Obst „klauen“ für mehr Nachhaltigkeit und Artenschutz

Mundraub ausdrücklich erlaubt und sogar gefördert

Die Idee für das Projekt entstand auf einer Kanufahrt. Obstbäume, von deren Zweigen verlockend leckeres Obst hing, brachten einige junge Leute zum Nachdenken. Sie hatten nicht im Sinn, es unentdeckt zu klauen, denn, auch wenn es „nur“ Obst vom fremden Baum ist – das ist Diebstahl und strafbar. Obst ungenutzt hängenlassen bis es verfault, ist aber auch keine akzeptable Alternative und eigentlich müsste auch das strafbar sein, also schritten die jungen Leute zur Tat. Ihre Idee: Sie wollten MUNDRAUB salonfähig machen und dafür sorgen, dass er legal wird. Sie haben es geschafft: Mundraub ist in Deutschland seit November 2009 ausdrücklich und offiziell erwünscht. Die Plattform www.mundraub.org wurde am 23.11.2009 vom Rat für Nachhaltige Entwicklung als aussichtsreich und zukunftsfähig eingeschätzt und wurde sogar mit dem Nachhaltigkeitspreis prämiert.

Mundraub wird legal

Die hunderttausende vergessenen und herrenlosen Obstbäume in Deutschland werden nach und nach von der Mundraub-Community getaggt und jedem Bürger für eine freie Nutzung überlassen. Das köstliche Obst muss nicht mehr länger nutzlos verfaulen und ganz nebenbei werden alte Obstsorten, die in vielen Regionen nur noch selten anzutreffen sind, erhalten. Um des den „Obst-Räubern“ leicht zu machen, wurde eine interaktiven MundraubMap erstellt, dort kann man nachschauen, wo in nächster Nähe „Beute“ auf freigegebenen Bäumen wartet. Die Initiative kümmert sich außerdem um Freigaberegelungen mit öffentlichen und privaten Eigentümern und sie erarbeitet Geschäftsmodelle für regionale Akteure.

Mundraub wird salonfähig und trägt zu Nachhaltigkeit bei

Mundraub ist ein wichtiges Projekt, das der Sicherheit dient, wie sich im letzten Jahr zeigte, als im Nordosten der Republik der Obstnotstand ausgerufen wurde. Es gab einfach zu viele Äpfel, Birnen und Pflaumen an den Alleen und in den verlassenen Gärten der landflüchtigen Bevölkerung. Eine Fahrt über eine Mecklenburger Obstbaumallee wurde nicht selten zu einer Rutschpartie durch Mus und Kompott. Die meisten dieser Früchte verrotteten, mit ihnen Potenzial für Sprösslinge alter und wertvoller Sorten. Zur gleichen Zeit wurde auf der anderen Seite über die Nicht-Finanzierbarkeit des EU-Schulobstprogramms gestritten und Bioläden boten Früchte aus Neuseeland und Südafrika an.

Genau hieraus entstand letztendlich die Idee, Mundraub wieder salonfähig zum machen. Entwickelt und umgesetzt wird das Projekt von einem kleinen Team aus Deutschland, Dänemark und Kanada. Die fünf Protagonisten wollen nicht nur eine rein technische Lösung anbieten, sondern eine Reihe von positiven Effekten auf Gesellschaft und Landschaft initiieren.

Regional Werte schaffen

Mundraub hat das Potenzial, viele kreative Akteure zusammen zu bringen, die für sich und ihre Regionen Werte schaffen und Werte bewahren. So soll beispielsweise Mundraubsaft in ortsansässigen Lohnmostereien produziert werden und der ländliche Tourismus durch Mundraub-Aktionen während der Erntesaison eine Aufwertung erfahren. Von Betriebsausflügen und Schulwandertagen zur nächsten Obstbaumallee wird das Raubgut in Form von gepresstem Saft mitgebracht, welcher dann monatelang in Büros und Klassenzimmern fließt. Ein rundum gelungenes Projekt also, das volle Unterstützung von jedem Obstbaumbesitzer verdient.

