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Pestizide verursachen Abneigung gegen Alkohol

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Spanische Wissenschaftler der Universität Almeria haben im Tierversuch bewiesen, was Chemikaliensensible weltweit berichten: Erhöhte Empfindlichkeit und Abneigung gegenüber Alkohol. Eine einmalige Exposition gegenüber dem Organophosphatpestizid Chlorpyrifos reicht aus, dass Ratten Alkohol für lange Zeit vermeiden. Wenn sie dennoch Alkohol zu sich nehmen, führt dies zu einem verstärkten Betäubungseffekt. Eine Beobachtung, die bei chemikaliensensiblen Menschen ebenfalls zutrifft.

Schadstoffe lösen Alkoholintoleranz aus

Menschen, die unter Chemikaliensensitivität leiden, berichten immer wieder, dass sie Alkohol nicht mehr tolerieren und auch eine Abneigung dagegen haben. Zwei, drei Schlückchen Wein oder Bier reichen aus und sie fühlen sich sturzbetrunken oder bekommen schwerste Symptome. Der Ursache dafür ging ein fünfköpfiges Wissenschaftlerteam aus Spanien auf den Grund. Schadstoffe, vor allem Pestizide scheinen schuld zu sein. In der medizinischen Fachzeitschrift Toxicological Sciences berichteten sie entsprechend, dass eine wiederholte oder ständige Exposition mit einer großen Vielzahl von chemisch nicht miteinander verwandten Schadstoffen zur Entwicklung einer Multiplen Chemikalien Sensitivität (MCS) und erhöhter Empfindlichkeit gegenüber Suchtmitteln führen kann. (1)

Tierversuch belegt Aussagen von Chemikaliensensiblen

Neurobiologische Interaktionen zwischen Drogen und Umweltgiften genau zu analysieren, ist ein Fachgebiet, das für Wissenschaftler weltweit von zunehmend großem Wert ist. Das Forschungsgebiet bildet eine wichtige Brücke zwischen Umweltmedizin, Toxikologie und Drogen- bzw. Arzneimittelforschung, die vielschichtige weiterführende Erkenntnisse in vielen Bereichen erbringen kann. Um die von Chemikaliensensiblen behauptete Abneigung und Intoleranz gegenüber Alkohol zu belegen, bauten die spanischen Wissenschaftler eine kontrollierte Tierversuchsstudie auf. Insbesondere die klinischen Hinweise darauf, dass beim Menschen eine Exposition gegenüber Organophosphaten mit einer erhöhten Ethanol-Empfindlichkeit und einem freiwillig verringerten Konsum von alkoholhaltigen Getränken einhergehen könnte, interessierten die Mediziner.

Chlorpyrifos, in USA verboten, in Europa erlaubt

Demgemäß untersuchte die vorliegende Studie insbesondere die neurobiologischen Reaktionen und Verhaltensweisen in Bezug auf Ethanol bei Wistar-Ratten, die zuvor dem Organophosphat-Pestizid Chlorpyrifos (CPF) ausgesetzt waren. Dieses Pestizid ist in Deutschland und den anderen europäischen Ländern noch immer in sehr vielen Schädlingsbekämpfungsmitteln für den häuslichen Gebrauch und die Landwirtschaft enthalten. Konventionelle Nahrungsmittel weisen regelmäßig Rückstände auf. In den USA ist das Pestizid wegen seiner Neurotoxizität und anderen schweren Nebenwirkungen seit vielen Jahren in nahezu allen Anwendungsbereichen verboten. Ein EPA Memorandum hatte zusätzlich bestätigt, dass Chlorpyrifos Chemikalien Sensitivität (MCS – Multiple Chemical Sensitivity) auszulösen vermag.

Einmal reicht aus

Die Tierversuche der spanischen Wissenschaftler waren erfolgreich. Sie bestätigten, was man anhand der Aussagen von Chemikaliensensiblen vermutet hatte. In Übereinstimmung mit den klinischen Daten zeigten mit einer Einmalinjektion von Chlorpyrifos vorbehandelte Tiere ein lang anhaltendes Vermeidungsverhalten gegenüber Ethanol, das weder aus einem veränderten Geschmacksempfinden noch einer Verstärkung der aversiven Charakteristika von Ethanol herrühren konnte. Darüber hinaus war zu beobachten, dass eine Vorbehandlung mit Chlorpyrifos zu einer verstärkten ethanol-induzierten Betäubung führte.

Wenn man bedenkt, dass viele unserer Nahrungsmittel Rückstände von Chlorpyrifos aufweisen, ist die Erkenntnis der Wissenschafter als sehr bedenklich einzustufen und erfordert auch in der EU ein rasches Verbot des Pestizides. Denn Unverträglichkeit gegenüber Alkohol ist bei Chemikaliensensiblen ein Faktor, der kaum Relevanz im Alltag besitzt, bei den ebenfalls von dieser Personengruppe vielfach beklagten Medikamentenunverträglichkeiten können die Auswirkungen jedoch weitaus folgenschwerer sein.

Autor: Silvia K. Müller , CSN – Chemical Sensitivity Network

Literatur: Carvajal F, Lopez-Grancha M, Navarro M, Sanchez-Amate M, Cubero I., Long-Lasting Reductions of Ethanol Drinking, Enhanced Ethanol-induced Sedation, and Decreased c-fos Expression in the Edinger-Westphal Nucleus in Wistar Rats Exposed to the Organophosphate Chlorpyrifos, Toxicol Sci. 2006 Dec 26

Begriffserklärung: Aversiv: Vermeidung, Ablehnung (Bsp.: Aversive Reize werden gemieden bzw. lösen eine Vermeidungsreaktion aus)

Mutige Ärzte fehlen unserem Land

Der nachfolgend wiedergegebene Vortrag wurde von Dr. Peter Binz, Neurologe und Umweltmediziner aus Trier, am 21.Oktober 2007 auf Einladung an der Evangelischen Akademie Iserlohn bei Schwerte gehalten. Die Tagung stand unter dem Motto „Verkaufte Gesundheit – Krankes System?“ Im Anschluss des Vortrages wurde er von einer Arztkollegin spontan für einen Zivilcouragepreis vorgeschlagen. Was sie nicht wusste, war, dass Dr. Binz für seinen Mut und seinen Widerstand gegen all jene, denen ein Menschenleben nichts wert ist, bereits für den Zivilcouragepreis der Solbach-Freise Stiftung nominiert war. Dieser Preis wurde ihm kurz darauf verliehen.

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Alternativen zu dem heutigen Gesundheitssystem aus der Sicht der Praxis und der Patienten

Tagung: Verkaufte Gesundheit – krankes System?

Evangelische Akademie Iserlohn

Schwerte, 21.10.2007, 10.45 Uhr
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Neue Wege:

Um neue Wege zu finden ist es sinnvoll, durch Beispiele aus der eigenen Praxis zu beschreiben,

  • wie Arbeitsschäden entstehen
  • wie man mit den Geschädigten umgeht
  • wie man sich verteidigen kann
  • wer einen dabei zu hindern versucht
  • wer einem hilft

Zu denen, die am meisten zu sagen haben: Die Krankenkassen

Fast alle sind in den Pflichtkrankenkassen versichert, die z. B. in ihrer Werbung versichern: „wir tun mehr“.

Es ist aber selten, dass Krankenkassen helfen bei der Aufklärung der Arbeitsschäden und der Giftschäden und bei der Durchsetzung der ohnehin geringen Ansprüche der Geschädigten, meist wird sogar versucht, die Berufsarbeitsverfahren zu blockieren, obwohl nach den gesetzlichen Regeln die Krankenkasse verpflichtet ist, bei der Aufklärung mitzuhelfen. Sie darf auch nicht aus den Beiträgen ihrer Mitglieder die Schäden bezahlen, die durch Arbeitsgifte entstanden sind. Um die Betroffenen und ihre Familien zu entmutigen und zur Aufgabe der BG-Verfahren zu bewegen, gibt es ein paar immer wiederkehrende Methoden:

– Sobald die Diagnose der toxischen Schäden in der Krankmeldung auftaucht T65.8, wird der Patient zur Krankenkasse bestellt und dort redet man ihm zu, endlich zu einem „richtigen Arzt“ zu gehen, bei mir seien doch alle vergiftet.

Es gibt dann auch Versprechungen: Meine Krankmeldungen werde man nicht anerkennen und es gebe „Schwierigkeiten“. Wenn sie sich aber von einem anderen Arzt, z. B. von einem Orthopäden krankschreiben ließen, dann könnten sie sich der Zahlungen sicher sein. Viele Patienten gehen darauf ein. Es gibt ja viele, die von Natur aus aber auch durch ihre Hirnschäden in ihrer Urteilsfähigkeit gestört sind, oder die sich durch ihre Schwäche nicht mehr verteidigen können.

Eine Reihe der Patienten werden also recht geräuschlos auf diese Weise am Berufskrankheitenverfahren vorbeigeführt und kommen „so“ in die Rente. Andere wehren sich und dann kommt die prompte Bestrafung durch die Krankenkasse: man wird zum Medizinischen Dienst bestellt. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen in Trier hat seit Jahrzehnten so gut wie nie die Diagnosen der toxischen Schäden, vor allem im Beruf, bestätigt. Er müsste dann ja auch bestätigen, dass z. B. die toxischen Belastungen der Schuhfabrik Romika seit dem Kriegsende weder chemisch noch medizinisch angemessen untersucht und beurteilt wurden, vom Sozialen ganz zu schweigen. Also steht stereotyp in den MDK-Gutachten, es gäbe „keine Anhaltspunkte für eine Vergiftung“, wobei besonders der wichtigste „Anhaltspunkt“ bei der Untersuchung weg gelassen wird, nämlich die toxische Vorgeschichte.

– Der MDK und die Kassen gehen auch nicht darauf ein, dass sie untrügliche Beweise für die Schäden haben, die ganz unabhängig sind von Arzt und Patient, nämlich die Statistik über die Krankheiten und die Lebenserwartung, etwa der Schuharbeiter, der Winzer, der Schreiner, der Schweißer etc. Bewusst werden also diese Zahlen jahrzehntelang geheim gehalten, man kann fragen, so oft man will, auch bei den BGs oder Aufsichtsbehörden. Jeder Geschädigte bleibt so ein „Einzelfall“.

– Ein weiteres Machtmittel der Krankenkassen ist die Entsendung der Patienten in die sogenannten „Heilverfahren“. Für toxische Schäden gibt es keine naturwissenschaftlich begründeten Heilverfahren außer der Expositionsvermeidung. Das war ja schon unseren Großvätern bekannt, die vernünftigerweise die Sanatorien ans Meer oder ins Hochgebirge gelegt haben, also an frische Luft aber leider schon damals mit Desinfektionsmitteln.

