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US Hersteller nehmen toxische Babyflaschen vom Markt – Verkauf nach Europa geht weiter

Toxische Babyflaschen

In den USA haben die sechs größten Hersteller für Babyflaschen in der ersten Märzwoche mitgeteilt, dass sie den Verkauf von Fläschchen einstellen, die Bisphenol A (BPA) enthalten. (1) Der Druck von Konsumenten und Verbraucherorganisationen war immer stärker geworden. Erst kürzlich war bekannt geworden, dass bei Babyflaschen aus Polycarbonat durch Erhitzung in der Mikrowelle erhebliche Konzentrationen BPA in die Nahrung übergehen. (2) Generalsstaatsanwälte aus vier U.S. Bundesstaaten hatten aufgrund der zunehmenden Fakten über die Toxizität von den größten Herstellern für Babyflaschen erbeten, die Chemikalien aus der Produktion zu verbannen.

Bisphenol A – Jeder ist betroffen
Bisphenol A ist eine Chemikalie, die großflächig in der Kunststoffproduktion eingesetzt wird. BPA gilt als gesundheitsschädlich, insbesondere, weil sie in das Hormonsystem des Körpers eingreift. Wissenschaftler warnen seit Jahren immer stärker davor, dass Bisphenol A bereits in geringster Konzentration gesundheitlich folgenreich sein kann. Insbesondere für Ungeborene, Babys und Kleinkinder ist sie sehr bedenklich. Die Chemikalie greift u.a. in die Zellfunktion ein und stört die Entwicklung des Gehirns.

Bisphenol A wird in der Industrie seit den fünfziger Jahren eingesetzt. Die Chemikalie kann in der Bevölkerung nahezu bei jedem im Urin nachgewiesen (3) werden, was ein Beleg dafür ist, dass BPA in extrem vielen Produkten enthalten ist. Über 90% der industrieunabhängigen Studien belegen, dass die Chemikalie Risiken für die Gesundheit birgt. Wissenschaftliche Studien ergaben, dass BPA neben der Wirkung auf das Hormonsystem u. a. Herz- und Kreislauferkrankungen, Diabetes, Krebs und Leberschäden auslösen kann.

Behörden in Deutschland & Europa: Keine Gefahr durch Bisphenol A
In Deutschland wurde durch Umweltorganisationen, Zeitungs- und Fernsehberichte über die Gefahren der Babyfläschchen aus Kunststoff hingewiesen. Die Organisationen und Medien informierten die Verbraucher detailliert über gesundheitliche Folgen. Offizielle Stellen hingegen gaben mehrfach Entwarnung und ließen verlauten, es bestünde keine Gefahr. (4,5,6)

Wie man von Behördenseite in der EU die Basis für die Entwarnung für die Chemikalie Bisphenol A schafft, konnten interessierte Leser bspw. in der Süddeutschen Zeitung erfahren. (3) Dort stand nachzulesen,  dass man in der EU die Grenzwerte für die Chemikalien um das fünffache erhöht habe. Die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA habe sich für die Heraufsetzung der Grenzwerte auf zwei Industriestudien berufen, die vom Interessenverband der Kunststoffhersteller bezahlt wurden.

Das deutsche Bundesamt für Risikobewertung BfR konnte sich bisher zu noch keiner eindeutigen Warnung hinreißen, im Gegenteil, man ließ Ende letzten Jahres in deutscher und in englischer Sprache verlauten, dass gemäß dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Kenntnistand auf Babyflaschen aus Polycarbonat nicht verzichtet werden müsse. (4,5)

Der Deutsche Bundestag gab im November 2008 in einer offiziellen Meldung Entwarnung für die Bedenklichkeit von Babyflaschen, die Bisphenol A enthalten: (6)

„Berlin: (hib/HLE) Mehrere für Gesundheit und Verbraucherschutz zuständige nationale und europäische Einrichtungen sehen kaum Risiken durch den Kunststoffbestandteil Bisphenol A, der zum Beispiel in Behältern für Kleinkindnahrung enthalten ist.

In der Antwort der Bundesregierung (16/10759) auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion (16/10672) heißt es, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit habe in einer Studie 2008 darauf hingewiesen, dass auch Säuglinge und Kleinkinder über eine ausreichende Stoffwechselkapazität zur Eliminierung der Mengen an Bisphenol A verfügen, wie sie bei der Aufnahme von Flaschennahrung auftreten könnten, schreibt die Regierung. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und die Gesellschaft für Toxikologie e.V. würden sich der Einschätzung der Europäischen Behörde anschließen. Aus den Studien ergebe sich, „dass oral aufgenommenes Bisphenol A schnell in Darm und Leber zu einem hormonell/östrogen unwirksamen Metaboliten verstoffwechselt und bei Primaten einschließlich des Menschen mit einer Halbwertszeit von weniger als sechs Stunden ausgeschieden wird“, erläutert die Regierung. „Daher ist derzeit nicht davon auszugehen, dass es zu einer Akkumulation von Bisphenol A im menschlichen Körper kommt“, erklärt die Regierung.“

Behördenmeinung zweitrangig – Hersteller handeln
In den USA wird von Behördenseite ebenfalls Unbedenklichkeit proklamiert. Doch trotz dass das FDA und der American Chemical Council (vertritt die Chemische Industrie) in den vergangenen Tagen wiederholt bekundeten, dass Bisphenol A sicher sei (6), haben nun die größten Hersteller von Babyflaschen in den USA in der ersten Märzwoche den endgültigen Beschluss verkündet, keine BPA-haltigen Babyfläschchen mehr zu verkaufen. (1)

Babyflaschen aus Polycarbonat waren in den vergangenen Jahren sehr populär geworden, weil das Material bruchfest und leichter als Glas ist. Zunehmend waren jedoch Bedenken durch Wissenschaftler, Verbraucherorganisationen und Konsumenten an die Hersteller herangetragen worden, was diese nun letztendlich zum Handeln zwang.

Völliger Sinneswandel und der Entschluss, den Verkauf BPA-haltiger Babyflaschen zu stoppen, trat ein, nachdem der Generalstaatsanwalt von Connecticut, Richard Blumenthal, zusammen mit Generalstaatsanwälten aus Connecticut, Delaware und New Jersey elf Hersteller von Babyflaschen anschrieben und um freiwilligen Verzicht auf die in Verruf geratene Chemikalie BPA in ihrer Produktion baten.

In USA und Kanada ade, in Europa weiterhin „Herzlich Willkommen“?
In Kanada steht Bisphenol A schon seit Oktober 2008 auf der Liste für toxische Substanzen. (8,9) Seit Mitte 2008 sind dort der Verkauf, die Herstellung und der Vertrieb von Babyflaschen aus Polycarbonat, die BPA enthalten, verboten.