Raubzüge zulassen – Obstbäume melden

Wer Obstbäume im Garten oder auf Grundstücken der Familie hat, die selbst nicht leeressen kann, der kann sie bei www.mundraub.org melden. Oder wenn Ihre Gemeinde Alleen oder Streuobstwiesen besitzt,die niemand nutzt, dann sprechen Sie doch den Bürgermeister an und tragen Sie das Projekt „Mundraub“ vor. Die freigegebenen Bäume werden dann getaggt und auf der mit Googlemaps verbunden Karte auf der Webseite der Initiative vermerkt. Wichtig ist, dass die Bäume nicht mit Pestiziden gespritzt werden, um die Nachhaltigkeitseffekt in vollem Umfang zu garantieren und besser für die Umwelt und die Gesundheit aller „Obst-Diebe“ ist es natürlich auch.

Was es Neues über das Projekt gibt und ausgefallene Rezepte für das Verarbeiten von allem, was in der Natur wächst, kann man auf dem Blog der Initiative MUNDRAUB erfahren. Wer Freude daran findet, kann sich mit der Initiative in Verbindung setzen und auf seine Weise mitmachen.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 31. Mai 2010.

Weitere CSN-Blogs über tolle Umweltprojekte:

9 Kommentare zu “Obst „klauen“ für mehr Nachhaltigkeit und Artenschutz”

  1. Henriette 31. Mai 2010 um 13:29

    Danke Silvia für den tollen Bericht. Projekte die Nachhaltigkeit, wie auch das Bewusstsein für die Umwelt und Natur fördern, sollten viel mehr Beachtung finden, unsere Folgegenerationen werden es uns danken. Dass man das Schulobstprojekt mit ausländischen und konventionell erzeugten Produkten bediente, ist nicht gerade ein gutes Beispiel.

    Die alten Obstsorten sind an die Umweltbedingungen angepasst und brauchen keine oder wenig Spitzmittel, um zu gedeihen. Aber aus Gründen der Wirtschaftlichkeit werden Neuzüchtungen privilegiert, die anfällig sind für Schädlinge und häufige Behandlungen mit „Pflanzenschutzmittel“ erfordern. Hier sollte man einiges überdenken, denn auch Umweltsünden bestraft das Leben!

    Herzliche Grüsse
    Henriette

  2. Holger 31. Mai 2010 um 22:14

    Solche Projekte lob ich mir, mit „Klauen“ Gutes für Natur und Umwelt tun, was will man mehr.

    Der Wert von Nachhaltigkeit und Artenschutz wird leider oft verkannt, es müsste mehr dafür unternommen werden.

  3. Energiefox 1. Juni 2010 um 04:37

    Danke für den Beitrag Silvia,

    hier der Retter der Quittenbäume.

    http://tinyurl.com/yzbekjf

    Also früher in meinem Dorf gab es noch Obstwiesen, als Kinder ein Paradies für uns, wir sind über Zäune durch Obstwiesen gestreunert. Meist waren auch Pferde oder Schweine auf der Wiese. Die Obstbäume waren aber geschützt, da Tiere sich gerne an solche Bäume das Fell reiben. Heute mein Neffe nur vor seiner Playstation, ich weiß nicht was nicht ist es die 3. oder 4. Der streift durch künstliche Welten.

    Artenviefalt ist wichtig, ich hab eine alte Apfelsorte, ein Baum, der eigetnlich nur ca 30 Jahre alt werden dürfte. Ist jetzt aber schon viel älter. Kein Hochstamm – Apfelbaum, aber der bringt immer noch reichlich Äpfel. Ein Bekannter von mir der allergisch auf Äpfel reagiert, verträgt aber diese Sorte. Der Baum wird auch nicht gespritzt und steht, man kann fast sagen, in einer Brennnesselwiese.

    Gruß Fox

  4. Lucie 2. Juni 2010 um 06:30

    In meiner Kindheit sind wir auch in den Streuobstwiesen herum gestreunt und hatten unseren Spaß. Überhaupt war damals das Landschaftsbild wesentlich bunter und artenreicher. Heute ist alles einheitlich grün und gelb, wenn gerade ein Rapsfeld am blühen ist oder Sonnenblumen die Landschaft verschönern. Wildblumen gibt es kaum noch zu sehen. Das bekommen auch Bienen und andere Insekten zu spüren.

    Artenschutz und Nachhaltigkeit sind wichtige Aspekte unserer Zeit, die jedoch viel zu wenig Beachtung finden.

