Giftige Textmarker sollen von der Universität verschwinden

Professor wurde chemikaliensensibel durch Filzstifte

Monatelang versuchte ein Professor der University of Arizona in Tucson herauszufinden, warum es ihm in den Lehrräumen des Campus so schlecht ging. Ihm wurde schwindlig, er bekam rasende Kopfschmerzen, Übelkeit und Atembeschwerden. Wenn er den Lehrräumen fern war, ging es ihm besser. Nach intensiver Recherche im Internet diagnostizierte er sich selbst mit MCS, Multiple Chemikalien-Sensitivität. Der Professor fand auch den Grund für seine Gesundheitsbeschwerden heraus, die er nur in den Lehrräumen hatte. Es waren die Whiteboard-Marker, mit denen auf die weißbeschichte Kunststoff-Tafel geschrieben wird und die trocken abwischbar sind. Jetzt werden die giftigen Marker vom Campus der University of Arizona gegen ungiftige ausgetauscht.

Ein Professor findet Ursache für seine mysteriösen Schmerzen

In der Studentenzeitung „Arizona Daily WildCat“ wird das Leiden von Marv Waterstone, einem Professor für Geographie und Entwicklung, genau beschrieben. Monatelang litt der Professor unter ständigen Schmerzen und war auf der Suche nach der Ursache. Letztendlich war er kaum noch in der Lage, seine Studenten zu unterrichten. Er gab nicht auf und fand heraus, was ihn krank machte. Seine Beschwerden wurden stärker, wenn er an der weißen Kunststoff-Tafel stand und diese mit abwischbaren Whiteboard-Markern beschriftete. Es musste etwas damit zu tun haben. Als der Professor die Inhaltsstoffe der Stifte ermittelte, stellte sich heraus, dass es sich um toxische Chemikalien handelte. Die dicken Filzstifte zum Beschriften der Tafel enthielten neurotoxische Lösungsmittel, u.a. Toluol und Xylol.

Campus zeigt sich kooperativ

Anfang Februar fragte Professor Waterstone die Universitätsleitung, ob ein Erlass möglich sei, dass nur noch ungiftige Marker in Lehrräumen verwendet werden dürfen. Der Präsident der Studentenvereinigung sagte, dass es keine Probleme bei der Umsetzung gegeben habe und sagte, wenn es ein Problem gibt, handeln wir direkt. Die Mitarbeiter der Buchhandlung der Universität hätten Prof. Waterstone’s Wunsch gerne entsprochen und sich sofort daran gemacht, ungiftige Marker zu finden, um sie im Laden anbieten zu können. Außerdem habe man alle Regale durchgeschaut und die Produkte, die giftige Chemikalien enthielten, aus dem Sortiment genommen. Auch Produkte, die keine aussagekräftige Inhaltstoffliste aufwiesen, habe man direkt entfernt. Die Leiterin des Buchladens sagte gegenüber der Unizeitung, dass der Aufwand sehr gering gewesen sei, und es gäbe wirklich schon so viele Alternativen.

Ziehen alle Studenten mit?

Prof. Waterstone hat jetzt noch eine Sorge, die er der Zeitung mitteilte. Es wird noch eine Weile dauern, bis die Universität eine Campus-weite Anordnung verabschiedet und in die Universitätsordnung aufgenommen hat. Der Professor hofft, dass alle Studenten bis dahin freiwillig mitziehen und auf toxische Filzstifte, Marker, Whiteboard-Marker und sonstige chemikalienhaltigen Produkte verzichten. Als Grund für seine umfangreichen Bemühungen gab der Professor an: „Alles was ich hier versuche, mache ich wirklich nur, damit ich wieder zurück in meinen Lehrraum kann“.

Giftige Marker, ein internationales Problem

Auch in Deutschland gibt es an Universitäten, Schulen, Kindergärten und in Büros Probleme mit der Raumluftbelastung durch Chemikalien in Marker und Filzstiften.

Das Thüringer Ministerium für Gesundheit schreibt in seiner Broschüre „Gefahrstoffe im Büro“, welche sichere Alternativen es gibt:

„Für sogenannte Whiteboard-Marker, die auf speziellen, weiß beschichteten Tafeln oder Folien, von denen die getrocknete Tinte mit einem trockenen Tuch wieder abgewischt werden kann, zum Einsatz kommen, werden neben Tinten auf Alkoholbasis auch intensiver riechende Tinten mit Estern wie Butylacetat und Ketonen eingesetzt. Besser für die Raumluft sind auch hier wässrige pigmentierte Tinten, die ebenfalls wasserfest auftrocknende Kunstharze enthalten.“

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 21. März 2012

Photo: Kip Voytek, CC

Literatur:

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9 Kommentare zu “Giftige Textmarker sollen von der Universität verschwinden”

  1. Beobachter 22. März 2012 um 18:12

    Danke für den interessanten und informativen Blog.

    Eine Frage dazu:

    Was wäre passiert, wenn der Betroffene KEIN Professor mit entsprechendem(n) Status und Einflussmöglichkeiten gewesen wäre?
    Hätte man einen anderen, ohne diesen Hintergrund, überhaupt angehört, ernst genommen und sich dann darum gekümmert?

