Der Spiegel und die Wassertröpfchen

6 Uhr morgens in Deutschland. Schrill läutet der Wecker. Jäh und zäh schleppt man sich aus dem Bett und denkt sich nur: „Scheiße schon wieder so früh raus!“

Man schleppt sich in die Küche, schaltet den Kaffeevollautomat an. Versucht mit einem Blick aus dem Fenster festzustellen, ob einem wenigstens das Wetter froh gesonnen ist. Nutzlos, weil die kleinen und völlig müden Augen noch gar nicht so weit gucken können.

Man irrt weiter. Fremde könnten meinen, dass der Körper vollkommen Rheumaverkrampft ist. Der Weg führt ins Badezimmer. Pyjama runter gestreift, den man ausnahmsweise mal am Vorabend übergezogen hatte und rein in die Dusche.

15 Minuten Berieselung.

Warm natürlich!

Entspannend, wohltuend …… aufweckend.

Man steigt aus der Duschwanne, trocknet sich ab und versucht nun das eigene Ich im Spiegel zu erkennen.

Versucht es zumindest.

Geht aber nicht.

Warum? Na weil der Spiegel vollkommen beschlagen ist. Keine Sicht auf das Spiegelbild, sondern nur noch Sicht, auf das milchiges Nass, das da auf dem Glas zu kleben scheint.

Aber was ist da los? Warum verschwört sich der Spiegel jeden Morgen nach dem Duschen gegen einen. Warum will er nicht das tun, für das man ihn gekauft hat? Warum verweigert er seine ihm anvertraute Arbeit? Verweigert er vorsätzlich oder kann er gar nichts dafür?

Gehen wir der Sache auf den Grund. Irgendwo stand mal was von Wasserdampf, kühlen Flächen und auskondensieren.

Irgendwo!

Nur verstanden, ja wer hat‘s verstanden?

Hat man es gelesen?

Nein!

Man hat‘s nur überflogen!

Dieses Kauderwelsch von Fachpalaver, dann noch total umständliche Grafiken dabei. Und überhaupt, wer soll das verstehen, außer die, die seit 20 Jahren Kondensatologie, oder wie das heißt studieren.

Also versuchen wir das mal irgendwie zu erklären. Die Feuchtigkeit kommt unmissverständlich aus dem Duschkopf.

Ähm nein – natürlich nicht!

Die Feuchtigkeit kommt aus dem Wasserhahn, an dem der Schlauch für den Duschkopf angebracht ist und an dessen Ende der arschteure, Vollkörpermassage, Dingsbumsdrehvielseitigkeitsspritzduschkopf angebracht ist.

Ok, da kommt das Wasser her.

Nur wie um Gottes Willen, kommt das Wasser nun von dem Dings… Ihr wisst schon…. durch den Duschvorhang, 3 Meter weiter an diesen arbeitsverweigernden Spiegel?

Keine Pfütze am Boden! Kein Rinnsal, das in Richtung Spiegel läuft, die Wand hoch, am Waschbecken vorbei bis zum Spiegel … nichts!

Der Boden ist trocken, die Wände sind trocken!

Das Wasser muss fliegen!

Fliegendes Wasser!

Wasser kann tatsächlich fliegen?

Ja, Wasser kann fliegen und zwar in ganz kleinen, eigentlich fast unsichtbaren Tröpfen. Die Kondensatologisten, also die mit dem 20-jährigen Kondensatologiestudium, die nennen das ganz plump Wasserdampf. Wasserdampf fliegt praktisch mit der Luft, es vermischt sich im wahrsten Sinne des Wortes. Kuschelt sich an die Luft, schwebt mit ihr durch den Raum und sucht sich dabei einen schönen, netten kühlen Platz zum ausruhen.

Stopp!

Kühler Platz?

Warum in Gottes Namen kühler Platz!

Ist doch scheiße!

Kalt und das schon am Morgen!

Auch fast ganz einfach. Warme Luft ist praktisch wie ein Omnibus, der leer ist. Breit, groß und vieeeel Platz für Wasserdampf, zum kuscheln.

Oder so.

Das ist vergleichbar mit Opas Kopf, als Oma die Garage aufräumte und dabei das Modelflugzeug, das das Opa die letzten 8 Jahren mühevoll bastelte, auf den Boden warf und selbiges in Millionen, oder so, Einzelteile zersprang.

