Kriterien für die Gründung eines MCS-Fond

MCS-Fond

Nachdem ich den Vorschlag der Gründung eines MCS-Fond aufgegriffen habe, gab es sofort Streit in der Weise, dass um die Verteilung des Bärenfells gestritten wurde, der noch gar nicht erlegt war. Dabei fiel u. a. das Adjektiv „demokratisch“. Nun, die Abstimmung über einen Fond erfolgt per Überweisung. Für die Ausrichter gelten andere Kriterien, wie folgt:

Glaubwürdigkeit, Seriosität sind Grundvoraussetzung

Um Geldgeber zu gewinnen, braucht ein Fond Glaubwürdigkeit, Seriosität und vor allem einen wichtigen Grund, warum Geldgeber Geld geben sollen, m. a. W. es geht dann darum, was MCS ist, wie es um den Stand der Wissenschaft steht, also der Objektivierbarkeit, und welche gesellschaftliche Bedeutung diese Krankheit hat.

Dazu ein Beispiel:

MCS wurde 1948 entdeckt. Der Allergologe Randolf stellte fest, dass einige Allergiker nicht reagierten, wenn die Testsubstanz von wild wachsenden Früchten, anstatt von konventionem Obst mit Pestizidrückständen, stammte. Erst 1962 hat er das veröffentlicht, 1966 gab es Doppelblindstudien einer Neurologin, die Nachweis führte, dass es Leute gibt, die auf unterdurchschnittliche Dosen reagieren. In den 70er Jahren wurde die erste wichtige Therapie entwickelt (Neutralisationstherapie), in den 80er Jahren wichtige Grundmechanismen der Pathologie erkannt, MCS endgültig definiert, in den 90er Jahren von der WHO als organische Erkrankung anerkannt und ein 3 000-seitiges Standardwerk publiziert (Rea), dass anschließend universitär überprüft und bestätigt wurde (Ashford & Miller), die Therapie stark verbessert (ALF), und die Frage der Chronifizierung geklärt (Pall), und schließlich wurde auch die Wissenslücke geschlossen, wie und warum so viele Substanzen ganz unterschiedlicher toxischer Wirkcharakteristik chronische Müdigkeit und chemische Sensitivität erzeugen. M. a. W., MCS ist nichts Neues, ist gut erforscht und von gravierender Bedeutung (die Prävalenz ist zweistellig).

Doch davon weiß die deutsche Diskussion nichts. Da wird über Psycho diskutiert und über angebliche Defizite der wissenschaftlichen Erklärungsmöglichkeiten, m. a. W., es entbehrt der wesentlichen Grundlagen. Die geistige Bettelsuppe der RKI-Studie repräsentiert hierzulande „Wissenschaft“. Das Niveau ist etwa dem der 60er Jahre vergleichbar, aufgepfropft mit Pall, so dass schließlich der falsche Eindruck erweckt wird, man sei wissenschaftlich erst noch am Anfang.

MCS-Fond

Das muss vorrangig geändert werden, und dafür ist ein Fond eine Organisationsform wie jede andere mit dem zusätzlichen Vorteil, dass etwas in der Kriegskasse ist, so dass man rechtliche Konsequenzen und rechtlich begründete Ansprüche professionell formulieren kann.

Es wird also darum gehen, ob ein Fond mit diesem Anspruch und dieser Begründung etabliert wird oder einfach nur ein Hut rumgeht mit der Begründung allgemeiner Bedürftigkeit. Es ist nicht die Frage, wer da mitmacht, denn es kommt nur darauf an, ob eine Linie vertreten wird, die rechtlich Relevantes vorzutragen in der Lage ist, indem es sich des vollen Umfanges der anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnislage bedient. Das muss professionell und generalstabsmäßig Schritt für Schritt aufgebaut werden. Dazu braucht es geduldige und zielstrebige Leute.

Kriterien für Glaubwürdigkeit und Seriosität

Zum Kontrast, was nicht geht: etwa die Forderung, es müssen sofort Container als Notquartiere her, weil sie eben einfach notwenig seien. So etwas müsse gar nicht teuer sein. M. a. W. sofort und dafür Pfusch. Solches über’s Knie gebrochene Handeln hätte fürchterliche Folgen für den Fond. Solche wichtigen Aktionen müssen sorgsam geplant werden.

