Exklusiv Interview Prof. Dr. Rapp über Kinder mit Umweltkrankheiten

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Interview Silvia K. Müller im Gespräch mit Professor Dr. Doris Rapp 

Prof. Dr. Doris Rapp gehört zu den bekanntesten Umweltmedizinern weltweit. Sie leitete eine Klinik für Kindermedizin in Buffalo und behandelte in ihrem Berufsleben Tausende von Kindern und Jugendlichen. Viele kennen die noch immer hochaktive amerikanische Wissenschaftlerin von internationalen Kongressen, Fernsehbeiträgen oder durch ihre Bücher, die z. T. New York Times Bestseller waren und in vielen Sprachen erschienen. Für Menschen aus aller Welt waren und sind die Bücher von Prof. Rapp ein erster erfolgreicher Einstieg, um ihre Krankheit besser zu verstehen und um endlich Wege zu finden, ihren Gesundheitszustand zu verbessern. 

SKM: Professor Rapp, Sie haben viele Jahrzehnte Erfahrung mit Kindern, die unter schweren Allergien oder Chemikaliensensibilität leiden, die allergisch auf ihre Nahrung oder ihre Umwelt reagieren. Wie viele Kinder haben Sie diagnostiziert und behandelt?
 
Doris Rapp: Viele Tausende aus allen Staaten in den USA und sogar Kinder aus Europa waren dabei. Sie kamen zu mir in die Klinik von überall her. Wir haben sie ausgetestet und dann individuell behandelt. Von fast allen diesen Kindern haben wir Videodokumentationen vom gesamten Verlauf erstellt. Wir haben die Kinder ausgetestet, auf was sie reagieren, und dabei gefilmt. Dadurch haben wir sichtbar gemacht, dass es Kinder gibt, die auf Nahrungsmittel oder Chemikalien reagieren.
 
SKM: Welche Beschwerden hatten diese Kinder, auf was und wie reagierten sie?
 
DR: Man kann auf alles Mögliche reagieren. Von Nahrungsmitteln angefangen bis zu Chemikalien. Es gab Kinder, die extrem auf Schimmel reagierten, weil sie in einem Haus mit Schimmel wohnten. Bei manchen waren es nur zwei, drei Nahrungsmittel, andere reagierten auf Nahrungsmittel, Pollen, Chemikalien und auf ihre Haustiere. Man muss es herausfinden, das ist bei jedem Kind verschieden.
 
Viele Kinder haben schwere Kopfschmerzen, sind total erschöpft. Sie schaffen es kaum noch, in die Schule zu gehen. Ständige Infekte waren oft Anlass, dass die Eltern mit ihren Kindern zu uns kamen.
 
Muskelschmerzen und Atemwegsbeschwerden sind sehr häufig. Sehstörungen, Tinnitus, Hörstörungen, Epilepsie, Krämpfe und Herzbeschwerden haben wir ebenfalls oft erlebt bei den Kindern. Ja, und dann natürlich hyperaktive Kinder oder solche, die depressiv oder extrem aggressiv wurden, wenn sie mit etwas in Kontakt kamen oder ein bestimmtes Nahrungsmittel gegessen hatten. Kinder, die zur Schule gingen und noch ins Bett machten, weil sie auf bestimmte Nahrungsmittel reagierten. Es gibt sehr viele Auswirkungen, und bei jedem sind sie unterschiedlich.
 
SKM: Haben Sie auch Kinder gesehen, die durch ihre Schule krank wurden?
 
DR: Oh ja, das kommt recht häufig vor. Ich habe viele gesehen, die durch ihre Schule krank wurden, manche sehr krank, so dass sie zuhause bleiben mussten deswegen.
 
SKM: Gibt es Beweise, dass solche Kinder tatsächlich durch ihre Schule krank wurden?
 
DR: Selbstverständlich. Das Anderson Labor hat dies sogar mit Videos dokumentiert. Jeder kann sie dort bestellen und selbst anschauen. Nicht nur die Kinder reagierten beispielsweise auf den giftigen Schulteppichboden, sondern auch die Lehrer und Labormäuse, die man den gleichen Emissionen aussetzte. Das dürfte Beweis genug sein.
 
