stern-TV Gast mit Chemikalien-Sensitivität berichtet über ihre Erfahrungen in und nach der Live Sendung
Die Tierärztin Coretta Danzer ist chemikaliensensibel, sie reagiert auf Chemikalien im Alltag mit vielfältigen körperlichen Beschwerden. Die Krankheit wird in der Medizin als MCS – Multiple Chemical Sensitivity bezeichnet. Sie tritt besonders in Industrieländern auf und betrifft laut wissenschaftlicher Studien zwischen ca. 15-30% der Gesamtbevölkerung in unterschiedlichem Schweregrad. Ungeachtet dessen wird die Krankheit in der Öffentlichkeit kaum diskutiert. Dies war für Coretta Danzer der ausschlaggebende Grund, sich bereit zu erklären, zusammen mit dem Umweltmediziner Klaus Runow in der beliebten TV-Sendung stern-TV über die Umweltkrankheit zu berichten. In der Live Sendung mit Günther Jauch wurde den Zuschauern zur Verdeutlichung eine Filmreportage gezeigt, die einen Einblick gab, was es bedeutet, mit MCS zu leben. Für Coretta Danzer war der Aufenthalt im Filmstudio erwartungsgemäß nicht einfach. Nachfolgend berichtet die Tierärztin, welche Strapazen sie bewältigen musste und wie es ihr jetzt geht.
Studiogast Coretta Danzer:
Es war soweit, am Mittwoch, den 09.12.2009, sollten wir gegen 21.00 Uhr in Hürth bei Köln sein. Mein Mann und ich reisten mit dem eigenen Auto an, da ich nicht mit dem Zug fahren kann. Angekommen riefen wir in der Redaktion an, damit wir vom Auto abgeholt werden konnten. Eine sehr nette junge Frau führte uns dann zu dem Hintereingang des Gebäudes, damit ich so wenig Reizstoffen wie möglich ausgesetzt sei. Doch da stand natürlich doch ein Raucher vor dem Hintereingang, und ich hatte die ersten Probleme.
Ein TV-Studio ist nicht gerade der richtige Ort für MCS-Kranke
Durch das Treppenhaus ging es in den 1. Stock in den Raum, der für mich hergerichtet wurde. Flur und Raum waren mit Nadelfilzteppichboden ausgelegt und nach meiner sofortigen Reaktion in dem Raum, war dieser vermutlich mit Pestiziden behandelt. Ich kam in den Raum und nahm meine Atemmaske von der Nase und beim 3. oder 4. Wort, das ich sagte, ging meine Stimme weg, ich krächzte nur noch heiser und bekam schreckliche Halsschmerzen. Das ist normalerweise meine Reaktion auf Pestizide. Wir öffneten sofort die Fenster und ich nahm meinen Sauerstoff, so dass meine Stimme nach einer Weile wieder kam und nur die Halsschmerzen blieben. Eine Toilette war nur für mich reserviert und wohl auch nur mit heißem Wasser gereinigt worden, roch aber leider dennoch nach „WC-Chemie“.
Netter Empfang
Nun kam auch die nette Reporterin, die bei uns zu Hause war, und begrüßte uns. Sie hatte sich und ihre Kleidung extra duftneutral gewaschen. Sie erklärte uns noch ein wenig den Ablauf und stellte uns Herrn Runow vor, den wir noch nicht kannten. Dann kam Herr Jauch zu uns und lud uns zu einem Essen nach der Sendung ein, welches ich aber gleich dankend ablehnte, da ich mir sicher war, dass ich das nicht mehr schaffen würde.
Was MCS tatsächlich ist, war nicht gefragt
Herr Runow teilte Herrn Jauch mit, was er dann den Zuschauern zu MCS erklären wollte, er wollte Duftbäume mitnehmen und einen aufgeschnittenen Schädel, an dem er zeigen wollte, was bei MCS im Gehirn passiert. Das wollte Herr Jauch aber gar nicht und sagte zu Herrn Runow, dass er das nicht dürfe. Wir waren alle etwas verdutzt.
