„Modekrankheit MCS“, ein ausgeklügelter, bösartiger Plan zur Kostenabwehr

Ich muss mir Luft machen, es ärgert mich nämlich gewaltig, wenn MCS Kranke als Hypochonder mit Modekrankheit tituliert werden oder als Bekloppte, psychisch Desorientierte, eingebildet Kranke oder sonst etwas an den Haaren herbei gezogenes.

Die MCS Kranken, die ich kennen gelernt habe und das sind Tausende, waren fast ausnahmslos zielstrebige, oft sehr erfolgreiche Menschen in ihrem Beruf. Sie nahmen ihre Arbeit verdammt ernst und hatten hohes Pflichtbewusstsein. Diese Leute krochen bis zum bitteren Ende zu ihrem Arbeitsplatz, der sie krank machte.

Wieso sollten sie einer Modekrankheit aufgesessen sein? Sie verdienten nicht selten viele Tausend Euro, jetzt haben sie ein paar Hundert Euro Rente, wenn überhaupt. Einige von ihnen haben alles, wirklich alles verloren, was ihnen wichtig war. Nur um sich nach außen mit einer „Modekrankheit“ zu schmücken?

Man kann schon fast sagen, dass MCS Kranke von der Gesellschaft geächtet werden. Woher das kommt?

Es liegt sicherlich nicht an unserer Erziehung, denn wir haben im Elternhaus und in der Schule gelernt, dass man Kranke und Behinderte ordentlich behandeln muss und niemals verhöhnen darf.

In Deutschland haben einige in Medizinberufen tätige Personen es übernommen, MCS in eine Richtung zu rücken, die MCS Kranke als Neurotiker, Psychos, Umweltspinner, Modeerkrankte, etc. abstempelt. Sie nutzen auch die Medien dazu. Was nutzt es Ihnen?

Der Nutzen liegt bei der Industrie, Versicherungen, Berufsgenossenschaften, Unternehmen, etc., und nicht zu vergessen bei den Psychiatern und Psychologen, denen man Umsatz verschafft.

Gibt es Beweise, dass MCS eine Modekrakheit ist?

Eine Modekrankheit ist eine neue Krankheit, ein „Hirngespinst“ einer bestimmten Zeit. MCS ist alles andere als das, denn die Krankheit ist seit Beginn der Industrialisierung bekannt und sie hat reale Ursachen, nämlich Chemikalien. Auch der wissenschaftliche Sachstand lässt keinen Spielraum für die Annahme MCS sei eine „Modekrankheit“.

Wir hatten das Thema schon einmal im CSN Blog angeschnitten, als ein gewisser Dr. Harth in einer Zeitung öffentlich postulierte, MCS sei eine „Lifestyle Erkrankung“. Sicher ist es eine „Lifestyle Erkrankung“ ,wenn man korrekt betrachtet, durch was MCS entsteht. Dr. Harth sah es nicht von dieser Warte, sondern, wie es von den MCS Kranken gewertet wurde, als Verhöhnung. Die FR hatte vor einiger Zeit einen Artikel, der von den MCS Kranken ähnlich diskriminierend empfunden wurde. Und auch DIE ZEIT hat sich dazu herabgelassen, einen tendenziösen Artikel abzudrucken.

Was mich an der ganzen Sache so furchtbar nervt ist, dass hier wertvolle Menschen, die vor ihrer Erkrankung MCS ihren „Mann“ standen, ausgegrenzt, verheizt und zuguterletzt noch verhöhnt werden. Diese jetzt schwer kranken Menschen haben ihr Gehalt nicht kassiert für Däumchendrehen, sondern sie zeigten Leistung, sie waren tragende Mitglieder unserer Gesellschaft.

Wie geht man mit MCS Kranken in Deutschland um? Ist das fair? Ist das tragbar?

