Neue Strategie für die Umweltmedizin

Den Grundbestand der Forschung systematisch erfassen:

Eine unverzichtbare Strategie, um mehr Umweltmedizin in die klinische Praxis und in die Gesundheitspolitik einzubringen

Als Gesellschaft könnten wir Umweltmedizin weitaus besser in die klinische Beratung und in die Empfehlungen für die Politik einfließen lassen

Denken wir z.B. an Formaldehyd: In den frühen 80’er Jahren haben mehrere Studien mit Ratten gezeigt, dass die Einwirkung von Formaldehyd bei ihnen die Wahrscheinlichkeit für nasale Krebserkrankungen erhöhte. Es mussten jedoch weitere zwanzig Jahre beobachtender Forschung am Menschen ins Land gehen, um dieselben gesundheitlichen Folgen für diesen zu bestätigen, damit es endlich zu beschränkenden gesetzlichen Regelungen für Formaldehyd kam.

Bisphenol-A (BPA), der umstrittene Zusatzstoff für Plastik, entpuppt sich als klassisches aktuelles Beispiel des Problems, das die Ärzte des Gesundheitssystems mit Formaldehyd hatten. In diesen Fall gibt es etwa 1 000 Studien zu dessen möglichen Gesundheitsrisiken – aber es wird immer noch nur politisch gestritten, anstatt eindeutig zu entscheiden, ob BPA sicher ist oder nicht.

Umweltmedizinische Experten wissen, dass es einen substantiellen Grundstock an wissenschaftlichen Beweisen gibt, die einen Zusammenhang zwischen Chemikalien in der Umwelt und einem weiten Bereich von Erkrankungen herstellen. Zu diesen zählen Krebs, neurodegenerative Erkrankungen, Autismus, Diabetes und so weiter. Die Fälle von Formaldehyd und BPA belegen jedoch die augenfälligen Barrieren zwischen dem Erwerb von umweltmedizinischem Wissen und der Gesellschaft, die anschließend handeln sollte, um die allgemeine Gesundheit zu schützen. Allein im Falle von Formaldehyd bedeutete dies nichts anderes als zwanzig Jahre unnötige nasale Krebsleiden bei Menschen.

Die Langsamkeit, mit der die umweltmedizinische Forschung das politische Handeln und die Arbeit an den Kliniken beeinflusst, mag teilweise an den Unterschieden zwischen umweltmedizinischer und klinischer Forschung liegen, und mehrere Gruppen arbeiten an dieser Lücke.

Tracey Woodruff, MPH (Master of Public Health), Leiterin des Programms für Reproduktive Medizin an der University of California San Francisco (UCSF) ist sich dieses Problems sehr bewusst. Als eine Ärztin im Gesundheitswesen, die sich mit Fortpflanzungsmedizin befasst, erläutert sie, dass, als ihr die zunehmende Häufigkeit von Endometriose und Unfruchtbarkeit bei ihren Patientinnen auffiel, sie es sich selbst zuerst nicht erklären konnte, warum dies so ist, sondern dass es auch nichts gab, was ihr dabei helfen konnte, die Ursache der von ihr beobachteten Veränderungen zu verstehen.

Woodruff koordiniert nun das Komitee für praktische Ärzte und Ärzte im Gesundheitswesen, das der Auffassung ist, dass ein Großteil des Problems mit den grundsätzlichen Unterschieden zu tun hat, wie umweltmedizinische und klinische Forschung betrieben und dargestellt werden. Das Komitee glaubt, fehlendes Verständnis der Nützlichkeit umweltmedizinischer Daten führe zu einer falschen Wahrnehmung unter Klinikern, nach welcher umweltmedizinische Forschungsergebnisse für die klinische Praxis belanglos seien, da die Daten in der Tat sehr verschieden sind.

Der wichtigste Unterschied ist der Einsatz der randomisiert kontrollierten Studie (RCT) [randomised controlled trial], die als das „Nonplusultra“ wissenschaftlicher Erkenntnis für medizinisch diagnostische Bewertung angesehen wird. Während diese das Hauptprodukt der klinischen Forschung ist und den Inhalt nahezu aller Studien ausmacht, die im Mainstream der medizinischen Literatur veröffentlicht werden, gibt es nahezu keine RCT-Studie aus dem Forschungsbestand der Umweltmedizin. Dafür gibt es einen Hauptgrund: es ist unethisch, Menschen für Forschungszwecke einer Substanz auszusetzen, von der man eine schädigende Wirkung erwartet, deshalb ist eine RCT-Studie für umweltmedizinische Forscher geradezu tabu. Diese Beschränkung ist auch in der Medizin durch das Verbot akzeptiert, Medikamente an schwangeren Frauen zu erproben.

Anstelle von RCTs setzen beobachtende Studien am Menschen eine größere Bedeutung von Vergleichbarkeiten voraus, um zu verstehen, wie die Einwirkung von chemischen Stoffen in der Umwelt die Gesundheit beeinträchtigen könnte. Die Bedeutung von auf Beobachtung beruhenden Evidenzen sollte nicht unterschätzt werden, da es unter ihnen viele Beispiele gibt, die stark genug waren, um ein Eingreifen zu rechtfertigen, wie z.B. die Identifikation der toxikologischen Gefährdung durch Diethylstilbestrol (DES) gezeigt hat. In diesen Falle hatten alarmierte Kliniker genug Daten über die pränatale Exposition durch DES gesammelt, die einen Zusammenhang mit der Zunahme einer seltenen, die Fortpflanzung betreffenden Krebsform bei Frauen nahe legten.

Neben beobachtenden Studien an Menschen sind in vivo Tierversuche und in vitro Experimente eine weitere wichtige Informationsquelle für umweltmedizinische Forscher. Obwohl diese in der pharmazeutischen Industrie in großen Umfang genutzt werden um zu entscheiden, ob es sich lohnt, einen Wirkstoff an Menschen zu testen und natürlich, ob dies für diese sicher ist, hat die Entdeckung toxischer Wirkungen bei Tieren offenbar dann nicht die gleiche Bedeutung, wenn es darum geht, die Schädlichkeit menschengemachter Chemikalien zu bestimmen.

Interessant ist, dass diese nahezu ausschließliche Beachtung von RCT-Studien bedeutet, dass andere Nachweismethoden verworfen und für die medizinische Praxis als bedeutungslos angesehen werden. Aufgrund dieser Wahrnehmung ist Umweltmedizin als Fach offiziell nicht Teil der medizinischen Ausbildung. Infolgedessen tun sich Ärzte mit solchen Dingen schwer oder lehnen wahrscheinlich sogar deren Bedeutung ab. Beispielsweise können sich einer Studie des US-Staates Georgia zufolge die meisten Kinderärzte nicht dazu bequemen, eine Umwelt-Krankengeschichte aufzunehmen, obwohl in über der Hälfte der berichteten Krankengeschichten Patienten ernsthaft durch Umwelteinflüsse geschädigt wurden. Dies verringert die Chancen, daß nichtklinische Studien in den medizinischen Mainstream-Zeitschriften veröffentlicht werden, weshalb Ärzte die Forschungsergebnisse nie zu Gesicht bekommen, was das Problem weiterbestehen lässt. (Übersetzung des Abstract zur Studie im Anhang)

Diese Situation zu ändern ist schwierig. Wenn die Wissenschaft [der Umweltmedizin] von der medizinischen Gemeinschaft für die Gesundheit nicht als relevant angesehen wird, gibt es wenig Argumente zu versuchen, sie in die Ausbildung oder klinische Arbeit hinein zu zwingen; jeder, der schon mal mit medizinisch Lehrenden über die Aufnahme von zusätzlichem Stoff zu den Curricula gesprochen hat, wird wissen, wie schwer es ist, zur Ausbildung von Nachwuchsmedizinern Inhalt hinzu zu fügen. Auch wollen Kliniker in der begrenzten Zeit des Kontakts mit dem Patienten nicht noch mehr zu tun haben.