SKM: Wie viele Kinder haben Sie ungefähr gesehen, die durch ihre Schule krank wurden? Waren es viele?
 
DR: Es ist schwer, dass ganz genau zu beantworten. Ich schätze, dass waren mindestens 30% und aus manchen Gegenden, in denen Ritalin häufig verabreicht wird, da waren es viel mehr, manchmal bis zu 70%. Manche Kinder reagierten auch nicht auf ihre Schule, sondern auf den Schulbus, mit dem sie fuhren, auf die Dieselabgase an der Haltestelle oder im Bus.
 
SKM: Durch was wurden die Kinder, die Sie gesehen haben, krank an ihren Schulen?
 
DR: Schimmel, belasteter Staub, Chemikalien, aber auch Nahrungsmittel, die sie dort gegessen haben und worauf sie allergisch reagierten.
 
SKM: Wie kann man herausfinden, auf was ein Kind reagiert?
 
DR: Es ist eigentlich sehr leicht herauszufinden, auf was so ein Kind reagiert. Jeder kann es, indem er meine „Big Five“ anwendet. Man muss herausbekommen, wo und wann es jemand plötzlich schlecht geht oder sich jemand plötzlich völlig auffällig verhält. Ist es innen oder draußen passiert? Kam es durch eine Chemikalie oder durch ein Nahrungsmittel? Durch die „Big Five“ bekommt man es heraus.
 
SKM: Was genau sind die „Big Five„, Professor Rapp? Können wir sie auch lernen?
 
DR: Ja sicher, jeder kann die „Big Five“ im Nu erlernen, es sind fünf Fragen:
1.      Wie sieht die Person aus?
2.      Wie fühlt sie sich?
3.      Wie sieht die Handschrift aus?
4.      Wie ist der Puls?
5.      Wie ist die Atmung?
 


Vergleichen Sie die „Big Five“ vor und 10-60 Minuten nach 
SKM: Was können die Leute noch tun, um herauszufinden, was mit ihnen los ist, und ganz wichtig, was empfehlen Sie, damit es den Betroffenen besser geht?
 
DR: Finden und beseitigen der Ursache und dann in Folge Vermeiden dieser Auslöser, das ist meine beste Idee, und das Allerbeste daran ist, man braucht keine Medikamente dazu.
 
Tausenden kann geholfen werden, indem sie eine Woche eine ganz strikte Diät essen ohne die Nahrungsmittel, auf die sie reagieren. Genauso schnell kann vielen mit einem Luftfilter geholfen werden. Ich erinnere mich, dass ich bei Dr. Runow in Deutschland einen besonders guten Luftfilter sah. Es ertönte ein Warnton, wenn Chemikalien im Raum waren. Das hat mir sehr gut gefallen. Solche Luftfilter eliminieren Pollen, Schimmel, Staub und Chemikalien. Wer auf Nahrung und auf Allergene in der Luft und Chemikalien reagiert, sollte beides ausprobieren. Viele staunen, wie schnell es ihnen besser geht. Dann müssen sie lernen, mit ihrer Krankheit umzugehen und Auslöser vermeiden. Auf diese Weise wird eine kranke Person wieder stabiler und kann fast normal leben. Ist ein Kind bereits schwer erkrankt, empfiehlt es sich, eine Umweltklinik aufzusuchen und dort eine Behandlung durchzuführen. Kinder haben gegenüber Erwachsenen den Vorteil, dass ihr Körper schneller auf Therapien anspricht, und wenn konsequent nach den Vorgaben der Ärzte gelebt wird, kann sehr schnell Erfolg erzielt werden.
 
SKM: Herzlichen Dank für das interessante Interview, Professor Rapp. Wir wünschen Ihnen alles Gute, viel Gesundheit und weiterhin viel Kraft, um Ihre wichtige Arbeit fortsetzen zu können und freuen uns auf den nächsten Kongress, auf dem Sie sprechen werden.