26 Kommentare zu “„Modekrankheit MCS“, ein ausgeklügelter, bösartiger Plan zur Kostenabwehr”

  1. Energiefox 11. Juli 2009 um 13:32

    Ich denke mal http://www.csn-deutschland.de wurde nicht
    befragt, bei diesem Bericht Modekrankheit MCS. Es ist aber wohl die Ansprechadresse schlechthin in
    Deutschland. Von einem guten Bericht erwarte ich aber gut abgesicherte Informationen. Wurde da ein Artikel abgefasst ohne sich die Mühe zu machen mal etliche schwerstkranke Leute zu befragen, die hier im Forum täglich berichten. Ich denke wer hier nur ein wenig im Forum liest, weiß was abgeht.
    Gruß Energiefox

  2. Astrid 11. Juli 2009 um 15:09

    Sommerloch, Dr. Bartens?

    Ablage: Lexikon der Medizin-Irrtümer.
    Dürfte Ihnen bekannt sein.

  3. Alex 11. Juli 2009 um 15:57

    Ist der Redaktion der ZEIT bekannt, dass
    Diskriminierungen, prinzipiell unzulässig sind?

    MCS ist in Deutschland als körperlich bedingte Krankheit mit dem ICD T78.4 und als körperlich bedingte Krankheit gelistet. Es ist also keine „Modekrankheit“, etc.

    Wir, als Erkrankte mit der Behinderung MCS, die jeden Tag mit Schmerzen und Restriktionen im Alltag zu leben haben, fühlen uns von Ihrem Artikel auf das Äußerste diskriminiert und verhöhnt.

    2. März 2005: Das Plenum des Deutschen Presserats erweitert die Ziffer 12 des Pressekodex. Auf Anregung von Behindertenverbänden und Betroffenen fügt der Presserat einen Passus gegen die Diskriminierung von Behinderten in die Publizistischen Grundsätze ein.

  4. Alex 11. Juli 2009 um 16:08

    Pressekodex ergänzt

    Diskriminierungsverbot von Behinderten unterstrichen

    04.03.2005 – 14:23 Uhr, Deutscher Presserat

    Bonn (ots) – Das Plenum des Deutschen Presserats hat auf seiner Sitzung am 02.03.2005 die Ziffer 12 des Pressekodex um ein Detail erweitert. Der Anregung von Behindertenverbänden und Betroffenen,
    einen Passus gegen die Diskriminierung von Behinderten in die Publizistischen Grundsätze aufzunehmen, kam der Presserat damit nach.
    Mit der Gleichstellung behinderter Menschen, die auch in Artikel 3 des Grundgesetzes ihre ausdrückliche Betonung gefunden hat,unterstreicht der Presserat die besondere Verantwortung der Medien.

    Ziffer 12 des Pressekodex lautet jetzt: „Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer rassischen, ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.“

    Deutscher Presserat
    Lutz Tillmanns
    Tel.: 0228 – 985720
    Fax: 0228 – 98572 – 99
    E-Mail: info@presserat.de

  5. Maria 11. Juli 2009 um 16:17

    Dieser Bericht in der „Zeit“ ist m. E. als verzweifelter Versuch von gewissen Interssengruppen, alles wieder zurechtrücken zu wollen, um fachlich fundierte Fakten über Multiple Chemical Senstitivty – MCS – zu vertuschen, zu verharmlosen, zu bereinigen, die bereits massenhaft im Internet anzufinden sind, zu werten.

    Doch die Leute von heute lassen sich nicht mehr so leicht verkohlen, bevormunden, verdummen – das sollte auch den Initiatoren dieses diskriminierenden Artikels in der „Zeit“ bewusst sein. In den Medien gibt es mittlerweile genügend kritische Meldungen über Krankheiten-auslösende Chemikalien / Pestizide, vor denen nicht einmal das Ungeborene Leben geschützt ist.

    Eigentlich ist der Bereicht lächerlich, aber es ein sehr trauriges Armutszeugnis, sich für solch diffamierendes Schreiben herzugeben, obwohl dem Autor sicherlich bewusst sein dürfte, dass er mit seinem Artikel voll daneben liegt und das Thema völlig verfehlt hat.

  6. Juliane 11. Juli 2009 um 17:06

    Was haben Sie bloß, Herr Dr. Bartens?

    Das scheint mir doch in der Tat eine Modekrankheit der schreibenden Medizinerzunft zu sein, den Überbau zur gesellschaftlichen Praxis allseitiger Psychopathologisierung zu liefern.

    Was schätzen Sie denn eigentlich, wie viele Menschen hierzulande chemikaliensensitiv sind?

