Gut geölte Arbeitnehmermaschinen – Gesundheitsprogramme im Betrieb

Fitness Training am Arbeitsplatz

Firmen kümmern sich ja häufig überhaupt nicht um die Gesundheit der Arbeitnehmer. Klar, wer ernsthaft krank ist, fliegt ja sowieso raus. Zum Beispiel, wenn er keine Schadstoffe mehr ertragen kann oder von Lärm und Mobbing dank Hackordnung krank wird. Und Nachschub gibt’s genug. Findige Unternehmer gehen aber einen Schritt weiter. Auch die kleinen Wehwehchen der Arbeitnehmer sind ja ein Problem. Könnte man die verbessern, kann man von seinen Untergebenen mehr Leistung erwarten. Und ein guter Deal ist auch noch drin. Es gilt, eine echte Marktlücke zu stopfen, und Gewinne zu machen.

Wie das geht? Ein Unternehmer lässt in der Firma zum Beispiel Fitnessgeräte aufstellen, wenn viele der Beschäftigten Rückenschmerzen haben. Die Geräte sind hochmodern, echte Innovationen. Die Firma, die diese Geräte anbietet, hat sich darauf spezialisiert, Firmen damit zu beliefern. Jetzt verdienen wirklich alle. Die Mitarbeiter sind leistungsfähiger. Sie können in weniger Zeit mehr schaffen. Vielleicht braucht man dann auf Dauer sogar weniger Leute zu beschäftigen? Und die Firmen, die andere Firmen mit den Geräten beliefern, die haben auch was davon. Wer jetzt nichts davon hat, egal wie es anfangs scheint, ist ja jetzt klar, oder? Genau, die Arbeitnehmer selbst. Warum? Weiterlesen. Dieser Blog hat praktischen Wert für Sie.

Wie funktioniert das Konzept? Beispiel Rückentraining im Betrieb

Wie das ganze im Detail funktioniert, wird uns in der Oktoberausgabe 2009 der Zeitschrift „Öko Test“ erklärt, und äußerst positiv bewertet. Das Thema sind hier Rückenschmerzen, das Positivbeispiel eine Sparkasse, die Fitnessgeräte angeschafft hat. Gleich zu Anfang wird „Rainer Wieland, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Wuppertal“ zitiert. Seiner Meinung nach macht es ja keinen Unterschied, ob jemand „Mülltonnen wuchtet oder am Schreibtisch sitzt“. Ob der schon mal vom Schreibtisch aufgestanden ist und eine Mülltonne gewuchtet hat? Der Stress sei natürlich der größte Haken, meint der werte Herr. Und kein Wort zu den Ursachen der Gesundheitsprobleme der Arbeitnehmer. Den Beschäftigungsverhältnissen. Der Angst vor Arbeitslosigkeit. Den Arbeitsbedingungen, die mit zunehmender Angst vor Arbeitslosigkeit beliebig schlechter werden. Feiner Professor. Er meint, das kann man doch innovativ angehen. Und mit Psychologie hat er’s ja auch, wir haben ja einen Knacks, wenn uns schlecht geht.

Die Elektronik bestimmt die Bewegung, der Chip speichert persönliche Gesundheitsdaten

Der Ökotest erklärt erstmal, dass die bewährten Rückenschulkonzepte nichts bringen. Alles veraltet. Klar, die hat man ja mittlerweile maximal ausgeschöpft, mehr Leute als in die Kurse gehen eben nicht hin. Heute geht das mit Hightech. Der Ökotest beschreibt auch gleich, wie die hübsche Realität in der bayrischen Sparkasse aussieht. Drumherum sind Anzeigen für Kiesertraining und Sparkassen. Für ganzseitige Anzeigen bekommt Ökotest gutes Geld. Da kann man schon mal was Nettes für schreiben. Wussten Sie, dass Zeitungen und Zeitschriften zu etwa 70% aus Werbung finanziert werden?

Weiter im Text. „Da steht es also, das Fitnessgerät. Schwarze Griffe, rotes Kunstlederpolster, graues Metall. Eine Maschine, so zweckgebunden und sinnenfroh wie eine Stechuhr. In diesem Fall ähneln sich sogar die Funktionsweisen. Denn wer den schwarz-rot-grauen Rückentrainer nutzt, schiebt zunächst einen USB-Chip hinein. Man stempelt sich sozusagen ein. Auf dem Chip sind persönliche Daten wie Alter, Gewicht und Fitnesszustand gespeichert.“

Danach fantasiert Ökotest davon, dass das Training auf dem Gerät wie Nintendo für Erwachsene sei. Das Spielchen mit der Maschine soll auch noch Spaß machen. Angeleitet vom virtuellen Trainer macht der arme Sparkassenangestellte x-mal dieselbe Bewegung. „Die Elektronik gibt die Bewegung vor, der Mensch macht sie nach. […] Schummeln ist nicht möglich. Die Elektronik ist streng, sie akzeptiert nur korrekte Beugen. War die Bewegung zu schnell oder zu schlampig, besteht der elektronische Trainer auf Wiederholung.“

