Duftstoffe: Synthetische Moschusverbindungen hemmen die Entgiftung langfristig

Duftstoffe sind nachhaltig schädlich

Synthetische Moschusverbindungen werden als Duftstoffe in Alltagsprodukten wie Kosmetika und Wasch- und Reinigungsmitteln eingesetzt. Bedenken wurden erstmals angemeldet, als man diese Stoffe im menschlichen Fettgewebe, in der Muttermilch und in Wasserorganismen feststellte. Ihre Persistenz und das Potential zu bioakkumulieren sind bedenklich, auch wenn die Toxizität und die Gefahren für die Umwelt generell als gering eingestuft wurden. Wissenschaftler der Stanford Universität in Kalifornien fanden heraus, dass Nitromoschus- und polyzyklische Moschus-verbindungen zu einer multixenobiotischen Resistenz MXR (Blockierung, Fremdstoffe aus dem Körper zu entgiften) bei Muscheln führen können. Wegen ihrer Anreicherung im menschlichen Gewebe wirft sich die berechtigte Frage auf, ob Moschusverbindungen auch beim Menschen als sensibilisierende Substanz gegenüber Chemikalien Relevanz besitzen.

Umweltverschmutzer mit Langzeiteffekt
Es stellt sich zunehmend heraus, dass Pharmazeutika und Körperpflegeprodukte sehr zur Umweltverschmutzung beitragen Zu den Verursachern gehören auch die verschiedenen Moschus-verbindungen. Ihre unerwarteten Langzeiteffekte sind beunruhigend.

Schon vor mehr als zwei Jahrzehnten stellten Wissenschaftler weltweit eine Belastung von Meerestieren durch Moschus-verbindungen fest. Verursacher ist der Mensch.

Künstliche Moschusverbindungen werden breitflächig als billige Duftstoffe eingesetzt. Der Markt ist groß, die Produktionsmengen betragen viele tausend Kubiktonnen pro Jahr weltweit. Kosmetika, Fixierungsmittel in Kosmetika, Waschmittel, Weichspüler, Parfüms, Raumduftsprays, Reinigungsmittel sorgen dafür, dass wir ständig diesen Stoffen ausgesetzt sind, auch wenn wir sie nicht selbst benutzen. Oft kommen nicht nur Einzelverbindungen dieser künstlichen Moschusverbindungen zum Einsatz, sondern auch Kombinationen.

Chemosensibilisierung – Das Fass läuft über
Ein kaum beachteter nachdenklich stimmender Aspekt, der festgestellt wurde, besteht darin, dass verschiedene Pharmazeutika und Körperpflegeprodukte, darunter auch künstliche Moschusverbindungen, in der Lage sind, den Organismus zu beeinträchtigen, indem sie die Proteine, die als Transportsysteme fungieren, blocken. Diese Effluxtransportsysteme dienen nämlich normalerweise dazu, dass es nicht zu einer Anreicherung von Xenobiotika (Fremdstoffen) in der Zelle kommt. Hemmung dieser zellulären Abwehrmechanismen führt zu einer erhöhten Sensibilität der Zellen gegenüber Xenobiotika, indem sie normalerweise nicht in die Zelle eindringenden Giften Eintritt gestatten.

Eine charakteristische Eigenschaft dieser Effluxtransporter ist ihre Affinität gegenüber einem breiten Feld von Substraten. Wenngleich diese geringe Spezifität eine Möglichkeit, mit „neuen“ Chemikalien (Umweltschadstoffe) umzugehen, für das System bereitstellt, besteht der Nachteil darin, dass das System schnell durch das Vorhandensein von vielen Substraten gesättigt ist und dadurch durchlässig wird. Dieser Vorgang sorgt dafür, dass die Schutzfunktion verloren gehen kann. Diese Zerstörung der MXR Abwehr durch zahlreiche Substrate oder durch Hemmung von Effluxtransportern wird als Chemosensibilisierung bezeichnet. Stoffe, die diesen Vorgang verursachen, nennt man Chemosensibilisierer. Die Wissenschaftler aus Kalifornien gehen davon aus, dass es sich bei künstlichen Moschusverbindungen um solche Chemosensibilisierer handelt. Bei einer großen Bandbreite von Chemikalien wie Pestiziden, Pharmazeutika und einige polyarmomatische Hydrocarbonen fand man ebenfalls heraus, dass sie MXR Transporter in menschlichen Zellen und Wasserorganismen hemmen.