    Die tauchen in keiner Statistik auf, Herr Dr. Bartens. Nein, wie denn auch. Die diagnostiziert nämlich keiner.

    Man stopft ihnen das Maul. Mit allerlei Pillen. Dann landen Sie dort, wo man sie hinhaben möchte. Sie wissen schon. Es leben eine ganze Branchen davon.

    Die Medizinbranche, die Pharmaindustrie, die Psychosomatikbranche, die Aufbewahrungsanstalten und betreuten Wohngruppen und natürlich auch die Bestatter.

    Wer weiß schon, dass seine Depressionen von Duftstoffen kommen können, seine Kopfschmerzen, Schwindel, Herzprobleme vom Lösemittel aus dem Fußboden.

    Leute wie Sie, Herr Dr. Bartens arbeiten mit daran, dass niemand blickt, wovon es ihm schlecht geht. Das soll ja auch keiner blicken. Stellen Sie sich mal vor, wir müssten ja unseren Lebensstil komplett in Frage stellen. Also braucht es Schreiberlinge, die alles in flotten Ton schönschreiben.

    Wenn Sie wieder mal von selbsternannten Experten Klagen hören über beklagte Beschwerden seiner Patienten, dann lesen Sie mal hier im Blog. Bezahlen können wir Sie dafür freilich nicht.

    Aber denken Sie immer daran, auch Erkenntnis kann ein Lustgewinn sein.

  7. Juliane 11. Juli 2009 um 17:06

    @Astrid
    @Energiefox

    Es ist kein Sommerlochartikel.
    Es hat Methode.

  8. Analytiker 11. Juli 2009 um 21:42

    Solche Diener der Industrie wird es immer wieder geben, die ihre Seele, ihre Patienten und den Eid des Hippokrates verkaufen, sich dadurch selbst allerdings bei ausländischen Wissenschaftlern der Medizin zum Gespött degradieren:

    http://www.csn-deutschland.de/blog/2008/02/14/auslaendische-wissenschaftler-in-der-medizin-fragen-whats-up-in-germany/

    http://www.csn-deutschland.de/blog/2009/05/27/wissenschaftlicher-stand-der-forschung-ueber-multiple-chemical-sensitivity-mcs/

    Außerdem sollte man beachten, dass Psychiatrisierung von MCS-Kranken kein Kavaliersdelikt ist, sondern den Tatbestand der Diskriminierung erfüllt.

    http://www.csn-deutschland.de/blog/2008/12/24/die-psychiatrisierung-von-mcs-kranken-stellt-in-deutschland-den-tatbestand-der-diskriminierung-koerperlich-behinderter-dar/

    Soweit meine Gedankengänge zum Thema.

  9. PappaJo 11. Juli 2009 um 22:11

    Ein Armutszeugnis für die „ZEIT“, den Autor und natürlich mal wieder ein vergeblicher Versuch der Lobbyisten, der Chemischen Industrie, Vergiftungsopfer durch Chemikalien lächerlich zu machen.

    Manch eine herstellende Industrie ist da anders. Der Koreanische Megakonzern Samsung produziert derzeit Flachbildschirme u.a ohne VOC und Sprühlacke. Leider noch keinen vor die Nase bekommen, sind für uns halt zu teuer. Aber nach der Angabe im Datenblatt, könnte das ein TV für MCS-Kranke werden. Und auch ohne Quecksilber und Hochspannung, das brauchen die modernen LED-Fernseher nicht. Z.B. der UE32B6000

    Das soll keine Werbung sein sondern nur ein Hinweis das es auch anders geht. Und neue Geräte nicht riechen müssen wie eine Chemiefabrik. Stehen schliesslich in geschlossenen Räumen.

  10. Toxicwarrior 11. Juli 2009 um 23:45

    Ja der Bartens!

    Ja, solche Artikel sind für alle MCS-Betroffenen verletzend und diskriminierend, aber wir sollten uns nicht länger von solchen „Wahrheitsverdrehern des Journalismus“ – da gibt es auch zahlreiche sehr gute – das Leben schwerer machen als es schon ist. Lasst uns gemeinsam weiterhin ums wesentliche kämpfen und kümmern, und das ist in erster Linie unsere Gesundheit – Stunde für Stunde, Tag für Tag. Denn Rest macht die Zeit und unsere gemeinsame Kraft für Recht und Anerkennung weiterhin in Zukunft zu sorgen.

