Qualitätsmanagement bei der Diagnostik von Fibromyalgie und MCS erforderlich

Zusammenhang zwischen Fibromyalgie und MCS durch Studien bestätigt

Patienten, die unter Fibromyalgie (FM) leiden, berichten häufig auch über Beschwerden, die außerhalb ihres Problembereichs Muskel-Skelett-System liegen. Andererseits beklagen Patienten mit Chemikalien-Sensitivität (MCS), neben ihren Reaktionen auf Chemikalien in Niedrigdosisbereich, immer wieder beeinträchtigende Schmerzen in verschiedenen Körperregionen. Fibromyalgie wird herkömmlich als ein atypisches Weichteilrheuma angesehen. Die Diagnostik erfolgt in erster Linie durch Überprüfung von 18 druckempfindlichen Körperstellen, den sogenannten Tender-points. Wissenschaftler aus Skandinavien stellten bereits vor über 10 Jahren fest, dass es eine Überschneidung zwischen MCS und Fibromyalgie gibt, die für die medizinische Diagnostik von erheblicher Relevanz ist. Eine neuere kanadische Studie von Februar 2010 bestätigte dieses Ergebnis. Die Studienautoren appellierten in einer medizinischen Fachzeitschrift für die Einführung einer adäquaten Ausbildung und Bereitstellung spezieller Informationsressourcen für Angestellte in den Gesundheits- berufen und der Öffentlichkeit, um die Prognose der Patienten zu verbessern.

Schmerzen über Schmerzen

Patienten mit Fibromyalgie oder Chemikalien-Sensitivität führen oft Schmerzen an, die sie als vergleichbar mit „Zahnweh am ganzen Körper“ beschreiben. Wissenschaftler aus Skandinavien stellten sich Ende der neunziger Jahre die Aufgabe herausfinden, ob ein Zusammenhang zwischen den beiden Krankheitsbildern besteht.

Liegt bei Fibromyalgie-Patienten auch MCS vor?

Das Ziel einer Pilotstudie bestand darin zu ermitteln, wie häufig MCS bei Fibro-myalgie-Patienten in einer universitären rheumatologischen Praxis auftritt. Hierzu setzte das Wissenschaftlerteam Fragebögen ein, mittels denen MCS festgestellt werden sollte. Ergänzend wendeten die Mediziner Kriterien aus einer damals aktuellen Studie an, durch die das immunologische Profil der Patienten mit dieser Erkrankung festgestellt werden konnte. Patienten mussten außerdem mit „Ja“ oder „Nein“, das Vorhandensein von 48 FM-bezogenen Symptomen bestätigen. (1)

Studie stellt Zusammenhang zwischen FMS und MCS fest

Das Ergebnis der Studie wurde im ersten Halbjahr 1997 in der medizinischen Fachzeitschrift „Scandinavian Journal of Rheumatology veröffentlicht. Dreiunddreißig von 60 Patienten mit Fibromyalgie erfüllten die Kriterien für MCS. Elf dieser Patienten erfüllten weitere, restriktivere Kriterien, die das Vorliegen eines „höheren Schweregrades“ einer Chemikalien-Sensitivität nachwiesen.

Bestätigung fanden die Wissenschaftler zusätzlich darin, dass die Symptome und die Auslösesubstanzen von Reaktionen, die am häufigsten von den Fibromyalgie-Patienten zitiert wurden, ähnlich denen waren, die von MCS-Patienten in anderen Studien berichtet wurden.

Ansonsten unterschieden sich Fibromyalgie-Patienten mit und ohne MCS- Symptomatik nicht von anderen FM-Patienten. Da analog der Studie bei über der Hälfte der Patienten mit Fibromyalgie ebenso eine Chemikalien-Sensitivität vorlag, schlossen die skandinavischen Wissenschaftler daraus, dass MCS durchaus ein zusätzlicher Symptomkomplex im Spektrum von Fibromyalgie darstellen kann.