In den Heilverfahren wird dann versucht, den Patienten davon zu überzeugen, dass er psychosomatisch erkrankt sei oder eine Anpassungsstörung habe.

Psychosomatisch ist die Nachfolgebezeichnung für mehrere Benennungen, die inzwischen selten sind wegen ihrer offensichtlich beleidigenden Unsinnigkeit, früher nannte man diese Leute „verrückt, hysterisch“ oder „Simulanten“, besonders letztere Eigenschaft wird ja auch heute noch streng erforscht: kann der Patient dem Arzt schnell die Treppe  hinauf folgen obwohl er über Muskelschäden klagt, hat er Ölflecken an den Händen, geht er abends Bier trinken in Gesellschaft, verhält er sich in der Therapiegruppe intelligent oder dominant oder weinerlich, – dann steht jeweils der Verdacht nahe, dass er betrügt.
Gerne gesehen ist dagegen, wenn er die psychosomatischen Erklärungen für die Erkrankung annimmt, die man ihm vorsagt. Psychosomatik beruht auf der merkwürdigen Vorstellung, dass es Funktionen der Intelligenz oder Affektivität gebe, die außerhalb des Gehirns sich abspielen in der sogenannten Psyche und die dann aber auf den Körper zurückwirken. Psychosomatisch ist eine der Konstruktionen, mit der man alles und logischerweise daher gar nichts erklären kann. Aber Psychosomatisches hat der Patient wenigstens selbst zu verantworten.

Auch im Umgang mit der Chemie des Alltags sind die Kurkliniken oft recht unbedarft: Die Patienten werden z.B. zum Training in Chlorbäder geschickt, die sind nun mal lange in Gebrauch, auch wenn sie seit jeher mit dem Gift desinfiziert werden, das immer noch die meisten Schäden macht. Dazu kommen noch die Putzmittel, die Duftstoffe, der Zigarettenrauch, die staubigen Teppiche etc. Es gibt wenige lobenswerte Kliniken, in denen überempfindliche Patienten mit möglicht wenigen Auslösern und biologisch gesund leben können.

Eine wesentliche Rolle bei der „Erklärung“ der Schäden spielt auch der Alkoholkonsum der Geschädigten: Einige werden in verschiedenen Berufen Alkohol abhängig, z. B. die Schweißer, die Keramikarbeiter etc. In der Firma V&B gab es in den Hallen mit gefährlichen und Durst verursachenden Stäuben überall Bierautomaten, die später von den BG’s verboten werden, aber die Ursachen für den Bierdurst wurden nicht geändert. Unsere Vorfahren redeten von „Trinkerberufen“. Ein Gift zieht oft das andere nach sich, viele Gifte sind zumindest anfangs aktivierend und euphorisierend und können sich gegenseitig ersetzen.

Aber auch wenn ein Alkoholabusus erwiesen ist, dann darf man nicht vergessen, die Ursachen zu erwähnen, das sind häufig toxische Belastungen. Andererseits: viele Vergiftete sind überempfindlich gegen Ethanol und bei etwa sehr geringen Mengen haben sie massive Beschwerden wie etwa bei einem schweren Rausch.

Viele der toxisch geschädigten Patienten trinken daher keinen Alkohol. Sie vertragen ihn nicht weil sie überempfindlich geworden sind durch ihre toxischen Belastungen.

Anders ist es beim Nikotin. Nikotin ist ein anregendes Antidepressivum, es kann Konzentration, Stimmung und Kurzzeitgedächtnis verbessern.

Manche können Zigarettenrauch nicht ertragen und rauchen nicht. Viele berichten aber, dass sie jeweils viel mehr rauchen wenn sie in höherer toxischer Belastung arbeiten oder ihre Konzentrationsleistungen mit den Jahren nachlassen. Die Zahl der täglichen Zigaretten gibt Auskunft darüber, wann die Arbeit hoch toxisch belastet war oder besonders anstrengend war. Am meisten rauchen die Chinesen und die Bulgaren.

Nikotin und Alkohol werden als selbst zu verantwortendes Fehlverhalten eingeschätzt. „Entwöhnen“ kann man jedoch nur mit menschenverträglichen Arbeits- und Lebensumständen der Unterschicht.

In Abschlussberichten der Reha-Verfahren gibt es dann regelmäßig Diagnosen, die möglichst weit von der Immunotoxikologie entfernt sind, also die Anpassungsstörung, die chronische Depression ohne Ursache, die rheumatischen Gelenkschäden und wenn einmal der Verdacht auf Intoxikation bestätigt wird, ist das schon das Höchste. Die vollständige Aufklärung der Berufsschäden gibt es so gut wie nie.

Es gibt zwei lobenswerte Ausnahmen: die Klinik in Bredstedt und das Krankenhaus in Neukirchen bemühen sich, Schäden bei Überempfindlichkeiten durch toxische Belastungen aufzuklären und in beide Häuser schicken die Versicherungen daher nur widerstrebend.

Die „normalen“ Kurkliniken sind nun einmal von ihren Geldgebern zur Effektivität angewiesen und das heißt: arbeitsfähig oder gesund entlassen oder zumindest Selbstverschulden nachzuweisen.

Die Berufsgenossenschaften

Sie tragen einen Vertrauen erweckenden Namen, wer möchte nicht gerne „Genosse“ sein, und ihre Hauptverwaltung liegt in St. Augustin, aber da fällt einem schon das Karnevalslied ein.

Die Berufsgenossenschaften haben seit Generationen fast immer gewonnen, sie konnten etwa 95 % der Verfahren für sich entscheiden. Die meisten Ärzte, die zur Meldung der Berufskrankheiten verpflichtet sind, erstellen diese Meldungen nicht, meist aus Unwissenheit oder Bequemlichkeit, aber auch aus Angst. Es ist daher klar, dass kaum einer der geschädigten Arbeiter wenigstens eine Entschädigung bekommt, die ohnehin meist sehr gering ist.

Das wichtigste Mittel für den Erfolg bei den BG’s sind ihre Gutachterschulen. Über Generationen wurden die leitenden Posten in der Arbeitsmedizin mit den Schülern der gleichen Schule besetzt. Kein Wunder, dass sie in ihren Gutachten immer zu den gleichen Schlüssen kommen, mit den stets gleichen Auslassungen zur Tatsache und Standard-Formulierungen „beweisen“, dass keine Berufskrankheiten vorliegen. Die wichtigsten Lehrstühle stehen in Erlangen, München, Bochum und Heidelberg.

Weiter zum Erfolg verhalfen die  „Lehrbücher“ wie der Valentin – Mehrtens, die ständig in den Urteilen zitiert werden, obwohl die Fachliteratur schon längst die oft makabren Behauptungen in diesem System widerlegt hat, zum Beispiel, dass Lösungsmittelschäden spätestens nach 2 Jahren ausgeheilt sein müssen, und dass sie auch erst eintreten, wenn man mindestens 10 Jahre hohen Konzentrationen ausgesetzt war, die die gesetzlich sicheren Grenzwerte überschritten haben.

In Wirklichkeit stehen die Lösungsmittel schon seit jeher auf der IDLH-Liste (Immediately Dangerous to Life and Health), d. h. in kürzester Zeit, (30 Minuten) können sie zu schweren bleibenden Schäden oder zum Tod führen. Darüber hinaus ist ein großer Teil der immunotoxischen Schadensabläufe Dosis- unabhängig, d. h., wenn eine Überempfindlichkeit eingetreten ist, dann kann ein einziges Molekül die Immunkaskade auslösen, die immer zu Kollateralschäden führt.

Trotz dieser fundamentalen gefährlichen Fehler werden in den Gerichtsurteilen die Gutachten aus dieser Schule als wissenschaftlich verlässlich und „verbindlich“ erklärt.

Darüber hinaus gibt es noch ein paar Praxen niedergelassener Ärzte, die von den BG’s aber auch von einigen Gerichten herangezogen werden – wenn alles für das Recht der geschädigten Arbeiter spricht und eindeutige Beweise vorliegen: auch diese werden dann noch versenkt mit oft ungeheuerlichen Behauptungen dieser Gutachter, die wissen, dass ihnen nichts passieren kann, wenn sie alle medizinischen und rechtlichen Regeln übertreten.

Viele Patienten, Rechtsanwälte und Ärzte haben natürlich versucht, sich gegen diese Falschgutachter zu wehren, selten mit Erfolg. Die Gutachterliste der BGs ist immer noch die gleiche wie vor 25 Jahren.

Eine wirksame behördliche oder juristische Aufsicht, die das Gröbste bei Berufsgenossenschaften und ihre Gutachtern verhindert gibt es bisher nicht. Es besteht ein festes Netzwerk zwischen Krankenkassen und Berufsgenossenschaften und Gutachtern, und vielen Gerichten, das nicht zu erschüttern ist und offensichtlich starke politische und finanzielle Unterstützung hat.

Die Strafjustiz

Bei den meisten toxischen Schäden im Beruf, liegt zumindest grobe Fahrlässigkeit vor, mit Körperverletzung oder Tötung, dann sind auch alle Beteiligten zur Meldung an die Staatsanwaltschaft verpflichtet.

Am Anfang der Aufklärung der sehr vielen Geschädigten z. B. bei der Schuhfabrik Romika wurde zwar zunächst ein Zivilverfahren gegen mich eröffnet, wegen „Verunglimpfung“ dieser eingebürgerten Schuhfabrik mit 2500 Arbeitsplätzen, aber dann wurde doch ein Strafverfahren eingeleitet gegen einige Funktionäre aus den unteren Rängen, sie mussten ein Busgeld von wenigen tausend DM bezahlen und danach wurde in wenigen Tagen das Verfahren eingestellt.

In den folgenden Jahrzehnten habe ich, wie es nun einmal vorgeschrieben ist, noch viele Meldungen auch an die Staatsanwaltschaft weitergegeben, etwa die Todesfälle aus der Romika, die Toten aus der Fabrik für Plastikbehälter in der Eifel, die Totenlisten aus den längst aufgelösten Auer-Werken, die hier in Trier Gasmasken etc. herstellten und auch viele einzelne Schäden und Todesfälle aus kleineren Firmen. Seit etwa 15 Jahren gab es nicht einmal eine Eingangsbestätigung, nur von der Staatsanwaltschaft in Saarbrücken kam einmal oder zweimal eine kurze Mitteilung, dass die Meldung eingegangen sei, das Ermittlungsverfahren aber gleich wieder eingestellt werde, wenn ich keine „weiteren Beweise“ vorlegen könne. Die Staatsanwaltschaft hat also selbst nie weiter nachgeforscht.