Jetzt stehen BPA-haltige Babyflaschen seit vergangener Woche bei den sechs größten amerikanischen Herstellern auf der Liste für auslaufende Produkte.

Die Sprecherin des größten Babyflaschenherstellers, Phillips Avent, sagte öffentlich, dass dieser Entschluss gefasst wurde, weil man BPA nicht mehr verwenden wolle. Ein weiterer Hauptgrund sei auch gewesen, dass die größten U.S. Discounter für Baby- und Kinderartikel Druck ausgeübt und die Abnahme ihrer Produkte eingestellt hätten.

Die Phillips Avent Sprecherin gab in ihrem Statement abschließend bekannt, dass der Konzern BPA-haltige Produkte nach der Deadline 31. Dezember 2009 in Europa weiterhin verkaufen werde. (1)

Giftige Babyflaschen? „Nein Danke“
Europäische Verbraucherorganisationen sind nun aufgerufen, gegen eine Verklappung von gesundheitsschädlichen Bisphenol A-haltigen Babyflaschen auf dem Europäischen Markt zu protestieren.

Wie in den USA bewiesen, können Verbraucher mithelfen, die Hersteller durch rigorosen Kaufverzicht toxischer Babyflaschen unter Handlungszwang setzen, hierdurch könnte ein eindeutiges Signal gesetzt werden, dass die Gesundheit von Babys und Kindern grundsätzlich vor Marktinteressen zu stellen sind.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 9. März 2009

Literatur:

  1. Washington Post, No BPA for Baby Bottles in the U.S., March 6. 2009
  2. Silvia K. Müller, Mikrowelle löst die gefährliche Chemikalie Bisphenol-A aus Plastik, CSN Blog 25.11.2008
  3. Iain A. Lang, PhD; Tamara S. Galloway, PhD; Alan Scarlett, PhD; William E. Henley, PhD; Michael Depledge, PhD, DSc; Robert B. Wallace, MD; David Melzer, MB, PhD, Association of Urinary Bisphenol A Concentration With Medical Disorders and Laboratory Abnormalities in Adults, JAMA. 2008; 300(11):1303-1310, September 16, 2008
  4. BfR, Ausgewählte Fragen und Antworten zu Bisphenol A in Babyfläschchen, Aktualisierte FAQ vom 29. Januar 2007
  5. BfR, Why has bisphenol A not been banned? 6.6.2008
  6. Deutscher Bundestag, hib-Meldung 312/2008, Behörden sehen kaum Risiken durch Bis-Phenol-A, 12.11.2008
  7. Manufacturing News, FDA: Baby Bottles With Bisphenol A Are Safe, June 11, 2008
  8. Health Canada, Government of Canada Protects Families With Bisphenol A Regulations, Press Release, 17. Oct. 2008
  9. Die Welt, Bisphenol A – Kanada verbietet giftige Babyflaschen, 1. Mai 2008

Weitere CSN Artikel zur Thematik Bisphenol A

Mindestens 84% der Limonaden und Cola in Dosen mit Bisphenol A belastet

Bisphenol A in Limonaden

Limonaden und Cola in Dosen mit Bisphenol A belastet

Die kanadische Gesundheitsbehörde Health Canada hat gängige Limonaden, Cola’s und Energiedrinks analysieren lassen und stellte fest, dass mindestens 84% der Getränke in Dosen mit der im Körper Östrogen imitierenden Chemikalie Bisphenol A belastet sind. In 69 von 72 Getränkedosen wurde der Nachweis erbracht.

Bisphenol A – in einigen Bereichen bereits verboten
Bisphenol A (BPA) wurde bereits in Babyflaschen, Wasserflaschen und Getränkebecher aus Polycarbonat gefunden und führte in Kanada und Kalifornien zu deren Verbot. Jetzt untersuchte ein Labor für die kanadische Gesundheitsbehörde Getränkedosen und fand die stark in Verruf stehende Chemikalie BPA in signifikanter Dosis in den beliebten Dosengetränken. Bisher hatte noch niemand nach dieser Chemikalie in Limonaden gesucht. Die Innenbeschichtung der Getränkedosen ist mit der Chemikalie BPA beschichtet, um den Kontakt des Getränks mit dem Metall der Dose zu verhindern, weil vor allem säurehaltige Getränke das Metall angreifen können.

Limonaden in Dosen fast alle belastet
Health Canada ließ von einem Speziallabor 72 verschiedene Getränke in Dosen analysieren. Außer vier Getränken, Ice Tea’s, waren alle anderen Getränke kohlensäurehaltig. Die ausgewählten Limonaden, Cola, Energiedrinks, Fruchtsaftgetränke deckten etwa 84% der Vielfalt des kanadischen Marktes ab, um einen objektiven Überblick zu erlangen. Außer in zwei Tonic Water und einem Energiedrink war in allen Getränke in Dosen Bisphenol A nachweisbar.

Am höchsten waren Energiedrinks mit Bisphenol A belastet. Sie werden vor allem von Jugendlichen gerne getrunken. Auch viele Erwachsene lieben den munter machenden Kick der Energiedrinks.

Viele Faktoren haben einen ausschlaggebenden Einfluss
Health Canada prangerte bewusst keine Marken an, weil die Konzentrationen in einem Getränk durch verschiedene Faktoren stark variieren können. Sie ist u.a. starken Schwankungen durch die Art der Sterilisation der Getränkedosen und die dabei entstehende Temperatur abhängig und natürlich auch durch den Transport und die Lagerung. Wenn hierbei bestimmte Temperaturen überschritten werden, ist eine höhere Freisetzung von BPA in das Getränk zu erwarten. Eine Getränkedose, die in einem Kiosk in heißer Sonne stand, wird höhere Werte aufweisen, als eine Dose, die gekühlt in einem Laden stand.

Gesundheitsgefahr durch Getränke in Dosen?
Health Canada und die Getränkeindustrie spielen die Untersuchungsergebnisse bisher herunter. Die BPA Konzentrationen in den Getränken seien relativ gering und lägen unter Grenzwert. Ein Vertreter der Getränkeindustrie interpretierte das Untersuchungsergebnis sogar als Bestätigung für die Sicherheit der Verpackungen für Getränke.

Geringe Dosis BPA bereits bedenklich
Unabhängige Wissenschaftler und Umweltorganisationen hingegen warnen schon lange vor den Auswirkungen von Bisphenol A auf die Gesundheit. Für sie gibt es keine „sichere“ Dosis bei dieser Chemikalie, die in das Hormonsystem eingreift.

Natürliches Östrogen zirkuliert in sehr geringer Konzentration im menschlichen Körper, die sich im Bereich Parts per Trillion bewegt. Die Konzentration der Östrogen imitierenden Chemikalie BPA, die in einer einzigen Getränkedose enthalten sein kann, liegt ungefähr bei der Hälfte eines Parts per Billion. Dieser Wert ist somit ungefähr fünfhundertmal höher als die Konzentration des natürlichen Östrogens, das sich im menschlichen Körper befindet.