Bemühungen, um die Umweltmedizin-Forschung zugänglich zu machen

Was ist also zu tun? Für Mark Miller MD (Doctor der Medzin), Leiter des UCSF Pediatric Environmental Health Specialty Unit, (einer Spezialabteilung für Kinder-Umweltmedizin an der Kalifornischen Universität s.o.) und Mitglied der Arbeitsgruppe von Woodruff, besteht der erste Schritt darin, eine Wissenschaft, die manchmal als „seltsam“ angesehen wird, Klinikern zugänglich zu machen: „Der Schlüssel [zum Erfolg] liegt darin, die Materialien so zu sortieren, dass sie für die klinische Gemeinschaft akzeptabel sind – sie müssen den Anforderungen dieser Gemeinschaft gerecht werden, in einer Sprache geschrieben sein, welche die Gemeinschaft versteht und die für die Angelegenheiten von Klinikern eintritt.“

Um dies zu bewerkstelligen versucht Woodruffs Komitee den „GRADE Ansatz zur Erhebung klinischer Eingriffe“ für die Umweltmedizin zu übernehmen. [GRADE (Recommendations Assessment, Development and Evaluation), Bewertung von Empfehlungen, Entwicklung und Erhebung)] Zunehmend weltweit angewendet und von der Cochrane Collaboration, dem British Medical Journal und dem American College of Physicians befürwortet, stützt sich GRADE auf eine genau festgelegte Methodik für Empfehlungen zu klinischen Eingriffen.

Wenn ein ähnliches System für die Umweltmedizin entwickelt werden könnte, insbesondere mit einer anerkannten transparenten Methodik, wäre nach Ansicht von Woodruff ein eindeutiger Schritt nach vorne getan, Umweltmedizin in die medizinische Arbeit einfließen zu lassen. Würde man alles aus der umweltmedizinische Wissenschaft mit Hilfe einer transparenten Methodik sammeln und präsentieren, würden wohl begründete Ansichten mit dazugehörigen Handreichungen für Kliniken und Politik zu einer absolut zuverlässigen Informationsquelle werden, ganz ähnlich der Bedeutung, wie sie die Agency for Research on Cancer Monographs [WHO-Einrichtung für Krebsforschung] und die Rezensionen von Cochrane für klinische Eingriffe haben.

Erste tastende Schritte ein solches System zu errichten, wurden in Großbritannien unternommen. Mark Starr, Chef-Software-Entwickler hinter der Cochrane-Datenbank zur Sortierung [und Bereitstellung] von Rezensionen, aus der später zur Cochrane Bibliothek wurde, entwickelt ein System namens „„Sustainability for Health: an Evidence Base for Action“ (SHEBA) [Nachhaltigkeit für die Gesundheit: Ein Grundbestand an Forschung um zu handeln]. Dessen Zweck besteht darin, umweltmedizinisches Wissen an einem Ort zusammen zu führen, um es dann einem Überprüfungsverfahren im Stile von Cochrane zu unterziehen, um die bedeutendsten und wirksamsten praktischen und administrativen Interventionen zur Minimierung von umweltbedingten gesundheitlichen Schäden zu bestimmen. (Ich bin selber an diesem Projekt beteiligt. Obwohl die Webseite zugänglich ist, befindet sie sich immer noch in der Entwicklung – jeder der mehr Information wünscht, soll sich ermutigt fühlen, mit mir in Kontakt zu treten) [Wenden Sie sich bitte an CSN-Deutschland.]

Um den durch die Umwelt der Gesundheit zugefügten Schaden zu begrenzen, beschreibt es Miller s.o. als wichtigstes Ziel, die Kliniker dazu zu bringen, „die Ursachen der Probleme zu sehen und am Thema Gesundheitspolitik hängen zu bleiben, weil diese Probleme dazu geführt haben, dass zu aller erst sie den Patienten vor sich haben. Die Umweltmedizinische Wissenschaft für die Arbeit der Kliniker und den politischen Lenkern des Gesundheitswesens relevanter zu machen, scheint grundlegender Teil dieses Vorgangs zu ein.

Autor: Paul Whaley, 9. März 2010 für Environmental Health, Research von The Pump Handle

Herzlichen Dank an Paul Whaley für die freundliche Genehmigung diesen Artikel übersetzen zu dürfen!

Paul Whaley ist Herausgeber der Webseite und der monatlichen e-Publikation Health & Environment, die hauptsächlich dazu dienen soll, praktischen Ärzten und Machern der Gesundheitspolitik die Bedeutung der Umwelt als bestimmenden Faktor für die Öffentliche Gesundheit nahe zu legen. (Einige dieser Materialien für Kliniker können Sie hier ansehen.) Er arbeitet auch als Kurator des Environmental Chemicals Stream für (SHEBA), s.o. und ist Communication Manager für die Cancer Prevention and Education Society.

Übersetzung: BrunO für CSN

ANHANG

The environmental history in pediatric practice: a study of pediatricians‘ attitudes, beliefs, and practices

Kilpatrick N, Frumkin H, Trowbridge J, Escoffery C, Geller R, Rubin L, Teague G, Nodvin J.

Department of Behavioral Sciences and Health Education, Rollins School of Public Health, Emory University, Atlanta, Georgia 30322, USA.

Environ Health Perspect. 2002 Aug;110(8):823-7.

Abstract: Wir führten eine Befragung per Post unter praktizierenden Kinderärzten in Georgia durch, um ihr Wissen, ihre Einstellung und ihre Gewohnheiten bezüglich der Aufnahme von umweltbezogenen Krankengeschichten ihrer Patienten zu bewerten. Von 477 der in Frage kommenden Kinderärzte haben 266 (55.8%) geantwortet. Weniger als einer von fünf berichteten, dass sie für die Erstellung umweltbezogener Krankengeschichten ausgebildet wurden. Kinderärzte berichteten, dass sie sehr an die Bedeutung von Umwelteinflüssen für die Gesundheit von Kindern glauben, und 53.5% der Anworter berichteten von Erfahrungen mit einem Patienten, der durch Umweltgifte [Expositionen] ernsthaft erkrankte. Kinderärzte stimmten moderat stark zu, dass die Aufnahme einer Umwelt-Krankengeschichte nützlich ist, um potentiell schädliche Expositionen zu identifizieren und zu helfen, diese zu vermeiden. Anworter berichteten wenig Selbstvertrauen bezüglich der Erstellung [solcher Kranken-] Geschichten, der Diskussion von Umweltexpositionen mit Eltern, und dem Auffinden wissenschaftlicher Informationen über Umweltschadstoffe zur Diagnose und Behandlung. Die Wahrscheinlichkeit der selbstberichteten Aufnahme einer Umwelt-Krankengeschichte hing von der Art der Exposition ab, am meisten wurde nach Information zu Tabakrauch und Haustieren in der Lebensumgebung gesucht, am wenigsten nach Asbest, Quecksilber, Formaldehyd und Radon. Die Kinderärzte bevorzugten Informationsquellen wie die American Academy of Pediatrics (Amerikanische Akademie für Kinderärzte), Newsletter und Patienteninformationen. Kinderärzte zeigen großes Interesse für Kinder-Umweltmedizin, trauen sich aber bei der Aufnahme von Umwelt-Krankengeschichten wenig zu. Es gibt ein beachtliches Potential, die Erstellung von Umwelt-Krankengeschichten zu trainieren und die Häufigkeit der Erstellung solchen Krankengeschichten zu erhöhen.

