Der Krankheitsbegriff MCS und das darin störende C für Chemikalien

Das C im Krankheitsbegriff MCS stresst so manchen

Wissenschaftliche Studien beweisen, dass MCS durch folgende Chemikalien ausgelöst wird:

Organophosphate (OP) und Carbamate, Lösemittel (VOC), Pyrethroide, Chlodane, Lindan, Dieldrin, Aldrin, Kohlenmonoxid, Schwefelwasserstoff und Quecksilber. Pall zitiert in seinem Buch von 2007 vierundzwanzig solcher Studien und Claudia Miller zitiert weitere zwölf Studien. Im neuen Pall-Paper von 2009 werden sogar noch weitere Studien aufgeführt.

UBA: in einer nano-Sendung zu MCS sagt ein Vertreter des UBA, das „C“ habe sich „nicht erwiesen“. Diese Aussage ist nicht kommentierbar. Allerdings muss doch gefragt werden, wie weit man sich international noch blamieren will.

MCS und die Biochemie

Die, die immer schon alles im Voraus wissen, haben eingewandt, dass so viele so unterschiedliche Substanzen mit so unterschiedlichen Wirkweisen nicht das gleiche Krankheitsbild erzeugen könnten. Dies sei unplausibel.

Pall hat jedoch genau das biochemisch nachgewiesen: alle diese Substanzen erzeugen – eigentlich als Nebenwirkung – eine Aktivierung des NMDA-Rezeptors und zwar auf verschiedenen Wegen. Dieser ist nun in der Lage, die NO-Produktion zu erhöhen. Das führt im Weiteren zur Erhöhung der Peroxinitrite (ONOO-). Ab einer bestimmten Schwelle entwickelt sich dies zum Selbstläufer. Es entwickelt sich der NO/ONOO-Zyklus, der nicht zurückgeht.

Chronifizierung erfolgt zwangsläufig

Das ist die Erklärung für die Chronifizierung aller Multisystemerkrankungen (CFS, FM, …). Die Spezialität von MCS ist der Einstieg über den NMDA-Rezeptor. Von dort aus die Symptome zu erklären, ist vergleichsweise leicht:

der NO/ONOO-Zyklus setzt systemische Entzündungsprozesse in Gang. Sie nehmen den Zellen die Energie (Mitochondriopathie). Diese reagieren dann auch auf den geringsten Stress.

MCS ist wissenschaftlich nachvollziehbar

MCS und die anderen MSE-Erkankungen müssen demzufolge auch wissenschaftlich als ausreichend aufgeklärt gelten. Darüber wissen wir mehr, als über M. Parkinson, M. Alzheimer oder MS.

Diejenigen, die immer wieder betonen, sie hätten keine wissenschaftlich erhärteten Ergebnisse in Sachen MCS gefunden, darf man ruhig glauben. Wer im dunklen Keller mit verbundenen Augen Kohlen sortiert, wird nie seine Liebe zur Astronomie entdecken. Diese Leute wird es immer geben. Es ist eher zu fragen, was von einer Nation zu halten ist, in der systematisches Dummstellen zu Ruhm und Ehren führt, ja dieses sogar als wissenschaftliche Forschung honoriert wird.

Thema im nächsten Blog: MCS und Gene

Autor: Dr. Tino Merz, CSN- Chemical Sensitivity Network, 28. September 2009

Weiterführende Informationen:

6 Kommentare zu “Der Krankheitsbegriff MCS und das darin störende C für Chemikalien”

  1. Schaufti 30. September 2009 um 11:37

    Danke Herr Dr. Merz,

    sie treffen den Nagel auf den Kopf.
    Es muss endlich ein Wachrütteln in Deutschland beginnen.
    Es kann einfach nicht sein, dass wissentschaftliche Studien aus anderen Ländern ignoriert werden, nur weil die Ergebnisse zeigen, dass MCS und die anderen MSE-Erkrankungen körperliche Erkrankungen sind.
    Der Öffentlichkeit muss klar werden, dass sie für Dumm verkauft wird.
    Deutschland ist eigentlich für gute Wissenschaft bekannt und auf diesem Ruhm ruhen sich nun die Umweltmediziner der Universitäten aus und vertuschen so, dass sie nicht mehr die Klasse haben, die ihnen nachgesagt wird.
    Man kann nur hoffen, dass sich das bald ändert und dass wissenschaftliche Studien anderer Länder nicht mehr ignoriert werden.

    Nochmals Danke,
    Schnaufti

  2. Gerhard Becker 30. September 2009 um 21:21

    Auch ich möchte mich bei Ihnen bedanken,Herr Dr. Merz, für Ihre fundierten Aussagen und Zusammenstellungen von erwiesen Fakten. Das Dummstellen von angeblichen Forschern ist eine Schande für Deutschland zum Leidwesen der Betroffenen.

    Gerhard

  3. Juliane 30. September 2009 um 22:49

    Zitat

    „UBA: in einer nano-Sendung zu MCS sagt ein Vertreter des UBA, das “C” habe sich “nicht erwiesen”.“

    Nun, lieber Herr Dr. Merz, im UBA klappt es wohl nicht so recht mit der Kommunikation.