Was auch nicht geht sind einfach dahingesagte Aussagen, wie diese: „Es ist doch bekannt“, dass es nichtsuizide Ableben durch Organversagen bei MCS gegeben habe. Eine so formulierte Aussage ist zu ungenau und daher hier nicht verwendbar. Denn, „bekannt“ setzt voraus, dass eine Dokumentation mit Belegen existiert und dass diese allgemein zugänglich ist. Die wissenschaftliche Begründetheit ist nicht das Problem, denn Organversagen bei MCS findet sich einschließlich der Erfahrung bei 20 000 Patienten bei Rea im 3. Band. Emailkaskaden und Interneteinträge dagegen sind juristisch „Hörensagen“. Die Schwelle von Relevanz lautet: Quod non est in actiis, non est in mundo – Es muss also aktenkundig sein, sonst ist es nicht ernst zunehmen.

Das sind die Kriterien für Glaubwürdigkeit und Seriosität: wissenschaftlich gut gesichert und gründlich fundamentiert und rechtlich ausreichend belegt, sowie rechtlich auch ausreichend relevant. Das markiert die Grenze von ernsthaften Bemühen und Wunschdenken. Bei Goethe steht: „Wer stetig sich bemüht, den können wir erlösen – So ist das gemeint.

Autor: Dr. Tino Merz, Sachverständiger Umweltfragen für CSN – Chemical Sensitivity Network, 2. Dezember 2009

Vorhergehende Blogs zur Serie und zum Thema:

Weiterführende Informationen:

6 Kommentare zu “Kriterien für die Gründung eines MCS-Fond”

  1. Michael Muth 3. Dezember 2009 um 14:48

    Hallo Dr. Merz,

    es ist meines Erachtens notwendig, zwei wichtige Ansätze der Diskussion auseinander zu halten: Die Positionierung von MCS und die notwendige Hilfe für Erkrankte. Dazu leisten Sie hier gute Vorarbeit.

    Die Positionierung von MCS ist unbestritten notwendig, weil in Deutschland ein großes Informationsdefizit auszugleichen ist. Ihre Worte unter dem Beispiel machen dies sehr deutlich. Daher sind Initiativen wie die von CSN so wichtig, die sich der Information und Aufklärung über MCS in all seinen Facetten auf die Fahne geschrieben haben.

    Die andere Seite wird geprägt durch die Not der Erkrankten und verstärkt durch die bekannten Todesfälle der letzten Zeit. Natürlich ist der Druck auf die Gründer groß, ebenso die Erwartungshaltung an einen Fond.
    Aber was würde z. B. passieren, wenn ein Fond ins Leben gerufen wird und er sieht sich in kürzester Zeit konfrontiert mit den (berechtigten) Wünschen vieler MCS-Erkrankter?
    So viel Geld wird am Anfang nicht vorhanden sein, dass es gezielt verteilt werden kann. Wer bestimmt, wer zuerst etwas bekommt? Gerade die letzten Gesichtspunkte unterstreichen die hohe Sorgfaltspflicht, auf die es bei der Initiierung ankommt. Mein Eindruck ist, dass hier – möglicherweise getrieben durch die aktuellen öffentlichen Diskussionen über von Banken be- und vertriebene Fonds – übertriebene Vorstellungen der Kapitalausstattung vorherrschen. Präzise gesagt: Da ist am Anfang gar kein Kapital vorhanden. Alles muss von Spendern und Sponsoren eingeworben werden. Das kostet zunächst einmal Geld, bevor es etwas einbringt.

    Ein Faktor kommt hinzu, der bisher noch gar nicht erwähnt worden ist: Die Transparenz.
    Jeder Fond wird sich nur dann professionell positionieren können, wenn er mit größtmöglicher Offenheit über seine Tätigkeit, sein Handeln, die Entscheidungsprozesse und vieles andere mehr kommuniziert. Noch dazu ist er seinen Mitgliedern gegenüber rechenschaftspflichtig.
    Auch diese Aspekte müssen erdacht, geprüft und dann eingesetzt werden. Nichts passiert hier von heute auf Morgen, dazu ist der Qualitätsaspekt viel zu wichtig. Andererseits heißt das nicht, dass der Aufbau eines Fonds nur sehr langsam vonstattengeht.

