Krebs durch die Umwelt – krebserregende PAK in vielen Produkten des Alltags

Fokus liegt auf Wohlergehen der Wirtschaft statt auf Gesundheit der Bevölkerung

Die Zahl der Krebserkrankungen ist in der Bevölkerung tendenziell zunehmend. Um der Entstehung dieses weit verbreiteten und vielschichtigen Krankheitsbildes vorzubeugen, wird das öffentliche Augenmerk einseitig auf die Krebsvorsorge als geeignete Präventionsmaßnahme gelenkt. Der Faktor Umwelt wird jedoch als mögliche Krankheitsursache weitgehend vernachlässigt bzw. komplett ignoriert. In Anbetracht steigender Negativmeldungen über die unterschiedlichsten krebserreg- enden Schadstoffkonzentrationen in Alltagsprodukten und unserer Umwelt, ist diese eingleisige Fokussierung als realitätsfremd und als „Greenwashing“ anzusehen, was durch zahlreiche wissenschaftliche Nachweise und Studien belegbar ist.

Industriefreundliche Rahmenbedingungen – die Zeche zahlen wir

Stattdessen stellt das gezielte Außerachtlassen krankheitsrelevanter Aspekte eine allgemein stattfindende Ignoranz unserer tatsächlichen Lebensbedingungen dar. Die aktuellen Warnungen durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebens- mittelsicherheit vor giftigen Chemikalien, u. a. vor polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) in Schuhen und Handschuhen (1), sind nur die Spitze des Eisbergs. Für die zum Teil hochgradig krebserregenden und erbgutschädigenden Schadstoffe gibt es in Deutschland nach wie vor keine gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte für Gebrauchsartikel, verbindliche Vorgaben existieren lediglich bei Autoreifen. Für den Rest der uns in unserem wirtschaftsorientiertem Lebensstandard zum Konsum angepriesenen Produktpalette, gelten lediglich freiwillige Orientier- ungswerte der Industrie. Umweltverbände und –Institute bringen immer wieder besorgniserregende Resultate zutage, die verdeutlichen, wie es um die Gesundheit der Bevölkerung durch die „Umsetzung“ dieser freiwilligen, industriefreundlichen Gegebenheiten bestellt ist.

Mögliche Schadensbegrenzung eingeleitet – Gesundheitsschutz weiterhin in Warteschleife

Eine umfangreiche Risikobewertung des BfR hat ergeben, dass die toxischen PAK in vielen Produkten stark erhöht nachweisbar sind, mit denen gerade Kinder häufig in Kontakt kommen. Das BfR hat in Zusammenarbeit mit verschiedenen deutschen Behörden ein Beschränkungsdossier erstellt, welches im Juni 2010 an die EU-Kommission übergeben wurde. Daraus geht die in die REACH-VO einzubeziehende Empfehlung hervor, den höchstzulässigen Gehalt an PAK in Gebrauchsgegenständen auf 0,2 Milligramm je Kilogramm zu begrenzen, was der derzeitigen Nachweisgrenze entspricht. Dieser vorgeschlagene Grenzwert sollte lt. Ausführungen den BfR an die technische Weiterentwicklung der Analysemöglichkeiten angepasst und ggf. zukünftig weiter verringert werden. (2)

Krebserregende und erbgutschädigende PAK lauern in vielen Produkten

Besorgniserregende Warnungen über stark erhöhte PAK-Konzentrationen in den unterschiedlichsten Alltagsprodukten laufen sich förmlich den Rang ab, wie z. B. in Kinderspielzeug, Schulranzen, Kinderregenjacken, Sandalen, Gummistiefeln, Planschbecken, Luftmatratzen, Werkzeugen, Kinderlaufrädern, Spielzelten und aktuell in Lederschuhen und Handschuhen etc. Demnach ist die Wahrscheinlichkeit, mit PAK in Berührung zu kommen, für jeden von uns als hoch einzustufen. Eine mögliche Krebserkrankung kann erst viele Jahre nach Erwerb eines PAK-belasteten Produkts zum Ausbruch kommen, da die hochtoxischen Substanzen langfristig wirken, erläutert Bärbel Vieth, Chemieexpertin des BfR. Ein direkter Zusammenhang mit dem krankmachenden Produkt ist dann nicht mehr herzustellen. Die Produzenten solch gesundheitsgefährdender Waren sind somit fein raus, Regressansprüche haben sie demzufolge nicht zu befürchten. Die Leidtragenden des derart mangelhaften Gesundheitsschutzes sind wir alle.