  •  Essen oder Trinken
  • Aufenthalt im Außenbereich versus Aufenthalt im Innenraum, checken Sie jeden Raum oder Bereich
  • Chemikalienexposition (vergleichen Sie hierbei nach 1-5 Minuten, nicht erst nach 10-60 Minuten)
  • Einnahme von Medikamenten
  • Einnahme eines Immunsystemmodulators
  • Anwendung von desensibilisierenden Allergieextrakten 

Angst und Depressionen zu Leibe rücken

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Neben medikamentöser Behandlung und Psychotherapie kann es für Menschen mit Angsterkrankungen und Depressionen zusätzlich sehr hilfreich sein, ihre Ernährung entsprechend auszurichten. Eine ausgewogene Ernährung, Vermeidung von Allergenen und gezielte Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln gehören hierzu genauso, wie die Vermeidung von Nahrungsmitteln, die dafür bekannt sind, leicht Angstzustände oder Depressionen zu verursachen oder solche vortäuschen.

Nahrungsmittel können zwar keine Angsterkrankung oder Depressionen heilen, jedoch kann eine Änderung der Essgewohnheiten und Vermeidung bestimmter Nahrungsmittel bei manchen Betroffenen enorme Unterstützung bedeuten.

Viele kleine Mahlzeiten verteilt über den Tag einnehmen
Große Zwischenräume zwischen den Mahlzeiten oder Überspringen von Mahlzeiten kann zu niedrigem Blutzucker führen. Dies kann Zittern, Nervosität und Reizbarkeit auslösen. Deshalb ist es ratsam, mehr komplexe Kohlenhydrate (Stärken) und weniger einfache Kohlenhydrate (Zucker) zu konsumieren. Von kohlenhydratreichen Mahlzeiten und Snacks wird angenommen, dass sie die Menge des Botenstoffs Serotonin im Gehirn steigern, was einen beruhigenden Effekt hat. Komplexe Kohlenhydrate benötigen zusätzlich einen längeren Zeitraum zur Verstoffwechselung, was verhindert, dass der Blutzucker zu schnell fällt.

Allergene als Auslöser von Angst und Depressionen
Es wird leider noch immer viel zu selten darüber informiert, dass Nahrungsmittel nicht nur in der Lage sind körperliche Symptome auszulösen, sondern auch die Stimmung eines Allergikers beeinflussen können. Einige Allergene der „Top 10 Liste“, wie bspw. Weizen, Milch, Zucker, Eier, Schokolade, Orangen und Erdnüsse zählen hierzu, doch auch jedes andere Nahrungsmittel oder eine Histaminintoleranz vermag bei bestimmten Menschen eine Gehirnallergie auszulösen und kann dadurch auch zu Angstzuständen, Panikattacken, Depressionen bis hinzu Suizidgedanken führen. Eine Weglassdiät führt bei diesen Menschen nicht selten zu drastischer Verbesserung und in manchen Fällen sogar zu Symptomfreiheit.

Serotonin in der Nahrung gegen Angst
Nahrungsmittel in den Speiseplan aufzunehmen, die Tryptophan enthalten, ist sehr hilfreich. Die Aminosäure Tryptophan wird in unserem Körper in Serotonin umgewandelt und wirkt dadurch Angst und Depressionen entgegen. Tryptophan ist besonders in Milch, Bananen, Geflügel, Soja, Nüssen, Sesam, Käse, Erdnussbutter und Hafer enthalten. Bei Aufnahme dieser Nahrungsmittel in den Speiseplan muss man jedoch unbedingt auf  Allergien achten, um eventuelle allergische körperliche Reaktionen oder Gehirnallergien zu vermeiden.