    Lassen sich die beiden Aspekte – Positionierung von MCS und Notlinderung von Erkrankten – unter ein Dach (einen Fond) bringen? Eines erscheint mir nachvollziehbar: Es gibt eine innere Abhängigkeit zwischen den beiden Punkten. Plakativ formuliert: Mehr Wissen über MCS – mehr Fakten – weniger Arbeit bei der Aufklärung – mehr Verständnis bei potenziellen Spendern und Sponsoren. Aber unter ein Dach? Meines Erachtens wäre jeder Punkt einen „Fond“ im Sinne von notwendigerweise einzusetzendem Kapital, wert. Wenn es denn so einfach wäre.

    Beste Grüße
    Michael Muth

  2. BrunO 3. Dezember 2009 um 16:15

    @ Michael

    Ich kann nur zustimmen! Hier ensteht ein völlig neues Projekt. Wer will von den Leuten von CSN erwarten, daß sie diesen Job nun auch noch übernehmen? Wer möchte, kann ja gerne für beide Projekte arbeiten, aber das ist nicht von uns paar Leuten zu leisten.

    Außerdem stelle man sich mal vor, es kämen wirklich Sponsorengelder rein. Bliebe CSN mit seiner Informationsarbeit dann noch unabhängig? Wenn im Fond was schief läuft, dürfen und müssen wir das kritisieren. Wir können uns sogar distanzieren ohne selber mit unter zu gehen.

    Es geht darum, die gute Arbeit von CSN fort zu sezten. Wenn es zusätzlich gelingt, so einen Fond auf die Beine zu stellen der was bringt, ist es um so besser. Dieser wird von CSN sicher mit den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten unterstützt.

    Es gibt noch ein Problem. Eigenmittel bekommen wir nicht viel zusammen, selbst wenn jeder was spendet. Dieses Geld auszugeben, um damit die Acquise von Sponsoren zu finanzieren wird manchen Betroffenen die selbst nix haben nicht gut schmecken. Mit selber acquirieren hat man so gut wie keine Chance. Ich hab sowas schonmal gemacht.

    Was ich nicht weiß ist, ob Fonds gefördert werden können. Der bureaukrtische Aufwand Fördermittel zu bekommen ist erst recht nicht nebenbei zu machen.

  3. yolande 3. Dezember 2009 um 21:02

    Danke Dr. Merz für Ihre sachliche Formulierung.

    Um die Fragen von Michael und BrunO mit einzubeziehen einen Pfefferkorn meinerseits.

    CSN kann hier nicht einsteigen. CSN ist eine neutrale Info/Austauschpalette für MCS von überdurchnittlichem Niveau – und das soll es auch bleiben. CSN kann nur weiterhin gute Arbeit leisten, wenn man sich auf den „Kern“ konzentrieren kann. CSN kann sich nicht verlieren in viele zwar notwendigen, aber nicht im Alleingang zu erledigenden vielfältigen Bedürfnisse die es MCS-bedingt gibt.

    Der Fond: Um dem klar formulierten Profil durch Dr. Merz gerecht zu werden, bedarf es eines multidisziplinären Führungsgremiums. Dazu würden aus meiner Sicht z.B. Banker, Freischaffende usw. auch gehören. Es kann nicht sein, dass ein solcher Fond funktionnieren soll, wenn es nur Leute mit „einseitigem“ Blick im Führungsgremium gäbe.

    Was ich allerdings nicht weiss, ist – wo die Führungsmitglieder verschiedener Sparten hernehmen?