Kanadische Studie bestätigt gleichzeitiges Vorliegen von MCS und FMS

Dass beide Erkrankungen gleichzeitig vorliegen können, bejahten einige wissen- schaftliche Studien in den vergangenen Jahren. Wie hoch jedoch die Wertigkeit rascher, zielgerichteter Diagnostik aufgrund der möglicherweise einschneidenden Auswirkungen von MCS und FMS auf das Leben der Erkrankten anzusehen ist, wurde durch eine Studie der Umweltklinik EHC in Toronto offenkundig.

Die kanadischen Wissenschaftler untersuchten ein Patientenkollektiv von 128 Patienten auf das Vorliegen von MCS, CFS und FMS und ermittelten die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf deren Alltagsleben. Von 70 Patienten hatten acht jeweils eine der Diagnosen MCS, CFS oder FM erhalten, während die restlichen Patienten zwei oder drei überlappende Diagnosen hatten. Wie groß die Auswirkungen der Umweltkrankheiten für die Patienten waren, konnten die Leser der kanadischen Fachzeitschrift für Allgemeinmediziner in der Ausgabe Februar 2010 erfahren. Die meisten der Studienteilnehmer (68,8%) hatten ihre Arbeit durchschnittlich 3 Jahren nach Einsetzen der Symptome wegen ihrer Krankheit aufgeben müssen. (2)

Relevanz für die Diagnostik in der Umweltmedizin und Mainstream- Medizin

Aus der Studie aus dem Jahr 1997 und der Studie von Anfang 2010 ergibt sich für die medizinische Praxis der dringliche Hinweis, dass beim Vorliegen von einem der beiden Krankheitsbilder MCS oder FM das jeweils andere durch entsprechende Diagnostik und gründliche Anamnesestellung unbedingt abzuklären ist.

Bei der Befunderhebung von MCS-Patienten sollte somit grundsätzlich eine Abklärung erfolgen, ob gleichzeitig eine Fibromyalgie vorliegt. Dies kann von jedem Arzt ohne großen Aufwand durch Überprüfung der 18 Tenderpoints festgestellt werden.

Der Aspekt, dass bei Fibromyalgie-Patienten gleichzeitig eine Überempfindlichkeit auf Chemikalien vorliegt, dürfte trotz positiver Studien in der Mainstream-Medizin in den letzten zehn Jahren immer noch nicht angekommen sein. Für die FM-Patienten wäre es jedoch von nicht abzuschätzender Wichtigkeit, dass Rheumatologen mit der Diagnostik von MCS vertraut gemacht würden. Die Prognose der Fibromyalgie-Patienten könnte sich durch entsprechend ausgerichtete Behandlung und Aneignen von Vermeidungsstrategien, was den Umgang mit den jeweils Beschwerden auslös- enden Chemikalien betrifft, erheblich verbessern.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 16. August 2010

Literatur:

  1. A. T. Slotkoff; D. A. Radulovic; D. J. Clauw, The Relationship between Fibro-myalgia and the Multiple Chemical Sensitivity Syndrome, Scandinavian Journal of Rheumatology, Volume 26, Issue 5 1997
  2. Lavergne MR, Cole DC, Kerr K, Marshall LM., Functional impairment in chronic fatigue syndrome, fibromyalgia, and multiple chemical sensitivity, Can Fam Physician. 2010 Feb; 56 (2):e57-65.

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Ein Kommentar zu “Qualitätsmanagement bei der Diagnostik von Fibromyalgie und MCS erforderlich”

  1. Bongo Wongo 19. August 2010 um 19:02

    Mein Bekannter ist gleichzeitig an MCS, CFS und FMS erkrankt. Vermutlich wäre sein Gesundheitszustand heute nicht derart schlimm, hätte er die richtigen Diagnosen früher erhalten. Ich kann mich entsinnen, er schleppte sich jahrelang von Arzt zu Arzt und wurde dort nicht ernstgenommen. Bei unseren Ärzten finden eben alle drei der o. g. Erkrankungen weiterhin kaum Beachtung. Von daher ist es sozusagen Glücksache, die Ursachen seiner Leiden aus medizinischer Sicht zu erfahren.

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