BPA kann in fast allen Nahrungsmitteln, die in Dosen oder Plastikfolie verpackt sind, nachgewiesen werden. Zu bedenken gilt, dass durch deren regelmäßigen Konsum sich die Konzentration der Chemikalie im Körper aufaddiert.

Konsument muss sich vorerst selbst schützen
Der Verbraucher ist vorerst auf sich alleine gestellt. Alternativ zu Getränken aus Dosen ist es sicherer, Limonaden, Cola und Energiedrinks nur aus Glasflaschen zu konsumieren, bis unschädliche Beschichtungen als Alternative zu Bisphenol A gefunden worden sind. Auch auf die Benutzung von Getränkebechern aus Polycarbonat, in denen die Chemikalie ebenfalls enthalten ist, sollten gesundheitsbewusste Personen gänzlich verzichten. Vor allem, wenn heiße Getränke eingefüllt werden, oder wenn der Becher durch Sonneneinstrahlung warm wird, tritt BPA aus und geht in das Getränk über. Alternativ für Polycarbonatbecher können Edelstahlbecher für den Getränkekonsum unterwegs verwendet werden.

Autor:
Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 6. März 2009

Literatur:
Health Canada, Survey of Bisphenol A in Canned Drink Products, A WHO Collaborating Centre for Food Contamination Monitoring, March, 2009

Italienischer MCS Kranker offenbart durch seinen Tod eine „unbequeme“ Wahrheit

 MCS kann nicht länger ignoriert werdenRom, 3. März 2009 – Nur einige Wochen nach den Suizid einer Frau mit Elektrohypersensibilität (EHS) in der Toskana (1) beging Giancarlo Guiaro, 55 Jahre alt, Selbstmord, in dem er sich in der Praxis seines Arztes erschoss. Er litt unter Multiple Chemical Sensitivity (MCS).   

„Wir kennen ihn seit vielen Jahren, und kürzlich verfolgten wir noch seinen Rechtsstreit gegen die Verwaltung des öffentlichen Gesundheits-systems der Region Emilia Romagna – kommentiert Donatella Stocci, Mitbegründ-erin von A.M.I.C.A. Er hatte gerade weitere Therapien bei einem deutschen Arzt beantragt, der ihm sehr geholfen hatte, weil er wieder ein so normales Leben wie möglich leben wollte. Die Region lehnte die Erstattung der Therapien jedoch ab.“ 

Die Ärzte des MCS Zentrums am Hospital Sant’Orsola Malpighi in Bologna versicherten bei Gericht, dass sie MCS Patienten behandeln könnten. Giancarlo beklagte sich jedoch darüber, dass er Ärzten nicht traue, die keine spezielle Erfahrung mit der Behandlung von MCS aufweisen können, die diese neue Krankheit nur erforschen wollten. Außerdem wiederholte Giancarlo mehrfach, dass seine MCS nach einer experimentellen Hormonbehandlung begonnen hatte, die er an dem gleichen Hospital ein paar Jahre zuvor (ohne sein Wissen) erhalten hatte.  

Giancarlo’s Rechtsanwalt brachte eine Beschwerde über diese Fakten beim Büro des Staatsanwalts ein, aber das Verfahren war bereits zu den Akten gelegt worden.  

„Es ist kein Zufall, dass er sein Leben in der Praxis seines Arztes beendet hat; es ist ein extremer Schrei nach Hilfe, der das Gewissen der Ärzte in Bologna und das der Oberbehörde für Gesundheit belasten wird“, kommentiert Francesca Romana Orlando, Vize Präsidentin von A.M.I.C.A., „dieser Umstand ist auch eine Warnung für die Mitglieder des Parlaments, nun augenblicklich ein Gesetz für MCS zu erlassen (wir haben fünf Projekte, die darauf warten, diskutiert zu werden (2))  und Interessenskonflikte im Bereich der Medizin zu verhindern.“   

„Für uns ist es unbegreiflich, dass das Management von MCS in die Hand von Experten für Arbeitsmedizin gegeben wird, deren Krankenhaus/Universität ihre Mittel von einer Versicherung erhält, die in Dutzenden von Prozessen gegen MCS Patienten steht,“ endet sie.  

Donatella Stocchi erinnert sich: „Er war ursprünglich ein aktiver und intelligenter Mann, voller Leben, und dann war er stattdessen gezwungen, sich in seinem Auto aufzuhalten, um schnell wegfahren zu können vor dem Rauch aus den Kaminen seiner Nachbarn, vor dem Sprühen von Pestiziden, vor den Ausdünstungen von Farben, etc.“

Für Menschen mit MCS ist das Vermeiden von Chemikalien in der häuslichen Umgebung vergleichbar mit einem lebensnotwendigen Medikament, und Fakt ist, dass MCS in den Vereinigten Staaten und in Kanada in den Leitlinien für den Städtebau und in Umweltgesetzen abgedeckt ist und dass es dort öffentliche Wohnhäuser für MCS Kranke gibt.  

Im letzten September präsentierte der Oberausschuss für Gesundheit ein Positionspapier hinsichtlich dessen, dass MCS nicht als seltene Erkrankung anerkannt werden könne, weil 2-10% der Bevölkerung davon betroffen seien, und dass MCS nicht als reale „Krankheit“ anerkannt werden könne, weil es keine diagnostischen Tests gäbe.  

„In der Realität sieht es jedoch so aus, dass viele Krankheiten anerkannt sind, trotz dass es keine spezifischen diagnostischen Tests für sie gibt, zum Beispiel Migräne und Fibromyalgie“, fügt die Vizepräsidentin an, „und überall auf der Welt wird die Diagnose MCS durch die Internationalen Konsensuskriterien von 1999 gestützt, welche das Ergebnis einer 10-jährigen Studie sind.“  

„Chemikaliensensitivität ist ein Zustand, der anerkannt ist, aber sie führt zu einem Problem, wenn viele Chemikalien zusammenkommen,“ ergänzt Frau Orlando, „heute basiert die Diagnose MCS von Japan bis USA, von Deutschland bis Dänemark auf den fünf Diagnosekriterien, und eine betroffene Person kann ihre Behinderung im Einzelfall auf Basis ihrer Erkrankung rechtlich anerkannt bekommen.“    

„Wir vermuteten schon, dass MCS in Italien nicht anerkannt werden würde, als wir den Entwurf des Positionspapiers der überregionalen Arbeitsgruppe MCS (in der die Ärzte aus Bologna Mitglieder sind) vor 2 Jahren lasen,“ bekundet Silvia Bigeschi, Vizepräsidentin von A.M.I.C.A., „weil das Positionspapier so viele Studien von Wissenschaftlern zitierte, bei denen Interessenkonflikte bestehen und die darauf bestehen, dass MCS eine „psychosomatische Störung“ sei. Wir haben deshalb umgehend an die Zweite Kammer des Oberausschusses für Gesundheit geschrieben und haben eine große Anzahl von Studien dorthin geschickt mit der Bitte, die neuen Evidenzen über neurologische und metabolische Anomalien bei MCS einzubeziehen, aber das war vergebens. Nichtsdestotrotz ist MCS als körperliche Krankheit in den Vereinigten Staaten und in Deutschland anerkannt, und Italien sollte nicht hinter anderen Ländern hinterherhinken.  