Für jeden investierten Euro bekommt die Firma drei bis sieben Euro zurück

Die Sparkasse, die sich mit diesem Programm so sozial hervortut, hat die Rechnung mit dem Geld geschickt gemacht. Das wurde auf Cent und Euro ausgerechnet, was man aus dem Arbeitnehmer dann mehr rausholen kann, wenn man ihn trainiert. „Jeder Euro, der in Gesundheit investiert wird, fließt mit drei bis sieben Euro ins Unternehmen zurück.“ Ist diese Rechnung nicht erschreckend? Denken Sie dran: Hier will man mehr aus den Leuten rausholen und weniger Arbeitnehmer brauchen.

Total funktionalisiert für die Firma. Und dann sollen die Arbeitnehmer auch noch tun, als würde es ihnen Spaß machen. 150 von 500 Angestellten der Sparkasse konnte man schon dafür gewinnen, sich in ihrer Kaffeepause eine Viertelstunde vor die drei verschiedenen Geräte zu spannen, die die Sparkasse angeschafft hat. Der Rest geht mal kurz an die frische Luft oder macht eben Kaffeepause. Wenn die Arbeit, die verlangt wird, eine Pause überhaupt zulässt.

Total funktionalisiert für die Firma – Nur der Arbeitnehmer leidet

Die Sparkasse hat es geschnallt. Es wird investiert, in gut geölte Arbeitnehmermaschinen. Mit Stressmanagement, Yogakursen, Fitnessgeräten. Mit Spaziergängen übrigens nicht. Schließlich sollen auch Firmen verdienen, die Kurse und Fitnessgeräte anbieten. Man kennt sich in den Chefetagen.

Dabei ist frische Luft und einfach die Erlaubnis, in der kurzen Pause lebendig statt vor die Maschine gebaut zu sein, doch das Wichtigste. Gerade wenn man bedenkt, wie laut und vor Allem schadstoffbelastet die meisten Arbeitsplätze, Fabriken wie Büros oder Geschäfte, sind. Einfach mal rausgehen. Vielleicht hält uns das lebendiger.

Möchten Sie eine gut geölte Arbeitnehmermaschine sein? Noch ist es zu verhindern

Noch sind solche Gesundheitsprogramme nur in einem Teil der Firmen vorhanden. Und sie sind freiwillig. Wer Pause hat, kann genauso gut ein kleines Gespräch mit Kollegen führen oder mit dem Brötchen an die frische Luft gehen. Aber diese Programme werden mehr. Irgendwann werden sie entweder offiziell oder als ungeschriebenes Gesetz zur Pflicht werden. Dann wird auch der letzte Teil unserer Pausen noch verwertbar und vermarktbar. Jetzt kann man das aber noch verhindern. Still und leis sich nicht für das Gesundheitsprogramm melden und in der Pause allein oder mit Kollegen auf den Hof oder in den Park verschwinden. Wenn uns unsere Gesundheit etwas wert ist, können wir die Pause ja für einen kleinen Spaziergang nutzen und daheim ein bisschen Gymnastik machen. Dabei geht es dann wenigstens wirklich um uns.

Autor: Amalie, CSN – Chemical Sensitivity Network, 28. September 2009

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2 Kommentare zu “Gut geölte Arbeitnehmermaschinen – Gesundheitsprogramme im Betrieb”

  1. Gerhard Becker 28. September 2009 um 23:42

    Hallo Amalie,

    schön wie Du hinter den Kulissen der vermeintlichen Sozialpolitik der Unternehmer schaust. Statt uneigennütziger oder wenigtens zum gegenseitigen Vorteil praktizierter Gesundheitsprogramme geht es in Wirklichkeit um ein Profitmaximierungsprogramm. Wenn es der betreffenden Sparkasse wirklich um das Wohl der Angestellten ginge, dann würde sie 15 Minuten dafür bezahlt zur Verfügung stellen.

    Gruß Gerhard

  2. Energiefox 29. September 2009 um 09:41

    Hast recht Amalie mit Deinem Bericht.
    Wenn die Firmen auch mal die Plätze um den Firmen zum Park ausbauen würden. Ich sehe meistens
    lieblose, wöchentlich abrasierte Rasenflächen oder sogar Kiesflächen oder Schotterflächen um diese Firmen. Man könnte der Natur und den Menschen damit helfen. Zum Glück im Außendienst, als ich noch berufstätig war, haben wir oft einen Spaziergang während der Mittagspause gemacht. Hier im Emsland gibt es „NOCH“ schöne Natur.

    Super Bericht Amalie.
    Gruß Energiefox

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