Seit wann benutzen Fische Parfüm?

Duftstoffe begegnen uns in jeder Alltagssituation. Wir haben „unsere Welt“ beduftet. Ob es nun die tägliche Körperpflege betrifft, unsere Nahrung oder ein Putzmittel, Babywindeln, Kerzen, Hotelzimmer, sogar Socken und U-Bahnkarten gibt es mit Duft. Die Bestandteile der Duftstoffe sind zumeist Chemikaliengemische. Sie reichern sich in unserem Fettgewebe, der Muttermilch und in unserer Umwelt an. Ein staatliches Labor in der Schweiz fand Duftstoffkomponenten nun sogar in Fischen in hochalpinen Bergseen. Wie kommen sie dorthin, in Höhen, die nur selten ein Wanderer erreicht und in denen niemand lebt?

Der Traum von sauberer Luft und sauberem Wasser

Über zweitausend Meter hohe Berge, glasklare Luft, traumhafte Panoramen mit tiefblauen Bergseen – eine friedliche Szenerie, die einen wieder eins mit der Natur werden lässt. Doch der Schein trügt, denn das staatliche Schweizer Labor für analytische Chemie hat bei Proben von Fischen aus den Seen im Hochgebirge und Flachland persistierende organische Verbindungen (POPs) und Bestandteile von Duftstoffen festgestellt.

Fische Endlager für Insektizide, Flammschutzmittel und Duftstoffe?

Es wurden Fische aus sieben alpinen Seen in Regionen zwischen 2062 und 2637 Metern über dem Meeresspiegel untersucht. Die Wissenschaftler fanden im Fettgewebe der Fische Konzentrationen von Altinsektiziden und längst verbannten Chemikalien wie DDT, DDE, Dieldrin, HPEX, HCB, HCH, PCBs, PCDD/F und PBDE. Zusätzlich zu diesen hochbedenklichen Chemikalien wurden sieben verschiedene künstliche Moschusverbindungen und Xylolmoschus festgestellt. Diese Chemikalien sind Bestandteile aus Duftstoffgemischen, die man in Pflege-, Putz- und Waschmitteln und Parfüm findet.

Durch Niederschlag in den Fisch im Bergsee gelangt

Die Konzentrationen von PCB, PCDD/F, und PBDE waren in den Fischen aus den Gebirgsseen so hoch wie im Flachland. Ganz anders sah es mit der Konzentration der synthetischen Moschusverbindungen aus. Diese aus Duftstoffen in Waschmitteln und Kosmetika stammenden Verbindungen hatten sich in den Fischen der Gebirgsseen weniger stark angereichert, als in Fischen aus dem Flachland. Der Grund hierfür liegt darin, dass in die Flachlandseen Wasser aus Wasseraufbereitungsanlagen einfließen, eine Belastung, die es in den Hochgebirgsarealen nicht gibt.

Alltagsbeduftung hat Nebenwirkungen

Für die Duftstoffbestandteile und persistierenden Chemikalien in den Fischen im Hochgebirge gibt es laut Schweizer Wissenschaftler nur eine Erklärung: sie stammen direkt aus atmosphärischem Niederschlag und Luftverschmutzung. Regen, Schnee, Nebel sorgen in diesen hohen Regionen für die Belastung der Fische mit Duftstoffbestandteilen, die sich in unserer Atmosphäre befinden. Die Umweltverschmutzung durch die Alltagsgewohnheiten der Menschen sorgt somit für „parfümierte“ Fische. Eine Entwicklung, die jedem die Tragweite einer bedufteten Welt kritisch vor Augen halten sollte.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, August 2007

Literatur: Persistent organic pollutants, brominated flame retardants and synthetic musks in fish from remote alpine lakes in Switzerland Schmid P, Kohler M, Gujer E, Zennegg M, Lanfranchi M. Empa, Swiss Federal Laboratories for Materials Testing and Research, Laboratory for Analytical Chemistry Dubendorf, Switzerland. Chemosphere, Januar 2007

6 Kommentare zu “Seit wann benutzen Fische Parfüm?”

  1. Mary-Lou 7. November 2007 um 15:23

    Nach dem Lesen diesen interessanten Berichts muss ich mal wieder zu Wort melden.

    Ähnlich wie mit Duftstoffen ist der Stand auch bei Hormonen und anderen Arzneimittelrückständen, die sich ebenfalls in unseren Gewässern sowie bei den darin lebenden Fischen nachweisen lassen und nachhaltig in deren Hormonsystem eingreifen. Daher sollte jeder vernünftige Mensch erkennen, dass es bereits fünf nach zwölf ist.

    Duftstoffvermeidung wäre eines der leichtesten Übungen für den Umweltschutz wie auch für den Gesundheitsschutz. Denn es könnten z.B. die Waschmittelhersteller nach wie vor ihre Umsätze tätigen. Bei anderen Umweltprojekten gestaltet sich eine Verbesserung den Umweltbedingungen sicher schwieriger. Aber von geplanter Duftstoffreduzierung habe ich bisher nirgends gehört. Leider! Vieles könnte so einfach sein, wenn man nur will!