Opa hat sich so aufgeregt, dass er einen ganz roten Kopf bekam.

Er wurde ganz heiß und die Augen schienen heraus zu hüpfen, bevor er ganz schlimme Worte zu Oma sagte. Das viele warme Blut ließ den Kopf nicht nur rot werden, es erhitzte ihn auch und weil‘s warm wurde, wurde alles breiter, wie beim Brotbacken. Alles geht etwas weiter auseinander, wenn wärmer wird.

Warme Luft ist also auch breiter und hat somit Platz für Wasserdampf. Kommt nun die Warme Luft an einen kühleren Ort – wie zum Beispiel diesen arbeitsverweigernden kühlen Spiegel, der jeden Morgen nach dem Duschen anläuft – dann zieht sie sich wieder zusammen und der Wasserdampf wird praktisch aus dem Omnibus, auf dem Spiegel gepresst.

Der Wasserdampf will vielleicht gar nicht aussteigen, muss es aber weil die Luft kalt und kleiner geworden, keinen Platz mehr für ihn hat.

Das mit dem kleiner werden bei Kälte, kennen die Jungs ja auch vom Schwimmen im Baggersee. Draußen noch der Größte, im See … naja, davon reden wir jetzt mal nicht!

Die Kondensatologisten sprechen von Auskondensieren, wenn die Luft kleiner wird und der Wasserdampf den Omnibus verlassen muss. Diese Eigenschaft von „breiter“ Luft und „schmaler“ Luft nützen übrigens auch diese Trocknungsgeräte, die einen Raum trocknen sollen, wenn da mal wieder die Waschmaschine ausgelaufen ist.

Sie nehmen die warme Luft mit dem Wasserdampf in sich auf, führen es an einem kühleren Ort vorbei, wo dann der Wasserdampf aussteigt (auskondensiert) und die Luft trocken und frei für weiteren Wasserdampf weiter ziehen kann.

Das gleiche passiert auch bei schlecht gedämmten Wänden.

Die Warme Raumluft zieht an der kalten Wandoberfläche vorbei und der Wasserdampf muss wieder einmal aussteigen und bleibt auf der Wandoberfläche sitzen. Ist die Wand schon gedämmt oder vielleicht auch beheizt durch einen Heizkörper in der Wand (Wandheizung) , dann ist die Wand warm und die Luft mit dem Wasserdampf im Heck zieht ohne kleiner zu werden und den Wasserdampf dadurch abzuladen an ihr vorbei.

Also ist der Spiegel im Bad gar kein Arbeitsverweigerer, er ist eigentlich nur ein Asylheim für stehen gelassene, klitzekleine Wassertröpfchen, die nach dem Lüften des Badezimmers wieder mit wärmerer Luft weiter reisen können.

Gut dass wir das nun geklärt haben. Jetzt aber schnell, Kaffee, Zeitung und ab zum Bus. Vielleicht treff ich noch ein einsames Tröpfchen auf dem Weg ;-)

Wem das zu naiv war, der kann das Zusammenspiel Luft vs. Wasserdampf auch hier etwas ernster lesen:

Richtig und regelmäßig lüften – Tipps und Anleitungen vom Experten

Autor:

Ing. Gerhard Holzmann

Sachverständigenbüro Holzmann-Bauberatung

Tel.: 08293-965648

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Ein Kommentar zu “Der Spiegel und die Wassertröpfchen”

  1. Clarissa 20. Juni 2011 um 20:01

    Ein Duschkopf 2,5 Liter/min, Wassertemperatur auf max. 38° begrenzen, einen Wasserstop einbauen, schraubt man ganz einfach vor die Handbrause, damit kann man den Wasserfluss unterbrechen. Nach dem duschen die Dusche mal kurz mit Kaltwasser abspülen, das lässt den Dampf zusammen fallen. Einen Lüfter einbauen, der mit einem Hygrostat gesteuert wird, wer ein Bad mit Fenster hat sollte kräftig durchlüften.

    Ich selber habe viele dieser Maßnahmen schon vor Jahren umgesetzt, ich habe 3 Fenster im Bad und zusätzlich einen Ventilator mit Hygrostat. Mein Spiegel lässt sich beheizen aber das ist nicht mehr nötig, seitdem ich alle anderen Sachen verändert habe.

    Vielen Dank an Hr. Ing. Gerhard Holzmann für die nette Aufklärung.

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