Versuch einer Patientin den Stempel – Psychisch krank – aufzudrücken

Psychostempel sind Diskriminierung

Telefonate, Briefe und E-Mails mit Berichten von schwer kranken Menschen, die man aufgrund ihrer Chemikaliensensitivität (MCS) versucht, als psychisch krank abzustempeln, gehören zum Alltag von CSN.

Obwohl MCS als körperliche Krankheit im ICD-10 einklassifiziert ist und als körperlich bedingte Behinderung in Deutschland anerkannt ist, wird von vielen Behörden und Krankenkassen eine andere Gangart gegenüber den Erkrankten angeschlagen. Ganz bewusst und unverblümt wird versucht, Ansprüche der Erkrankten zu ersticken, indem der berühmt berüchtigte „PSYCHOSTEMPEL“ zum Einsatz kommt. Hierzu werden in der Regel fachfremde Ärzte bemüht, meist Psychiater, die keine umweltmedizinische Ausbildung und somit über kein erforderliches Fachwissen in diesem Fachbereich verfügen. Wie ein solcher Fall sich in der Praxis darstellt, veranschaulicht der nachfolgende Tatsachenbericht:

Theresa K. chemikaliensensibel:
Zunächst hatte ich, nachdem ich erstmals von Chemikalien als Ursache meiner Beschwerden erfuhr, nach monatelangen Telefonaten quer durch Deutschland schließlich die Telefonnummer einer Umweltklinik erfahren. Dort rief ich an und schien richtig zu sein.

Ich verfasste nun einen Bericht über meine damals noch lebensbedrohlichen Symptome und schickte ihn hin. Dann erhielt ich aus der Umweltklinik einen 19 Seiten langen umweltmedizinischen Anamnese-Fragebogen und eine Einladung zum ambulanten Vorgespräch als Vorbereitung zur stationären Aufnahme. Den Fragebogen schickte ich ausgefüllt zurück.

Freunde fuhren mich mit ihrem Auto in die Umweltklinik zum Gespräch, welches mir sehr gezielt geholfen hat. Denn als ich die empfohlenen Nahrungsergänzungen anfing zu nehmen, baute mein Körper so ungeheuer auf, sodass ich nach insgesamt einem Dreivierteljahr wieder wie zuletzt ca. 30 Jahre zuvor drauf war. Auch das diabetesbedingte Übergewicht war wie weggeblasen, und das bis heute.

Ziemlich am Anfang dieser Phase des körperlichen Wiederaufbaus bekam ich dann — nicht von meiner damaligen Hausärztin, wo ich schon über 10 Jahre hinging und die mich bis dahin immer vernünftig und respektvoll behandelt hatte – sondern von meinem Lungenfacharzt, wo ich ein paar Tage später meinen Routinetermin hatte, die heißersehnte Einweisung für die Klinik.

Ich rief in der Umweltklinik an und prompt wurde mir der Termin für den stationären Aufenthalt schriftlich mitgeteilt.

Erster Psychiatrisierungsversuch:
Meine Hausärztin nahm die schriftliche Aufnahmebestätigung der Umweltklinik mit spitzen Fingern entgegen und hielt sie so weit wie sie irgend konnte von sich weg mit der Bemerkung „Was soll D-A-S denn sein? Ich schreibe Ihnen was auf!“, was sie mir aufschrieb, war eine Untersuchung bei einem Neurologen/Psychiater.
Ich beschloss, sie nie wieder aufzusuchen. Bei der Terminvereinbarung mit dem Neurologen kam mir eine gepfefferte Erkältung dazwischen, und danach bin ich dann nicht mehr hin.

Die indes vom Lungenarzt erhaltene Einweisung musste erst von der Krankenkasse genehmigt werden. Ich ging hin und dachte, so eine Kleinigkeit, eine Unterschrift und Stempel drauf und fertig. Aber nix da. Sie behielten das Formular da.

Ich ging also ohne wieder nach Hause, packte meinen Koffer mit all den umweltfreundlichen Produkten etc. fertig, und was kam nun?

Zweiter Psychiatrisierungsversuch:
Die Kasse bombardierte mich fast täglich mit Drohanrufen, die alle auf meinem AB landeten. Sie legten für mich einen extrem kurzfristigen Zwangstermin beim MDK fest. Dort wurde ein psychiatrisches Gutachten von einer psychologisch fortgebildeten Anästhesistin erstellt. Sie sagte selber, dass das eigentlich nicht ihr Fachgebiet sei. Ich habe das MDK-Gutachten nie bekommen, trotz intensiver Bemühungen. Gesehen habe ich es aber. Es ist ca. 1 DIN-A-4-Seite lang, wovon der Teil, wo es ums Wesentliche geht, nämlich die Möglichkeit der erfolgreichen Behandlung, die ich ja mittlerweile gerade kennen gelernt hatte, bewusst falsch ist. Mir wurden von der MDK-Ärztin eiskalt Lügen in den Mund gelegt. Meine diesbezüglichen Mitteilungen wurden komplett ignoriert.