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Die Störung des Hormonhaushaltes durch Chemikalien

Endocrine Disrupters – Hormonell wirksame Substanzen

Bisphenol A (BPA) war im CSN Blog bereits öfter Thema. Zuletzt ging es darum, welche Probleme diese Substanz Lebensmittel-herstellern macht, selbst wenn sie Willens sind BPA zu vermeiden. In unserem englischsprachigen EMM Blog wurde neulich eine Studie vorgestellt, nach der nicht ausgeschlossen werden kann, daß sich eine Belastung mit BPA während der Schwangerschaft negativ auf die Fertilität weiblicher Nachkommen auswirkt. Davor wurde mehrfach über die karzinogene und hormonelle Wirkung von BPA berichtet. Vor nicht all zu langer Zeit waren nicht nur bei uns, sondern auch in vielen Medien Berichte zu lesen, daß BPA in Schnullern und anderen Produkten, mit denen Kleinkinder in Kontakt kommen, gefunden wurde. Nicht zuletzt Dank des Filmes „Plastic Planet“ von Werner Boote kommt BPA allmählich auch bei einer breiteren Öffentlichkeit als Thema an.

Während eine Lösung für das Problem BPA noch nicht in Sicht ist, taucht schon das nächste auf. Die Washington Post berichtete am 02.03.2010 über eine von der National Academy of Sciences vorab online veröffentlichte Studie zu Atrazin, die auf erstaunlich viel Resonanz in Blogs und Kommentaren stieß.

Prof. Tyrone Hayes und andere untersuchten die hormonelle Wirkung des weltweit am häufigsten verwendeten Herbizides. Es führte im Labor zur Verweiblichung männlicher Krallenfrösche (Xenopus laevis). Kaulquappen wurden in Wasser mit 2.5 ppb Atrazin großgezogen. 10 Prozent der untersuchten Frösche, die alle männliche Chromosomen aufwiesen, hatten sich zu fortpflanzungsfähigen Weibchen entwickelt, die allerdings nur männliche Nachkommen bekamen. Bei den übrigen 90 Prozent war die Männlichkeit eingeschränkt. Die meisten hatten einen niedrigen Testosteronspiegel und eine geringe Fruchtbarkeit. Sie hatten es schwerer als Männchen aus der nicht exponierten Kontrollgruppe, mit diesen um die Aufmerksamkeit von Weibchen zu buhlen.

Prof. Hayes erklärte der Washington Post, das Problem könnte darin bestehen, daß Atrazin über die Haut der Frösche aufgenommen wird und in männlichen Fröschen ein Gen aktiviert, das normalerweise abgeschaltet sein sollte und das die Produktion eines Enzymes veranlaßt, das Testosteron in Östrogen umwandelt und den Körper des Frosches mit falschen Hormonsignalen überflutet.

Im Abstract der Studie heißt es:

„…Vorausgegangene Studien zeigten, daß Atrazin die larvale Entwicklung von Amphibien negativ beeinflusst. Die vorliegende Studie demonstriert, welche Folgen eine Atrazin-Exposition für die Fortpflanzung erwachsener Amphibien hat. Atrazin exponierte Männchen waren im ausgewachsenen Zustand sowohl entmännlicht (chemisch kastriert) als auch vollständig feminisiert…

…Die vorliegenden Ergebnisse veranschaulichen, welche Rolle Atrazin und andere endokrin wirksame Pestizide möglicherweise beim globalen Rückgang der Amphibienbestände spielen.“

Vielleicht kann diese Studie aufgrund ihrer Datenbasis nicht mehr als Hinweise auf hormonelle Störungen durch Atrazin liefern. Diese sind jedoch besorgniserregend. Die Tiere waren einer geringeren Konzentration ausgesetzt, als dem von der Amerikanischen Umweltschutzagentur, der Environmental Protection Agency (EPA), empfohlenen MCL-Wert (Maximum Contaminant Level). Die EPA hält derzeit 3 ppb (parts per billion – drei Am. Billionstel, bei uns Milliardstel) also 0,003 mg Atrazin pro Liter (~1 Kg) Trinkwasser für gesundheitlich unbedenklich. Sie weist aber darauf hin, dass exzessives Trinken von Wasser mit dieser Konzentration bei manchen Menschen zu Kreislauferkrankungen und Fortpflanzungsproblemen führen kann.

Seit dem 07.10.2009 läuft bei der EPA ein Verfahren zur Neubewertung von Atrazin. In Deutschland ist die Anwendung von Atrazin seit 1991 verboten, Europaweit seit 2004 (PDF). Es gilt ein Grenzwert von 0.1 µg/l, was 0.1 ppb entspricht. Dieser Grenzwert ist 30 Mal kleiner als der Amerikanische. Obwohl Atrazin bei uns nicht mehr angewendet werden darf, ist es im Grundwasser immer noch nachweisbar und übersteigt diesen manchmal.

Nach dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland wurde bei einer Messung im Jahre 2001 im Gebiet zwischen Schwarzwald und Vogesen auf deutscher Seite bei 40 Prozent aller Proben Atrazin nachgewiesen. Bei 4 Prozent war der Grenzwert überschritten. Auch in der Schweiz sollen Grenzwertüberschreitungen hauptsächlich bei Atrazin und dessen Hauptabbauprodukt Desethyl-Atrazin auftreten. Messwerte werden selten angegeben. Doch es gibt Zahlen vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. 2006 (vermtl.) wurde für Atrazin bei 34 Prozent der Proben der Grenzwert (0.1 ppb) überschritten. Der Höchstwert betrug 0.37 ppb. Desethyl-Atrazin wurde bei 52 Prozent der Proben mit maximal 0.60 ppb überschritten.

So sieht es aus, wenn Atrazin seit längerem verboten ist. Die Werte (PDF) aus den USA, wo Atrazin noch nicht verboten ist und häufig eingesetzt wird, sollten zu denken geben. Von 2004 bis 2006 wurden an verschiedenen Messstellen in Wassereinzugsgebieten Höchstwerte in einem Bereich von 49.87 bis 237.5 ppb gemessen. Die Durchschnittswerte schwanken von 2.58 bis 18.56 ppb. 3 ppb war der Wert, den die EPA noch als unbedenklich ansieht und dieser ist dreißigmal höher als der Europäische Grenzwert.

Der Grenzwert für Atrazin in Nahrungsmitteln beträgt in der EU vorläufig 0.1 mg/Kg, also 100 ppb und greift auf den Grenzwert für Getreide einer vorausgegangenen Richtlinie der Kommission zurück.

Messwerte für Atrazin-Rückstände in Lebensmitteln liegen uns nicht vor.

Sicher werden sich weitere chemische Substanzen als endokrin wirksam herausstellen. Diese Eigenschaft war bei deren Entwicklung nicht vorgesehen, weil man nur den Zweck die Anwendung und nicht den Menschen im Blick hatte. Dabei hätte man aus Erfahrungen mit künstlich hergestellten Hormonen lernen können, welche Gefahren von hormonell wirksamen Substanzen ausgehen.