Wasser – Trinken, Trinken, Trinken
Sehr wichtig ist es für Angstpatienten, immer für ausreichend Flüssigkeitszufuhr zu sorgen. Selbst leichte Dehydrierung kann die Gemütsverfassung beeinträchtigen und Ängste verstärken oder hervorrufen. Es kommt jedoch sehr auf das richtige Getränk an. Alkohol beispielsweise hat zwar einen sehr raschen beruhigenden Effekt für die meisten Menschen, aber er kann, sobald er im Körper verstoffwechselt wird, angstartige Symptome hervorrufen. Kaffee kann Angst, Panikattacken und Depressionen auslösen. Das darin enthaltene Koffein ist ein Stimulans, das einen zittrig und nervös werden lassen kann. Außerdem ist Koffein in der Lage, den Schlaf zu beeinflussen. Es ist stattdessen ratsam, möglichst viel gutes Wasser aus Glasflaschen oder gefiltertes Wasser, sowie Obst- und Gemüsesäfte zu sich zu nehmen.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network

Literatur:

Mayo Klinik, Coping with anxiety disorder can be difficult, May 7, 2007Jahng.

JW, Kim JG, Kim HJ, Kim BT, Kang DW, Lee JH., Chronic food restriction in young rats results in depression- and anxiety-like behaviors with decreased expression of serotonin reuptake transporter, Brain Res. 2007 May 30;1150:100-7

Patrick Holford, Optimale Ernährung für die Psyche, Veda Nutria, 2003Nardi AE, et al. Caffeine Challenge Induced Panic Attacks in Patients with Panic Disorder, Compr Psychiatry. 2007;48:257-263

Anmerkung:

Informationen in diesem Artikel dienen nicht als Aufforderung zur Selbstbehandlung. Jede Therapie, Einnahme von Nährstoffen oder spezielle Diäten sollten immer mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden.

Farbstoffe rauben die Intelligenz von Kindern

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Hunderte von Nahrungsmitteln werden in nicht allzu ferner Zukunft eine neue Zutatenliste auf der Packung aufweisen. Der Grund ist eine im Lancet veröffentliche englische Studie, die aufdeckte, dass einige häufig verwendete Farb- und Konservierungsstoffe für das Gehirn von Kindern genauso schädlich sein können, wie früher das Blei aus Benzin. Die englische Behörde für Nahrungsmittelsicher-heit FSA, appelliert derzeit an die die Vernunft der Nahrungsmittelindustrie, doch möglicherweise werden auch Gesetze erlassen.

Nahrungsmittel ohne Farbe sind unbeliebt

„Das Auge isst mit“, nehmen Hersteller von Nahrungsmittel zum Anlass, um Nahrungsmittel durch Farbgebung ansehnlicher und oft auch frischer aussehen zu lassen. Bonbons ohne Farbe beispielsweise werden kaum verzehrt, sie gelten als langweilig und nicht ansprechend. Künstliche Farbstoffe gehören zu den zehn häufigsten Nahrungsmittelallergenen. Künstliche, wie auch natürliche Farbstoffe können Asthma, Allergien, Hyperaktivität, Schockreaktionen und, wie eine aktuelle englische Studie belegt, auch schwere Langzeitfolgen verursachen.

Kinder werden wütend und hyperaktiv

Prof. Dr. Jim Stevenson von der University Southampton untersuchte mit seinem Team eine Gruppe von 153 Kindern im Alter von 3 Jahren und eine zweite Gruppe von 144 Kindern im Alter von 8 und 9 Jahren. Diese Kinder bekamen Getränke mit Farb- und Konservierungsstoffen (Tatrazine – E102, Sunset Yellow – E110, Natrium- benzoat E-211, Allura Red E129, Carmoisine E-122 und die Azofarbe Ponceau E124), über einen längeren Zeitraum zu trinken. Um objektive Ergebnisse zu erzielen, arbeiteten die Wissenschaftler im doppelblind Verfahren und mit Placebos. Stevenson stellte fest, dass die Kinder, die Farb- und Konservierungsmittel verabreicht bekamen, zum Teil sehr auffällig wurden. Erstaunlich war, dass Eltern, Lehrer, wie auch untersuchende Ärzte beobachteten, dass Hyperaktivität innerhalb einer Stunde nach Genuss des farbigen Getränks eintrat. Die „E-Nummern“ verursachten bei den Kindern Verwirrtheit, Hyperaktivität, Wutausbrüche, verminderte Aufmerksamkeit und, was das Schlimmste war, sie verringerten auf längere Sicht deren IQ um durchschnittlich 5,5 Punkte.