Die Kassenärztliche Vereinigung

Die KV ist gesetzlich verpflichtet zur Sicherstellung einer angemessenen medizinischen Betreuung. Die KV in Trier hat in den letzten 15 Jahren unter ihren Leitern Sauermann und Müller sich darum bemüht, zur Vermeidung weiterer Arbeitsschäden meine Praxis zu schließen. Einzelheiten zu den wenig erfreulichen und sehr teueren Verfahren will ich hier nicht ausbreiten. Es ist möglich, dass man jetzt bei der KV in Koblenz und in Mainz nüchterner und sachkundiger urteilt, wir wollen es hoffen.

Auch die Aktionen meist der KV, ab und zu auch des früheren Kammer-Präsidenten Prof. Krönig, mit den offensichtlichen Verbindungen zu den Berufsgenossenschaften, Krankenhaus, Kassen und Arbeitgebern haben dazu beigetragen, dass kaum noch ein Arzt Arbeitsschäden meldet obwohl bei näherem Hinsehen dieses Übersehen der Arbeitsschäden nur zu weiteren Schäden und zu endlosen Spätschäden führen wird, nicht zuletzt deswegen, weil auch das genetische Material der Familie geschädigt wird, d. h. ein Teil der Schäden wird weiter vererbt und Genschäden sind nicht reparabel, sie hören also erst auf, wenn es keine Nachkommen mehr gibt.

Die Kollegen unter den Ärzten

Es gibt durchaus Mediziner, die auf der Seite der geschädigten Arbeiter und ihrer Ärzte stehen, aber es sind nicht sehr viele. Sie sind meist Mitglieder von IGUMED, DGUHT, ÖÄB. Man kennt sich von den Tagungen. Wenn kleine Gruppen von Ärzten zusammenarbeiten, etwa der Neurologe, der HNO-, der Augenarzt und der Röntgenarzt bei der Dokumentation von Hirnleistungen, dann ist mindestens unter vorgehaltener Hand die Bezeichnung „Mafia“ fällig.

Außer dem Verantwortungsgefühl gibt es wenig, was einen „anziehen“ könnte bei der Aufklärung von Arbeits- oder Unfallschäden. Die Gebührenordnung ist z. B. so eingerichtet, dass man garantiert nicht zuviel verdient mit der nicht versicherungshörigen Arbeitsmedizin: Das ist nicht weiter schlimm, aber die persönlichen Herabsetzungen bis zur Kriminalisierung treffen einen schon.

Zu den Leuten und Gruppen, die helfen: Die Familie

Wenn ein Maler sein Verfahren gegen die BG gewinn, so steckt dahinter meist eine resolute Ehefrau die sich nicht von der Autorität der Funktionäre oder den akademischen und juristischen Titeln verblüffen lässt. (Ich denke übrigens, ich habe so eine Frau).

Oft sind die Patienten aber auch alleine, entweder weil sie schon geschädigt waren in der Zeit in der man sonst eine Partnerschaft sucht, viele bleiben Junggesellen. Viele sind geschieden, weil durch die ständigen Belastungen für die Familie und ihre schlechten Zukunftsaussichten, aber auch durch ihre zunehmende Aggressivität oder Passivität die Ehen zerstört werden. Der Leistungsabfall und die charakterlichen und affektiven Veränderungen sind eine häufige Ursache für Einzelgängertum und Scheidungen.

Viele verzichten auf Kinder, weil sie ihren Kindern das Leben, das sie erdulden mussten, nicht wünschen. Häufig gibt es keine Kinder weil in Giftberufen die Frauen nicht schwanger werden oder Aborte haben oder behinderte Kinder zur Welt bringen, das alles um so häufiger, je länger sie im Gift gearbeitet haben, z.B. Krankenschwestern, Schuharbeiterinnen, aber auch Lehrerinnen in belasteten Schulen.

Wichtig sind natürlich die Kinder, wenn es welche gibt, um die Verfahren durchzuhalten mit der Gemütsstärkung der durch die Kleinen und den Computer- Justiz- und Chemiekenntnissen der Großen.

Ich freue mich also, wenn mehrere Mitglieder der Familie und auch Freunde mit zur Untersuchung kommen, während die Gutachter der Versicherungen es regelmäßig versuchen, solche „unbeteiligten Angehörige“ oder Freunde bei der Untersuchung herauszuhalten, man will keine Zeugen.

Außer der Familie gibt es natürlich noch die Kameradschaften und die Genossenschaften im wahren Sinn des Wortes vor allem als Selbsthilfegruppen, sie tauschen ja ihre Kenntnisse über die Arbeitsstoffe, die Rechtsanwälte, die Gutachter und die Spätfolgen aus.

(Vor einigen Tagen hat Herr P. berichtet: seine Schwägerin, die früher 10 Jahre bei der Romika gearbeitet hatte, habe er nach Jahren endlich überreden können, zu mir zur Untersuchung zu kommen: Er habe ja 1981 in seinen 20er Jahren mit 45 anderen im gleichen Alter zusammen bei der PVC-Fabrik Pegulan in Konz zu arbeiten begonnen, von denen lebten jetzt noch 3.)

Die Psychologen

Schon immer hat ein Psychologe in der Praxis mitgearbeitet, seit 15 Jahren ist es Herr Klein. Die psychologische Leistungsuntersuchung ist die wichtigste objektivierbare und reproduzierbare Untersuchung um Veränderungen der Hirnleistung festzustellen, sie wird weltweit mit den gleichen Tests durchgeführt.

Die beliebten Behauptungen, der Patient simuliere oder es sei alles nicht so schlimm, können mit der Psychometrie widerlegt werden. Am frühesten betroffen bei Hirnschäden sind meist Konzentration und Geschwindigkeit sowie Kurzzeitgedächtnis und der Nachzeichnung von geometrischen Formen.

Eine Reihe von Patienten brauchen auch psychologische Unterstützung in ihrer Niedergeschlagenheit und Unsicherheit. Zu länger dauernden Psychotherapien überweisen wir an niedergelassene Psychologen, bei denen ändert sich auch das Krankheitsverständnis: Wenn sie früher in ihrer Ausbildung die Schäden und Veränderungen mehr auf psychische und soziale Mechanismen zurückführten, erkennen sie immer mehr als Ursache die organischen Hirnschäden. Es ist oft für alle Beteiligten belastend, vor allem wenn man bei jüngeren Menschen schwere Hirnschäden feststellt und den unaufhaltbaren weiteren Abfall über die Jaher, aber gerade diese Menschen brauchen am meisten Unterstützung.

Die Rechtsanwälte

Die meisten sind korrekt, hilfsbereit und hören auch zu, was man so als Arzt vorbringt, (von Richtern kann man das nicht so oft behaupten, die haben alte Zöpfe in den Verfahren oft noch nicht abgeschnitten). Viele Rechtsanwälte geben sich sehr viel Mühe bei relativ geringem Verdienst in den Sozialgerichtsverfahren. Alle wissen, wie gering die Chancen sind und wie erdrückend oft die Belastungen für die Patienten, ihre Familien und nebenbei für ihre Ärzte.

Viele Berufskrankheitenverfahren gehen über Jahre und Jahrzehnte, die Romika-Verfahren sind bis heute z. T. noch nicht abgeschlossen. Ab und zu gewinnt einer seine 20 % MdE-Rente, mehr ist nicht drin. Ein anderer mit den gleichen Schäden von der gleichen Arbeitsstelle, der sich aber aufmüpfiger im Verfahren gewehrt hat, kann noch Jahre warten.

Die Gewinnrate der BG’s von ca. 95 % ist schon erwähnt. Die Wahrscheinlichkeit zu „gewinnen“ wechselt auch mit der Zeit und der Politik: In den 90er Jahren waren Berufsgenossenschaften und Sozialgerichte von den Beweisen für die bisher „unbekannten“ Schäden so verblüfft, dass z.B. alle von den etwa 20 Geschädigten aus der Tierkörper¬beseitigungsanstalt Rivenich anerkannt und entschädigt wurden, dort hatte man unter seltsamen physikalischen, chemischen und neurologischen Vorstellungen geglaubt, man könne gefahrlos das Fett aus dem erhitzten und gemahlenen Fleisch der Tierkadaver mit dem Lösungsmittel Perchlorethylen herauslösen und nachher wieder das PER zurückgewinnen.

Aber alle Dichtungen und Kugellager der Anlage wurden regelmäßig von PER aufgelöst. Die Arbeiter stiegen bei der Reparatur unbesorgt in die großen Behälter. Einer stand aber draußen und wenn der drinnen anfing zu singen oder Sternchen zu sehen, wurde er herausgeholt und der nächste ging hinein. Man hielt das für einen ungefährlichen kleinen Rausch.

Zu mir in die Praxis kamen die Beschäftigten auf dringenden Rat der Tierärztin, die für die Tierkörperbeseitigungsanstalt zuständig war, die hatte sich kundig gemacht im Gegensatz zu der Schulmedizin und den „Kassen“.

Es war also die alte Geschichte, zunächst ungenügende Information, Euphorisierung und Aktivierung durch die Lösungsmittel, später zunehmende vielfältige Schäden, zunächst der Gehirnleistung, dann des Verhaltens, zum Schluss meist Demenz und Krebs, fast alle sind inzwischen tot.

Nachdem man aber nach den „Ereignissen“ in Rivenich ausrechnen konnte, was in der gesamten rückständigen Lösungsmittelindustrie z. B. in Reinigungen angerichtet hatte wurden die oben genannten Gutachter- und Verfahrensmechanismen entwickelt. Es wurden nur noch sehr wenige Lösungsmittelgeschädigte entschädigt.

Dabei spielt es inzwischen keine Rolle mehr, ob jemand für Laien erkennbar sehr schwer körperlich und geistig geschädigt ist: 23 Jahre hat Herr M. als Maler gearbeitet hat. Viele einzelne Bericht und sogar ein eindeutiges Gutachten für ihn bei Frau Prof. Elsner und dem Psychologen Dr. Ruß in Frankfurt wurde von der BG „abgelehnt“ und sie schickt die altbekannte Gutachterliste mit ihren Spitzen-Leuten: Prof. Triebig, Prof. Norpoth und Prof. Bolt.

Es gibt aber auch Hoffnungen: Herr Sch. kam erstmals 1984 hierher, er beschrieb seine Karriere als Maler seit der Jugend: er hatte eine arme allein erziehende Mutter, daher trotz guter Leistungen Malerlehre, das Geld fehlte für Weiterbildung.

Mit 16 J. Anstrich von Sprossenfenstern in einem restaurierten Schloss mit dem kräftigsten Weiß, der Name Bleiweiß sagte ihm zunächst nichts.

Tage später die mit Sicherheit zu erwartenden Symptome: Bleikoliken, aber Diagnose im Krankenhaus: „geplatzter Blinddarm“ und Eröffnung der Bauchhöhle, worauf er beinahe gestorben wäre. Er hat sich erholt, mit viel Arbeit Karriere gemacht, er hat eine Firma mit mehreren Angestellten und konnte sich ein paar Mehrfamilienhäuser bauen.