Press Release A.M.I.C.A., 3. März 2009

  1. Selbstmord einer Frau mit EHS
  2. Projects of law for MCS
  3. MCS recognition in Germany

An Italian Multiple Chemical Sensitivity Sufferer Shouts an „Inconvenient“ Truth with his Death

 Wo sind die Menschenrechte für MCS Kranke?Rome, 3rd march 2009 – Just a couple of weeks past the suicide of a lady with EMS – Electromagnetic Hyper-sensitivity in Tuscany[1], Giancarlo Guiaro, 55 years old, who was affected by MCS – Multiple Chemical Sensitivity, commits suicide, shooting himself in the office of his doctor.

„We know him from many years and recently we followed his legal action against the Health Services Administration of the Region Emilia Romagna“ Donatella Stocchi, of A.M.I.C.A. comments „he just asked to go on with the therapies of a German doctor who helped him very much, because he wanted to regain a life as normal as possible, while the Region denied him the reimbursement of the therapies“.

The doctors of the Center for MCS of the Hospital Sant’Orsola Malpighi in Bologna declared in Court that they could treat MCS patients but Giancarlo complained he did not trust doctors with no specific experience in MCS treatment who just wanted to study this new illness. Morover, Giancarlo used to repeat that his MCS started after an experimental hormonal treatment he received (without notice) just in the same hospital a few years ago.

Giancarlo’s lawyer brought a complaint about these facts to the Prosecutor’s Office, but the practice was archived.

„It’s not by chance that he ended his life in the office of his doctor; it’s an extreme cry for help that will weigh on the conscience of the doctors of Bologna, of the Superior Council for Health“ Francesca Romana Orlando, Vice President of A.M.I.C.A. comments „but this fact is also a warning to our Members of Parliament to approve an immediate law for MCS (we have five projects waiting to be discussed[2]) and to prevent the conflict of interest in the medical area.“

„For us it is inconceivable that the management of MCS is given to experts of occupational medicine whose hospital/university received funds from an insurance that is facing dozens of trials vs MCS patients“, she concludes.

Donatella Stocchi remembers that „He was an active and intelligent man, full of life and instead was forced to stay in his car to run away from the fumes of chimneys of neighbours, from pesticides spraying, from paint fumes, etc.“

For people with MCS chemical avoidance in the home environment is comparable to a life-saving drug and, in fact, in the United States and Canada, the MCS is covered in the guidelines of urban planning and environmental laws and there are public houses for MCS.

Last September, the Superior Council of Health presented a position paper according which MCS cannot be recognized as a rare disease since it affects 2-10% of the population and it can not be even recognized as a real „illnessâ“ because there aren’t diagnostic tests.

„Actually, many illnesses are recognized even if there is not a specific diagnostic test, for example migrain and Fibromyalgia“ the Vice President of A.M.I.C.A. adds „and all over the world the diagnosis of MCS is based on the 1999 International Consensus Criteria which are the conclusion of a 10-year long study.“

„The Chemical Sensitivity is a condition recognized, but it becomes a problem when it comes to multiple chemicals together“ Miss Orlando adds „today from Japan  to USA, from Germany to Denmark, the diagnosis of MCS is based on 5 criteria and the individual can obtain a legal recognition of disability on the base of his/her own chronic illnesses“.

„We suspected that the MCS was not going to be recognized in Italy when we read, 2 years ago, the position paper draft of the inter-regional working group on MCS (of which the doctors of Bologna were members)“ Silvia Bigeschi, Vice President of A.M.I.C.A. claims „because it quoted so many studies by scientists with conflict of interests who consider MCS a „psychosomatic disorder“; so we wrote immediately to the Second Chamber of the Superior Council of Health and we sent a large volume of studies with the pray to consider the new evidences about the neurological and metabolic anomalies in MCS, but this was ineffective. Nonetheless, MCS is considered a physical disability not only in the U.S. and in Germany, so Italy should not be left behind“.[3]

Press release: A.M.I.C.A.

Telephone of A.M.I.C.A.:

Silvia Bigeschi, Tel. +39-0572-767884, Wednesday 17,30 to 18,30, Tuesday and Friday 14,00 to 15,00
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CSN-Blog Top 10 – Die beliebtesten Artikel im Februar

Top, die März Top 10 

 

Die Top 10 Artikel im CSN-Blog im Monat Februar 2009

 

Dass der Artikel über den Club Watt, Nummer Eins in den Top 10 Charts des Monats Februar geworden ist, hat einen Grund. Thommy, der Autor des Artikels, hatte die spontane Idee eine Party im Kommentarbereich seines Blogartikels zu starten und schon bebte im CSN-Blog regelrecht der Boden – in 71 Kommentaren heizten Blogmitglieder als DJ’s mit Musikvideos und House Music die Stimmung an, das immer mehr Besucher herbeiströmten um mitzufeiern. Die nachfolgenden Artikel wurden von den CSN- Bloglesern im Monat Februar am häufigsten gelesen: 

  1. Club Watt – innovatives Energiespar-Konzept 

  2. Triclosan 

  3. Medikamentenunverträglichkeit bei Patienten mit MCS – Multiple Chemical Sensitivity häufig 

  4. Umweltkranke haben definitiv keine „Lifstyle-Erkrankung“, Herr Dr. Harth 

  5. Die Psychiatrisierung von MCS-Kranken stellt in Deutschland den Tatbestand der Diskriminierung körperlich Behinderter dar 

  6. Umweltmedizin: Dr. Martin Pall bringt MCS in Standardwerk der Toxikologie ein 

  7. Neuropsychiatrische Maskerade – Die Psyche ist nicht immer Ursache für psychische Symptome 

  8. MCS Refugium – Traumhaftes Ferienziel in der Schweiz für Chemikaliensensible 

  9. Frei nach Ernst Neger: Heile, heile… 

  10. ADHS und Allergien – begünstigt durch Farbstoffe in Lebensmitteln?

Umweltmedizin in Deutschland Teil 5: Situation Umwelterkrankter aus der Sicht eines Umweltmediziners

Die Resonanz der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Vereinigung und des Ministeriums für Gesundheit auf die Nachfrage der Gründe für die Beendigung der Umweltmedizin-Vereinbarung war für Patienten wie auch Umweltärzte wenig befriedigend. Auf die Antwort der Barmer Hauptverwaltung in Nordrhein schrieb Dr. Peter Ohnsorge, Präsident der Europaem – Europäische Akademie für Umweltmedizin e.V. und Vorstandsmitglied des dbu – Deutschen Berufsverbandes der Umweltmediziner e.V., nachfolgende Stellungnahme, in der die tatsächliche Situation der Umweltkranken in Deutschland sehr deutlich zum Ausdruck kommt.