    Vielleicht ein Lichtblick: ein pensionierter Kollege von L&G Schweiz, früher Topmanager im internationalen Dienst leitet heute zeitweise ein Sozialprojekt für Jugendliche in Brasilien. Gefragt wurde er von Jesuitenpatern, ob er hier behilflich sein könnte. Er macht das jetzt schon einige Jahre, zeitlich begrenzt da er auch Familie hat. Also einfach mal fragen, man riskiert nichts, ausser eventuell ein nein…

  4. Seelchen 3. Dezember 2009 um 21:21

    Vielen Dank für Ihren Blog.Sicher muss da noch Vieles geklärt werden und wenn man nach Containern „verlangt“ hat,dann doch nur aus der Not heraus.
    Wo sollen die Schwerstbetroffenen solange hin,bis sich die Diskussionen über den Fond und die Sponsoren erübrigt haben???
    Wenn man noch nicht mal weiss,wen man alsSponsoren anschreiben soll und wie man den Informationsdefizit über MCS beseitigen möge….
    Sicher muss alles wohl überlegt sein,aber es muss auch praktische Hilfe geleistet werden.
    Bis das eventuell ??? eines Tages erkannt und anerkannt und geregelt etc.ist..müssen Leute bei dieser Kälre den ganzen Tag draussen herumlaufen,weil sie ihre Wohnungen nicht merh vertragen..Bitte auch daran denken..Danke!

  5. Silvia 3. Dezember 2009 um 22:00

    Um Mißverständnisse aus dem Weg zu räumen, CSN gründet keinen MCS-Notfond.

    Das was entstehen soll, wird völlig eigenständig sein. CSN unterstützt dieses Vorhaben, hilft es in schnellstmöglicher Zeit voranzutreiben, vermittelt Kontakte, hilft die Struktur aufzubauen und wir werden später unser Fachwissen einbringen.

    Dr. Merz möchte Euch mit seinem Blog vermitteln, dass zum Gelingen des Vorhabens sehr präzise vorgegangen werden muss. Dass bei einigen MCS-Kranken im Moment schwere Not herrscht, ist traurig und belastend. Nur es darf nicht zu überstürztem Handeln führen. Das mag hart klingen, weil eben Menschen leiden. Blinder Aktionismus wird jedoch nur dazu führen, dass auf lange Sicht noch mehr Menschen leiden werden. Warum? Weil das Vorhaben schlichtweg nur scheitern kann, wenn nicht mit den Vorgaben, die Dr. Merz anspricht, nämlich Sachlichkeit, Ehrlichkeit, Transparenz und Glaubwürdigkeit vorgegangen wird.

    Das Projekt, worauf wir gerade hinarbeiten, soll eine solide Organisation werden, die mit Sachverstand und völliger Transparenz ihr Ziel darin findet, MCS-Kranken zu helfen. Die Führungsmitglieder und der Beirat sind/werden daher sehr sorgfältig ausgewählt. Ganz so schwer, wie man glaubt, ist es nicht, bis jetzt haben alle Angefragten zugesagt.

    Bis die Hilfsorganisation steht und auch darüber hinaus bleibt CSN selbstverständlich eine Anlaufstelle für all jene, die Hilfe brauchen, und wir versuchen das Machbare mit unseren Möglichkeiten und Mitteln zu leisten.

  6. Maria 4. Dezember 2009 um 09:47

    Ich möchte mich dem bisher „gesagten“ anschließen. Die Gründung eines seriösen MCS-Fonds bedarf umfangreicher Vorarbeit vieler helfenden Hände! Ein solch fragiles Projekt kann nicht von heute auf morgen entstehen, auch wenn bereits heute schon die dringende Notwendigkeit besteht. Generell gilt, wichtige Projekte übers Knie zu zerbrechen, bringt nichts als Ärger. Alles muss detailliert durchdacht sein und fachlich wie auch sachlich korrekt umgesetzt werden.

    Dass CSN bei der Umsetzung des Vorhabens involviert ist und all erdenkliche Unterstützung leistet, steht sicher außer Frage.

    Wie BrunO und Silvia bereits sagten, CSN kann sich nicht zerreißen, immerhin sind die meisten fleißigen Unterstützer von CSN, genau wie Silvia, selbst schwer an MCS erkrankt und bekommen ihre gesundheitlichen und körperlichen Grenzen täglich aufgezeigt. Es bedarf der Hilfe Aussenstehender, schon alleine aus dem Aspekt heraus, dass CSN weiterhin als unabhängige Organisation Bestand hat.

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