E-Nummern sind die Übeltäter, nicht die Kinder

Die in der renommierten medizinischen Fachzeitung Lancet veröffentlichte Studie offenbarte, dass alle dreijährigen Kinder, denen von den Wissenschaftlern bestimmte Farbstoffe verabreicht worden waren, signifikante schwere Auswirkungen zeigten. Auch die Gruppe der acht- bis neunjährigen Kinder reagierte signifikant und schwerwiegend auf Farbstoffe, wenn das Getränk regelmäßig konsumiert wurde.

Manche Farbstoffe machen dumm

Prof. Stevenson äußerte in einem 18-seitigen Brief gegenüber der Behörde für Nahrungsmittelsicherheit FSA, dass schnellstmöglich ein Verbot der besagten Farbstoffe erfolgen müsse, da er und sein Team festgestellt hätten, dass die Forschungsresultate bei den Kindern denen ähnelten, die Kinder in den frühen Achtzigern aufwiesen, deren Gehirn Einbussen durch bleihaltigen Kraftstoff aufwiesen. Damals wurde wissenschaftlich bestätigt, dass der IQ der Kinder sich verringerte. Als Konsequenz wurde bleihaltiges Benzin vom Markt genommen, und genau dies müsse auch im Fall der besagten Farbstoffe geschehen.

Wissenschaftler mahnen zum schnellen Handeln

Dass Farbstoffe schwerwiegende Auswirkungen haben, ist schon über zwei Jahrzehnte bekannt, und eigentlich hätte man schon viel eher handeln müssen, argumentierte Prof. Stevenson, doch nun läge die Bestätigung durch eine kontrollierte Studie mit einer repräsentativen Gruppe von Kindern vor und ließe keinen Spielraum mehr. Lediglich zum Konservierungsstoff Natriumbenzoat bat sich der Wissenschaftler weitere Forschungsmöglichkeit aus, um deren Konsequenzen für die Gesundheit umfassender untersuchen zu können. Die Industrie schaut dem mit Sorge entgegen, denn der Konservierungsstoff wird bspw. vielen Limonaden und Cola zugesetzt, und man wird so schnell keinen vergleichbaren Ersatz gegen Schimmelbildung finden. Ähnlich geht es mit anderen Produkten wie Erdbeeren in Dosen, auch hier gibt es Probleme, wenn bestimmte Zusatzstoffe wegfallen. Dies kann sogar dazu führen, dass der Verbraucher ein bestimmtes Produkt für eine Weile nicht mehr in den Regalen finden wird. Doch dass es auch ohne bedenkliche Farb- und Konservierungsstoffe geht, machen Bioanbieter schon lange vor, und daher dürfte es auch der konventionellen Nahrungsmittelindustrie auf Dauer nicht schwer fallen, Alternativen zu finden und die Regallücken wieder zu füllen – mit gesünderen Produkten.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, April 2008

Literatur:

Donna McCann, Angelina Barrett, Alison Cooper, Debbie Crumpler, Lindy Dalen, Kate Grimshaw, Elizabeth Kitchin, Kris Lok, Lucy Porteous,Emily Prince, Edmund Sonuga-Barke, John O Warner, Jim Stevenson, Food additives and hyperactive behaviour in 3-year-old and 8/9-year-old children in the community: a randomised, double-blinded, placebo-controlled trial, Lancet, September 6, 2007 DOI:10.1016/S0140-6736(07)61306-3