    Wer ist den schon dieser Herr Bartens, ein abhängiger Schreiberling von vielen; mehr nicht. Diese Zunft bringt so viele Versager zu Tage, und ich vermute dass er einer davon ist – Sodom und Gomorrha.

    Zudem schätze ich bzw. man könnte meinen, dass wenn Herr Bartens von einem Psychoanalytiker auseinander genommen werden würde, übelste Dinge aus seiner Psyche zu Tage kommen würden. Zudem bekomme ich den Eindruck von Herrn Bartens, dass er vor lauter getriebener Geltungssucht, Hochmut, Narzissmus und Trägheit seines Geistes – siehe Foto http://www.werner-bartens.de/ – in Wirklichkeit eine ganz arme Sau ist, und wahrscheinlich 5-Hydroxytryptophan (5-HTP) abhängig ist – siehe Dauergrinsen!

    Denn wer sich ernsthaft als anerkannter Mediziner – und diesen Titel Dr. bekommt ja in Deutschland, fast schon jeder hinterher geschmissen – medizinisch und psychisch mit MCS beschäftigt, der kann solch einen Artikel nicht ernsthaft und glaubwürdig verfassen. Somit entsteht der Eindruck, dass er entweder keine oder wenig Ahnung über das Thema MCS hat, oder er bekommt dafür irgend eine Leistung für den von ihm verfassten Artikel bzw. Schwachsinn. Alles andere ist reine Spekulation mit Spielhallen Charakter, also nicht der Rede wert.

    Mit freundlichen Grüßen
    Toxicwarrior

  11. Amalie 12. Juli 2009 um 04:02

    Bartens Artikel: Ein echtes Lehrstück

    Werner Bartens steckt sich in seinem Artikel in der ZEIT das hohe Ziel, den gesellschaftlichen Hintergrund der heutigen „neuen“ Krankheiten zu erklären, und damit deren Auftreten.

    Zuerst einmal erklärt er, unser Anspruch sei zu hoch. „Wer ist schon alles auf einmal: geborgen in der Familie und glücklich im Beruf, zufrieden in der Liebe und zugleich noch kerngesund?“
    Stimmt, dieser Anspruch wäre zu hoch. Aber: Ich glaube nicht, dass die meisten Menschen diesen Anspruch haben und sich beklagen, wenn er nicht erfüllt wird. Statt Ansprüchen sollte er sich den Status qou vieler Einwohner Deutschlands – mit oder ohne Umwelterkrankung – ansehen: arbeitslos, geschieden oder Ehe-Hölle, dazu körperlich krank und von der Arbeit verbraucht. Dass diese Menschen sich wünschen, ihnen ginge es besser, kann er wohl schlecht ankreiden, aber wohl aus seiner Position als gutbezahlter Obere-Mittelschicht-Bürger nicht verstehen.

    Stattdessen folgert er „Die Leute werden gesünder, aber es geht ihnen schlechter“. Damit widerspricht er sich selbst. Vorher hat er noch die seiner Meinung nach zu hohe und wohl auch real nicht erreichbare Definition von Gesundheit der WHO als „Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens“ angeführt. Demnach kann man nicht gesünder sein, wenn es einem schlechter geht.
    „Nie war der gesundheitliche Zustand der Bevölkerung erfreulicher. Manche Wissenschaftler rechnen damit, dass die Menschen des 21. Jahrhunderts im Durchschnitt 100 Jahre alt werden könnten.“ Auch das möchte ich wagen zu bezweifeln. 40% der Bevölkerung erkranken im Laufe ihres Lebens an Krebs. Wer auf die Todesanzeigen in der Zeitung sieht oder über den Friedhof geht, sieht mehr und mehr Gräber von Menschen mittleren Alters, jung gestorben. Was sie hatten? Meistens Krebs. Wissenschaftlich nachweisbar können viele Schadstoffe Krebs auslösen.