Zukünftig weitere Krebserkrankungen – als Folge der Geschenke an die Industrie

Wenn man sich vor Augen hält, dass die Gesundheit der Verbraucher bereits durch den Kontakt von nur einem PAK-belasteten Produkt schwer geschädigt werden kann, verheißen die derzeitigen Zustände für die Zukunft unserer Gesundheit nichts Gutes. Die Aktivitäten des BfR sind zwar begrüßenswert, doch mahlen die Mühlen der Behörden bekanntlich langsam. Sofortige greifende Maßnahmen sind dringend von Nöten, denn belastete Alltagsgegenstände werden weiterhin verkauft, mit schwerwiegenden Folgen für die Gesundheit der Verbraucher. Insofern ist davon auszugehen, dass auch zwischenzeitlich noch viele ahnungslose Verbraucher durch die Flut schadstoffbelasteter Alltagsprodukte und weiterer Umweltfaktoren in ihrem späteren Leben an Krebs erkranken werden. Und all das, nur weil durch lasche Vorgaben und „Bonbons“ für die Industrie sowie völlig unzureichende Kontrollmechanismen unser höchstes Gut, unsere Gesundheit, mit Leichtsinn und völlig unnötig aufs Spiel gesetzt wird. Krebs ist in unserem Zeitalter eine äußerst häufige Erkrankung, bei derart breitgefächertem Kontaminationspotential ist dies nicht verwunderlich.

Wirtschaft geht vor Umwelt

Aktuell droht Deutschland ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, weil europäische Chemikalienrichtlinien nicht korrekt umgesetzt wurden. Dieser Sachverhalt unterstreicht, welchen Stellenwert Wirtschaftsinteressen und Gesundheit in unserem System derzeit belegen. Das Bewusstsein dafür, dass eine Gesellschaft nur dann effektiv „funktionieren“ kann, wenn die Bevölkerung gesund und somit leistungsfähig ist, scheint bei den Verantwortlichen noch nicht angekommen zu sein. Solange eine derart vernachlässigte Chemikalienpolitik betrieben wird und die Interessen der Industrie weiterhin vorrangig vor Umwelt und Gesundheit angesiedelt sind, wird der Bevölkerung weiterhin viel vermeidbares Leid zugefügt und sich an der derzeit stattfindenden Misere auch nichts zum Positiven verändern.

Literatur:

  1. Süddeutsche online, Warnung vor Schadstoffen Gift ist im Schuh, 17.11,2010
  2. BfR, Stellungnahme Nr. 032/2010 des BfR, 26. Juli 2010

Autor: Maria Herzger, CSN – Chemical Sensitivity Network, 26. November 2010

Diesen Artikel widme ich meiner lieben Schwiegermutter Frieda, die am 21. November 2010 ihrer schweren Krebserkrankung erlag und nun von ihren langjährigen Leiden erlöst ist.

Frieda, Du wirst uns sehr fehlen!

Rüdiger und Maria

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2 Kommentare zu “Krebs durch die Umwelt – krebserregende PAK in vielen Produkten des Alltags”

  1. Juliane 26. November 2010 um 16:30

    Liebe Maria,

    herzliches Beileid für Dich und Deine Familie.
    Deine Schwiegermutter erlag einer Krankheit, die mittlerweile bald Todesursache Nummer eins sein wird.

    Das Ärzetblatt unterrichtete 2010 über die Zunahme der Krebserkrankungen.

    Zahlen, die man gerne verdrängt:

    „Schätzungsweise 1,45 Millionen Menschen werden in diesem Jahr in Deutschland mit einer Krebserkrankung leben, die maximal fünf Jahre zuvor diagnostiziert wurde. Seit 1990 steigt diese Zahl. Mittlerweile erkrankten hierzulande aufgrund der demografischen Entwicklung jährlich 450 000 Menschen neu an Krebs, Tendenz steigend, teilte das Robert-Koch-Institut (RKI) anlässlich des 29. Deutschen Krebskongresses Ende Februar in Berlin mit. Damit wird Krebs bald zur Todesursache Nummer eins….“

    http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=67933

    Hoffen wir, dass die Wähler bald möglichst darüber abstimmen, ob die Zahl der Krebskranken weiter ansteigen muss.

    Juliane

  2. Energiefox 28. November 2010 um 18:33

    Also ich lese „Frieda, Du wirst uns fehlen!

    Als meine Mutter vor ein paar Jahren, vermutlich an Alzheimer verstarb, obwohl ich Ihr den Tod schon wünschte, so schlimm war es mit der Krankheit, kam später der Gedanke „Du fehlst uns“.

    Deshalb hoffe ich, dass bei Euch nach der Trauer, irgendwann die guten Erinnerungen an den geliebten Menschen wieder die Überhand gewinnen und innere Friede einkehrt. Begreifen kann man den Tod ja nicht.

    Jetzt zum Thema, es ist wirklich erschreckend, Deutschland ist in Bezug auf Menschen – Umweltschutz ein Entwicklungsland.

    Der Bericht ist unglaublich gut und ich hoffe er zeigt Wirkung.

    Gruß Fox und danke für den Bericht.

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