Dann kam langsam die Zeit, in der er „alles vergessen hat“, wenn er z. B. eine Besorgung von Arbeitsmaterialien von Limburg nach Frankfurt fahren wollte, hatte er auf halber Strecke vergessen, was er eigentlich in Frankfurt wollte. Der Niedergang der Firma und der Verlust seines gesamten Vermögens waren die Folge.

Er hat aber immer noch andere in ähnlichen Situationen unterstützt und zu mir „geschleppt“, z. B. einen ähnlich erkrankten Türken, der die Trümmerfelder der früheren Hoechst abgeräumt hatte.

Die Meldung einer Berufskrankheit des Herrn Sch. habe ich 1994 erstellt, die Verfahren in allen Instanzen hat Herr Sch.  verloren, obwohl oder gerade weil ich ihn ständig unterstützt habe.

Aber 2006 kam die Entscheidung des Bundessozialgerichtes: das Verfahren sei wieder aufzunehmen. Sogar mein Name in dem Urteil wird einmal kurz erwähnt. Herr Sch., bei dem inzwischen die sehr starke Hirnleistungsstörung mit PET und Kernspintomogramm nachgewiesen ist, wurde schließlich unter der Diagnose „Alzheimer“ eingeordnet. Mit „Alzheimer“ werden ja gerne Arbeitsschäden verschleiert.

Herr Sch. hat sich auf meinen Rat hin dann bemüht, das aufzuklären, was Prof. Alzheimer übersehen hatte: Er hat die mit 56 Jahren gestorbene Frau Deter zu Lebzeiten nicht gefragt oder hat zumindest nicht dokumentiert, wo sie gelebt hat und wo sie und ihr Mann gearbeitet haben.

Herr Sch. hat inzwischen dank seiner für kurze Zeit noch funktionierenden Leutseligkeit und Aktivität Stadtpläne und Adressen der Firmen und Familien in der Umgebung der Wohnung der Frau Deter beschafft, sie hat in der Nähe einer Firma zur Asbest- und Teerverarbeitung gewohnt und vielleicht auch dort gearbeitet. Auch die erste Erdölindustrie in Frankfurt produzierte in der Nähe. Der große Schornstein steht noch als Kulturdenkmal.

Ende

Tyrannisierte Ärzte bekommen Unterstützung durch Ärzteverband

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Schnappschuss Prof. William Rea mit Dr. Klausdietrich Runow am 25. International Symposium On Man and His Environment in Health and Disease

Während viele Patienten unter dem herrschenden Gesundheitssystem zu leiden haben, geht es Ärzten nicht viel besser. Ganz besonders im Brennpunkt stehen dabei Umweltmediziner. Nicht nur in Deutschland ist dies der Fall, sondern auch in anderen Ländern. Im vergangenen August erreichte uns eine Meldung. In den USA sollte ein kapitaler Schlag gegen die Umweltmedizin verübt werden. Das Texas Medical Board (TMB) versuchte zu veranlassen, Professor William Rea, dem ersten Professor für Umweltmedizin weltweit und Gründer des renommierten Environmental Health Center in Dallas, die Lizenz zum Praktizieren zu entziehen.

Schlag gegen Umweltmedizin vereitelt

Was als kapitaler Schlag gegen die gesamte Umweltmedizin gedacht war, wurde für das TMB zum Verhängnis. Kollegen, Patienten aus aller Welt und viele umweltmedizinische Organisationen aus den USA und Europa traten in Aktion und bekundeten ihre Solidarität mit Professor William Rea.

Ein europäischer Solidaritätsbrief für Professor Rea wurde von 42 Organisationen und umweltmedizinischen Fachverbänden, vielen Ärzten, Wissenschaftlern, Medizinjournalisten und Umweltpatienten aus ganz Europa unterzeichnet. Auch Hiltrud Breyer, MdEP, brachte mit Ihrer Unterschrift ihre Solidarität gegenüber Professor Rea, der als einer der Gründer der Umweltmedizin gilt, zum Ausdruck. Einige Umweltärzte schrieben zusätzlich Solidaritätsbriefe an den texanischen Senat und das Texas Medical Board. Und die gemeinsamen internationalen Anstrengungen zeigten Wirkung. Der Senat von Texas berief eine Sitzung ein, bei der die Mitglieder des TMB und die betroffenen Ärzte angehört wurden. Diese Anhörung dauerte über 11 Stunden, sie kann über die Links im Anhang angehört werden. Eine Episode möchten wir Ihnen vorab berichten.

Senatsabgeordnete Debbie Riddle während der Zeugenvernehmung, an Prof. Dr. William Rea gerichtet:

„…Aber eines der Dinge, die mich absolut wütend machen; und ich sage es hier geradeheraus, sind die Leute hinter Ihnen und der Ausdruck in ihren Gesichtern, von solcher Arroganz, während ein Mann von Ihrem Charakter, mit Ihren Leistungen und Ihrer Würde hier sitzt, um auszusagen. Ihr Leute solltet Euch dringend schämen.“

Die Senatssitzung brachte sehr viel des groben Fehlverhaltens und der üblen Machenschaften des TMB ans Licht, denn nicht nur gegen Professor Rea hatte man Strategien zur Eliminierung durchgeführt, sondern noch gegen viele weitere für das TMB unliebsame Mediziner im Staate Texas. Der Senat zieht daraus seine Konsequenzen und steht damit nicht alleine, denn ganz aktuell ist nun auch die Vereinigung der amerikanischen Ärzte und Chirurgen (AAPS) aktiv geworden. Der Medizinerverband hat das Texas Medical Board angezeigt und möchte damit den Ärzten ermöglichen, wieder voll für ihre Patienten eintreten zu können, ohne tyrannisiert und regelrecht verfolgt zu werden.

Pressemitteilung des AAPS vom 21.12.2007 in Übersetzung:

Ärzte verklagen das Texas Medical Board wegen Fehlverhaltens und prangern eine institutionalisierte Kultur von Vergeltung und Einschüchterung an

Das komplette Texas Medical Board (TMB) und seine offiziellen Mitarbeiter wurden in einer Klageschrift genannt, die von der Association of American Physicians and Surgeons (AAPS) [Vereinigung amerikanischer Ärzte und Chirurgen] eingereicht wurde. Die Beschwerde, die diese Woche beim Bezirksgericht in Texarkana eingereicht wurde, beschuldigt den Ausschuss/das Board des Fehlverhaltens bei der Ausübung seiner offiziellen Pflichten, insbesondere:

  1. Manipulation anonymer Beschwerden;
  2. dem Bestehen von Interessenkonflikten;
  3. Verstoß gegen ordnungsgemäße Verfahrensweisen;
  4. Verletzung der Privatsphäre; sowie
  5. Vergeltungsmaßnahmen gegenüber denen, die sich wehren.

„Die Situation hat für Patienten und Ärzte einen kritischen Punkt erreicht“, sagte Jane M. Orient, M.D, geschäftsführende Direktorin der AAPS. „Unsere Mitglieder fürchten sich zu sehr vor Vergeltungsmaßnahmen, um den Ausschuss als Einzelpersonen zu verklagen.“

Die Klageschrift hebt insbesondere das Fehlverhalten von Roberta Kalafut hervor, der Präsidentin des Ausschusses. Die Klage behauptet, dass Kalafut „es arrangiert hat, dass ihr Ehemann anonyme Beschwerden gegen andere Ärzte einreichte, darunter ihre Konkurrenten in Abilene …“ Dann „… erwirkte sie innerhalb des TMB zusammen mit anderen Angeklagten die Disziplinierung von Ärzten auf der Grundlage anonymer Beschwerden, die von ihrem Ärzteehemann eingereicht worden waren.“

Außerdem beschuldigt die Klage Kalafut und Donald Patrick, geschäftsführender Direktor, von den Interessenkonflikten von Keith Miller gewusst zu haben, als dieser Vorsitzende des Disciplinary Process Review Committee [Komitee zur Überprüfung des Disziplinarprozesses] war. Miller diente als Zeuge der Anklage in mindestens 50 Fällen, die vor den Ausschuss gebracht worden waren, ohne dies gegenüber den disziplinierten Ärzten oder der Öffentlichkeit offen zu legen. Im Verlauf eines elfeinhalbstündigen legislativen Marathonhearings über das TMB am 23 Oktober 2007 gaben Kalafut und Patrick unter Eid zu, das sie sich der Interessenkonflikte bewusst waren.

„Aufgrund der beeideten Aussage vor dem legislativen Komitee scheint es klar, dass sie von den Problemen wussten und alles in ihrer Macht stehende taten, um sie zu verbergen,“ sagte Dr. Orient. Die Klageschrift verlangt, dass das Gericht missbräuchliches Verhalten des Ausschusses sofort stoppt und dass frühere Disziplinarmaßnahmen, die durch die Verfehlungen des Boards kompromittiert wurden, neu eröffnet werden. „Die Ärzte in Texas sollten nicht gezwungen sein, in dieser Atmosphäre der Angst und Einschüchterung praktizieren zu müssen“, sagte Dr. Orient. „Beschwerden von unseren Mitgliedern haben das TMB als das wahrscheinlich schlimmste im ganzen Land identifiziert. Es ist schlecht für die Patienten, wenn ihre Ärzte Angst davor haben, dass, wenn sie das Richtige tun, es in einer Anfechtung ihrer Lizenz enden kann.“

Pressemitteilung des AAPS , Doctors sue Texas Medical Board for misconduct – Cites institutional culture of retaliation & intimidation, 21. Dezember 2007 (Anm.: Sehr lesenswerte Kommentare von Ärzten im Anhang der Pressemitteilung)

Anmerkung:

Das AAPS ist eine gemeinnützige Fachgesellschaft von Ärzten aller Fachrichtungen, die sich seit 1943 zum Schutz der Beziehung zwischen Arzt und Patienten verpflichtet hat.