Am 24.01.09 schrieb Dr. Peter Ohnsorge / Europaem

Sehr geehrte Frau Müller,

das ist mal wieder eine der Computersätze strotzenden Antworten der gesetzlichen Krankenkassen!

In Wirklichkeit ziehen sich alle Krankenkassen weiterhin auf eine Basisversicherung zurück und lassen Sie als Umwelt geschädigten Patienten im eiskalten Regen stehen. Die unter Absatz 2 blumig ausgeführten Irreleitungen der Krankenkasse ist ein Hohn! De facto ist eine umweltmedizinische Diagnostik und Therapie nicht Bestandteil des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenkassen! Man hat das geschickt gelöst, indem man Umwelt verursachte Erkrankte bewusst in den diffusen Bereich der Psychosomatik oder gar sogar der Psychiatrie abschiebt. Das wohlwissend, dass es keinen wissenschaftlich haltbaren Beweis einer psychosomatischen oder psychiatrischen Ursache dieser Krankheitsbilder gibt. Bisher sind unseres Wissens nach lediglich beschreibende Diagnosen und Verlaufsbeobachtungen von psychosomatischen Therapien veröffentlicht worden.

Zwei Aspekte sind dabei dramatisch:

  • Zum Einen wird vermeintlich eine nicht ausreichende und uneffektive Therapie angeboten oder auch sogar teilweise erzwungen. Eine psychosomatische Therapie kann durchaus eine momentane symptomatische Hilfestellung darstellen, wenn es sich um Verhaltenstherapie handelt. Eine ursächliche Behandlung wird damit aber nicht durchgeführt! Der Krankheitsprozess wird nicht gestoppt oder zur Gesundung geführt. Das Leiden geht weiter!
  • Zum Anderen wird wertvolle Zeit verstreichen, bis die ursächliche Kontaktunterbrechung zu den Krankheitsverursachern veranlasst wird. Die ursächliche Kontaktunterbrechung ist zwingend notwendig, um den ersten und wichtigsten Schritt der Therapie einer solchen Erkrankung einzuleiten. Eine psychiatrische Therapie hat zudem das Potential, die Erkrankung sogar noch zu verschlimmern. Psychopharmaka konkurrieren meist in den Stoffwechselwegen mit der Entgiftung von Schadstoffen oder blockieren diese Stoffwechselwege manchmal sogar. Damit wird möglicherweise eine Gesundung erheblich abgebremst.

Die klinisch praktizierende Umweltmedizin hat, entgegen der plakativ immer wieder aufgeführten Fehlinformation von Seiten des sogenannten „wissenschaftlichen Mainstreams“, inzwischen ausreichend wissenschaftlich basierte Erkenntnisse und die darauf aufbauende jahrelange klinisch praktizierte Erfahrung, diese Umwelt induzierten Erkrankungen zu diagnostizieren und zu therapieren! Alle Sozialversicherungsträger sollten sich endlich der Erkenntnis öffnen, dass es allemal effektiver, caritativer und vor allem langfristig versicherungs- sowie volkswirtschaftlich sinnvoller ist, erkannte Erkrankungsursachen anzugehen und rechtzeitig auf der Basis diagnostisch abgesicherten Erkenntnisse zu therapieren.

In Anbetracht der demoskopischen Entwicklung in unserer Bevölkerung mit der ausufernden Alterungspyramide mit synchronem Anwachsen chronischer Erkrankungen und auch zunehmender Umwelt verursachter Erkrankungen können nur die Gesundheitssysteme weiter existieren, die rechtzeitig primäre Präventionsmaßnahmen starten und dauerhaft umsetzen. Dazu sind die langjährigen Erfahrungen und Erkenntnisse der klinisch praktizierenden Umweltmedizin hilfreich.

Zur Bewältigung von chronischen Multisystem Erkrankungen, zu denen auch die Umwelterkrankungen gehören, müssen wir in unserem ärztlichen Handeln weniger den linear kausalen Weg der allein an Hochschulen orientierten Medizin verfolgen. Auch können nicht mehr die gängige Richt- und Grenzwertorientierung der Toxikologie und Arbeitsmedizin als einzige Grundlage umweltmedizinischer Entscheidungen akzeptiert werden. In der gängigen Abschätzung von Umwelt verursachten Erkrankungen fehlen die Beachtung u. a. immunologischer und teilweise auch endokriner Aspekte. Wir stehen komplexen Erkrankungen gegenüber, die wir in komplexer Diagnostik und Therapie bearbeiten müssen. In der Umweltmedizin beachten wir dabei besonders

  • die multifaktorielle Belastung,
  • die Langzeitbelastung im Niedrigdosisbereich, die zu erheblichen Kumulationseffekten  führen kann,
  • sowie die individuelle Suszeptibilität, in die Vorerkrankungen, Multimorbidität, der Genderaspekt und die individuelle Vulnerabilität genauso hineingeht, wie genetische Polymorphismen.

Das alles, einschließlich der Notwendigkeit primär präventive Strategien zu entwickeln, haben wir in den letzten Jahren bereits mehrfach mit nationalen und europäischen Politikern diskutiert und zunehmend Gehör gefunden, zuletzt auf Einladung des European Council im Europaparlament in der „Conference on Environment and Health, Indoor Pollution and Multi System Illnesses“, November 2008.

Zum Schluss noch die schmerzliche Wahrheit des Krankenkassenwesen 2009!

In Bayern bekomme ich von der gesetzlichen Krankenkasse als niedergelassener HNO-Arzt (Zusatzbezeichnung bedeuten keine Modulation der Gebühren) beim ersten Patientenkontakt 12,40 €, was in der zugedachten Zeiteinheit von 8 Minuten noch nicht einmal meine Praxiskosten deckt. Beim Zweitkontakt ist für die Dauer eines Quartals keine weitere Vergütung vorgesehen, es sei denn ich setze Diagnostik an. Ein Allergietest oder eine übliche Hörtestung überschreitet aber dann schon die definierte Quartalsgesamtvergütung von 33,60 € Wie glauben Sie, kann ich unabhängig von den laufenden Praxiskosten in der zeitlichen Vorgabe von 8 Minuten Patientenkontakt für 12€ an Umweltanamnese geschweige denn an differentialdiagnostischen Erwägungen und therapeutischen Aufklärungsgesprächen durchführen, sodass mir für meine Arbeit zumindest noch ein minimaler Erlös bleibt?