    Auch tut Bartens nicht, als wäre es den Menschen früher besser gegangen – geht es ihnen also heute schlechter oder genauso schlecht? Bartens geht weiter von seiner Definition einer körperlich außergewöhnlich gesunden Bevölkerung des Industrielandes Deutschland aus.
    „Und trotz alledem gibt es immer wieder Neues, was uns quält. Unbekannte Leiden und Beschwerden, die nicht so recht greifbar oder messbar sind. Oder werden sie heute nur anders wahrgenommen? Früher hießen diese Geißeln Neurasthenie, Bleichsucht und Hysterie. Heute fühlen sich Unzählige als Opfer von Technik, Stress und Allergien. Diese Begriffe sind zu Schlagworten unserer Epoche geworden.“

    Ein rechtes Verständnis für die „Eisenbahnkrankheiten“ des 19. Jahrhunderts kann er aber schwer aufbringen, sonst würde er sie nicht als Frage des Verständnis, als „willkommenes Erklärungsmodell für diffuse Ängste und ihre körperlichen Erscheinungen“ ansehen.
    Dabei zitiert er sogar aus dem Brockhaus von 1892, der hier zumindest auf rein theoretischer Ebene mehr Verständnis aufbringt. Dieser erklärt, dass „Die äußern Einflüsse, denen das Maschinen- und Fahrpersonal der Eisenbahnen ausgesetzt ist, auf den Organismus in besonders ungünstiger Weise einwirken und verhältnismäßig früh Gebrechlichkeit und Dienstunfähigkeit herbeiführen. Infolge des Stehens auf der Maschine, des Dröhnens derselben und der fortgesetzt auf den Körper einwirkenden Erschütterungen“ würden die Beschwerden der damaligen Eisenbahnarbeiter auftreten.
    Auch schreibt Bartens „Die Chlorose, volkstümlich Bleichsucht, betraf vorallem junge Mädchen aus unteren Schichten, die viel arbeiten mussten. Sie wurden schnell müde, schwindelig, ohnmächtig. Angeblich verfärbte sich ihre Haut gelblich grün.“ Also – nur angeblich? Wenn ich in so eine Fabrik müsste, zehn oder auch sechzehn Stunden am Tag in Lärm, Hitze, Staub, Gestank, würde ich auch grün im Gesicht werden und ich wette, Bartens selbst auch.

    Bartens meint dagegen über die Eisenbahnkrankheiten und die Chlorose „Man mag über diese historischen Diagnosen heute schmunzeln“ und „Jede Zeit und jede Kultur hat passende Krankheitsbilder“. Dann ist doch aus seiner Sicht Alles klar, oder? Die gesellschaftlichen Einflüsse schaffen Ängste und diese äußern sich in Krankheitsbildern. Die Sache hat einen Haken: Die historischen Krankheitsbilder, die er zum Beleg dieser Theorie heranzieht, sind simpel, gerade zu mechanisch aus rein körperlichen Einflüssen zu erklären. Das gelingt sogar dem Brockhaus 1892.

    Außerdem glaubt Bartens, dass das Neue, das Ungewisse, zu den Ängsten oder anderen Empfindungen wie Unsicherheit und Nervosität führe. Sobald Alles erklärbar wäre, sei eine Krankheit bald „out“. Das zeigt er zum Beispiel so: „Auch das Magengeschwür, bevorzugtes Beschwerdebild der Empfindsamen, ist aus der Mode. Seit 1985 wird der Keim Helicobacter pylori als Ursache für die Mehrzahl der Magengeschwüre angesehen.“ Sicher, und der Helicobacter wird heute auch noch oft diagnostiziert. Das Geschwür ist da, egal, wie man es sich erklärt.

    Bartens Ansatz ist also simpel: Zuerst ist die neue, nicht erklärbare und ungewohnte Situation einer Gesellschaft. Daraus entsteht eine kollektive Unsicherheit, eine Angst oder eine Überforderung. Und mit den Ursachen der Angst, Überforderung, Unsicherheit werden dann die Krankheiten erklärt, die entweder wegen dieser psychischen Symptome oder ohnehin unabhängig ihrer Erklärung auftreten, das kann man Bartens Darstellung nicht klar entnehmen.
    Also für Bartens: Ausgangssituation/ Tatsache – Erklärung – Folge (als Folge der Erklärung).
    Logisch wäre doch viel eher: Ausgangssituation/ Tatsache – Folge – Erklärung.
    Offenbar kann Bartens aber nicht denken, dass es vielleicht andersherum sein könnte als er glaubt, dass nämlich gesellschaftliche Situationen, hauptsächlich der Tribut, den unsere Wirtschaftsform täglich von uns allen fordert, sowohl sozial und geistig als auch körperlich, ganz simpel selbst Auslöser sind. Also nicht erst die Umstände, dann die sozialen und geistigen Folgen, dann die Unsicherheit und dann die Krankheit, sondern erst die Umstände, und dann alle körperlichen, geistigen, sozialen Folgen als direkte Folgen zusammen.