Das künstliche Östrogen Diethylstilboestrol (DES) wurde 1938 erstmals im Labor synthetisiert und seit 1947 zur Prävention von Fehlgeburten verabreicht. Eine solche Wirkung besaß das Medikament aber nicht, da man den niedrigen Östrogenspiegel, der ausgeglichen werden sollte, nicht als Folge einer Fehlgeburt erkannte, sondern für dessen Ursache hielt. DES wurde keiner ausreichenden klinischen Prüfung unterzogen, jedoch weltweit vermarktet und gegen zahlreiche Erkrankungen verschrieben. Zur Behandlung von Memopausen- und Postmemopausensyndromen, gegen Prostatakrebs und unerwünschte Laktation. Es fand weitere Verwendung als Verhütungsmittel („Pille danach“) und als Wachstumsförderer zur Mast von Hühnern, Schafen und Rindern.

Seit 1971 weiß man, dass Frauen, deren Mütter DES eingenommen haben, ein erhöhtes Risiko für das klarzellige Adenokarzinom aufweisen, eine bis dahin äußerst seltene tödliche Krebserkrankung. Seit 1971 weiß man auch, dass es bei diesen Töchtern zu genitalen Missbildungen kommen kann. Noch im gleichen Jahr zog die FDA (Food and Drug Administation), die Behörde für Nahrungs- und Arzneimittel die Zulassung für DES zurück.

Später wurden weitere Auswirkungen von DES festgestellt, welche die Fähigkeit der Töchter zu einer Schwangerschaft bedrohten. Die wichtigste Erkenntnis, die DES gebracht hat, ist sicherlich jene, die bis dahin gültige Lehre von der Plazenta-Barriere widerlegt zu haben. Der Fötus ist nicht gegen solche Einflüsse von Außen geschützt, sondern äußerst verletzbar.

Der genaue Vorgang kann in einer Studie der Europäischen Umweltagentur „Späte Lehren aus frühen Warnungen: Das Vorsorgeprinzip 1896–2000“ (PDF) von 2001 sehr ausführlich mit vielen Quellenangaben nachgelesen werden.

Wenn man aus DES Lehren gezogen hätte, würde man aus Vorsicht immer eine hormonelle Wirkung von chemischen Substanzen in Betracht ziehen und abklären, bevor man sie für unschädlich erklärt. Dann hätte man die Anwendung von BPA und Atrazin unterlassen und nach harmloserem Ersatz gesucht, statt diese Stoffe in derart großen Mengen zu verbreiten, dass sie allgegenwärtig sind.

Wie bereits DES zeigt, müsste das fragliche Konzept von Grenzwerten überdacht werden. Die Wirkungen, welche Substanzen auf die Entwicklung eines Fötus haben können, lassen es nicht zu, einen gesunden Erwachsenen als Maß dessen zugrunde zu legen, was man einem Menschen an gesundheitlicher Belastung zumuten kann.

Endokrin wirksame Substanzen wirken über Generationen, sofern sie die Fortpflanzung nicht unterbinden. Es ist schlimm genug, wenn ein Individuum erkrankt, wie erklärt man das aber jemand, der keine Chance hatte, gesund auf die Welt zu kommen?

Autor: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network, 4. März 2010

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Discounter nehmen giftbelastete Babyschnuller aus ihren Regalen, Hersteller kündigen Produktionsumstellung an

Good Bye toxischen Schnuller

 

Der Druck, den die Umweltschutzorganisation BUND und Verbraucher ausübten nachdem bekannt wurde dass Babyschnuller die hormonell wirksame Chemikalie Bisphenol A enthalten, hat gewirkt. Die nachfolgende Pressemitteilung von BUND verdeutlicht, dass die Industrie nicht mehr das alleinige Sagen hat und Verbraucherverbände und auch die Verbraucher selbst durchaus Änderungen zum Wohle der Gesundheit erwirken können. 

Kaufland und Schlecker nehmen Bisphenol-A-belastete Babyschnuller aus ihren Regalen. Hersteller von NUK-, Babylove- und Baby-Nova-Schnullern kündigen Umstellung der Produktion an 

Berlin: Die Handelskette Kaufland und Drogeriemärkte von Schlecker nehmen Bisphenol-A-belastete Babyschnuller aus ihrem Sortiment. Die Umstellung der Produktion ihrer Schnuller auf Bisphenol-A-freie Ausgangsmaterialien kündigten die Hersteller von NUK-, Babylove- und Baby-Nova-Schnullern an. Damit reagieren die genannten Händler und Hersteller wie Mapa, dm-Drogerie Markt und Novatex auf Analysen des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Anfang Oktober in einer Reihe von Babyschnullern die hormonell wirksame Chemikalie nachweisen konnte. Bisphenol A wird verdächtigt, Unfruchtbarkeit, Schädigungen der Gehirnentwicklung und Brustkrebs hervorzurufen. 

„Fast alle Schnullerhersteller haben auf unsere Untersuchungen reagiert und wollen auf Bisphenol-A-haltige Kunststoffe in ihren Produkten verzichten. Wir freuen uns über dieses prompte Handeln, denn nur so lassen sich die Risiken für Säuglinge und Kleinkinder künftig ausschließen“, sagte der BUND-Chemieexperte Heribert Wefers.

Noch keine Umstellung seiner Produktion hat hingegen das Unternehmen Philips, Hersteller der im Test am höchsten belasteten Schnuller der Marke AVENT, bisher angekündigt. Wefers: „Das Verhalten von Philips ist unverantwortlich. Hormonartig wirksame Chemikalien haben in Babyschnullern nichts zu suchen. Außerdem zeigen die Maßnahmen der anderen Firmen, dass man leicht darauf verzichten kann. Philips sollte schleunigst nachziehen und Bisphenol A ebenfalls aus seinen Produkten verbannen.“ 

Der BUND forderte Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner auf, Bisphenol A in Babyartikeln und in Produkten, die Kontakt mit Lebensmitteln haben, generell zu verbieten. Besorgten Eltern empfiehlt der BUND, beim Schnuller-Kauf Produkte zu wählen, die als Bisphenol-A-frei gekennzeichnet sind. 

Bei den Analysen Anfang Oktober waren in den Saugteilen von Latex-Schnullern der Marken Babysmile, Baby-Nova, Babylove und NUK sowie in einem der untersuchten Silikon-Produkte der Marke AVENT Bisphenol-A-Konzentrationen zwischen 80 und 400 Milligramm pro Kilogramm gefunden worden. In einer zweiten Untersuchung konnte der BUND zudem nachweisen, dass sich die Chemikalie durch Kontakt mit Speichelflüssigkeit aus den Schnullern löst, so dass mit einer Aufnahme durch Babys und Kleinkinder zu rechnen ist. Untersuchungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) bestätigten inzwischen, dass eine große Zahl von Schnullern Bisphenol-A-belastet ist. 

Weiterführende Informationen:  

Hersteller für Kosmetik- und Reinigungsmittel, SC Johnson, nimmt Phthalate aus seinen Produkten

Konsumenten sind kritischer denn je

Kritische Konsumenten sorgten für Ende der Phthalate
Einer der größten US Hersteller für Kosmetik und Reinigungsmittel, SC Johnson,  gab am 12. März 2009 bekannt, dass man Phthalate aus der gesamten Produktpalette des Konzerns entfernt. Die Chemikalie ist wegen ihres Eingreifens in das Hormonsystem bei den Konsumenten ins Zwielicht geraten.