Dritter Psychiatrisierungsversuch:
Das reichte der Kasse aber nicht. Sie hat mich dann sofort kurzfristig zu einem Termin mit der hauseigenen Psychologin bestellt, wo es ganz abartig wurde.

Als ich ins Gebäude trat und die Rezeptionistin mich anwies zu warten, rief sie die Psychologin an, die dann in Begleitung zweier weiterer Personen erschien und mich in ein von allen Seiten – auch für das Publikum – einsehbares, kleines Büro lotste. Sie setzte sich hinter den Schreibtisch, ich sollte davor Platz nehmen. Dann ging das Einschüchterungsmanöver los. Sie sah mich scharf an. Eine ihrer Begleiterinnen stand direkt neben ihr und warf mir ebensolche Blicke zu, sowie verschwörerische in Richtung Psychologin. Die zweite Begleiterin war als Bewachung an der Tür postiert, damit ich nicht weg konnte. Wie das Gespräch im Einzelnen verlief, weiß ich nicht mehr, nur noch, dass dabei Dinge erwähnt wurden, die in der Sache völlig irrelevant waren, was ich ja wusste und deshalb auch sagte. Sie versuchte mich indes zu zwingen zu bestätigen, dass diese Krankheit nicht so behandelt werden kann, wie ich das meine. Aber das klappte nicht. Ich lüge nun mal nicht. Aber in der kleinen Butze wurde mit uns vier Personen die Luft sehr schnell stickig und deshalb war auch bald Ende der Vorstellung.

Vierter Psychiatrisierungsversuch:
Dann schrieb mich die Kasse an für einen weiteren Termin mit der hauseigenen Psychologin, die mich dann wieder zu bearbeiten versuchte – erfolglos.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 29.01.2009

4 Kommentare zu “Versuch einer Patientin den Stempel – Psychisch krank – aufzudrücken”

  1. Franz 30. Januar 2009 um 07:36

    Anstatt Psychologen zu beschäftigen, sollten Krankenkassen besser Umweltambulanzen einrichten.

    Die IKK Niedersachsen hat das längst erkannt.

    „Immer häufiger müssen Ärzte Patienten behandeln, die immer wieder oder permanent unter diesen Beschwerden leiden. Obwohl die Ärzte alle Möglichkeiten der Diagnostik ausnutzen, kommen sie manchmal nicht zu einem konkreten Ergebnis, was genau die Beschwerden verursacht und die Patienten werden nicht beschwerdefrei. Häufig entsteht dabei der Verdacht, dass die Erkrankungen aufgrund von Umweltbelastungen im Wohnbereich entstanden sind. Ohne genaue Kenntnis der Wohnbedingungen der Patienten kann der Arzt keine weiteren Rückschlüsse ziehen, denn die labormedizinischen Untersuchungen allein bringen nicht die gewünschte Klärung.

    In einem solchen Fall können die Ärzte ihre Patienten an die Umweltambulanz verweisen. Die Umweltambulanz übernimmt dann die Aufgabe, den häuslichen Bereich der Patienten umfassend zu untersuchen.

    Wenn Patienten von Ärzten an die Umweltambulanz verwiesen werden, findet diese in den meisten Fällen auch Schadstoffe, die als Ursache für die Erkrankung in Frage kommen“

    http://www.ikk-spartarife.com/home/aktuell/index.php?we_objectID=524

    CSN hat darüber berichtet:

    http://www.csn-deutschland.de/blog/2008/12/29/umweltambulanz-einer-krankenkasse-findet-schadstoffe-als-ursache-von-krankheiten/

    Wann begreifen denn die Krankenkassen endlich, dass ihnen die Psychopathologisierung nur die Bilanz verdirbt. Liegt das an Wahrnehmungsstörungen oder sind hier zu viele Manager unter Einfluss?

  2. G. Hinsche 30. Januar 2009 um 12:45

    Es geht aber auch etwas anders, hatte ich etwas Glück im Unglück ?

    Als es mich Anfang 2003 erwischte wusste ich nichts von MCS und ähnlichen Sachen. Über die Beschwerden usw. muss ich nichts schreiben, den die sind ja allgemein bekannt. Erste Krankschreibung, diverse Ärzte, MDK mehrfach, Krankenhaus, oB. weiter krank usw.

    Zweitesmal Krankenhaus (fast das gleiche Bett, gleiche Behandlung) habe ich nach einer Woche auf eigenen Wunsch abgebrochen, da es mir dort schlechter ging als Zuhause.

    Und dann ist das Wort -RENTENKONTENKLÄRUNG- in mein Leben getreten.
    In der Beratungsstelle, meine Frau gab für mich die Antworten und ich hing am offenem Fenster, fragte die Bearbeiterin was mit mir währe. Nach einer kurzen Erläuterung über meinen Zustand teilte sie uns mit, daß wenn eine Krankschreibung über ein Jahr ist, eine Rente beantragt werden kann.