Links zum Lesen, Anhören oder Ansehen:

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network

Spanische Universität stellt in zwei Studien fest: Insektizide verursachen Multiple Chemical Sensitivity (MCS)

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Während in Deutschland immer wieder bewusst Artikel veröffentlicht werden, in denen behauptet wird, man wüsste nicht, ob Chemikaliensensitivität (MCS- Multiple Chemical Sensitivity) überhaupt existiert und durch was diese gesteigerte Sensibilität gegenüber Chemikalien im Niedrigdosisbereich ausgelöst wird, häufen sich wissenschaftliche Studien aus vielen anderen Ländern, die Existenz und Ursachen dieser Erkrankung darlegen. Von der Universität Barcelona wurden zwei Studien veröffentlicht, die über Patienten referieren, die als Folge einer Insektizidexposition eine Hypersensibilität gegenüber Chemikalien, sowie MCS – Multiple Chemical Sensitivity und CFS – Chronic Fatigue Syndrome entwickelten. (1,2)

Stand der Wissenschaft zu MCS in Spanien

Laut einem Team spanischer Wissenschaftler der multidisziplinären Klinik für Toxikologie und Chronische Erschöpfung, sind CFS – Chronic Fatigue Syndrome – und MCS – Multiple Chemical Sensitivity – gut definierte Erkrankungen, die nach Exposition von Insektiziden eintreten können. Diese Erkenntnis hatte man durch ein Kollektiv von 26 Patienten gewonnen, welches CFS nach Insektizidexposition entwickelt hatten. Ein Drittel der Fälle entwickelte gleichzeitig auch eine Hypersensibilität auf Chemikalien (MCS). 

Ursache & Wirkung

Die Patienten, über die die Wissenschaftlergruppe berichtete, hatten als Ursache ihrer Erkrankung eine toxische Exposition erlitten, nachdem sie ihren normalen Arbeitsplatz nach einer Insektizidvernebelungsaktion betreten hatten. Bei 42% der Patienten waren die Sicherheitsmaßnahmen bei der Vernebelungsaktion nicht eingehalten worden. Die Mehrzahl der Patienten, Frauen im mittleren Alter, hatten eine akute Entzündung der oberen Atemwege, ohne muscarinartige oder nikotinartige Manifestation, gefolgt von einem Darmsyndrom und neurokognitiven, wie auch fibromyalgischen Manifestationen, sowie chronische Erschöpfung, entwickelt.

Folgen von Insektizidintoxikation

Die Dauer der Erkrankung der spanischen Patienten war unterschiedlich. Bei 19% betrug die Dauer weniger als ein Jahr. 58% der Insektizidexponierten waren länger als ein Jahr krank. 23 % der Patienten hatten so schwere gesundheitliche Probleme erlitten, dass sie dadurch arbeitsunfähig geworden waren.

Dringende Präventionsempfehlung

Da die gesundheitlichen Folgen der Insektizidexposition sehr schwerwiegend und für die Betroffenen durchweg überaus folgenreich waren, empfahlen die Wissenschaftler der Universität Barcelona in der medizinischen Fachzeitschrift Medicina Clinica: Um solche toxischen Expositionen zu vermeiden, ist es sehr wichtig, Sicherheitsmaßstäbe wie Abriegelung und Ventilation der Umgebung nach Insektizideinsätzen sehr sorgsam zu befolgen. Dadurch kann das Entstehen solcher Erkrankungen verhindert werden.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, Dezember 2007

Literatur:

  1. Fernandez-Sola J, Liuis Padierna M, Nogue Xarau S, Munne Mas P., Chronic Fatigue Syndrome and Multiple Chemical Hypersensitivity after Insecticide Exposure, Medicina Clinica, 124(12):451-3, April, 2005
  2. Nogué S, Fernández-Solá J, Rovira E, Montori E, Fernández-Huerta JM, Munné P., Multiple Chemical Sensitivity: study of 52 cases, Med Clin (Barc). 2007 Jun 16; 129(3):96-8

Japanische Multicenterstudie zu Multiple Chemical Sensitivity (MCS)

Fragebogen zur MCS Diagnostik

Ein japanisches Wissenschaftlerteam beschreibt Multiple Chemical Sensitivity (MCS) als ein Syndrom, bei dem multiple Symptome durch Chemikalien-exposition im Niedrigdosisbereich eintreten, Details seien bisher ungeklärt. Das Ziel der Ende Dezember 2007 veröffentlichten Multicenterstudie bestand darin, die jeweiligen klinischen Charakteristika bei ärztlich diagnostizierten MCS Patienten zu analysieren. Die Wissenschaftler bewerteten diese spezifischen Charakteristika anhand der 106 Krankenakten von Patienten, bei denen MCS gemäß den international in der Wissenschaft angewendeten Diagnosekriterien, dem American Consensus von 1999, und den japanischen Diagnosekriterien für MCS diagnostiziert worden waren. (1)

 Studiendesign

Das Team führte mittels eines validierten Fragebogens, des Quick Environment Exposure Sensitivity Inventory (QEESI), eine Auswertung subjektiver Symptome der Patienten durch. Anschließend verglichen sie diese QEESI Auswertungs-ergebnisse mit denen von vier Patientengruppen aus den USA, über die Miller und Prihoda zuvor berichtet hatten. Es handelte sich bei den amerikanischen Wissenschaftlern um einen kontrollierten Vergleich von Symptomen und chemischen Intoleranzen, die von Golfkriegsveteranen, Personen mit Implantaten und Personen mit Multiple Chemical Sensitivity berichtet worden waren. (2)  

Patientengruppe

74% des japanischen Patientenkollektivs waren Frauen. Die Mehrzahl der männlichen Patienten war um dreißig Jahre alt, während das Alter der Frauen zwischen 10 und 65 Jahren variierte. Bei den bewerteten verursachenden Faktoren lag bei Männern die Tendenz bei einer Verursachung durch den Arbeitsplatz, während weibliche Patienten eine Vielfalt von Faktoren zeigten.

 Studienergebnis

Allergische Erkrankungen waren bei 84.0% der Patienten vor der Erkrankung präsent. Ein signifikanter Unterschied bei der QEESI Auswertung zwischen Männern und Frauen wurde nur in einem von zehn Punkten gefunden, der Symptomschwere und der Auswirkung der Krankheit im Leben. Jedoch waren alle zehn Bewertungspunkte bei der chemischen Intoleranz bei Frauen signifikant höher als bei Männern, was auf eine schwerere Symptomatik bei der weiblichen Patientengruppe hindeutet. Die durchschnittliche QEESI Punktzahl in der japanischen Patientengruppe lag niedriger, als bei allen vier amerikanischen Patientengruppen mit selbst berichteter MCS. Hierzu ist anzumerken, dass die amerikanischen Patientenkollektive, die zum Vergleich herangezogen wurden – u. a. Implantatpatienten und Golfkriegsveteranen – Extremgruppen darstellen, die nicht unbedingt repräsentativ für die allgemeinen Patienten mit Chemikalien-sensitivität anzusehen sind.

Fazit

Diese japanische Studie ist ein weiteres Beispiel dafür, dass sich erfreu-licherweise weltweit immer mehr Wissenschaftler adäquat mit dem Thema MCS auseinander setzen und im Stande sind, die Erkrankung zu diagnostizieren.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network

Literatur:

  1. Hojo S, Ishikawa S, Kumano H, Miyata M, Sakabe K., Clinical characteristics of physician-diagnosed patients with multiple chemical sensitivity in Japan, Department of Environmental Science, Shokei Gakuin University, Japan; Department of Psychosomatic Medicine, The University of Tokyo, Tokyo, Japan; Department of Public Health and Clinical Ecology, Kitasato University School of Pharmaceutical Sciences, Tokyo, Japan., Int J Hyg Environ Health. 2007 Dec 20.
  2. Miller, C.S., Prihoda, T.J., 1999b. A controlled comparison of symptoms and chemical intolerances reported by Gulf War veterans, implant recipients, and persons with Multiple Chemical Sensitivity. Toxicol Ind Health 15, 386-397.  

Anhang

Diagnosekriterien Chemikaliensensitivität (MCS) American Consensus 1999

  1. Die Symptome sind durch (wiederholte chemische) Exposition reproduzierbar
  2. Der Zustand ist chronisch
  3. Minimale Expositionen (niedriger als vorher oder allgemein toleriert) resultieren in Manifestationen des Syndroms
  4. Die Symptome verbessern sich, oder verschwinden, wenn der Auslöser entfernt ist
  5. Reaktionen entstehen auch gegenüber vielen chemisch nicht verwandten Substanzen
  6. Die Symptome betreffen mehrere Organsysteme

Asthma, Allergien, Migräne, Chronic Fatigue Syndrome (CFS) und Fibromyalgie stellen keine Ausschlussdiagnose für MCS dar.

Normalität für Chemikaliensensible (MCS): Kopfschmerzen, Schwindel und Asthma an Weihnachten

Obwohl das ganze Weihnachtsfest harmonisch abgelaufen ist und das Essen wunderbar gelungen, stellen sich bei manchen Menschen Kopfschmerzen, Schwindel oder Asthmaanfälle ein. Woran mag es liegen, wenn nicht tief ins Glas geschaut wurde und kein Stress vorhanden war? Einer der Hauptauslöser können duftstoffhaltige Geschenke oder Gäste mit speziell für die Festtage aufgetragenen Duftstoffen sein. Ca. 15% der Bevölkerung leidet unter MCS – Multiple Chemical Sensitivity, sie haben an Weihnachten einen sehr schweren Stand. Ausweichen ist kaum möglich, wenn sie das Fest im Kreis der Familie verbringen möchten, für viele bleibt nur die Isolation.

Aftershaves, Parfüms und Bodylotions sind dafür bekannt, Asthma und Kopfschmerzen auszulösen. Grund dafür können die darin enthaltenen komplexen Chemikaliengemische sein, die akut auf das Nervensystem oder die Atmungsorgane einwirken. Über 4.000 Chemikalien kommen in künstlichen Duftstoffen zur Anwendung. Lösemittel wie bspw. Xylol, Toluol, Azeton oder allergieauslösende natürliche ätherische Öle wie u.a. Kampfer, Citral und Limonen gelten als typische Inhaltsstoffe. Besonders empfänglich für Reaktionen gegenüber Duftstoffen sind Asthmatiker, Chemikaliensensible, Personen mit MCS- Multiple Chemical Sensitivity und Allergiker.

Auch Kerzen, Duftkerzen und Raumduftsprays zählen häufig zu den Auslösern von weihnachtlichen Beschwerden. Normale Kerzen bestehen aus Paraffin, ein Abfallprodukt der Erdölindustrie, und die Dochte sind oft zusätzlich bleihaltig. Wer nicht lüftet nach dem Abbrennen von Kerzen, hat schnell eine hohe Schadstoffkonzentration in der Innenraumluft. Ist ein Weihnachtsbaum vorhanden, muss man zusätzlich an Terpene und Pestizide als Belastung denken. All diese Chemikalien addieren sich zu den bereits in der Raumluft befindlichen Chemikalien aus Reinigungsmitteln, Möbeln, etc. hinzu und sorgen dafür, dass bei einer erkrankten Person das „Fass überläuft“. Beschwerden stellen sich ein.

