Konzept für einen MCS – Fond

Konzept für einen MCS-Fond

Es wurde die Frage gestellt, ob die Positionierung von MCS mit der Nothilfe für lebensbedrohliche Fälle unter ein Dach passe.

Antwort: es geht gar nicht anders.

Nothilfe ohne Konzept ist die MM-Methode: Moral und Mitleid. Diese Methode führt seit 15 Jahren nicht voran. Es ist ohne Weiteres möglich, für ein Kind mit einer besonderen Spastik, die nur auf eine Delphintherapie positiv reagiert, in einer TV-Gala reichlich Spenden zu sammeln. Bei einem Massenphänomen (MCS: schwere Fälle 3,5% der Allgemeinbevölkerung 12 – 25% moderate Erscheinungsformen,) ist das etwas ganz anderes. Ein ernstes gesellschaftliches Problem wird gern verdrängt: MCS? Das sind doch diese Spinner! Letztlich ist die Sache zu groß, um sie mit Spenden regeln zu können. Ohne Konzept wird „Nothilfe“ nur wenig Geld nur von Betroffenen und deren Anhang sammeln können. Also zu wenig für nichts.

Ein Konzept, dass auch Gesunde (oder eingebildete Gesunde) überzeugen kann, sollte in der Lage sein, Unterstützung durch verantwortlich denkende Menschen zu erlangen. Die starken Positionen für MCS sind:

  • der hohe Grad der wissenschaftlichen Erkenntnis
  • die Möglichkeit adäquater medizinischer Versorgung
  • die Rechtsrelevanz des Standes der Wissenschaft.

Das Notwendigste zum Stand der Wissenschaft findet sich in der Ärzteinformation.

Der Fond wird dann ernst genommen, wenn deutlich wird, dass er handfeste Rechte durchsetzen will (Versicherungen und Menschenwürde) und auch kann, weil er den Stand der Wissenschaft ins Feld führt, der bisher nicht einmal diskutiert wurde.

Ein gesellschaftlich relevantes Konzept und Erfolg des Fond entsprechen sich demzufolge gegenseitig.

Das Projekt steht und fällt mit der Frage der Aktivisten: es müssen einige Leute diese Konzept faktensicher propagieren können. Die Fakten sichern quasi nebenbei, dass Kleingezänk außen vor gehalten werden kann. Willkommen ist nur, wer das Konzept sachbezogen unterstützt. Ein „ich auch“ genügt dann nicht, denn die Gruppe muss die Spenden sammeln und muss dazu die entscheidenden Argumente auch auf kritische Nachfrage erläutern können.

Für die Sicherung des Konzepts braucht die Fondsatzung sicher eine Präambel, die das Konzept umreißt, etwa:

MCS wurde 1948 durch den Allergologen Theron Randolph entdeckt. Er registrierte, dass manche Allergiker dann nicht reagierten, wenn die Testsubstanzen aus wild gewachsenen Früchten gewonnen worden waren. 1962 hat Randolph dies ausführlich publiziert. 1966 hat eine Neurologin (E. Kailin) erstmals doppelblind, elektrophysikalisch nachgewiesen, dass es Patienten gibt, die auf Dosen unterhalb des amerikanischen Durchschnitts reagieren. In den 70er Jahren wurde ein neuer Allergietest zu diesem Problemkreis entwickelt (Miller 1977). In den 80er Jahren wurden die immunologischen und neurologischen Mechanismen weiter vertieft. 1987 definierte der amerikanische Arbeitsmediziner Cullen erstmals Diagnosekriterien für MCS. 1992 wurde MCS durch die WHO klassifiziert und zwar als erworbene organische Erkrankung (s. Ärzteinformation). 1992, 1994, 1996 und 1997 wurden die vier Bände des Standardwerks „Chemical Sensitivity“ von William Rea veröffentlicht (ca. 3 000 Seiten). 1998 publizierte Pall erstmals ein Modell, das eine pathologische Chronifizierung der Stoffwechselprozesse erklärt. Dies erklärt sowohl die Krankheitsbilder von CFS als auch MCS. In der Folgezeit konnte Pall auch zeigen, auf welche Weise  unterschiedliche Stoffklassen, die primär auch sehr unterschiedlich wirken, letztlich jene Sensitivität und chronische Erschöpfung erzeugen, die für diese Krankheitsbilder typisch sind.

Die Psychodebatte blockiert diese Diskussion und enthält so den Erkrankten eine adäquate medizinische Versorgung vor. Sie begann erst, als die abschließende wissenschaftliche Entscheidung schon gefallen war.  Gutachten, die MCS als Befindlichkeitsstörung, IEI oder dergl. bezeichnen sind falsch. Die Psychodiskussion hat weit reichende rechtliche Folgen. Letztendlich nimmt sie den Patienten die Menschenwürde und in der Folge ihre Rechte aus abgeschlossenen Versicherungen und ihre Rechte auf eine adäquate medizinische Versorgung.

Die therapeutischen Ansätze leiten sich aus diesem Erkenntnisbild ab. Sie sind noch komplexer als die Pathomechanismen. Es ist dringend geboten, dass sie vorrangig vertieft diskutiert werden.