Die Honorarvergütung war schon jahrelang in der Kassenpraxis nicht kostendeckend und musste Praxis intern ständig aus den Liquidationen von Privatpatienten subventioniert werden. Mit der neuen Gebührenordnung sind jedoch in diesem Jahr zusätzliche erhebliche Honorareinbußen verordnet worden. Sie werden es sicher in der Presse verfolgt haben. Das trifft natürlich besonders die letzten Kassenarztpraxen, die bisher zumindest was möglich war noch kassentechnisch abgewickelt haben. Die politisch plakativ gern immer wieder geforderte „sprechende Medizin“ ist in Wirklichkeit nicht gewollt. Aber ohne umfangreiche Anamnese ist jede fundierte Umweltmedizin uneffektiv. Die Folge wird sein, dass nicht nur, wie bisher teilweise, sondern zukünftig die gesamte Umweltmedizin in den Bereich der sogenannten „Individuellen Gesundheitsleistung (IGeL)“ verschoben wird. IGeL bedeutet, dass Leistungen nach der  privatärztlichen Gebührenordnung abgerechnet werden. Wir Umweltmediziner können aber nach dem erheblichen Einbruch der allgemeinen ärztlichen Vergütung jetzt keine Leistungen mehr umsonst anbieten.

Hier muss mit den gesetzlichen Krankenkassen endlich ein gangbarer Weg gefunden werden. Es ist denkbar und zu hoffen, dass die explodierende Veränderung im Gesundheitswesen dafür in Zukunft wieder gangbare Wege finden wird. Wir als national und in Europa tätigen umweltmedizinischen Fachverbände, Deutscher Berufsverband der Umweltmediziner und European Academy for Environmental Medicine, werden uns dafür einsetzen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Peter Ohnsorge

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 27.02.2009

Fortsetzungsserie: Umweltmedizin in Deutschland

Umweltmedizin in Deutschland Teil 4: Resonanz des Ministeriums

Alleingelassen

Als die Umweltmedizin-Vereinbarung in Nordrhein zum Jahreswechsel ohne großes Aufsehen beendet wurde, war eine der wenigen wirklich positiven Maßnahmen in Deutschland zur Prävention und Verhindern einer Chronifizierung von Umweltkrankheiten ad acta gelegt worden. Obwohl der Erfolg der Umweltmedizin-Vereinbarung als erwiesen gilt, weinte ihr von offizieller Seite niemand nach. Keiner intervenierte, stattdessen kamen auf Anfrage von CSN nur unbefriedigende Antworten, die im Artikel „Kündigung der Umweltmedizin-Vereinbarung – Erklärungen der Krankenkassen und KV“ nachzulesen sind. Auch das Ministerium für Gesundheit sieht keinen Handlungsbedarf, die entstandene Lücke zu schließen oder einen neuen gangbaren Weg mit den Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung zu finden.

Antwort
Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Nordrhein-Westfalen

Sondervertrag „Umweltmedizin“

Ihre E-Mail von 02.01.2009

19.02.2009

Sehr geehrte Frau Müller,

für Ihre E-Mail vom 02.01.2009, mit dem Sie sich zur Kündigung des Sondervertrages „Umweltmedizin“ in Nordrhein an mich gewand haben, danke ich Ihnen.

Die Krankenkassen im Bereich Nordrhein haben die Sonderverträge „Umweltmedizin“ gekündigt. Bei den Sonderverträgen „Umweltmedizin“ handelte es sich jedoch um freiwillige Vereinbarungen, für die es keine zwingende Rechtsgrundlage gibt. Insofern liegt kein Rechtsverstoß vor und das Ministerium hat keinerlei rechtliche Einflussmöglichkeiten.

Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich die Ihrerseits gestellten Fragen nicht beantworten kann und bitte Sie, sich diesbezüglich an die Krankenkassen und die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein zu wenden, die der richtige Ansprechpartner sind.

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag
Kerstin Angenendt

Was bleibt für Umweltkranke?
Die Lage, in die Umweltkranke in Deutschland gedrängt werden, ist alles andere als positiv. Von den Krankenkassen werden diagnostische und therapeutische Maßnahmen, die im Falle des Vorliegens einer Umweltkrankheit dienlich sein könnten, in der Regel nicht bezahlt. Näheres über diese derzeitige Situation wird in den nachfolgenden Artikeln der Fortsetzungsserie „Umweltmedizin in Deutschland deutlich werden.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 27.02.2009

Fortsetzungsserie: Umweltmedizin in Deutschland

Umweltmedizin in Deutschland Teil 3: Kündigung Umweltmedizinische Vereinbarung – Erklärungen der Krankenkassen und KV

Umweltmedizin unerreichbar

Erkrankungen, die auf umweltbedingte Ursachen zurückzuführen sind, haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Häufig sind die Auslöser von Umweltkrankheiten im häuslichen Bereich zu finden. Schimmelpilze, Pestizide und Lösungsmittel gehören zu den Hauptfaktoren die Umweltärzte in Betracht ziehen, wenn ein Patient chronisch krank ist und keine Besserung eintreten will.

In Nordhein-Westfalen wurden von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein gemeinsam mit Krankenkassen eigens Umweltmedizin-Projekte lanciert, die in eine Umweltmedizin-Vereinbarung mündeten. Mittels dieser Maßnahmen waren in die Vereinbarung integrierte Ärzte in der Lage, bei Verdacht Hausbegehungen und Analysen bei einem Umweltlabor anzuberaumen. Anschließend erfolgte anhand der Messergebnisse eine umweltmedizinische Beratung, die oft zu Sanierung des schadstoff- oder schimmelpilzbelasteten Wohnraums führte. Ein Vierteljahr später beurteilte der behandelnde Arzt den Gesundheitszustand seines Patienten.

Die Umwelt-Medizinvereinbarung in Nordrhein war, wie im Artikel „Krankenkassen und KV schaffen Basis für Hilfe bei Umweltkrankheiten“ ausführlich dargelegt, rundum ein Erfolg. Schon die im Vorfeld durchgeführten Pilotprojekte hatten keinen Zweifel daran gelassen, dass eine umweltmedizinische Herangehensweise bei vielen Patienten ein langes Leiden und eine kostenintensive Odyssee von Arzt zu Arzt beenden konnte.  Krankenkassen, die KV und die Ärztekammer waren gleichermaßen vom Nutzen der ergänzenden umweltmedizinischen Leistungen überzeugt. Aus deren Berichterstattung war zu vernehmen, dass bei 63 Prozent der Patienten mit Verdacht auf eine Umwelterkrankung sich die Diagnose bestätigt habe. Nach Sanierung, Umbau oder Entfernen schadstoffbelasteter Einrichtung seinen bei fast 70 Prozent der Patienten die Beschwerden verschwunden.