Langzeiteffekt
Die Wissenschaftler der Stanford University besorgte das Ergebnis ihrer Studie sehr, da eine zweistündige Exposition gegenüber Moschusverbindungen bei den Muscheln nach 24 – 48 Stunden Erholung in sauberem Meerwasser noch nicht vollständig abgebaut war. Diese unerwartete Konsequenz durch synthetisches Moschus bedeutet ein Langzeitverlust der Effluxtransportaktivität, was zu einer Akkumulierung normalerweise eliminierter toxischer Stoffe führt, selbst wenn die akute Moschusexposition beendet ist. Man geht davon aus, dass wasserabstossende Substanzen während der Exposition in den Zellmembranen akkumulieren und Effluxtransporter dadurch indirekt durch Membraneffekte beeinflussen, oder die Membrane direkt als Reservoirs für langsame Freigabe von Chemikalien dienen, die dann an die aktiven Seiten der Transportproteine binden können und durch langsame Freigabe eine Hemmung über einen langen Zeitraum erwirken können.

Chemosensibilisierer, ein Risiko für Menschen
Für die Wissenschaftler der Studie stellte sich abschließend die zwingende weitere Forschungsfrage, ob auch andere Umweltchemikalien in der Lage sind, solche Langzeiteffekte auf Entgiftungstransportsysteme von Organismen auszuüben. Schon in vorangegangenen Studien hatten Wissenschaftler auf die Gefahr ausgehend von gewissen Chemikalien als Chemosensibilisierer und die damit verbundene unabschätzbare Gefahr für Mensch und Umwelt hingewiesen. Die Stanford Wissenschaftler vertreten die Auffassung, die derzeitige Umweltbelastung sei ausreichend, um die normalen Abwehrmechanismen zu beeinflussen.

Entgiftung und Schutzmechanismus lahm gelegt
Bei synthetischen Moschusverbindungen kommt noch hinzu, dass sie dafür bekannt sind, indirekte toxische Effekte zu verursachen und dadurch eine vermehrte Transformation anderer Umweltchemikalien in für den Körper gefährlichere Formen zu verursachen. Das bedenklichste an den Stoffverbindungen ist, dass der Effekt nachhaltig ist, selbst wenn eine Exposition nur kurze Zeit dauert, weil MXR Effluxpumpen im menschlichen Gewebe weit verbreitet sind, wo sie einen ausschlaggebenden Teil der zellulären Abwehr gegen Zellgifte darstellen.

Auswirkungen an Effluxsystemen können zu unerwarteter Akkumulation von Schadstoffen beim Menschen führen, was Sicherheitsvorhersagen von scheinbar ungiftigen Substanzen zunichte macht. Hinzu kommt, dass es offensichtlich einige  Chemikalien in unserer Umwelt gibt, die diese Effekte verursachen, was bedeutet, dass mehrere solcher Chemosensibilisierer in der Lage sind, gleichzeitig zu akkumulieren und sich gegenseitig in ihrer Wirkung zu verstärken, wodurch eine unter Bedenklichkeit liegende Exposition einer einzelnen Substanz letztendlich doch zu großen nachhaltigen Effekt führen kann.

Autor:
Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 27.12.2008

Literatur:
Till Luckenbach, David Epel, Nitromusk and Polycyclic Musk Compounds as Longterm Inhibitors of Cellular Xenobiotic Defense Systems Mediated by Multidrug Transporters, Hopkins Marine Station of Stanford University, Pacific Grove, Califoria, USA, Environ Health Perspect. 2005 January; 113(1): 17-24.

Fachworterklärung:
MDR – vielfache Medikamentenresistenz
MXR – vielfache Xenobioticaresistenz
Xenobiotika – Fremdstoffe
Akkumulieren – anreichern

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6 Kommentare zu “Duftstoffe: Synthetische Moschusverbindungen hemmen die Entgiftung langfristig”

  1. Franz 27. Dezember 2008 um 22:04

    Erschreckend!

    Sicher kann man davon ausgehen, dass auch unser Trinkwasser,
    je nach Einzugsgebiet, mit diesen synthetische Moschusverbindungen
    angereichert ist.
    http://www.csn-deutschland.de/blog/2007/10/25/seit-wann-benutzen-fische-parfuem/
    Es ist unverantwortlich, dass solche Stoffe weiterhin in die
    Umwelt eingebracht werden. Wenn man bedenkt, dass es keinerlei
    Notwendigkeit gibt, diese Chemikalien zu produzieren. Lediglich
    um Gewinne zu erwirtschaften, werden diese Stoffe hergestellt.