Der Fond soll diese Schieflage korrigieren. Er muss es auch, wenn er pekuniär erfolgreich sein will.

Der  Zweck des Vereins muss deshalb in einem ersten Schritt folgende Ziele enthalten: rechtliche Umsetzung des Standes der Wissenschaft, Erstellung einer Dokumentation aller Todesfälle mit der Diagnose MCS, Planung und Errichtung von Gebäuden, die geeignet sind, Personen aufzunehmen, die in anderen Räumen nicht mehr leben können.

Der letztere Punkt – im Plural – dürfte den Fond überfordern, aber ein Beispiel (ein Gebäude) als Vorzeigeprojekt ist in Deutschland möglicherweise vonnöten und bei Entfaltung des Konzepts auch machbar, um den Schweizer Weg auch hierzulande einzuleiten. Offensichtlich hat Christian Schifferle es vermocht, den Verantwortlichen klar zu machen, dass man mit Menschen mit MCS nicht so umgehen kann, wie es bisher die Praxis ist. In Deutschland ist das eigentlich durch die Verfassung garantiert. Das heißt aber nicht, dass diese Garantie automatisch greift – ein Rechtsstaat lebt von der Auseinandersetzung und zwar professionell und auf höchster Ebene. Die Garantie gibt es also nicht umsonst.

Es folgt  ein 10. Blog zur Menschenwürde und der Konstruktion des Rechtsstaates. Danach brauche ich eine Auszeit, um mein Buch endlich in Form zu bringen.

Autor: Dr. Tino Merz, Sachverständiger Umweltfragen für CSN – Chemical Sensitivity Network, 28. Dezember 2009

Vorhergehende Blogs zur Serie und zum Thema:

Weiterführende Informationen:

Ein Kommentar zu “Konzept für einen MCS – Fond”

  1. yolande 29. Dezember 2009 um 16:32

    Ganz herzlichen Dank an Sie Herr Dr. Merz.

    Ich hoffe dass Ihre direkte, klare Ausdrucksweise bezüglich der Gründung und Führung eines MCS-Fonds dazu verhilft, was bisher fehlt:

    Menschen die anpacken, mitanpacken und……nicht mehr loslassen.

    Dieser Blog ist zu wertvoll als dass er nur Austauschform bleibt. Es sollte möglich sein durch diese Austauschplattform etwas Konstruktives aufzubauen.

    Wenn man bedenkt, dass das Schweizerprojekt der Beharrlichkeit und des Einsatzes eines einzelnen Menschen – Christian Schifferle – entsprungen ist, dann sollte doch hier bei der Masse Analoges auch möglich sein. Seit Jahren hat uns Christian immer wieder davon informiert was fehlt und was man dringend unternehmen müsste – und bis hierher hat er das allein durchgesetzt. Jetzt sind andere dazu gekommen, das war aber anfangs nicht der Fall. Das sollte hier mal klar ausgedrückt werden, wozu auch eine einzelne Person mit ganz schwerer MCS fähig ist!

    Was und wann kann der einzelne für den anvisierten Not-Fonds etwas tun?
    Ist das auch über nationale Grenzen hinaus möglich?
    Um es klar auszudrücken: Kann ich als Ausländer der auch im Ausland lebt, eine Funktion in diesem Fonds übernehmen?
    Sollte das klar sein – ich würde mich dann zur Arbeit anmelden – nicht in der Form „ich auch“ – ich möchte diese Idee, (die ich zuhause im kleinen praktiziere, tlw. mit Erfolg) mittragen, auch einen Teil Verantwortung, je nach dem welchen Platz ich ausfüllen kann.

    In meinem Lande bin ich bisher immer noch allein im Einsatz. Zwar teilte auch unser Gesundheitsminister mit, dass MCS anerkannt ist, aber das heisst bei uns auch nur soviel wie dass man MCS haben darf – man wird nicht diskriminiert – nur man bekommt auch nichts… der Name MCS ist überhaupt nicht bekannt – doch wir sollten schon 2 1/2 Legislaturperioden zurück eine Umweltklinik bauen! Von der auch die Nachbarländer profitieren könnten. Das Wissen über MCS müsste ja dann vorhanden SEIN, sonst kann man keine Umweltklinik bauen wollen (Bauplatz – Pläne und Führungs-UWA, dies alles was schon konkret – nur es wurde bisher nichts realisiert). Ob nun bei unsrer nationalen Art zu handeln das zu bedauern oder zu begrüssen ist (die Nichtrealisierung), das bleibt dem Betrachter überlassen.

    Ein Fonds in Deutschland dürfte auch für Menschen mit MCS in meinem Lande vorteilhaft sein – für alle Nachbarländer auch, denn bisher gibt es nichts zum Vorzeigen oder als positives Beispiel was man übernehmen könnte/sollte/müsste (ausser momentan das Zürichprojekt). Vielleicht braucht es das aber um die extrem statisch gewordenen oberen Strukturen etwas lockerer werden zu lassen damit sie wieder im Dienst des Menschen funktionnieren, wozu sie eigentlich da sind…

    Ich warte gespannt auf die Konkretisierung der Form des Fonds.

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