles With Bisphenol A Are Safe, June 11, 2008
- Health Canada, Government of Canada Protects Families With Bisphenol A Regulations, Press Release, 17. Oct. 2008
- Die Welt, Bisphenol A – Kanada verbietet giftige Babyflaschen, 1. Mai 2008
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