Die plötzliche Beendigung der Umweltmedizin-Vereinbarung in Nordrhein zum Jahreswechsel 2009 warf daher einige Fragen auf. CSN schrieb die Kassenärztliche Vereinigung, die Krankenkassen und das Ministerium für Gesundheit und Soziales in Nordrhein-Westfalen an. Nachfolgend die Antworten der KV Nordrhein und verschiedener Krankenkassen.

Anschreiben CSN

Sehr geehrter Herr Prof.Dr. Klusen,

wie wir erfahren haben, wurde die Umweltmedizin-Vereinbarung in Nordrhein von allen teilnehmenden Kassen gekündigt. (Mitteilung Renate Fischer KV Nordrhein)

Als Organisation für Umweltkranke und insbesondere für chemikaliensensible Menschen möchten wir Sie um möglichst zeitnahe Beantwortung der nachfolgenden Fragen bitten, da unsere Mitglieder in höchster Sorge sind.

Welche Möglichkeiten der Diagnostik und Behandlung im Rahmen der Kassenleistungen stehen für Mitglieder der TK die unter Umweltkrankheiten und/oder MCS (ICD-10 T78.4) leiden, ab diesem Jahr noch offen?

Welche Möglichkeiten haben niedergelassene Kassenärzte, um dieser Patientengruppe mit besonderen Bedürfnissen, gerecht zu werden?

Welche Gründe von Seiten der TK Nordrhein führten zur Kündigung der Umweltmedizin-Vereinbarung?

Für die Beantwortung dieser für uns dringlichen Fragen danken wir Ihnen im Voraus.

Mit freundlichen Grüßen,

Silvia K. Müller
Präsidentin CSN – Chemical Sensitivity Network

Antwortschreiben der Techniker Krankenkasse

Sehr geehrte Frau Müller,

ich komme heute auf Ihre an Herrn Prof. Dr. Klusen gerichtete E-Mail vom 2.1.2009 zurück.

Die Umweltmedizin-Vereinbarung sollte die Möglichkeiten verbessern, Gesundheitsstörungen und Erkrankungen durch Umwelteinflüsse im privaten Wohnbereich zu erkennen, zu diagnostizieren und zu behandeln. Sie stellte ein zusätzliches Angebot zur ärztlichen Regelversorgung dar. Die grundsätzlich ausreichende Versorgung aller Krankheitsbilder, somit auch der Umweltkrankheiten, wird daher nicht tangiert. Die Behandlung dieser Krankheitsbilder ist daher nach wie vor bei niedergelassenen Ärzten möglich.

Die Vereinbarung wurde zuletzt bundesweit einzigartig nur in Nordrhein-Westfalen angeboten. Die finanziellen Spielräume der Krankenkassen aufgrund der Einführung des Gesundheitsfonds haben eine Revision der bisherigen Sonder-/Förderverträge notwendig gemacht. Leider mussten wir uns, wie alle anderen Krankenkassen, entschließen, die besondere Versorgung der Umweltmedizin-Vereinbarung zu beenden.

Wir hoffen auf Ihr Verständnis und verbleiben

mit freundlichen Grüßen

Volker Habighorst
Referent Vertragswesen

Techniker Krankenkasse, Landesvertretung NRW
Antwortschreiben der KV Nordrhein

Sehr geehrte Frau Müller,

Sie hatten sich mit E-Mail vom 02.01.2009 in obiger Angelegenheit an Herrn Dr. Hansen gewandt.

Wie Sie bereits in Ihrer E-Mail selbst schreiben, wurde die Umweltmedizinvereinbarung in Nordrhein von allen teilnehmenden Krankenkassen gekündigt.

Wir möchten Sie daher bitten, sich wegen näherer Einzelheiten unmittelbar an die nordrheinischen Krankenkassen zu wenden.

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Bohnekamp
Hauptstelle, stellv. Hauptgeschäftsführer KVNordrhein

Antwortschreiben der Barmer

Sehr geehrte Frau Mueller,

mit E-Mail vom 02.01.09 stellen Sie Fragen, die im Zusammenhang mit der durch die Krankenkassen in Nordrhein-Westfalen gekündigte Umweltmedizin-Vereinbarung stehen.

Zu den einzelnen Fragen nehmen wir wie folgt Stellung:

zu 1) Welche Möglichkeiten der Diagnostik und Behandlung im Rahmen der Kassenleistungen stehen für die Mitglieder der Barmer in NRW, die unter Umweltkrankheiten und/oder MCS (ICD-10 T78.4) leiden, ab diesem Jahr noch offen?

Alle in der gesetzlichen Krankenversicherung vom gemeinsamen Bundesausschuss vorgesehenen diagnostischen Maßnahmen für den Patienten können natürlich weiter erbracht werden. Die Umweltmedizinvereinbarung in der bisherigen Form richtete sich in erster Linie an eine ggf. notwendige Untersuchung des häuslichen Umfelds und in Einzelfällen der Untersuchung von verdächtigen Materialien in einem Labor. Diese Kosten für Untersuchungen von z.B. Teppichproben, Farbanalysen etc. muss der Versicherte nun, wie in anderen Bundesländern auch, privat bezahlen.

zu 2) Welche Möglichkeiten haben niedergelassene Kassenärzte, um dieser Patientengruppe mit besonderen Bedürfnissen gerecht zu werden?

Die Behandlung des Patienten war nie Bestandteil der Umweltmedizinvereinbarung. Die Behandlung von Patienten mit Umweltkrankheiten kann somit auch zukünftig in der gewohnten Qualität weitergeführt werden.

zu 3) Welche Gründe von Seiten der Barmer führten zur Kündigung der Umweltmedizin-Vereinbarung?

Ab diesem Jahr gibt es einen einheitlichen Beitragssatz für alle gesetzlich krankenversicherten Personen. Gleichzeitig müssen die durch gesetzliche Vorgaben stark steigenden Ausgaben im vertragsärztlichen und stationären Bereich über diesen Beitragssatz finanziert werden. In dieser Situation haben die Krankenkassen einige Vereinbarungen gekündigt, um keinen Zusatzbeitrag zur Deckung aller Ausgaben erheben zu müssen. Hierzu gehörte auch die Umweltmedizin-Vereinbarung in Nordrhein und Westfalen-Lippe.

Mit freundlichen Grüßen

Frank Szczepanski

BARMER Hauptverwaltung Wuppertal
Abteilung Ärzte, Zahnärzte, Arznei- und Heilmittel
SG I Ambulante Ärztliche Behandlung

Antworten für Umweltkranke und Umweltärzte nicht zufriedenstellend
Diese Antworten der Krankenkassen und KVNo bewogen den Präsidenten einer Standesgesellschaft für Umweltmedizin zu einer Stellungnahme, über die wir in einem der nächsten Artikel der CSN Fortsetzungsserie „Umweltmedizin in Deutschland“ berichten werden.