Was häufig hilft gegen Kopfschmerzen, Asthma und anderen Beschwerden an den Festtagen, ist frische Luft, sowie rigoroses Eliminieren von Duftstoffen und anderen enttarnten Auslösern. Das mag zwar alles traurig für denjenigen sein, der die Duftstoffe geschenkt hat, aber auch ein Lehrstück. Am Besten klärt man schon im Vorfeld mit allen Weihnachtsbesuchern ab, dass auf Duftstoffe und duftende Geschenke völlig verzichtet werden muss.

Stellen sich Asthma, Atemwegsbeschwerden, Kopfschmerzen oder erhebliche Stimmungsschwankungen nach Abbrennen von Kerzen, Anwendung eines Parfüms, Aftershaves, Raumduftes oder ähnlichem ein, weg damit aus dem Umfeld der chemikaliensensiblen oder allergischen Person. Duschen mit neutralem Duschshampoo, ein Spaziergang durch die klare Winterluft und lüften des Wohnraums führt häufig schnell zu Linderung.

Autor: Silvia K. Müller, Dezember 2007

Literatur:

  1. Burstein R, Jakubowski M., Unitary hypothesis for multiple triggers of the pain and strain of migraine, J Comp Neurol. 2005 Dec 5;493(1):9-14
  2. Baldwin CM, Bell IR, O’Rourke MK., Odor sensitivity and respiratory complaint profiles in a community-based sample with asthma, hay fever, and chemical odor intolerance, Toxicol Ind Health. 1999 Apr-Jun;15(3-4):403-9
  3. Baldwin CM, Bell IR, O’Rourke MK, Lebowitz MD., The association of respiratory problems in a community sample with self-reported chemical intolerance. Eur J Epidemiol. 1997 Jul;13(5):547-52
  4. Baldwin CM, Bell IR., Increased cardiopulmonary disease risk in a community-based sample with chemical odor intolerance: implications for women’s health and health-care utilization, Arch Environ Health. 1998 Sep-Oct;53(5):347-53
  5. Bell IR, Schwartz GE, Peterson JM, Amend D., Self-reported illness from chemical odors in young adults without clinical syndromes or occupational exposures, Arch Environ Health. 1993 Jan-Feb;48(1):6-13
  6. Cone JE, Shusterman D., Health effects of indoor odorants,Environ Health Perspect. 1991 Nov;95:53-9.
  7. Elberling J, Skov PS, Mosbech H, Holst H, Dirksen A, Johansen JD.,Increased release of histamine in patients with respiratory symptoms related to perfume. Clin Exp Allergy. 2007 Nov;37(11):1676-80
  8. Fisher BE.,Scents and sensitivity, Environ Health Perspect. 1998 Dec;106(12):A594-9
  9. Henneberger PK., Work-exacerbated asthma, Curr Opin Allergy Clin Immunol. 2007 Apr;7(2):146-51.
  10. Kelman L.The triggers or precipitants of the acute migraine attack, Headache Center of Atlanta, Cephalalgia, 2007 May;27(5):394-402
  11. Kumar P, Caradonna-Graham VM, Gupta S, Cai X, Rao PN, Thompson J., Inhalation challenge effects of perfume scent strips in patients with asthma, Ann Allergy Asthma Immunol. 1995 Nov;75(5):429-33
  12. Millqvist E, Bengtsson U, Löwhagen O.,Provocations with perfume in the eyes induce airway symptoms in patients with sensory hyperreactivity, Allergy. 1999 May;54(5):495-9
  13. Millqvist E, Löwhagen O., Placebo-controlled challenges with perfume in patients with asthma-like symptoms, Allergy. 1996 Jun;51(6):434-9

Arbeitsplätze für Menschen mit Chemikaliensensitivität (MCS)

Frau mit MCS - Multiple=

Wer unter Chemikaliensensitivität oder Multiple Chemical Sensitivity (MCS) in schwerer Ausprägung leidet, hat auf dem normalen Arbeitsmarkt kaum eine Chance. Schon Alltagschemikalien aus Parfüms, After Shave oder normalen Reinigungsmitteln reichen in geringer Dosierung aus, um diese Menschen außer Funktion zu setzen. Auf normalen Arbeitsplätzen begegnet man zusätzlich regelmäßig noch vielen weiteren Chemikalien wie beispielsweise Lösemittel aus Inventar und Produktionsvorgängen, neuer Teppichboden oder belastete Drucker- und Kopiererstäube, die dieser Personengruppe bereits den Aufenthalt in den Räumlichkeiten unmöglich gestalten, geschweige denn kontinuierliche Leistung zulassen. Unsichtbare Barrieren nennt man diese Problematik im Fachjargon, weil man die Chemikalienbelastung nicht sehen kann. Anstatt Verständnis erhalten Erkrankte am Arbeitsplatz oft Gespött oder werden sogar von Kollegen bewusst Chemikalien ausgesetzt. Es gibt jedoch auch positive Projekte.

Treffender, als es Marlene Catterall aus Ottawa bei einer Debatte des kanadischen Unterhauses sagte, kann man die Situation der Umweltsensiblen kaum beschreiben:

„Es gibt da beim Management und der Regierung einige Tendenzen, die diese Probleme (Umweltsensibilitäten) nicht ernst nehmen und die glauben lassen, dass sie es mit einer Gruppe von Hypochondern zu tun haben. Ich denke, kein verantwortungsbewusster Arbeitgeber kann wirklich glauben, dass eine Gruppe von Angestellten plötzlich über Nacht zu Hypochondern wird. Dies sind sehr reale Probleme, sie sind nicht unbekannt in der internationalen Wissenschaft und verdienen sehr ernsthafte Aufmerksamkeit von der Regierung.“ (1)

Rehabilitierungsprogramm für Rehabilitierungsprogramm
Ein aktuell erschienener Bericht in der amerikanischen Fachzeitung Work setzt sich mit den Einschränkungen und Barrieren auseinander, die Chemikaliensensible (MCS) im Arbeitsleben betreffen. Wegen der Schwere der Symptome, der oft anzutreffenden Stigmatisierung und der unerfüllten krankheitsbedingten Bedürfnisse am Arbeitsplatz, müssen diese Menschen ihr Arbeitsleben sehr häufig frühzeitig beenden. Damit Chemikaliensensiblen geholfen wird, weiter arbeiten zu können oder eine neue Beschäftigung zu finden, müssen Rehabilitationsexperten die Barrieren genau verstehen, die sich für diese behinderten Menschen an einem Arbeitsplatz ergeben. Ihre Aufgabe besteht dann darin, diese Barrieren zu reduzieren oder zu beseitigen. Im Bericht in der Fachzeitschrift Work wird von Wissenschaftlern der University of Arkansas als Lösung eine „umweltmäßige Karriereentwicklung“ präsentiert, um weitere Beschäftigung von Chemikaliensensiblen durch Rehabilitationsinterventionen in Gang zu setzen und Barrieren zu beseitigen. (2) Dies ist dringend erforderlich, denn wie kürzlich in einem anderen Bericht in der gleichen Fachzeitschrift dargelegt wurde, werden Chemikaliensensible häufiger als Personen mit AIDS, Allergien, Asthma, Magenbeschwerden, Trauma oder Tuberkulose in ihrem Berufsleben diskriminiert. (3)

Arbeitsplätze, die besser für alle sind
Es gibt in den USA und Kanada seit vielen Jahren von staatlichen Behörden und Gewerkschaften geführte Programme, die für eine effektive Integration von Chemikaliensensiblen sorgen, statt sie völlig aus der Gesellschaft auszustoßen. Das erste großangelegte Programm startete 1993. Es gab dazu sogar Arbeitsbücher und ein Video für Mitarbeiter und Vorgesetzte zur besseren Veranschaulichung. (4,5,6) Besonders im Bildungsbereich gibt es zahlreiche Integrationsprogramme mit großem Erfolg. So haben beispielsweise über 30 Universitäten seit Jahren Statuten, die Duftstoffe und Einsatz von Chemikalien auf dem Campus verbieten. (7) Diese Maßnahme sorgt dafür, dass erkranktes Lehrpersonal oder Studenten mit MCS arbeiten können. (8) Professoren und gesunde Studenten haben längst den Vorteil dieser speziellen Anpassungen bemerkt und bekunden erhöhte Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit, seit z.B. Duftstoffe verboten sind. Auch auf privater Ebene haben Firmen unterschiedlicher Größe Arbeitsplätze geschaffen, die Chemikaliensensiblen ermöglichen, ihre Qualifikation einzubringen.

Menschenrechte gelten auch am Arbeitsplatz
Die kanadische Menschrechtskommission tritt nicht nur bei Diskriminierung von Umweltsensiblen in jedem einzelnen Fall ein, sie hat auch bereits einen Leitfaden zur Gestaltung MCS gerechter Arbeitsplätze herausgegeben. (9) Hierdurch können Betriebe ein Umfeld schaffen, dass es Umweltsensiblen ermöglicht zu arbeiten und Kollegen den Umgang mit ihnen erleichtert.

Maxwell Yalden, ehemals Vorsitzender der Kanadischen Menschenrechts-kommission, äußerste sich zur bestehenden Problematik bereits 1990 in unmissverständlicher Form: „Ich und meine Kollegen empfinden alles, was Umweltsensibilität betrifft und alle damit verbundenen Angelegenheiten als sehr bedauerlich. Es gibt eine Tendenz in vielen Kreisen, diese Erkrankung tot zu reden oder so zu behandeln, als gäbe es sie nicht. Sie schütteln ihre Köpfe; sie sagen, es gibt einfach keine Möglichkeit, mit manchen Menschen umzugehen. Unsere Einstellung jedoch ist, dass es ein Problem ist, ein echtes Problem. Es ist ein Problem, unter dem manche Menschen leiden, und sie leiden sehr schmerzhaft. Sie leiden noch mehr wegen des Demütigungsfaktors. Niemand nimmt sie ernst. Wir glauben, dass es ein großes Ausmaß öffentlicher Missverständnisse gibt, und wir möchten versuchen, sie zu beseitigen.