  2. Energiefox 28. Dezember 2008 um 10:56

    Nicht nur das der Stoff krank macht, nein er dient auch noch als Aphrodisiakum, ich möchte einfach nicht manipuliert werden. Bitte schnellstens vom Markt mit dem Stoff. In privaten Räumen können sie sich mit duftenden Manipulationsstoffen eindieseln wie sie wollen, aber bitte nicht in der Öffentlichkeit. Mir reicht der Lärm schon, den ja manche Autofahrer mit zig Lautsprecherboxen von sich gibt, da kann ich ja leider mein Gehör nicht einfach so abschalten, mit dem Geruchssinn soll es ja auch so sein. Man nimmt ja sogar den Stoff durch die Haut auf, wenn ich mich nicht irre.

  3. Spider 29. Dezember 2008 um 00:01

    Anstatt den Gebrauch von Duftstoffen einzudämmen, nimmt man in Deutschland die Gefahren auf die Gesundheit der Bevölkerung, ausgehend von Duftstoffen, leider nicht ernst genug.

    Unsere schwedischen Nachbarn, die ganz anders mit dem Thema Duftstoffen umgehen, sind uns auf dem Gebiet um Welten voraus:

    http://www.csn-deutschland.de/blog/2008/03/24/schwedische-behoerden-verbieten-duftstoffe-in-krankenhaeusern/

  4. Lucie 29. Dezember 2008 um 00:09

    Synthetische Moschusverbindungen sind leider weit verbreitet und über deren negativen Auswirkungen auf unser aller Gesundheit und unsere Umwelt, wird auch von anderen Institutionen berichtet. Auch über Schädigungen des Nervensystems und Nachweisen in Muttermilch wird informiert. Um so mehr ein wichtiger Grund, die synthetischen Moschusverbindungen zu verbieten.

    http://www.enius.de/schadstoffe/moschusverbindungen.html

    http://www.lgl.bayern.de/gesundheit/umweltmedizin/moschusverbindungen.htm

    Danke Silvia für diesen aufschlussreichen Blogbeitrag,
    Lucie

  5. Spider 29. Dezember 2008 um 00:25

    Hier noch einige interessante Links, die ich zuvor vergessen habe.

    Das Bundesministerium für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit belegt die Brisanz der synthetischen Moschusverbindungen.

    http://www.bvl.bund.de/cln_007/nn_1079428/DE/01__Lebensmittel/03__UnerwStoffeUndOrganismen/00__Was__Ist__Drin/02__Fisch/01__fisch__artikel/moschusverbindungen__forellen.html

    Das Umweltbundesamt schließt sich in die Reihe der Kritiker ein, aber daraus resultierten bei uns bisher leider keine Maßnahmen. Das UBA hat ja leider nur eine Warnfunktion, oder soll ich besser Alibi-Funktion sagen. Denn obwohl Warnungen über die Schädlichkeit synthetischer Moschusverbindungen mehrfach ausgesprochen bzw. nachgewiesen wurden, warte ich immer noch inständig auf angemessene Folgetaten. Aber das ist ja leider nichts Neues.

    http://www.umweltbundesamt.de/uba-info-presse/2006/pd06-035.htm

    Die Nachweise von Greenpeace sind auch nicht ohne:

    http://www.greenpeace.de/tip/themen/chemie/gefahren_risiken/artikel/10_fragen_und_antworten_zu_chemikalien_in_mutter_und_nabelschnurblut/

    http://www.greenpeace.de/themen/chemie/presseerklaerungen/artikel/greenpeace_untersucht_blut_auf_giftige_chemikalien/

    Aber man beschäftigt sich unterdessen lieber intensiv mit der Finanzkrise, unsere Gesundheit scheint nicht wirklich wichtig zu sein. Aber dies ist ein Trugschluss, das werden alle Entscheidungsträger, die so emsig mit anderen Dingen beschäftigt sind, auch noch feststellen.

  6. Maria II 2. Juni 2010 um 19:24

    ich bin der Meinung das die Gesundheit und das Wohlbefinden an erster Stelle steht und aus diesem Grund sollten synthetischen Moschusverbindungen verboten werden

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