Es mutet an, als sei bei Großkonzernen eine Trendwende eingetreten, in der ersten Märzwoche hatten bereits die sechs größten US Hersteller für Babyflaschen ihren freiwilligen Verzicht auf die Chemikalie Bisphenol A (BPA) bekannt gegeben. SC Johnson hatte BPA bereits im vergangenen Jahr freiwillig aus seinen Produkten verbannt.

Ein Wandel tritt ein
Längst haben Hersteller von Alltagsprodukten gemerkt, dass Konsumenten immer kritischer und gesundheitsbewusster werden. Unternehmen, die dies missachten, stöhnen jetzt schon unter sinkenden Umsatzzahlen, während andere, die dem Endkunden gerecht werden, sich über steigende Umsätze freuen.

SC Johnson gehört zu den Unternehmen, die das Bedürfnis der Konsumenten nach gesundheitsbewussten und umweltfreundlichen Produkten erkannt haben. Im September vergangenen Jahres gab das Unternehmen bekannt, dass in der Produktsparte Aufbewahrungsbehälter und Frischhaltebeutel, in der es in den USA Markführer ist, kein Bisphenol A (BPA) mehr enthalten ist. Um jetzt das Phthalat DEP aus den Produkten zu verbannen, wirkte die Johnson Geschäftsleitung seit Sommer 2008 erfolgreich auf seine Lieferanten ein, völlig auf Phthalate zu verzichten.

Familienunternehmen handelt zukunftsgerichtet
Das 122 Jahre alte Familienunternehmen SC Johnson, dessen Anfänge auf den bekannten Johnson Fußbodenwachs zurückgehen, vertreibt seine Produkte in über 110 Ländern der Welt.

Der Johnson Konzern rangiert nicht nur bedenkliche Chemikalien aus, er geht noch weiter. Die Konzernleitung gab aktuell bekannt, dass man auf dem Weg sei, ein für den Konsumenten völlig transparentes Unternehmen zu werden. SC Johnson reagiert mit seinem Handeln direkt auf den Markt. Mit seiner selbstverpflichtenden Handlungsweise geht der Konzern auf die Bedürfnisse des Konsumenten von Heute auf dem Weltmarkt ein. Während andere Hersteller mauern und sich hinter fadenscheinigen „Alles kein Problem“ Äußerungen von Entscheidungsträgern in Behörden und Ministerien verschanzen, geht SC Johnson in eine innovative Richtung und richtet sich nach den Wünschen der Konsumenten.

Kein Platz mehr für Unternehmen, die Gesundheit und Umwelt ignorieren
SC Johnson gibt auf seiner Webseite bekannt, dass man in kürzester Zeit das angestrebte Ziel erreichen wolle, dem Konsumenten völlig transparente Produkte anzubieten. Johnson wird zukünftig nicht nur alle Inhaltsstoffe in einem Produkt aufführen, sondern auch wozu diese Substanzen dienen.

Als Grund für die Selbstverpflichtung gibt das Unternehmen an, dass Familien von heute genau wissen wollen, was in einem Produkt enthalten ist, dass sie in ihrem Haushalt benutzen. Eine Hausfrau wolle in Hinsicht auf die Produkte, die sie kauft, heutzutage ein gutes Gewissen der Familie gegenüber haben.

„Clicking“ nannte die Wirtschaftsprognostikerin Faith Popcorn dies vor Jahren. Ein Ausdruck für das Handeln eines Unternehmens, das es verstanden hat, was der Markt will, eines, bei dem es „Klick“ gemacht hat. Ein Erfolgsrezept für zukunftsgerichtetes Management, das aufgeht und Kunden beschert, die der Marke treu bleiben und sich sogar hinter die Marke stellen.

Start frei für innovatives kundenorientiertes Management
Weltweit sind Unternehmen gut beraten, sich Strategien von Unternehmen wie SC Johnson genau anschauen, denn die Luft für Konzerne, denen die Gesundheit ihrer Kunden und die Umwelt nichts wert sind, wird zunehmend dünner werden.

Aufklärung durch die Medien und vor allem durch das Internet, das in Sekundenschnelle Informationen über den ganzen Globus jagt, lassen in der nahen Zukunft keine Nische mehr offen für Unternehmen, die den Verbraucher und seine Wünsche ignorieren und glauben, ihn täuschen zu können.

Es zeichnet sich ab, wem in Zukunft der Markt gehört
Transparente Unternehmen, die mit dem Verbraucher offen und freundschaftlich kommunizieren, auf ihn eingehen, Unternehmen mit gesunden Produkten, die in der Auswahl der Rohstoffe, der Herstellung und dem Vertrieb ehrliches Umweltbewusstsein mit einbeziehen, gehören die Zukunft.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 15.03.2009

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US Hersteller nehmen toxische Babyflaschen vom Markt – Verkauf nach Europa geht weiter

Toxische Babyflaschen

In den USA haben die sechs größten Hersteller für Babyflaschen in der ersten Märzwoche mitgeteilt, dass sie den Verkauf von Fläschchen einstellen, die Bisphenol A (BPA) enthalten. (1) Der Druck von Konsumenten und Verbraucherorganisationen war immer stärker geworden. Erst kürzlich war bekannt geworden, dass bei Babyflaschen aus Polycarbonat durch Erhitzung in der Mikrowelle erhebliche Konzentrationen BPA in die Nahrung übergehen. (2) Generalsstaatsanwälte aus vier U.S. Bundesstaaten hatten aufgrund der zunehmenden Fakten über die Toxizität von den größten Herstellern für Babyflaschen erbeten, die Chemikalien aus der Produktion zu verbannen.

Bisphenol A – Jeder ist betroffen
Bisphenol A ist eine Chemikalie, die großflächig in der Kunststoffproduktion eingesetzt wird. BPA gilt als gesundheitsschädlich, insbesondere, weil sie in das Hormonsystem des Körpers eingreift. Wissenschaftler warnen seit Jahren immer stärker davor, dass Bisphenol A bereits in geringster Konzentration gesundheitlich folgenreich sein kann. Insbesondere für Ungeborene, Babys und Kleinkinder ist sie sehr bedenklich. Die Chemikalie greift u.a. in die Zellfunktion ein und stört die Entwicklung des Gehirns.

Bisphenol A wird in der Industrie seit den fünfziger Jahren eingesetzt. Die Chemikalie kann in der Bevölkerung nahezu bei jedem im Urin nachgewiesen (3) werden, was ein Beleg dafür ist, dass BPA in extrem vielen Produkten enthalten ist. Über 90% der industrieunabhängigen Studien belegen, dass die Chemikalie Risiken für die Gesundheit birgt. Wissenschaftliche Studien ergaben, dass BPA neben der Wirkung auf das Hormonsystem u. a. Herz- und Kreislauferkrankungen, Diabetes, Krebs und Leberschäden auslösen kann.

Behörden in Deutschland & Europa: Keine Gefahr durch Bisphenol A
In Deutschland wurde durch Umweltorganisationen, Zeitungs- und Fernsehberichte über die Gefahren der Babyfläschchen aus Kunststoff hingewiesen. Die Organisationen und Medien informierten die Verbraucher detailliert über gesundheitliche Folgen. Offizielle Stellen hingegen gaben mehrfach Entwarnung und ließen verlauten, es bestünde keine Gefahr. (4,5,6)

Wie man von Behördenseite in der EU die Basis für die Entwarnung für die Chemikalie Bisphenol A schafft, konnten interessierte Leser bspw. in der Süddeutschen Zeitung erfahren. (3) Dort stand nachzulesen,  dass man in der EU die Grenzwerte für die Chemikalien um das fünffache erhöht habe. Die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA habe sich für die Heraufsetzung der Grenzwerte auf zwei Industriestudien berufen, die vom Interessenverband der Kunststoffhersteller bezahlt wurden.