  5. Stables 2. Juni 2010 um 12:37

    Eine grandiose Idee. So werden die alten Obstbäume gepflegt und jeder hat etwas davon. Außerdem, was glaubt Ihr wieviel Spass es einer Familie mit Kinder macht, Obst schnappen zu gehen. Dabei lernen die Kinder auch wahre Werte zu schätzen. Bravo für diese Idee!!!

  6. Gerhard Becker 2. Juni 2010 um 21:59

    Wirklich eine Superidee, unter bestimmten Voraussetzungen sicher auch für MCS-Betroffene nutzbar. d.h. es sollten keine anderen, gespritzten Obstkulturen sich in der Nachbarschaft befinden, ebensowenig konventionell bewirtschaftete Felder und Obstbäume in den entsprechenden Gärten sollten ebenfalls nicht gespritzt sein. Die Grundidee ist, wie schon gesagt, super.

    Gerhard

  7. Michael R. 29. Juli 2010 um 09:02

    Ich frage mich? wer schneidet, wer pflegt,wer mäht pflanzt neue Bäume, wer kümmert sich um den Erhalt der alten Obstsorten ?. Und wie sieht es aus mit NAturschutz insbesondere der wildlebenden Tiere (Vögel,Siebenschläfer, Eichhhörnchen usw.) Beeren,Nüsse etc. sind nicht nur für die Menschen da. Wenn das immere größere Ausmaße nimmt das ist der Ausverkauf der NAtur. Rücksichtslos die NAtur wird immer mehr zurückgedrängt.
    Ich frage mich wo bleibt der Biobauer wo sein Bioobst verkaufen will. Ich frage mich was macht der Naturschutz wenn immer mehr in die Auwälder streifen auch in NAturschutzgebiete und sich maßlos am Bärlauch und Waldmeister vergreifen die WEge verlasssen das Wild verscheuchen. Leute wir sind das dichtbesiedelstes Land in Europa. Es können sich keine 82 Millionen Einwohner von der vorhandenen Natur kostenlos ernähren. Die meisten Werden natürlich mit dem Autos kommen (Sieht man doch die letzten Jahren an Landstraßen große Luxusautos, die wo sich den Kofferraum mit Wallnüssen etc. vollmachen.
    Und in den Städten? Die wo es wirklich nötig haben (die Armen) werden auch nicht mehr zum Zug kommen . KLasse?
    Ich frage mich was das mir NAchhaltigkeit zu tun hat.

  8. Stables 9. September 2010 um 11:13

    Findest Du es besser, dass das Obst verfault auf der Wiese und den Straßen liegt?

    Ich lebe auf dem Land und sehe keine Nobelkarossen die sich den Kofferraum vollmachen.

  9. Stables 9. September 2010 um 11:14

    Noch ein wenig Realität:

    Äpfel aus Streuobstanbau wird es in diesem Jahr Wenige geben, in manchen Regionen fällt die Ernte sogar ganz aus. Das schätzt der Bundesausschuss Streuobstbau des Naturschutzbund Deutschland e. V. (NABU). Insgesamt wird mit einer Ernte unter 500 000 Tonnen gerechnet. Im Durchschnitt der vergangenen neun Jahre lag sie noch um 300 000 Tonnen höher. Ursache dafür ist in diesem Jahr vor allem die kalte Witterung während der Blüte im April. Allerdings gibt es regionale Unterschiede: in Süddeutschland falle die Ernte noch ganz ordentlich aus, in anderen Regionen dagegen weit unterdurchschnittlich.

    Der Streuobstanbau insgesamt nimmt immer weiter ab. Die schwierige ökonomische Situation führt auch zu mangelnder Pflege und einem allgemeinen Rückgang von Streuobstwiesen.

    Verlässliche Daten, wie viele Streuobstflächen es noch gibt, liegen nach Angaben des NABU nicht vor, denn die letzte Erhebung der Streuobstflächen liegt 45 Jahre zurück. Auf dem Gebiet der neuen Länder wurden zuletzt 1938 Daten erhoben. Eine Flächenerhebung sei dringend erforderlich, um genauere Ernteschätzungen vornehmen zu können, aber auch im Hinblick auf Streuobstwiesen als Lebensraum für seltene Tierarten.

    Weitere Informationen: http://www.streuobst.de
    http://www.aid.de/landwirtschaft/biotop_streuobstwiese.php

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