    Schaun Sie mal, was ein UBA Mitarbeiter vor einem Jahr schrieb:

    Menschen, Chemie, Umwelt
    15.08.2008: Die giftige Seite des fossilen Zeitalters

    Die Beobachtungen und Ergebnisse der Umweltmedizin stoßen nicht überall auf Begeisterung. Arbeits- oder Allgemeinmediziner waren es oft, die Fälle schleichender Vergiftungen entdeckten und sehr zum Missvergnügen der Verursacher publik machten. Die Umweltmedizin ist daher eine Disziplin, bei der sehr unterschiedliche Positionen und interessengebundene Sichtweisen aufeinanderstoßen. Es ist daher nicht erstaunlich, dass die Umweltmedizin nicht zu den Fachgebieten gehört, die sich großzügiger finanzieller Förderung erfreuen können, obwohl die Kosten zur Behandlung von Krankheiten mit unbekannter Ursache immens sind und ständig steigen. Ein Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages zum Thema „Umwelt und Gesundheit“ zählt zu den aktuellen und drängenden Wissens- und Forschungsfragen vor allem die Aufklärung der multiplen Chemikaliensensitivität (Multiple-Chemical-Sensitivity, MCS).7

    Unter diesen Umständen haben in der Umweltmedizin wesentliche Beiträge Außenseiter erarbeitet. Ein Beispiel ist Karl-Rainer Fabig, ein in Hamburg praktizierender Allgemeinmediziner. Er war früh auf Parallelen zwischen den Symptomen gestoßen, die einerseits bei Arbeitern auftraten, die bei der Firma Boehringer mit dioxinhaltigen chlororganischen Produkten und Abfällen in Berührung gekommen waren, und die andererseits in Vietnam bei Betroffenen der amerikanischen Sprühaktionen mit „Agent Orange“ beobachtet wurden. Diese Kenntnisse ließen ihn als Gutachter im „Holzschutzmittel-Fall“ auftreten. Die in diesem Prozess relevante Beobachtung, dass in einer Gruppe von Personen, die giftigen Chemikalien ausgesetzt ist, gleiche Belastungen nicht durchweg zu gleichen Symptomen führen, machte ihn auf die Bedeutung (unterschiedlicher) individueller Empfindlichkeiten für (gleiche) toxische Substanzen aufmerksam. Solche unterschiedlichen Empfindlichkeiten sind vor allem für das Verständnis der multiplen Chemikaliensensitivität (MCS) wichtig. Seine ärztlichen Erfahrungen führten Fabig zu der Annahme, dass die Empfindlichkeiten von Menschen gegenüber chemischen Substanzen vor allem durch die unterschiedliche Entgiftungskapazität mittels bestimmter Enzyme bedingt seien. Er untersuchte dazu die genetische Disposition von etwa 600 Patienten mit unterschiedlichen Sensibilitäten gegenüber Alltags-Chemikalien wie Lösemitteldämpfen, Desinfektionsmitteln oder Weichmachern etc. Fehlten die Gene, die für die Ausprägung von drei an der Entgiftung beteiligten Enzymen verantwortlich sind, war die Sensibilität am größten. Fabig zog daraus den Schluss, dass die in Jahrmillionen bewährte Vielgestaltigkeit des für die Entgiftung zuständigen Fremdstoffwechsels bei immer mehr Menschen – und anderen Lebewesen – mit der zunehmenden Chemisierung der Umwelt nicht mehr verträglich ist

    Dr. Karl Otto Henseling ist tätig als Wissenschaftlicher Oberrat im Umweltbundesamt.

    http://www.bdwi.de/forum/archiv/archiv/1663118.html

    Also man kennt das „C“ durchaus.

    Vielleicht brauchen die Experten im UBA mal ein Kommunikationstraining.

  4. Eike 1. Oktober 2009 um 15:32

    Auch ich möchte mich bei Herrn Dr. Merz recht herzlich für seinen weiteren aufklärenden, wachrüttelnden und uns „Chemikalien- Erkrankte“ unterstützenden Beitrag bedanken.

    Anbei ein kurzes Autorenporträt zu „Karl O. Henseling“

    Dr. Karl Otto Henseling ist Wissenschaftlicher Oberrat im Umweltbundesamt.
    Er war von 1975 bis 1991 in der Curriculumentwicklung und Lehrerfortbildung tätig und hat in dieser Zeit zahlreiche Beiträge zur Umweltbildung erstellt.
    Von 1992 bis 1994 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ des Deutschen Bundestages.
    Seit 1994 ist er im Umweltbundesamt tätig. Seine Arbeitsschwerpunkte dort sind Stoffstromanalysen und -management, Ressourcenschutz und Nachhaltige Entwicklung.

  5. Analytiker 1. Oktober 2009 um 19:17

    Dr. Merz,

    besten Dank für Ihr Engagement, mit dem Sie aufzeigen, wie es in Deutschland um die Handhabe von MCS bestellt ist. Mit Ihrer Unterstützung leisten Sie einen enormen Beitrag, dass dem Übel hoffentlich recht bald ein Ende beschert wird. Chemikalien Sensitivität ist kein Pappenstiel sondern Überlebenskampf für viele Betroffene.

    Schade dass nicht mehr Menschen ihres Kalibers den Mut haben, sich für uns einzusetzen.

    Ihr neustes Werk ist wunderbar gelungen und verdeutlicht unverblümt, wie es in Deutschland um MCS abläuft.

    Danke dafür wie sie die Fakten um MCS und dem Wörtchen „Chemie“ in der Krankheitsbezeichnung, das für die Handhabe in Deutschland verantwortlich ist, auf den Tisch bringen.

  6. Dr. Tino Merz 2. Oktober 2009 um 18:19

    Zu diesen Kommentaren zwei Hinweise:
    Die bisherigen drei Blogs sollen im Zusammenhang gesehen bzw. gelesen werden.
    Das Wesentliche ist, dass von gewissen Personen und Interessengruppen gezielt darauf hingearbeitet wird, dass der wissenschaftliche Erkenntnisstand die Gesellschaft, insbesondere die Rechtsprechung nicht erreicht.
    In der Folge ist es dann wirklich so, dass die deutschen medizinischen Disziplinen und die deutsche Forschung den Stand nicht kennen und glauben, das Gebiet sei neu.

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