    Wie soll er dieses ungewohnte Muster „Erst die Tatsache – dann die Erklärung“ auch denken können. Das wäre auch riskant, Ungewohntes könnte ihn seiner Theorie nach schließlich krank mache.
    Gehen wir doch vom heutigen wissenschaftlichen Ansatz aus. Wir wollen für eine Firma irgendein marktfähiges Konzept umsetzen, ein Produkt entwickeln. Das müssen wir uns erstmal eins ausdenken, und dann umsetzen, erst planen und dann produzieren.
    Oder wir weisen für ein Unternehmen mit einer Studie z.B. die Unbedenklichkeit eines Medikamentes nach. Da muss man auch zuerst die Ergebnisse abwarten und hoffen dann, sie so vorzufinden, also die Studie auf diese Ergebnisse anlegen.
    Erst ist die Erklärung, dann die Tatsache. Dass es in der Natur und im schließlich auch den Naturgesetzen unterliegenden menschlichen Körper vielleicht andersherum sein könnte, ist für einen Mediziner, einen Wissenschaftler unserer Gesellschaft und Wirtschaftsform, sicher schwer zu denken.

    Dennoch, mit seinem Modell – Erst die Erklärung, dann die Tatsache – geht er auch an MCS, CFS und so weiter heran.
    Es gibt lmeint Bartens nämlich Störungsbilder aus der Selbstsicht des Patienten, bei denen dieser Beschwerden hat, die er sich aus seiner Umwelt heraus erklärt – diese ist hier ja schließlich das Neue und Unheimliche – und damit dann seine Krankheit erklärt.
    „Solch ein Störungsbild dürfte auch die Multiple chemische Sensitivität (MCS) oder das Sick Building Syndrom (SBS) sein. Hinter diesen Wortungetümern verbergen sich Leiden, deren Existenz von vielen Schulmedizinern bestritten wird. Sie sind klinisch nicht klar definiert und durch Studien nicht hinreichend belegt.“
    Er beschreibt zum Beispiel die Geschichte einer MCS-Kranken und erwähnt dabei den Satz „Angesichts solcher Patientengeschichten drängt es sich auf, Symptome als Symbole zu deuten.“
    Zum SBS sagt Bartens „Beim Sick Building Syndrom ist nicht das Gebäude krank, sondern der sich darin befindliche Mensch.“ Die Symptome der Betroffenen seien solche, „die durch „Ausdünstungen“ aus Mauern und Wänden erklärt werden. Niemand bezweifelt, dass Baustoffe, Reinigungsmittel, Lacke oder Farben gesundheitschädlich sein können. […] Doch bei manchen Menschen treten schon Beschwerden auf, wenn die gemessenen Schadstoffkonzentrationen am Arbeits- oder Wohnort weniger als ein Prozent des zulässigen Höchstwertes betrifft.“

    Er lässt auch den Oberarzt für Psychosomatik und Fachmann für das Erschöpfungssyndrom an der Freiburger Uniklinik sprechen, der meint, man müsste die „subjektive Realität“ der Kranken anerkennen. „Sie sei Teil jedes Menschen. Beim einen sei es chronische Erschöpfung, beim anderen Hyperaktivität, beim nächsten eine Überempfindlichkeit.“
    Scheidt hat eine klare Meinung: „Die Betroffenen betreiben selbst Ursachenforschung und bieten daher auch ihre eigenen Diagnosen an […] Diagnosen haben schließlich auch soziale Steuerungsfunktion.“ So würden, meint Bartens, die an den seltsamen neuen Krankheiten mit den komplizierten Namen Erkrankten von unangenehmen Aufgaben freigestellt werden und soziale Rücksichtnahme erfahren. Er spricht nicht an, dass das Gegenteil der Fall ist, Betroffene arbeitslos werden und von ihrem Umfeld verlassen werden.