Autor:
Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 26. 02.2008

Umweltmedizin in Deutschland Teil 1 & 2: Krankenkassen und KV schaffen Basis für Hilfe bei Umweltkrankheiten

Umweltmedizin öffnet neue Türen

Als sich die Umweltmedizin in Deutschland in den 80-iger Jahren langsam zu etablieren begann, waren es vorerst einzelne enthusiastische Ärzte, die sich zeitintensiv auf eigene Kosten Wissen aneigneten. Manche von ihnen flogen in die USA, assistierten in Umweltkliniken und sammelten auf Fachkongressen Wissen. Sie begannen, neue Wege in der Diagnostik und Therapie zu beschreiten und stellten rasch fest, dass die Krankheitsgenese vieler Patienten in ihren Facharztpraxen schadstoffbedingt war. Sie bemerkten, diesen Patienten konnte durch zielgerichtete umweltmedizinische Herangehensweise geholfen werden.

Bald erkannten Krankenkassen, Ärztekammern und Kassenärztliche Vereinigungen in der Umweltmedizin eine Chance und führten Pilotprojekte durch. Schnell realisierten Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenkassen, dass es zweckdienlich ist, Umwelterkrankten rasch helfen. In einer Vereinbarung über umweltmedizinische Behandlung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH) und dem BKK Landesverband NORD, die vom 26. Februar 1996 bis zum Jahr 2000 galt, wird dies verdeutlicht:

„Ziel der Vereinbarung ist es, Umweltgefährdungen als Krankheitsursachen unter Einbeziehung des häuslichen Umfeldes frühzeitig zu erkennen, die Erkrankten effektiv und kostengünstig zu behandeln und eine langfristige Rehabilitation sicherzustellen.“ (1)

In Nordrhein schlossen die KV und die Krankenkassen nach erfolgreichen Modellprojekten eine Umweltmedizinische Vereinbarung ab. Das Konzept ging voll auf, der Erfolg war enorm. (2) Trotz des Erfolges wurde die Umweltmedizin-Vereinbarung zum Jahreswechsel 2009 beendet. (3)

Fakten und Hintergründe zum Thema Umweltmedizin-Vereinbarung Nordrhein werden durch die mit dem nachfolgenden Artikel beginnende Fortsetzungsserie im CSN Blog, „Umweltmedizin in Deutschland“, zu erfahren sein.

Umweltmedizinisches Modellprojekt erfolgreich
Über das von der KV Nordrhein initiierte umweltmedizinische Modellprojekt berichtete Dr. Sabine Glöser im November 1998 im Deutschen Ärzteblatt. (4)

Das Modellprojekt Umweltmedizin hatte die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNo) zusammen mit den nordrheinischen Ersatzkassen, der AOK Rheinland, dem BKK Landesverband Nordrhein-Westfalen und der Bundesknappschaft im Juni 1996 begonnen. Die Medizinerin erläuterte, dass am Modellversuch der KV Nordrhein insgesamt 122 Ärzte mit umweltmedizinischer Qualifikation teilgenommen hätten.

Das Konzept habe so ausgesehen, dass, wenn bei einem Patienten der Verdacht auf eine Umwelterkrankung vorlag, der Arzt ein Umweltlabor beauftragte, um Innenraumschadstoffe in der Wohnung des Patienten zu messen. Ein Umweltlabor habe in der Phase des Modellversuches Schadstoffe in 512 Wohnungen analysiert.

Das Ergebnis könne sich sehen lassen: Nachgewiesen hätte man vor allem Schimmelpilze (68 Prozent), Aldehyde (43 Prozent), leichtflüchtige organische Komponenten (34 Prozent) und Holzschutzmittel (24 Prozent). In zwei von drei Wohnungen, in denen Schimmelpilze nachgewiesen wurden, hätte die Belastung sogar über dem Grenzwert gelegen. Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI) habe das Projekt über zwei Jahre wissenschaftlich begleitet und die Daten der ersten 1400 Fälle ausgewertet.

Dr. Sabine Glöser führte weiter aus, dass sich bei 63 Prozent der Patienten mit Verdacht auf eine Umwelterkrankung die Diagnose bestätigt hätte.

Umweltpatienten keine Hypochonder
Auch ein Resümee des Vorsitzenden der KV Nordrhein, Dr. Winfried Schorre, stand im Artikel im Ärzteblatt vom November 1998 zu lesen. Entgegen den Ergebnissen früherer Studien seien die Patienten psychisch unauffällig gewesen und die Analysen belegten, dass Umweltpatienten in der Regel keine Hypochonder seien.

Der Vorsitzende der KV Nordrhein gab sich im Ärzteblattartikel abschließend zufrieden, und teilte mit, dass man mit dem Modellprojekt eine Lücke in der umweltmedizinischen Versorgung geschlossen habe, da in das Projekt auch Kinder und nichterwerbstätige Frauen einbezogen wurden und man sich bisher auf Belastungen am Arbeitsplatz konzentriert habe. (4)

Ein von Erfolg gekröntes Konzept
Aus dem Modelprojekt Umweltmedizin entwickelte sich eine neue, kooperative Vorgehensweise. In einer gemeinsamen Pressemitteilung verschiedener Krankenkassen und der KV verkündete man die Umweltmedizin-Vereinbarung (2) und berichtete über den Erfolg des 1996 begonnenen Umweltmedizin-Projektes in Nordrhein:

„Bei fast 70 Prozent der Patienten nahmen daraufhin die Beschwerden ab.“

Den ganzen Beitrag lesen…

Freie Therapiewahl für MCS Kranke

Hoffnung auf Therapie

Patienten die unter MCS – Multiple Chemical Sensitivity (ICD-10 / T 78.4), Chemikaliensensitivität, leiden, bekommen neben Hinweisen auf Vermeidungsstrategien relativ wenig an Therapien und Behandlungen angeboten.

Viele der Erkrankten können herkömmliche Medikamente nicht einnehmen, weil sie unter schweren Medikamentenunverträglichkeiten und -intoleranzen leiden, bzw. sie genetisch bedingt viele Medikamente überhaupt nicht verstoffwechseln können. Es gäbe Alternativen, aber diese werden von den Krankenkassen in der Regel nicht übernommen. 

MCS- Blogfrage der Woche:

  • Wenn Ihr freie Therapiewahl von Eurer Krankenkasse offeriert bekämt, welche Therapie, Behandlung oder Alternativmedizin würdet Ihr wählen?
  • Welche Therapien, Behandlungen, Alternativen sollten Krankenkassen in ihr Leistungsprogramm für chemikaliensensible Patienten aufnehmen?
  • Was wünscht Ihr Euch?