Wir werden jeder Beschwerde von jeglicher Person nachgehen, die glaubt, dass man sie diskriminiere, weil sie an Umweltsensibilitäten leidet. Es ist nicht an uns, über medizinische Sachverhalte ein Urteil zu sprechen – und es gibt medizinische Sachverhalte. In der Medizinwelt gibt es ein großes Ausmaß von Meinungsverschiedenheiten bzw. Fehlen von Einstimmigkeit betreffs dieses Syndroms. Wir denken, es ist klar, dass es eine Krankheit ist. Es ist ein Problem. Es ist keine Illusion. Ich denke, wir alle haben die Aufgabe, den Menschen zu helfen zu verstehen, was involviert ist und etwas dagegen zu tun.“ (10)

Chemialiensensitivität akzeptieren spart Milliarden
In Deutschland verwiesen Politiker schon 1998 darauf, dass Chemikaliensensitivität für die Betroffenen katastrophale persönliche, finanzielle und soziale Folgen hat. Insbesondere der Wirtschaft und in der Industrie entstünden jährlich Kosten in Milliardenhöhe aufgrund der nachlassenden Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz. (11)

In Kanada wurden von der Environmental Illness Society of Canada noch genauere Zahlen ermittelt. Dort kostet Chemikaliensensibilität pro Jahr ca. 10 Milliarden Dollar an Produktivitätsverlust, 1 Milliarde Dollar an Steuerverlust und 1 Milliarde Dollar an vermeidbaren Kosten im Gesundheitssystem. (12)

Caress und Steinemann hatten in den USA im Jahr 2002 eine aufsehenerregende Studie mit Fakten und Zahlen über die Auswirkungen von MCS veröffentlicht. Rund 36,5 Millionen Amerikaner sind chemikaliensensibel. Bei rund 5,2 Millionen der Erkrankten kann Chemikaliensensitivität bis zum Verlust des Arbeitsplatzes führen. (13)

Arbeitsplätze sichern
Viele Chemikaliensensible schleppen sich mit letzter Kraft zur Arbeit, um nicht aus dem sozialen Netz zu fallen. Sie haben Familien zu versorgen und Verpflichtungen, was ihnen keinen anderen Ausweg lässt. Doch wenn keine Änderungen durchgeführt werden, um den Arbeitsplatz chemikalienfrei zu gestalten, wird die Bandbreite der Substanzen, die Symptome auslösen, immer größer, und der Gesundheitszustand zwangsläufig immer schlechter. Das Resultat führt zu völliger Invalidität, häufig Überschuldung, Ende des Arbeitslebens und nicht selten schlußendlich zu auseinanderbrechenden Familien.

Nicht jeder Chemikaliensensible wird wieder arbeiten können, auch nicht unter schadstoffkontrollierten Bedingungen. Manche dieser Erkrankten sind auf Arbeitsplätzen tätig, die man auch mit großen Änderungen nicht umfassend schadstofffrei gestalten kann, wie z.B. Chemiker, Friseure, Laborangestellte, Anstreicher oder Schädlingsbekämpfer. Andere sind schlicht und einfach zu krank zum Arbeiten oder ihre Reaktionen zu schwerwiegend. Eine Erhebung geht davon aus, dass etwa ein Drittel der Chemikaliensensiblen zu dieser Gruppe zählt. Dies trifft insbesondere für solche zu, die durch neurotoxische Chemikalien erkrankten. Die verbleibenden zwei Drittel hätten jedoch eine reelle Chance, wieder halbwegs funktionierende Teile der Gesellschaft zu werden, wenn man die entsprechenden Voraussetzungen schafft und für Akzeptanz, Verständnis und Kooperation bei den Mitarbeitern in einem Betrieb sorgt.

Wenn Chemikaliensensitivität nicht mehr länger ignoriert würde und Erkrankte dahingehend unterstützt würden, dass sie ihre Arbeit weiter verrichten können, würde dies, wie die oben genannten Studien und Aussagen belegen, Milliarden einsparen. Zusätzlich würde das unbeschreibliche menschliche Leid und finanzielle Verluste für Chemikaliensensible und deren Familien minimiert, und die Gesellschaft könnte weiterhin auf das Wissen und die Fähigkeiten vieler wertvoller Menschen zurückgreifen. Nicht zuletzt würden durch gesündere Arbeitsplätze alle profitieren.

Autor:
Silvia K. Müller, CSN, Dezember 2007

Literatur:

1. Marlene Catterall, M.P. (Ottawa West), Hansard, House of Commons Debates, 5. Juni, 1990
2. Szirony GM, Kontosh LG, Koch L, Rumrill P, Hennessey M, Vierstra C, Roessler RT., An ecological approach to facilitate successful employment outcomes among people with multiple chemical sensitivity, Work. 2007;29(4):341-9
3. Vierstra CV, Rumrill PD, Koch LC, McMahon BT., Multiple chemical sensitivity and workplace discrimination: the national EEOC ADA research project, Work. 2007;28(4):391-402
4. Multiple Chemical Sensitivities at Work: A Training Workbook for Working People, New York: The Labor Institute, 1993
5. Videotape „MCS: An Emerging Occupational Hazard.“ New York: The Labor Institute, 1993
6. Job Accommodation Network, Tracie DeFreitas Saab, Accommodation and Compliance Series: Employees with Multiple Chemical Sensitivity and Environmental Illness, 01/02/06.
7. Silvia K. Müller, Duftverbot an über 30 Universitäten, CSN, Mai 2007
8. Thomas Kerns, When the day is particularly beautiful, Our Toxic Times, Dez. 2007
9. Debra Sine, Leslirae Rotor, Elizabeth Hare, Canadian Human Rights Commission, Acommodating Employees with Environmental Sensitivities, A Guide fort he Workplace, Nov. 2003
10. Maxwell Yalden, former CHair Canadian Human Rights Commission, Hansard, House of Commons Minutes of Proceedings and Evidence of the Standing Commitee on Human Rights and the Status of Disabled Persons, 10. Mai 1990
11. Deutscher Bundestag, Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Abgeordneten Michael Müller, Dr. A. Schwall-Düren, 13. Wahlperiode, Drucksache 13/11125, 19.06.1998
12. Environmental Illness Society of Canada, Socio-Economic Study of MCS, 2001
13. Caress SM, Steinemann AC, Waddick C. 2002. Symptomatology and etiology of multiple chemical sensitivities in the southeastern United States. Arch Environ Health 57(5):429-436.

Unbequemer Umweltmediziner aus Trier erhielt Zivilcouragepreis

Am vergangenen Samstag erhielt der Trierer Neurologe Dr. Peter Binz in Bodenwerder bei Hameln den Zivilcouragepreis der Solbach- Freise Stiftung. Der jährlich vergebene Ehrenpreis wurde an Dr. Binz für sein langjähriges, herausragendes und tapferes Engagement für chemikaliengeschädigte Menschen aus allen Lebensbereichen vergeben. Seit Jahrzehnten setzt der Arzt von der Mosel sich insbesondere für Arbeiter ein, die in Betrieben durch Chemikalien zu Schaden kamen. Mancher Betrieb verbesserte durch seinen Einfluss die Arbeitsbedingungen und sorgte so nachhaltig für gesündere Arbeitsplätze. Menschen aus ganz Deutschland waren zu der Vergabe des Ehrenpreises angereist und wohnten der harmonischen, musikalisch untermalten Preisverleihung bei.

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Letztendlich Ehrung für unbequeme Wahrheit

Es hat sich viel bewegt durch den gerechtigkeitsbewussten Trierer Arzt, der es nicht akzeptieren kann, dass ausgerecht die Menschen, die die Arbeit in unserem Land verrichten, im Schadensfall leer ausgehen und oft auf das Schlimmste schikaniert werden. Durch seine Einstellung bekam Dr. Binz in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer wieder härteste Repressalien durch Verursacher, Versicherungen, Behörden und sogar Standeskollegen zu spüren. Für die Solbach- Freise Stiftung war er, insbesondere wegen seiner unbeugsamen Selbstverpflichtung seinen Patienten gegenüber, der richtige Kandidat für den mit 4.000€ dotierten Zivilcouragepreis in diesem Jahr. In ihrer Laudatio stellte die Gründerin der Stiftung, Anne Solbach- Freise, diese Beweggründe umfassend dar.

Die Zeit liefert die unwiderlegbaren Beweise

Arztkollegen, Wissenschaftler, Selbsthilfegruppenleiter für Chemikaliengeschädigte, Patienten und gerechtigkeitsbewusste Menschen, sie alle waren aus ganz Deutschland angereist, um der Vergabe des Zivilcouragepreises „Demokratie wahren – Zivilcourage zeigen“ an Dr. Peter Binz beizuwohnen.

Tief betroffen folgten die Anwesenden den Worten des Preisträgers, der von seinen Patienten und den Ereignissen der vergangenen Jahrzehnte berichtete. Mancher Zweifel seiner Gegner ist durch erschütternde Tatsachen widerlegt worden. Wenn fast alle Arbeiter eines Werkes, manchmal sogar alle, durch bestimmte Chemikalien verstorben sind, gibt es keine plausible Basis mehr für Zweifel an den Aussagen oder Negieren der Feststellungen des fachlich hochkompetenten Arztes. Das einstige Unterstellen von Simulantentum, Gefälligkeitsgutachten gegen die Opfer, Fehlen von epidemiologischen Studien und dass es so gut wie nie behördlichen Nachforschungen gab, erscheint bei diesem Hintergrund unentschuldbar.

Statt Zweifel an der Glaubwürdigkeit – Solidarität

Für die Patienten selbst gab es nie einen Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Dr. Peter Binz. Sie gingen sogar mehrfach auf die Strasse für ihren Arzt, der vielen von ihnen das Leben gerettet hatte. Während der Feierlichkeit in Bodenwerder wurde hierzu sinnbildlich eine Filmdokumentation aus dem Jahr 1997 gezeigt. Damals hatten die Gegner mit vereinten Kräften versucht, zu erwirken, dass Dr. Binz die Approbation entzogen würde. Mehrere Hundert Patienten aus allen Teilen Deutschlands waren nach Mainz angereist, um gegen das Unrecht gegenüber ihrem Arzt zu demonstrieren und ihre Solidarität zu bekunden. Einige der damaligen Demonstranten sind zwischenzeitlich an ihren schweren Chemikalienschädigungen verstorben. Der Filmbeitrag rührte daher manche der anwesenden Betrachter zu Tränen.

Verfolgung ist der Alltag für Überbringer unliebsamer Botschaften

Damals entschied das Gericht, dass Dr. Binz für seine Patienten eingetreten sei und keine Absicht bestand, jemandem Schaden zuzufügen. Dennoch verhalten sich die Kostenabwehrer eher so, wie die Stifterin, Frau Solbach Freise, es treffend formulierte: „Nicht die Botschaft ist das Übel, sondern ihr Überbringer“, und der soll büßen. Einfach ist eine solche Verfolgung über mehrere Jahrzehnte nicht zu erdulden, dass kann die ganze Familie Binz bekunden. Allen Familienmitgliedern sitzt es noch in den Knochen, wie auf Intension der KV Trier eine überfallartige Durchsuchung der Praxis- und Wohnräume von Dr. Binz erfolgte und alle Patientenakten beschlagnahmt wurden. In der Laudatio wurden daher auch der hohe Einsatz von Frau Binz und der große Zusammenhalt der Familie besonders hervorgehoben, ohne die der widerständige Arzt die ehrverletzenden und existenzbedrohenden Vorwürfe der Kassenärztlichen Vereinigung Trier im vergangenen Jahr hätte nicht durchhalten können.