    Zumindest ist aber auf die Problematik aufmerksam gemacht worden – das ist auch schon viel wert …

    LG Beobachter

  2. Silvia 22. März 2012 um 18:17

    Hallo Beobachter,
    in den USA haben einige Universitäten und Schulen ihre Hausordnung geändert um MCS Kranke zu intigrieren. Der jeweilige Grund zur Änderung war nicht immer ein kranker Professor, sondern auch einzelne Schüler oder Studenten. Ein Zug von Menschlichkeit.

    Viele Grüsse,

    Silvia

  3. Beobachter 22. März 2012 um 19:13

    Hallo, Silvia,

    dann ist man in den USA diesbezüglich bedeutend weiter als bei uns.

    Liebe Grüße
    Beobachter

  4. Silvia 22. März 2012 um 19:32

    Sehr viel weiter. Wir haben viel nachzuholen und es wäre nicht zu unser aller Schaden.
    Im Zuge der Ratifizierung der UN Behindertenkonvention hat Deutschland sich verpflichtet für Behinderte einzutreten und sie ins Leben zu integrieren. Bei MCS ist das nicht einmal ansatzweise geschehen.

  5. Twei 23. März 2012 um 00:30

    Wenn ich mir vorstelle, wie unbedenklich ich früher auf Bleistiften rumgekaut habe sowie an Filzstiften herum lutschte.

    Heut kann ich mir mit jenen Schreibutensilien kein Zimmer mehr teilen. Ein Kugelschreiber geht noch, wenn er nicht mit Parfüm oder Desinfektionsmitteln kontaminiert ist.

    Früher hatte ich leichtsinniger Weise im Schlafzimmer den Schreibtisch mit allem drum und dran stehen: Bücher, Schreibsachen, Tonerdrucker, PC, DVD’s, Edding-Stifte und Marker u.v.m..

    Heute kann davon nichts mehr in meiner Wohnung stehen, auch keine Holzmöbel.

    Wie der Professor Marv Waterstone in Zukunft mit seiner MCS-Erkrankung zurecht kommt, wird in dem obigen Bericht noch nicht erwähnt.

    Wenn MCS einen erstmal gepackt hat, dann läst es einen nicht mehr los und zieht einen in die Einsamkeit Zwecks Expositionsvermeidung.

    Es ist dringend erforderlich, dass MCS-Auslösende Chemikalien und Produkte vom Markt verschwinden. Ich mag nicht immer Rücksicht auf die Industrie, Wirtschaft oder Arbeitsplätze nehmen, wenn eine kontinuierliche Körperverletzung und Lebenszerstörung von Mitmenschen stattfindet.

    MCS ist keine seltene Krankheit und die Anzahl der Betroffenen steigt. Eine Regierung sollte Farbe bekennen, ob sie für die Menschen da ist oder zum Selbstzweck – für die Ministerien und Umweltmedizinern gilt das Gleiche.

    Die Reaktion und Handlungsweise der Universitätsleitung finde ich ganz toll. Ebenfalls bewerte ich die Rücksichtnahme der Studentinnen/-en und der Buchhandlung als Vorbildhaft und nenne es echte Solidarität, Schaffung von Barrierefreiheit und Achtung der Menschenwürde.

    EU und DE – hier könnt ihr etwas Abschauen, Nachahmen und Verwirklichen.

    PS: Liebe Mütter und Väter – ich würde heute nie mehr diesen Fehler mit dem überfüllten Zimmer und den darin enthaltenden oben aufgeführten Materialien machen – nie mehr…

  6. Marina 24. März 2012 um 17:29

    Der Artikel gefällt mir sehr gut.

    Bei uns in Deutschland hätte der betroffene Mensch das Nachsehen. Hier würde man eher den Professor aus den Räumen oder von Uni verbannen, als die giftigen Stifte.

    In Sachen Integrierung von Menschen mit MCS kann sich Deutschland da echt eine Scheibe von den USA abschneiden.

    Marina

  7. mirijam 25. März 2012 um 15:01

    Vielen Dank für den interessanten Artikel.

    Hier bei uns in Deutschland hinken wir weit hinterher, was die Rücksichtnahme auf chemikaliensensible Menschen betrifft.

    Allerdings bin ich zuversichtlich, dass es eines Tages auch hierzulande dazu kommen wird, dass man auf durch Chemikalien Behinderte Rücksicht nimmt, denn bei der rasant ansteigenden Anzahl der MCS-Erkrankungen, wird die Notwendigkeit dazu nicht mehr ignoriert werden können.

    Ich hoffe, dass wir nicht mehr lange darauf warten müssen.

  8. DMT 25. März 2012 um 20:10

    „rasant ansteigenden Anzahl der MCS-Erkrankungen, wird die Notwendigkeit dazu nicht mehr ignoriert werden können“

    So ist es. Nur der GAU zwingt in Deutschland zum handeln in Bezug auf Giftstoffe. Das war schon immer so.

  9. Phil 17. Oktober 2016 um 12:11

    Bis gerade eben hatte ich von MCS nicht gehört. Ich arbeite auch täglich mit Whiteboard Markern. Nächstes mal werde ich wohldarauf achten müssen was ich kaufe, toller Artikel.

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