Das deutsche Bundesamt für Risikobewertung BfR konnte sich bisher zu noch keiner eindeutigen Warnung hinreißen, im Gegenteil, man ließ Ende letzten Jahres in deutscher und in englischer Sprache verlauten, dass gemäß dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Kenntnistand auf Babyflaschen aus Polycarbonat nicht verzichtet werden müsse. (4,5)

Der Deutsche Bundestag gab im November 2008 in einer offiziellen Meldung Entwarnung für die Bedenklichkeit von Babyflaschen, die Bisphenol A enthalten: (6)

„Berlin: (hib/HLE) Mehrere für Gesundheit und Verbraucherschutz zuständige nationale und europäische Einrichtungen sehen kaum Risiken durch den Kunststoffbestandteil Bisphenol A, der zum Beispiel in Behältern für Kleinkindnahrung enthalten ist.

In der Antwort der Bundesregierung (16/10759) auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion (16/10672) heißt es, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit habe in einer Studie 2008 darauf hingewiesen, dass auch Säuglinge und Kleinkinder über eine ausreichende Stoffwechselkapazität zur Eliminierung der Mengen an Bisphenol A verfügen, wie sie bei der Aufnahme von Flaschennahrung auftreten könnten, schreibt die Regierung. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und die Gesellschaft für Toxikologie e.V. würden sich der Einschätzung der Europäischen Behörde anschließen. Aus den Studien ergebe sich, „dass oral aufgenommenes Bisphenol A schnell in Darm und Leber zu einem hormonell/östrogen unwirksamen Metaboliten verstoffwechselt und bei Primaten einschließlich des Menschen mit einer Halbwertszeit von weniger als sechs Stunden ausgeschieden wird“, erläutert die Regierung. „Daher ist derzeit nicht davon auszugehen, dass es zu einer Akkumulation von Bisphenol A im menschlichen Körper kommt“, erklärt die Regierung.“

Behördenmeinung zweitrangig – Hersteller handeln
In den USA wird von Behördenseite ebenfalls Unbedenklichkeit proklamiert. Doch trotz dass das FDA und der American Chemical Council (vertritt die Chemische Industrie) in den vergangenen Tagen wiederholt bekundeten, dass Bisphenol A sicher sei (6), haben nun die größten Hersteller von Babyflaschen in den USA in der ersten Märzwoche den endgültigen Beschluss verkündet, keine BPA-haltigen Babyfläschchen mehr zu verkaufen. (1)

Babyflaschen aus Polycarbonat waren in den vergangenen Jahren sehr populär geworden, weil das Material bruchfest und leichter als Glas ist. Zunehmend waren jedoch Bedenken durch Wissenschaftler, Verbraucherorganisationen und Konsumenten an die Hersteller herangetragen worden, was diese nun letztendlich zum Handeln zwang.

Völliger Sinneswandel und der Entschluss, den Verkauf BPA-haltiger Babyflaschen zu stoppen, trat ein, nachdem der Generalstaatsanwalt von Connecticut, Richard Blumenthal, zusammen mit Generalstaatsanwälten aus Connecticut, Delaware und New Jersey elf Hersteller von Babyflaschen anschrieben und um freiwilligen Verzicht auf die in Verruf geratene Chemikalie BPA in ihrer Produktion baten.

In USA und Kanada ade, in Europa weiterhin „Herzlich Willkommen“?
In Kanada steht Bisphenol A schon seit Oktober 2008 auf der Liste für toxische Substanzen. (8,9) Seit Mitte 2008 sind dort der Verkauf, die Herstellung und der Vertrieb von Babyflaschen aus Polycarbonat, die BPA enthalten, verboten.

Jetzt stehen BPA-haltige Babyflaschen seit vergangener Woche bei den sechs größten amerikanischen Herstellern auf der Liste für auslaufende Produkte.

Die Sprecherin des größten Babyflaschenherstellers, Phillips Avent, sagte öffentlich, dass dieser Entschluss gefasst wurde, weil man BPA nicht mehr verwenden wolle. Ein weiterer Hauptgrund sei auch gewesen, dass die größten U.S. Discounter für Baby- und Kinderartikel Druck ausgeübt und die Abnahme ihrer Produkte eingestellt hätten.

Die Phillips Avent Sprecherin gab in ihrem Statement abschließend bekannt, dass der Konzern BPA-haltige Produkte nach der Deadline 31. Dezember 2009 in Europa weiterhin verkaufen werde. (1)

Giftige Babyflaschen? „Nein Danke“
Europäische Verbraucherorganisationen sind nun aufgerufen, gegen eine Verklappung von gesundheitsschädlichen Bisphenol A-haltigen Babyflaschen auf dem Europäischen Markt zu protestieren.

Wie in den USA bewiesen, können Verbraucher mithelfen, die Hersteller durch rigorosen Kaufverzicht toxischer Babyflaschen unter Handlungszwang setzen, hierdurch könnte ein eindeutiges Signal gesetzt werden, dass die Gesundheit von Babys und Kindern grundsätzlich vor Marktinteressen zu stellen sind.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 9. März 2009

Literatur:

  1. Washington Post, No BPA for Baby Bottles in the U.S., March 6. 2009
  2. Silvia K. Müller, Mikrowelle löst die gefährliche Chemikalie Bisphenol-A aus Plastik, CSN Blog 25.11.2008
  3. Iain A. Lang, PhD; Tamara S. Galloway, PhD; Alan Scarlett, PhD; William E. Henley, PhD; Michael Depledge, PhD, DSc; Robert B. Wallace, MD; David Melzer, MB, PhD, Association of Urinary Bisphenol A Concentration With Medical Disorders and Laboratory Abnormalities in Adults, JAMA. 2008; 300(11):1303-1310, September 16, 2008
  4. BfR, Ausgewählte Fragen und Antworten zu Bisphenol A in Babyfläschchen, Aktualisierte FAQ vom 29. Januar 2007
  5. BfR, Why has bisphenol A not been banned? 6.6.2008
  6. Deutscher Bundestag, hib-Meldung 312/2008, Behörden sehen kaum Risiken durch Bis-Phenol-A, 12.11.2008
  7. Manufacturing News, FDA: Baby Bottles With Bisphenol A Are Safe, June 11, 2008
  8. Health Canada, Government of Canada Protects Families With Bisphenol A Regulations, Press Release, 17. Oct. 2008
  9. Die Welt, Bisphenol A – Kanada verbietet giftige Babyflaschen, 1. Mai 2008

Weitere CSN Artikel zur Thematik Bisphenol A

Mindestens 84% der Limonaden und Cola in Dosen mit Bisphenol A belastet

Bisphenol A in Limonaden

Limonaden und Cola in Dosen mit Bisphenol A belastet

Die kanadische Gesundheitsbehörde Health Canada hat gängige Limonaden, Cola’s und Energiedrinks analysieren lassen und stellte fest, dass mindestens 84% der Getränke in Dosen mit der im Körper Östrogen imitierenden Chemikalie Bisphenol A belastet sind. In 69 von 72 Getränkedosen wurde der Nachweis erbracht.