Ein „Glaskasten“ sollte vor Chemikalien im Studio schützen
Mein Mann und ich wurden schon vor Sendungsbeginn in das Studio gebeten, damit ich einen eigens bereitgestellten Plexiglas-Kasten ausprobieren konnte. Im Studio angekommen, dachte ich, das schaff ich nie. So schlimm hatte ich es mir nicht vorgestellt. Es stank schrecklich nach Kunststoffen und sonstigen Sachen, die ich nicht genau definieren konnte. Die Plexiglasbox hatte auch einen massiven Kunststoffgeruch, ich musste stark husten und bekam starke Kopfschmerzen, mir wurde richtig schwindelig und ich war wie benommen. Ich machte meine Sprechprobe in der Box und dann gingen wir sind schnell wieder in den Aufenthaltsraum. Ich war froh, dass ich meinen Sauerstoff hatte, denn ohne den hätte ich das nicht durchgestanden.
Thema MCS wurde trotz Versprechen nach hinten gerückt
Jetzt wurde uns gesagt, dass wir um 23.30 Uhr dran wären, ich war körperlich schon so fertig, dass ich noch nicht einmal protestieren konnte, denn man hatte mir versprochen, dass ich als erster oder spätestens als zweiter Beitrag kommen würde, damit ich nicht solange warten muss. Also saßen wir etwas über 2 Stunden in dem Raum bei offenen Fenstern und ohne Heizung, denn den Geruch der warmen Heizkörper konnte ich nicht tolerieren.
Kaum auszuhaltende körperliche Belastung
In der Werbepause vor dem Beitrag wurden wir dann ins das Studio geholt. Wie auch vorher schützte ich mich auf dem Weg über die Flure und Treppen mit meiner Aktivkohle-Atemmaske, und in dem Plexiglas-Kasten legte ich meinen Sauerstoff an, damit ich nicht husten musste. Der Gestank in der Box war schon schlimm, aber außerhalb war es noch viel schlimmer. Ich sammelte all meine Kräfte und versuchte, mich so gut es ging zu konzentrieren, damit ich die Fragen gut beantwortete. Es war sehr, sehr anstrengend. Mein Kopf war kurz vorm Zerplatzen, meine Augen brannten wie Feuer, genau wie mein Hals und meine Bronchien. Mir war schwindelig und schlecht. Ich wusste gar nicht, zu was ich fähig bin, ich war froh, als der Beitrag vorbei war. Ich musste aber noch in der Box warten, bis wir das Studio verlassen durften, bis der folgende Beitrag fertig war. Wir gingen noch mal in den Aufenthaltsraum, um unsere Sachen zu holen und uns zu verabschieden und fuhren sofort heim.
Der Abend im TV-Studio forderte seinen Tribut
Ab dem Donnerstag nach der Sendung wurden meine Symptome immer schlimmer. Ich hatte über eine Woche lang einen schrecklich ekeligen Plastikgeschmack im Mund, meine Augen brannten genauso lang, der Kopf und der ganze Körper schmerzten stark. Ich zitterte dauernd anfallsweise sehr stark. Bis zum Sonntag nach der Sendung verschlimmerten sich meine Probleme noch dahin, dass ich nichts mehr essen konnte, auch nichts Weiches, ohne Zahnfleischbluten zu bekommen und ein schreckliches, starkes Brennen in Mund, Speiseröhre, Magen und Darm zu verspüren. Meine Mundschleimhaut schwoll an. Ich habe dann vorsichtig Hirsebrei gegessen, den ich noch am Besten vertragen habe. Nach einer knappen Woche mit viel Sauerstoff und meinen mir verträglichen Vitaminen und Nahrungsergänzungsmitteln habe ich wieder andere Nahrungsmittel vertragen, die ich vorsichtig ergänzt habe.
Ein harter Preis, um über MCS aufzuklären
Auch zwei Wochen nach der Sendung bin ich noch immer sehr mitgenommen. Ab und zu habe ich noch diesen ekeligen Plastikgeschmack, und ich bin auch noch empfindlicher, als ich es vor der Sendung war.
Ich habe viele E-Mails und Briefe bekommen, die ich noch immer nicht alle beantwortet habe, da mir noch die Kraft fehlt, mich so lange zu konzentrieren und die Antworten zu schreiben. Ich habe mir aber vorgenommen, alle zu beantworten.
Auch diesen Bericht zu schreiben, hat mich viel Kraft gekostet. Ich bin aber gerne bereit, noch spezielle Fragen zu der Sendung zu beantworten.
Autor: Coretta Danzer, CSN – Chemical Sensitivity Network, 22. Dezember 2009
Bericht über Drehtag zur Beitrag:
Chemikalien-Sensitivität – MCS in Stern-TV: Bericht über Drehtag zur Sendung