Umweltmedizin: Chemical Sensitivity (MCS) durch Farbstoffe in Bonbons

kind-mit-maske.jpg Nahrungsmittel ohne Farbstoffe sind in unserer heutigen Gesellschaft nahezu undenkbar. Bonbons sieht man ihren Farbstoffgehalt an, doch sie werden ganz selbstverständlich auch Wurst, genauso wie Medikamenten, oder Butter zugesetzt. Künstliche Farbstoffe gehören zu den zehn häufigsten Nahrungsmittelallergenen (1). Künstliche wie auch natürliche Farbstoffe können Asthma, Allergien, Hyperaktivität, sogar Anaphylaxis, und schwere Langzeitfolgen verursachen. Der Zusammenhang zwischen Farbstoffen und Allergien gilt als lange bekannt, ist jedoch allgemein unterdiagnostiziert (2,3). Provokationstests sind Pricktests diagnostisch überlegen (3,4,7). Bei Allergien auf Farbstoffe ist Meidung die einzig wirksame Therapie.

Japanische Wissenschaftler der Universität von Yokohama dokumentierten den Fall eines fünfjährigen Mädchens, bei dem eine schwere Chemikalien- sensitivität (MCS) und eine Medikamenten- unverträglichkeit attestiert wurde, welche durch Süßigkeiten, die mit Azofarbstoffen gefärbt waren, ausgelöst wurde (2). Das Kind musste aufgrund der MCS im weiteren Verlauf die Schule wechseln.

Farbstoffe in Nahrungsmitteln
„Das Auge isst mit“, nehmen Hersteller von Nahrungsmittel zum Anlass, um Nahrungsmittel durch Farbgebung ansehnlicher und oft auch frischer aussehen zu lassen. Die meisten Farbstoffe dienen ausschließlich der Optik. Bonbons ohne Farbe beispielsweise werden kaum verzehrt, sie gelten als langweilig und nicht ansprechend. Andere Farbstoffe werden zugesetzt, um Farbschwankungen von Nahrungsmitteln auszugleichen, die durch unterschiedliche Erntezeit bedingt sind. Ungefähr 40 Lebensmittelfarbstoffe, gewonnen aus tausenden von chemischen und natürlichen Verbindungen, sind zugelassen, sie schließen die Farbpalette fast lückenlos. Zu ihnen gehören sogar Metalle wie Aluminium, Silber und Gold, die zum Einsatz kommen, wenn nur die Oberfläche eingefärbt werden soll. Am stärksten verbreitet sind rote, gelbe, orange und schwarze Farbtöne. Blau findet sich wegen seines „Chemiecharakters“, außer bei Süßigkeiten, eher selten.

Sind Farbstoffe in Nahrungsmitteln unbedenklich?
In Nahrungs- und Genussmitteln werden natürliche, künstliche und naturidentische Farbstoffe eingesetzt. Die wenigsten Farbstoffe sind jedoch pflanzlichen Ursprungs, meistens stammen sie aus dem Chemielabor und sind synthetische Nachbildungen von in der Natur vorkommenden Substanzen oder gänzlich chemische Kreationen. Chemische Farbstoffe haben keinen guten Ruf, da sie als Allergieauslöser bekannt sind und sogar Krebs auslösen können. Den schlechtesten Ruf besitzen Azofarbstoffe, die in Nahrungsmitteln, Kosmetika und Medikamenten eingesetzt werden. Sie wurden ursprünglich aus Teer hergestellt, später dann auf Erdöl- oder Erdgasbasis und gelten als die gesundheitsschädlichste Farbstoffgruppe. Ihr Vorteil ist, dass sie hitze- und lichtunempfindlich sind, meist säurestabil und zudem sehr viel preisgünstiger als natürliche bzw. naturidentische Farbstoffe. Der gelbe Azofarbstoff Tatrazin gilt als besonders bedenklich (6, 8, 9, 17,18) wie das nachfolgende Fallbeispiel veranschaulicht. Gefährdet sind vor allem Menschen, bei denen eine Aspirinunverträglichkeit vorliegt (3,17,18).