Bisphenol A – in einigen Bereichen bereits verboten
Bisphenol A (BPA) wurde bereits in Babyflaschen, Wasserflaschen und Getränkebecher aus Polycarbonat gefunden und führte in Kanada und Kalifornien zu deren Verbot. Jetzt untersuchte ein Labor für die kanadische Gesundheitsbehörde Getränkedosen und fand die stark in Verruf stehende Chemikalie BPA in signifikanter Dosis in den beliebten Dosengetränken. Bisher hatte noch niemand nach dieser Chemikalie in Limonaden gesucht. Die Innenbeschichtung der Getränkedosen ist mit der Chemikalie BPA beschichtet, um den Kontakt des Getränks mit dem Metall der Dose zu verhindern, weil vor allem säurehaltige Getränke das Metall angreifen können.

Limonaden in Dosen fast alle belastet
Health Canada ließ von einem Speziallabor 72 verschiedene Getränke in Dosen analysieren. Außer vier Getränken, Ice Tea’s, waren alle anderen Getränke kohlensäurehaltig. Die ausgewählten Limonaden, Cola, Energiedrinks, Fruchtsaftgetränke deckten etwa 84% der Vielfalt des kanadischen Marktes ab, um einen objektiven Überblick zu erlangen. Außer in zwei Tonic Water und einem Energiedrink war in allen Getränke in Dosen Bisphenol A nachweisbar.

Am höchsten waren Energiedrinks mit Bisphenol A belastet. Sie werden vor allem von Jugendlichen gerne getrunken. Auch viele Erwachsene lieben den munter machenden Kick der Energiedrinks.

Viele Faktoren haben einen ausschlaggebenden Einfluss
Health Canada prangerte bewusst keine Marken an, weil die Konzentrationen in einem Getränk durch verschiedene Faktoren stark variieren können. Sie ist u.a. starken Schwankungen durch die Art der Sterilisation der Getränkedosen und die dabei entstehende Temperatur abhängig und natürlich auch durch den Transport und die Lagerung. Wenn hierbei bestimmte Temperaturen überschritten werden, ist eine höhere Freisetzung von BPA in das Getränk zu erwarten. Eine Getränkedose, die in einem Kiosk in heißer Sonne stand, wird höhere Werte aufweisen, als eine Dose, die gekühlt in einem Laden stand.

Gesundheitsgefahr durch Getränke in Dosen?
Health Canada und die Getränkeindustrie spielen die Untersuchungsergebnisse bisher herunter. Die BPA Konzentrationen in den Getränken seien relativ gering und lägen unter Grenzwert. Ein Vertreter der Getränkeindustrie interpretierte das Untersuchungsergebnis sogar als Bestätigung für die Sicherheit der Verpackungen für Getränke.

Geringe Dosis BPA bereits bedenklich
Unabhängige Wissenschaftler und Umweltorganisationen hingegen warnen schon lange vor den Auswirkungen von Bisphenol A auf die Gesundheit. Für sie gibt es keine „sichere“ Dosis bei dieser Chemikalie, die in das Hormonsystem eingreift.

Natürliches Östrogen zirkuliert in sehr geringer Konzentration im menschlichen Körper, die sich im Bereich Parts per Trillion bewegt. Die Konzentration der Östrogen imitierenden Chemikalie BPA, die in einer einzigen Getränkedose enthalten sein kann, liegt ungefähr bei der Hälfte eines Parts per Billion. Dieser Wert ist somit ungefähr fünfhundertmal höher als die Konzentration des natürlichen Östrogens, das sich im menschlichen Körper befindet.

BPA kann in fast allen Nahrungsmitteln, die in Dosen oder Plastikfolie verpackt sind, nachgewiesen werden. Zu bedenken gilt, dass durch deren regelmäßigen Konsum sich die Konzentration der Chemikalie im Körper aufaddiert.

Konsument muss sich vorerst selbst schützen
Der Verbraucher ist vorerst auf sich alleine gestellt. Alternativ zu Getränken aus Dosen ist es sicherer, Limonaden, Cola und Energiedrinks nur aus Glasflaschen zu konsumieren, bis unschädliche Beschichtungen als Alternative zu Bisphenol A gefunden worden sind. Auch auf die Benutzung von Getränkebechern aus Polycarbonat, in denen die Chemikalie ebenfalls enthalten ist, sollten gesundheitsbewusste Personen gänzlich verzichten. Vor allem, wenn heiße Getränke eingefüllt werden, oder wenn der Becher durch Sonneneinstrahlung warm wird, tritt BPA aus und geht in das Getränk über. Alternativ für Polycarbonatbecher können Edelstahlbecher für den Getränkekonsum unterwegs verwendet werden.

Autor:
Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 6. März 2009

Literatur:
Health Canada, Survey of Bisphenol A in Canned Drink Products, A WHO Collaborating Centre for Food Contamination Monitoring, March, 2009

Mikrowelle löst die gefährliche Chemikalie Bisphenol-A aus Plastik

Weg mit toxischen Babyflaschen

In den USA gingen Reporter der Zeitschrift Journal Sentinel der Frage auf den Grund, ob Nahrungsmittel, die in Plastikbehältern in die Mikrowelle gestellt werden, anschließend mit Chemikalien belastet sind. Es ging ihnen um die Chemikalie Bisphenol-A (BPA), die in u.a. Hartplastikgegenständen aus Polycarbonat steckt. In Babyflaschen, Mikrowellengeschirr, Nahrungs-mittelverpackungen oder Beschichtungen von Konservendosen meist BPA enthalten. Das beauftragte Speziallabor wurde fündig. Nicht nur das, die festgestellten Werte reichen aus, Kinder gesundheitlich zu beeinträchtigen oder zu schädigen. BPA wirkt sich auf das Hormonsystem aus, erhöht das Krebsrisiko und scheint für eine Reihe anderer Erkrankungen verantwortlich. In manchen Ländern wurde bereits in Hinsicht auf Polycarbonat gehandelt, in anderen bisher nicht.

Ungeborene und Kinder besonders gefährdet
Nahezu 100% der Bevölkerung ist mit Bisphenol-A belastet. BPA wurde 1890 erstmals synthetisiert, 1930 wurde entdeckt, dass die Chemikalie als synthetisches Östrogen eingesetzt werden kann.

BPA ist dafür bekannt, dass es Entwicklungsstörungen und neurologische Schädigungen hervorruft. Auch das Risiko, an Krebs zu erkranken, wird verstärkt durch die Chemikalie, die in minimaler Dosis wirksam ist. Ungeborene, die BPA in einem bestimmten Zeitfenster der Entwicklungsphase ausgesetzt sind, können verheerende, irreparable Schäden erleiden. Fehlentwicklungen der Genitalien oder spätere Verhaltensstörungen gehen teils auf das Konto dieser Chemikalie, und selbst geringste Mengen an BPA können Zellschäden und Veränderungen der Zellen verursachen. Der Grund dafür ist, dass BPA im Körper wie ein Hormon agiert, daher braucht es nicht wie bei anderen Chemikalien eine hohe Dosis um Wirkung zu zeigen. Die Chemikalie hat die Eigenart, dass sie im Körper mit ultra-potenten Auswirkungen Östrogen nachahmt.