    Mary Lou

  2. Mary-Lou 7. November 2007 um 23:25

    Hallo Silvia,

    würde man chemische Duftstoffe durch natürliche Duftstoffe ersetzen wäre das ein enormer Beitrag für einen besseren Umweltschutz. Allein was schon bei der Herstellung an umweltschädlichen Stoffen eingespart werden könnte. Gut, Parfüms usw. würden sich stark verteuern, aber dann würde Parfüm auch dezenter eingesetzt werden und man wäre nicht überall derartig penetranten Duftwolken ausgesetzt, wie es heutzutage leider fast überall der Fall ist.

    Einerseits liegen Bio-Produkte voll im Trend und die Leute möchten einen Beitrag ihre Gesundheit leisten, andererseits benutzen sie aber maßlos chemische Duftstoffe, die leider ebenfalls stark im Trend liegen. Jeder Star bringt sein eigenes Duftwässerchen auf dem Markt, Tendenz steigend.

    Obwohl den verantwortlichen Stellen in unserer Gesellschaft, die Gesundheitsgefahren die von chemischen Duftstoffen ausgehen, ausreichend bekannt sein dürften, passiert in Deutschland nichts, um die Verbraucher, denen diese Gefahren leider so nicht bewusst sind, vor den gesundheitsschädlichen Auswirkungen zu schützen. Wie sehr die Umwelt belastet ist, beschreibt Dein ausführlicher und sehr informativer Bericht. Das Schlimme ist, dass sich außer einigen Forschern, Umweltmedizinern sowie den umweltbedingt erkrankten Menschen, um diese gravierenden Auswirkungen für Mensch, Tier und Umwelt, sonst niemand zu kümmern scheint. Im Gegenteil, es wird immer wieder versucht, die nackten Tatsachen unter den Teppich zu kehren!

  3. Silvia 25. November 2007 um 21:27

    Hallo Mary -Lou,

    Sensibilität gegenüber der Umweltbelastung durch chemische Düfte ist bei uns gegen Null. Wenn ich hingegen Berichte aus Canada oder den USA lese, wo es Universitäten, öffentliche Gebäude, ja sogar ganze Städte gibt die duftfrei sind, werde ich wehmütig. Wieviel mehr Lebensqualiät hätten wir als Chemikaliensensible und was für Möglichkeiten stünden uns offen?

    Es gibt in den Bioläden Cremes und sogar Parfüms mit natürlichen Duftstoffen, aber sogar die haben Konsequenzen. Immer mehr Leute haben Kontaktallergien auf Duftstoffe. Ich glaube es wäre am Besten, wir würden uns mit Duftstoffverwendung insgesamt beschränken. Manche der natürlichen Duftstoffe haben sogar toxische Wirkung.

  4. Mary-Lou 14. Dezember 2007 um 23:34

    Dass Öko-Kosmetik auch meist Duftstoffe enthält, ist die Konsequenz der Nachfrage. Die Leute wollen es unbedingt. Daraus kann man erkennen, welchen Einfluss die Werbung auf die Menschen hat. Hinterfragt wird da nichts in Bezug auf Verträglichkeit und Auswirkungen auf die Gesundheit. Das Problem ist, dass Parfüm und Duftstoffe in der heutigen Zeit leider total angesagt sind. Die Werbung und auch die Medizin hat dabei einen erheblichen Anteil. Die letzen Jahre liest man verstärkt, und hört in den Medien viel über Aromatherapie und die „positive“ Auswirkung von Duftstoffen auf die Sinne und das Wohlbefinden.

    Neurodermitis und Allergien sind heute schon Normalität. Ich wünsche mir sehr, dass es mit MCS einmal anders wird.

  5. Supergirl 12. April 2008 um 19:12

    Dass Duftstoffe bereits in Fischen in so entlegenen Gebieten angekommen sind, stimmt mich bestürzt. Es ist extrem, wie wir heutzutage mit der Umwelt umgehen. Die Chemie lauert überall, sogar dort, wo keiner sie vermutet.

  6. Jewel 12. Juli 2008 um 10:16

    Es ist erschreckend, dass man in entlegenen Gebirgsseen Chemikalien wie DDT, DDE, Dieldrin, HPEX, HCB, HCH, PCBs, PCDD/F und PBDE im Fettgewebe der Fische nachgewiesen hat.

    Die Chemie hat die Macht über uns gewonnen, das lässt sich nicht mehr abstreiten. Die Auswirkungen auf Mensch und Natur sind katastrophal. Schließlich wirken die Chemie-Cocktails durch ihre Wechselwirkung unkontrolliert, das genaue Ausmaß kann niemand bestimmen. Aber rosig sind die Konsequenzen des Ganzen mit Sicherheit nicht.

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