Farbstoffe können, wie bestimmte Nahrungsmittel, versteckte Ursache für viele Beschwerden sein. Sie sind als Auslöser für Asthma, Hautreaktionen, Schwellungen, Kopfschmerzen, Hyperaktivität, ADHD, Bettnässen, Ohrenentzündung und in schweren Fällen sogar Anaphylaxis bekannt (4,7,9,10,12,17,18). Nur ein Provokationstest bringt letztendlich objektive Bestätigung (3,5,6,7,9,10). Pricktests zeigen oft keine verlässlichen Resultate.

Fallbeispiel: Azofarben – Auslöser von Chemikaliensensitivität (MCS) und schwerer Medikamentenunverträglichkeit
Welche tragischen nachhaltigen Konsequenzen bereits geringe Mengen von Farbstoffen haben, wurde  durch einen Fallbericht über ein kleines japanisches Mädchen deutlich, das durch Genuss von bunten Bonbons eine Multiple Chemical Sensitivity und Medikamentenunverträglichkeiten entwickelte. In der allergologischen Abteilung der Yokohama Universität wurde der Fall genauestens untersucht und dokumentiert (3).

Das fünfjährige Mädchen litt unter schweren wiederkehrenden Reaktionen, begleitet von Urticaria (Nesselsucht), Quincke Ödem, Atemnot, Kopfschmerzen, Verlust des Bewusstseins und Bauchschmerzen, die nicht zu bekämpfen waren. Die Beschwerden verschlimmerten sich durch verschiedene Behandlungen mit Antihistaminika und intravenös verabreichten Corticosteroiden. Der Zustand des Mädchens verschlechterte sich so weit, dass es in die Notaufnahme des Krankenhauses eingewiesen werden musste. Dort besserten sich die Symptome, bis auf Schwellungen und leichtes Fieber. Die Ärzte der Klinik ordneten daraufhin Kontrolle und Beobachtung der Ernährung zuhause an.

Das Führen eines Ernährungstagebuches deckte letztendlich auf, dass die Symptome jeweils nach dem Essen von farbigen Süßigkeiten wie Bonbons und Jellybeans (knallig bunte Zuckerdragees) auftraten. Die Ärzte der University of Yokohama brachten die Reaktionen des Mädchens daraufhin mit Azofarben in den Süßigkeiten in Zusammenhang. Die Mutter erinnerte sich, dass der erste schwere Vorfall erstmalig unmittelbar nach dem Essen von roten Bonbons (sie enthielten Tatrazin und Brillantblau) aufgetreten war.
Es wurden deshalb offene Provokationstests (mit Einwilligung der Eltern) mit Nahrungsmittelzusatzstoffen und entzündungs-hemmenden Medikamenten (NSAIDs) nach Elimination der Süßigkeiten durchgeführt. Die Tests brachten den Nachweis, dass sie auf Azofarbstoffe, Aspirin, Benzoesäure, Acetaminophen und Anästhetika reagiert. Ein Pricktest mit diesen Substanzen brachte kein Ergebnis.

Nachdem Azofarben in der Ernährung des Kindes vermieden wurden, traten die Schwellungen und das leichte Fieber nur noch sehr selten auf. Das Mädchen litt jedoch häufig unter Ausschlag, Schwindel, Kopfschmerzen, Erschöpfung, Engegefühl auf der Brust und Übelkeit, obwohl vermutete Auslöser weggelassen wurden. Die Ärzte stellten fest, dass sie mit diesen Symptomen nun auf viele chemische Gerüche wie Zigarettenrauch, Desinfektionsmittel, Ethanol, Weichspüler und Waschmittel, Lösemittel, Reinigungsmittel, Parfüm und Haarpflegemittel reagierte. Sie bekam die Diagnose schwere Multiple Chemical Sensitivity (MCS), ausgelöst durch Azofarbstoffe. Zur Stabilisierung wurden ihr Vitamine und Glutathion verabreicht. Die Aktivitäten des Mädchens wurden durch die MCS im Alltag in öffentlichen Bereichen sehr stark eingeschränkt. Weil sie Symptome in einigen Räumlichkeiten der Klinik bekam, stellten die Ärzte dort vor ihren Besuchen einen Luftfilter im Raum auf. Auch in der Schule bekam das Mädchen Beschwerden durch Schulmaterialien und Reinigungsmittel. Als die Schule den Eltern verweigerte, einen Luftfilter in der Klasse aufstellen zu dürfen, musste das Mädchen die Schule wechseln. Am Ende zogen die Eltern mit ihrem Kind aufs Land, wo es eine alte Schule besuchen konnte, in der sie symptomfrei am Unterricht teilnehmen konnte.