Zeitung scheut keinen Aufwand, um Beweis zu liefern
Journalisten des Journal Sentinel kauften Nahrung in Dosen und Aufbewahrungs-behältern, gefrorene Nahrungsmittel und Babyflaschen in einer Filiale einer großen Haushaltswarenkette. Einige der Produkte waren dafür bekannt, dass sie Bisphenol-A enthalten, weil sie durch eine entsprechende Recyclingnummer auf der Unterseite gekennzeichnet sind. Die Journalisten besorgten jedoch auch Produkte, von denen es bisher unklar war, wie beispielsweise Behälter zum Einfrieren von Nahrungsmitteln.

Tests zur Feststellung von Bisphenol-A sind ein kostspieliges Unterfangen. Die Journalisten kauften daher nur eine begrenzte Anzahl von Produkten zur Einsendung in ein Speziallabor im Bundesstaat Columbia. Das beauftragte Labor wird von Frederick vom Saal geleitet, der als Wissenschaftler an der University of Missouri tätig ist. Das Labor ist eines der wenigen, die bereits in der Vergangenheit Bisphenol-A untersuchten.

Unter den analysierten Produkten waren Babyflaschen aus Polycarbonat, Babynahrung, Desserts und Fertignahrung. Vom Saal’s Labor hatte bereits einige Male für die Medien Produkte auf BPA untersucht, doch bisher wurde noch kein Test durchgeführt, bei dem das Produkt hierfür in die Mikrowelle gestellt wurde.

Großer Aufwand zur Erlangung präziser Ergebnisse
Das Testprocedere für die Analyse war sehr aufwendig. Die Aufbewahrungsbehälter, Babyflaschen und Schüsselchen für Nahrung wurden zuerst mit chlorfreiem Wasser ausgewaschen. Anschießend füllte man sie mit einer Mischung aus Wasser und Alkohol. Danach wurden die Behälter für die übliche Nutzungszeit in die Mikrowelle gestellt (Aufbewahrungsbehälter 15 Minuten, Mikrowellen-Schüsselchen 4 Minuten, Babyfläschchen 1 Minute).

Die Behälter, die Nahrungsmittel enthielten, wurden vorher entleert. Um die Behälter von eventuellen Säuren etc. aus den Nahrungsmitteln zu neutralisieren, wurden sie mit Wasser und Alkohol ausgekocht und anschließend mit Wasser/Alkoholmischung eine Woche lang stehen gelassen. Nach diesem Procedere wurden die Behälter gemäß der Herstellerangaben in die Mikrowelle gestellt.

Präzise Bewertung, unterschiedliche Reaktionen
Das BPA wurde mittels High Performance Liquid Chromatography (HPLC) ermittelt. In nahezu jedem Gegenstand wurde Bisphenol-A ermittelt. Die Ergebnisse der Tests wurden von der Zeitung an drei unabhängige Wissenschaftler in den USA und Spanien zu präziser Bewertung weitergegeben. Gleichzeitig bekamen die Herstellerfirmen der Produkte die Ergebnisse zur Stellungnahme übersandt. Diese äußerten unterschiedlich, manche versuchten zu bagatellisieren, andere Hersteller hingehen versprachen, sofort nach Alternativen zu suchen.

Schädliche Chemikalie oder keine Gefahr?
Die Zeitung errechnete Schätzwerte, wie viel Bisphenol-A ein Kind aufnimmt, das jeden Tag aus solchen Nahrungsmittelbehältern isst. Hierzu wurden staatlich festgelegte Tabellen über Ernährungsweise und Durchschnittsgewicht von Kindern zur Hilfe genommen. Nachdem alle Werte auf präzise Weise für Kinder verschiedener Altergruppen und unterschiedlichen Gewichtsklassen errechnet waren, wurden die Ergebnisse von den drei Wissenschaftlern überprüft. Im Anschluss darauf forschte die Zeitung nach wissenschaftlichen Tierversuchsstudien um festzustellen, ob die ermittelten Werte schädlich seien. Man fand 21 peer-revied Studien, von denen 17 anzeigten, dass die ermittelten BPA-Werte schädlich seien.

Die Industrie hingegen stritt durch ihren Sprecher, den American Chemistry Council, die Gefährlichkeit und die Untersuchungsergebnisse ab. Man ließ verlauten, dass man Rückschlüsse auf die Produktsicherheit nicht einfach von dieser Studie ableiten könne oder überhaupt durch die wissenschaftliche Forschung.

Der Toxikologe Frederick vom Saal führte an, welchen Einfluss Geldgeber auf Studienergebnisse sein Meinung nach haben: Von 163 Studien, die bis Ende 2006 veröffentlich wurden, wiesen 138 von 152 öffentlich finanzierten Studien auf Gesundheitsschäden durch die Chemikalie hin. Die restlichen Studien waren von der Industrie finanziert und fanden keine negativen Wirkungen von BPA.

Handlungsbedarf – nicht in jedem Land
Der Deutsche Bundestag gab am 12. November eine Mitteilung heraus, dass nationale und europäische Einrichtungen kaum Risiken durch den Kunststoffbestandteil Bisphenol-A sähen, der zum Beispiel in Behältern für Kleinstkindernahrung enthalten sei. Weiterhin erklärte die Regierung, dass nicht davon auszugehen sei, dass Bisphenol-A im menschlichen Körper akkumuliere.

Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) lässt in einer Meldung auf seiner Webseite verlauten, dass es nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Kenntnisstand nicht für erforderlich hält, auf Babyfläschchen aus Polycarbonat zu verzichten. Eltern, die trotzdem verunsichert seien, hätten aber die Möglichkeit, auf Trinkflaschen aus Glas auszuweichen.

Kanada hingegen ist das erste Land, in dem seit Mitte 2008 Herstellung, Import und der Verkauf von Babyflaschen aus Polycarbonat wegen ihres bedenklichen Bisphenol-A Gehaltes verboten sind. Die Chemikalie wurde außerdem auf die Liste der toxischen Substanzen gesetzt.

Weitere neue Fakten sprechen gegen Bisphenol-A
In der renommierten medizinischen Fachzeitschrift JAMA veröffentlichten Wissenschaftler im September 2008, dass höhere Konzentrationen von Bisphenol-A im Urin in Zusammenhang mit Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen und Abweichungen von Leberenzymen stünden.

Die nächste erschütternde Nachricht kam von Wissenschaftler, die festgestellt hatten, dass der Weichmacher die Wirkung von Chemotherapie beeinflusst.

Der Wissenschaftler Frederik vom Saal, University Missouri gab zum Thema Polycarbonat und Bisphenol-A gegenüber der Presse bekannt, dass es etwas wie „mikrowellensicheren Kunststoff“ nicht gäbe. Um dem Risiko von BPA aus dem Weg zu gehen, gibt es nur eine Möglichkeit – Verzicht.

Die Prägung „geeignet für die Mikrowelle“ ist auf Tausenden von Produkten aus Polycarbonat zu finden.

Bisphenol-A Aufnahme über die Nahrung kann man vermeiden:

  • Keine Plastikgegenstände in der Mikrowelle erwärmen
  • Keine Nahrungsmittel in Plastikbehältern in der Mikrowelle aufwärmen
  • Falls Gegenstände aus Hartplastik benutzt werden, diese nicht mit warmen  Flüssigkeiten oder Speisen befüllen
  • möglichst keine Dosennahrung verwenden (BPA-haltige Innenbeschichtung)
  • keine Plastikgegenstände in der Spülmaschine reinigen
  • Alternativen zu Plastikbehältern suchen, z.B. in Glas aufbewahren
  • Nahrungsmittel in Glas oder Porzellan in der Mikrowelle erwärmen

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 24. November 2008

Literatur:

Sentinel, BPA leaches from safe products, 15.11.2008