    Gesagt getan…. Unterlagen, Berichte und Befunde eingesammelt und samt Antrag an die Rentenstelle geschickt. Ein wenig hin und her und dann eine Kur zur -Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit-. Mein Sohn hat mich dann in die Kurklinik gefahren (öffentliche Verkehrsmittel oder alleine fahren -ohne Worte) und die Formalitäten erledigt. Über die Luft und den Duft und meinen dementsprechen Zustand brauche ich nichts zu sagen, denn selbst die Aufnahmeärztin sagte- sie sind ja garnicht kurfähig-. Aber sie gab es mir nicht schriftlich und so gab es für mich 3 Wochen Qual. Essen in einem Extraraum alleine und bei offenem Fenster. Behandlungen bei offenem Fenster, oftmals abgebrochen oder garnicht erst möglich – u.s. w.- u.s.w.
    Das Ende vom Lied ,entlassen o.B. weiterhin arbeitsunfähig.

    Wieder Zuhause, eine Weile später ein Termin zum Facharzt für Neurologie und Psychiatrie. Untersuchungen und diverse Gespräche, selbstverständlich mit offenem Fenster, und dann, sie bekommen Bescheid.

    Der Bescheid kam überraschend schnell, EU Rente befristet für 1 Jahr.

    Mit ca. 18 Monaten vom Anfang der Odyssee bis zu einer Anerkennung der Behinderungen mit einer Rente bin ich ziemlich gut dran. Vor meiner erneuten Rentenbeantragung habe ich dann im Fernsehen einen Bericht gesehen wo ich erstmals was von MCS zu hören bekam. Das besorgen eines Mitschnittes der Sendung war dann das wichtigste. Nun konnte ich bei Ärzten und Behörden etwas vorlegen. Jetzt bin ich bei 2 jähriger befristeter EU Rente und es wissen einige Leute etwas über MCS, die eigentlich besser Bescheid wissen müßten als ich. In meinen jetzt ca. 6 jährigen Erfahrungen habe ich es auch zu einem Behindertenausweis, unbefristet und 50 %, gebracht. Aber die Gesundheit hätte ich lieber wieder zurück.

    Einige Worte zum Abschluss:
    Es ist sehr wichtig den Humor zu behalten, auch wenn es schwerfällt und mein Spruch ist-
    ES GIBT NOCH SCHLIMMERES !

  3. Henriette 30. Januar 2009 um 15:22

    Dieser Erfahrungsbericht der Betroffenen ist der Alltag, der auf MCS Kranke einstürzt und stellt ein ein Armutszeugnis im Deutschen Gesundheitswesen dar. So viele Psychiater und Psychologen, wie auch Klinikbetten in Psychokliniken, gibt es nur in Deutschland. Diese wollen alle beschäftigt sein, auch Psychopharmaka lässt sich sicherlich durch diese systematische Methodik bestens umsetzen.

  4. Dorothee Krien 31. Januar 2009 um 15:48

    Zwangseinweisungen in psychiatrische Kliniken, veranlasst von Psychiatern, die fuer eben das Haus arbeiten, das an der Zwangsbehandlung verdient, sollten eigentlich als sittenwidrig erklaert werden. Interessenkonflikte gibt es in der Psychiatrie allerorten.
    Neurologie und auch Toxikolgie gehoeren zu den Hilfswissenschaften der Psychiatrie, die die diesbezuegliche Forschungsergebnisse der Umweltmedizin aber hartnaeckig ignoriert. Kein anderer medizinischer Bereich ist so stark von den Interessen der Pharmaindustrie gepraegt wie die Psychiatrie. Pharmaproduzenten sind ja oft genug auch Produzenten von Chemikalien, die bei Chemikalienempfindlichen so schwere Stoerungen hervorfufen wie sonst nur hohe Konzentrationen. Dass Psychiatrie keine Wissenschaft im eigentlichen Sinne ist kann man an der Tatsache erkennen, dass Nervengifte (Neurotoxine), die Nervenschaeden verursachen, gar nicht als moegliche Ursache ermittelt werden, nicht im klinisch nachweisbaren Bereich und schon gar nicht bei Chemikalienempfindlichen.
    Es ist sehr zu hoffen, dass sich Wissenschaftler mal die Muehe machen, die Symptome, die in der Toxiologie laengst bekannt sind mit denen zu vergleichen, die MCS-Kranker aufweist. Die Ermittlung von subklinischer Belastung ist durch die Elektroakupunktur nach Voll (EAP) moeglich.
    Wenn z.B. 20 Patienten mit einer Parathionbelasung Muskelschwaeche, Herzrhythmustoerungen, Kopfschmerzen, Schlafstoerungen, Reizbarkeit und Panikattacken im Aufwachen bekommen – gleichgueltig ob mit schwerer Belastung oder bei Spuren – dann duerfte die Behauptung, dass identischen Syptome bei MCS-Kranken psychischer Natur sind, voellig hinfaellig sein.
    Leider benutzt ja die Umweltmedizin kaum die EAV-Methode, aber auch ohne diese liessen sich Beweise fuer frappierende Gemeinsamkeiten finden.

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