Autor: Silvia K. Müller, CSN, Januar, 2008

Literatur:

  1. Speer F., Food allergy: the 10 common offenders. Am Fam Physician. 1976 Feb;13(2):106-12
  2. Wilson BG, Bahna SL., Adverse reactions to food additives, Allergy and Immunology Section, Louisiana State University Health Sciences Center, Ann Allergy Asthma Immunol. 2005 Dec;95(6):499-507
  3. Naoko Inomata, Hiroyuki Osuna, Hiroyuki Fujita, Toru Ogawa and Zenro Ikezawa, Multiple chemical sensitivities following intolerance to azo dye in sweets in a 5-year-old girl. Allergology International 2006;55(2):203-205
  4. Wilson BG, Bahna SL., Adverse reactions to food additives, Allergy and Immunology Section, Louisiana State University Health Sciences Center, Ann Allergy Asthma Immunol. 2005 Dec;95(6):499-507
  5. Huijbers GB, Colen AA, Jansen JJ, Kardinaal AF, Vlieg-Boerstra BJ, Martens BP, Masking foods for food challenge: practical aspects of masking foods for a double-blind, placebo-controlled food challenge.Department of Human Nutrition, TNO Nutrition and Food Research Institute, Zeist, The Netherlands. J Am Diet Assoc. 1994 Jun;94(6):645-9
  6. Orchard DC, Varigos GA. Fixed drug eruption to tartrazine, Dermatology Department, Royal Children’s Hospital, Melbourne, Victoria, Australia. Australias J Dermatol. 1997 Nov;38(4):212
  7. Boris M, Mandel FS., Foods and additives are common causes of the attention deficit hyperactive disorder in children. Ann Allergy. 1994 May;72(5):462-8
  8. Thuvander A., Hypersensitivity to Azo coloring agents. Tartrazine in food may cause rash and asthma, Lakartidningen. 1995 Jan 25;92(4):296-8.
  9. Mikkelsen H, Larsen JC, Tarding F., Hypersensitivity reactions to food colours with special reference to the natural colour annatto extract (butter colour), Arch Toxicol Suppl. 1978;(1):141-3.
  10. Zenaidi M, Pauliat S, Chaliier P, Fratta A, Girardet JP., Allergy to food colouring. A prospective study in ten children, Tunis Med. 2005 Jul;83(7):414-8
  11. Nish WA, Whisman BA, Goetz DW, Ramirez DA., Anaphylaxis to annatto dye: a case report.Department of Medicine, Wilford Hall USAF Medical Center, Lackland AFB, Texas, Ann Allergy. 1991 Feb;66(2):129-31
  12. DiCello MC, Myc A, Baker JR Jr, Baldwin JL, Anaphylaxis after ingestion of carmine colored foods: two case reports and a review of the literature, Department of Internal Medicine, University of Michigan Medical Center, Allergy Asthma Proc. 1999 Nov-Dec;20(6):377-8
  13. Lucas CD, Hallagan JB, Taylor SL. The role of natural color additives in food allergy. International Association of Color Manufacturers, USA. Adv Food Nutr Res. 2001;43:195-216.
  14. Zenaidi M, Pauliat S, Chaliier P, Fratta A, Girardet JP., Allergy to food colouring. A prospective study in ten children, Tunis Med. 2005 Jul;83(7):414-8.
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  18. John Emsley, Was it something you ate? Oxford University Press, 2005