Ein Leben für Patienten und Aufklärung

Im Leben des Dr. Binz gibt es neben Ehrlichkeit zwei wichtige Dinge: Seine große Familie und seine Patienten. Auch zukünftig wird sich der in der Umweltmedizin weltweit geschätzte Arzt der Aufklärung von Gesundheitsschäden durch Chemikalien widmen und, wenn er aus dem Berufsleben aussteigt, darüber schreiben. Ganz gemäß seiner Lebensphilosophie: „Allem voran der Patient“, wird das Preisgeld des Zivilcouragepreises den Opfern von Chemikalienschädigungen zugute kommen.

Photoalbum: Verleihung Zivilcouragepreis an Dr. Peter Binz (Diaschau anklicken)

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 20.11.2007

Presseinformation:

Weitere Informationen, Bild- und Videomaterial können bei CSN – Chemical Sensitivity Network, Silvia K. Müller, Tel. 06784-9839913, csn.deutschland@gmail.com angefordert werden.

Parfüm: Schlecht für die Ratte – gut für den Menschen?

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Dick aufgetragen können Parfüms eine Plage sein, das können viele Menschen sofort aus eigener Erfahrung bestätigen. Sie stinken einfach, wie mancher sagt. Doch mangelnder Wohlgeruch ist nicht alles. Einige der Duftwässerchen rauben einem regelrecht die Sinne, verursachen Kopfschmerzen, Schwindel und lassen einen keinen klaren Gedanken mehr fassen. Dass solche Reaktionen durch die Chemikalien in so manchem Parfüm verursacht werden, ist leicht nachvollziehbar, wenn man sich die Inhaltsstoffe anschaut. Nicht schlecht gestaunt habe ich dennoch, als ich eine Pressemitteilung der amerikanischen Stiftung National Toxic Encephalopathy Foundation (NTEF), die sich für Menschen mit toxisch bedingten Hirnschäden einsetzt, bezüglich des Parfüms „Angel“ von Thierry Mugler zugeschickt bekam. (1) Demnach ist manches Parfüm nicht nur „dick aufgetragen“ eine Gefahr.

Parfüm nur noch auf Verordnung in der Apotheke?

„Angel“ zu Deutsch Engel, enthält das toxikologisch relevante Cumarin. Cumarin ist laut der Gefahrstoffverordnung mit dem Andreaskreuz als gesundheitsschädlich gekennzeichnet. Cumarinderidivate werden als sehr wirksames Rattengift vertrieben. In geringerer Dosierung wird Cumarin als hochpotentes Herzmedikament eingesetzt. Natürlich kein Medikament, das man ohne ärztliche Verschreibung erhält wie Halsschmerzpastillen, sondern eines, was nach ganz präziser Diagnostik in einer wohlüberlegten Dosierung verordnet wird. Die Stiftung NTEF sieht genau hier eine Gefahr für Benutzer des cumarinhaltigen Parfüms. Sie fordert durch eine Petition die Reglementierung von „Angel“ und dass es als Medikament eingestuft wird. Außerdem soll der Import wegen zahlreicher Verletzungen der amerikanischen Importbestimmungen beendet werden.

Parfüminhaltsstoffe im Nebel der Verschwiegenheit

Bis vor einiger Zeit waren die Inhaltsstoffe von Parfüms völlig unbenannt, angeblich um Nachahmungen zu verhindern. Mancher unbedarfte Verbraucher mag es glauben. Doch die Realität sieht anders aus, denn mit wenig Mühe und relativ geringem finanziellen Aufwand kann eine Laboranalyse eines Parfüms erstellt werden und nicht lange danach könnte es in Kopie auf dem Markt sein. Neuen gesetzlichen Regelungen ist es zu verdanken, dass nun wenigstens einige von mehreren Tausend im Einsatz befindlichen Inhaltsstoffen angegeben werden müssen. Allerdings nur dann, wenn sie einen bestimmten Prozentsatz überschritten haben, was für Extremallergiker immer noch keinen umfassenden Schutz bedeutet. Eine leichte Verbesserung bestenfalls, denn vormals bestand überhaupt keine Pflicht, Inhaltsstoffe zu deklarieren. Im Fall von „Angel“ habe der Hersteller einige Jahre lang nur wenige Inhaltsstoffe bekannt gegeben, berichtet die Stiftung, doch jetzt kamen weitere hinzu, unter anderem das besagte Gift Cumarin.

Parfüm verstößt gegen Gesetze

Die Petition, die an die amerikanische Behörde für Arzneimittelzulassung FDA gerichtet ist, verweist im Fall des Parfüms auf über 10 Verstöße des Kodex der Vereinigten Staaten und des Kodex für staatliche Vorschriften, sagte die Präsidentin des NTEF, Angel de Fazio aus Las Vegas. Gerade habe sie der FDA auf deren Bitte noch eine fehlende Angabe zukommen lassen, die Ermittlungen sind also angelaufen.

Parfüm – Gefahr für Kranke

„Ein potentielles Gesundheitsproblem, das mit dem Parfüm Angel in Zusammenhang steht, besteht im darin enthaltenen Cumarin“, führt der bekannte Toxikologe mit Spezialgebiet Immuntoxikologie, Jack D. Thrasher, an. „Cumarin ist eine Vorstufe zum gesetzlich geregelten Medikament Warfarin und wird von Personen eingenommen, die unter Herzkrankheiten leiden oder bei denen Blutgerinnung fatal sein kann. Das Parfum enthält auch Ethanol und weitere Chemikalien, die eine Durchlässigkeit der Haut verstärken, was es dem Cumarin ermöglicht, in den Blutstrom einzudringen. Das verstärkt das potentielle Risiko für Herzpatienten und auch Personen, die vor einer Operation stehen. Dieser Duft ist ein Medikament, was erfordert, dass er neu eingestuft wird, und Restriktionen bezüglich seiner Verwendung.“

Parfüminhaltsstoffe bedenklich für jeden

Was weiß man in Deutschland über die Gefahr von Cumarin? Eine Menge, denn das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat sich aus Sicht des gesundheitlichen Verbraucherschutzes im vergangenen Jahr intensiver mit dem nach frischem Heu, Waldmeister oder Vanille riechenden Duft- und Aromastoff Cumarin befasst. Von Umweltorganisationen war herausgefunden worden, dass zimthaltiges Weihnachtsgebäck meist Cumarin in unterschiedlicher Konzentration enthält. Das Bundesamt für Risikobewertung nahm sich der Angelegenheit an und erstellte eine Zusammenfassung mit dem Titel: „Verbraucher, die viel Zimt verzehren, sind derzeit zu hoch mit Cumarin belastet“, über die Gefahren der Substanz (2). Wegen der gesundheitsschädlichen Wirkung größerer Mengen – Cumarin kann Leberschäden verursachen – darf Cumarin im Lebensmittelbereich nur als Bestandteil von Aromen und sonstigen Lebensmittelzutaten mit Aromaeigenschaften verwendet werden…Lange bekannt ist zudem, dass Cumarin im Tierexperiment die Bildung von Tumoren auslösen kann. Nach tierexperimentellen Befunden einer hepatotoxischen Wirkung wurde 1954 zunächst in den USA der Zusatz von synthetischem Cumarin zur Aromatisierung von Lebensmitteln verboten. Darüber hinaus wird Cumarin als Medikament zur Behandlung insbesondere von Stauungsfolgen durch venöse (chronische venöse Insuffizienz) und lymphatische (Lymphödem) Abflussstörungen eingesetzt. Die kanzerogenen Eigenschaften von Cumarin im Tierversuch sind seit den 1970er Jahren bekannt und haben seitdem zu anhaltenden Diskussionen über die Bedeutung dieser Ergebnisse für den Menschen und über den zugrunde liegenden Wirkmechanismus geführt.“

Auf Seite 8 und 9 der gesundheitlichen Bewertung des BfR steht über die dermale Aufnahme der Substanz aus Kosmetika zu lesen: „Im Gegensatz zum Einsatz bei der Lebensmittelherstellung darf synthetisches Cumarin als Duftstoff in kosmetischen Mitteln ohne Beschränkung eingesetzt werden. Nach EU-Verordnung 76/768/EWG über kosmetische Mittel (Amtsblatt der EU vom 11.03.2003) muss Cumarin lediglich ab einer Konzentration von 0,001 % in „Leave-on“Produkten und ab einer Konzentration von 0,01 % in „Rinse-off“-Produktion als Bestandteil deklariert werden.“

Wie viel Gift bekommt der Verbraucher täglich?

Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) hat im Fall von Cumarin ermittelt und führt an: „Bereits aus einer überschlägigen Betrachtung der Produktionsmenge von synthetischem Cumarin, umgerechnet auf den pro Kopf-Anteil in der Bevölkerung, wird deutlich, dass die dermale Exposition nicht unwesentlich ist. Yourick und Bronaugh (1997) berechneten aus einer jährlichen Produktion von 250.000 angelsächsischen Pfund (113,4 t) in den USA bei einer Bevölkerungszahl von 250 Millionen Menschen eine durchschnittliche tägliche Cumarin- Menge von 1,2 mg pro US-Amerikaner.“ (2) Hier stutzte ich beim Lesen etwas, denn nicht jeder in der amerikanischen Bevölkerung verwendet Duftstoffe und selbst wenn, enthalten diese nicht zwangläufig auch immer Cumarin, ergo ist für Benutzer solcher Cumarinhaltiger Produkte mit wesentlich höheren Werten und somit höherem Risiko für die Benutzer zu rechnen.

Parfümlobby – Änderungen wären besser als aussitzen

Die Fachzeitung für Parfumeure scheint ihrer ersten Reaktion zufolge recht hilflos zu sein gegenüber dem „Angriff“ der amerikanischen Stiftung NTEF auf ein erfolgreiches Parfüm. Rat, was zu tun ist, weiß man nicht und fragt stattdessen die Leser um Vorschläge. (3) Guter Rat ist nicht teuer, ich würde etwas logisches Denken und Pragmatismus vorschlagen: Zurück zu natürlichen Essenzen, die ungiftig sind, auch wenn ein Parfüm etwas teurer in der Herstellung ist, denn lebende Kunden kaufen länger.

Autor: Silvia K. Müller, CSN-Chemical Sensitity Network

Literatur:

  1. NTEF Presseerklärung, NTEF Petitions the FDA to Have Angel Perfume Declared a Drug, Las Vegas, NV 89126, 29. Oktober 2007
  2. BfR, Verbraucher, die viel Zimt verzehren, sind derzeit zu hoch mit Cumarin belastet, Gesundheitliche Bewertung des BfR Nr. 043/2006 16. Juni 2006
  3. Comment: NTEF Attacks Clarins, Perfumer & Flavorist magazine, Okctober 30, 2007