    Als Arzt hat Bartens natürlicherweise ein Problem mit der Eigeninformation der Patienten. „[…] nebenbei sind aus eingebildeten Kranken ausgebildete Kranke geworden. Im Internet und in den immer zahlreicher werdenen Selbsthilfegruppen diverser Leidender kursieren Ratschläge und Meinungen über Erkrankungen jenseits von Ärzten und medizinischen Fakultäten.“
    Ja, Herr Bartens, was wollen die Betroffenen sonst machen, außer sich zusammenschließen, wenn ihnen keiner helfen kann bzw. will? Außerdem, wo ist das Problem der Zusammenschließungen? Ist Zusammenarbeit denn nicht positiv? Oder nur, wenn sie innerhalb eines profitablen Unternehmens stattfindet? Das wäre aber dann Doppelmoral: Im Unternehmen ist Zusammenarbiet gut – Als Selbsthilfegruppe Profitgeschädigter nicht.

    Nach all dem muss man eigentlich nicht weiter ausführen. Bartens Standpunkt nach dem Leitsatz – Erst ist die Erklärung, dann ist die Tatsache – ist geklärt: Die Patienten fühlen sich verunsichert und schreiben ihr Leiden dann den Dingen zu, die ihnen unheimlich sind. Es müsste sich also die Erklärung verändern, dann verändert sich auch die Tatsache.
    Dieser Ansatz ist für die Psychiatrisierung der angeblich neuen Leiden geradezu perfekt. An psychischen Erkrankungen kann man gut verdienen, sie passen in unser System, in unsere Wirtschaftsform und die ihr entsprechende Gesellschaftsform. Umweltkranke dagegen wären erstens ein zugegebenes Problem, das unsere Wirtschaftsform verursacht, und zweitens können Umweltkranke nur die Auslöser ihrer Krankheit meiden, sind also kein Rohstoff für den profitablen Markt, in dem mit Patienten, Medikamenten, Therapiekonzepten, Ärzten und Therapeuten die Gewinne erwirtschaftet werden.

    Aber Bartens ist nicht so unvorsichtig , diesen ganzen hier dargestellten Standpunkt ausschließlich und damit angreifbar, sehr leicht kritisierbar zu vertreten. Er verwirrt den potentiellen Kritiker, schlägt ihn mit seinen Argumenten. Zur Bezeichnung Kranker als Hypochonder meint er „Den meisten Kranken geschieht damit Unrecht.“ Er bringt ein, dass vielleicht doch Viren für CFS verantwortlich sein könnten.
    Und dann meint er noch ganz korrekt: „Noch mehr als unter dem Vorwurf, sich eine Beschwerlichkeit einzubilden, leiden viele Betroffene unter vorschnellen Psychologisierungen. Dabei werden die Krankheitsfolgen – beispielsweise sozialer Rückzug oder Einschränkung der Alltagsaktivität – gern als Ursachen der Erkrankung angesehen. […] Solche Vulgärpsychologie müssen sich Menschen immer anhören, deren Beschwerden noch nicht bekannt sind oder sich einer schlichten Erklärung entziehen.“
    Schlau führt er auch hier Beispiele an, zum Beispiel, dass Parkinson als psychisch galt, bis die neurologischen Ursachen gefunden wurden.
    Auch nimmt er dann seinen Angriff auf die Zusammenschlüsse von Patienten einfach wieder zurück, „denn das Reden über Krankheit sei so demokratisiert worden […]. Heute ist die Deutungsmacht über die Symptome aufgeteilt. Es gibt konkurrierende Modelle zur Erklärung einer Krankheit.“
    Bartens macht mit Zitaten deutlich, das Problem betreffe mittlerweile alle Schichten, Ärzte seien stärker gefordert als früher, man müsse den Patienten abholen wo er steht usw.
    Bartens lässt also alle Meinungen einfach gelten?

    Womit haben wir es hier zu tun? Mit einem Autor, der nicht weiß, was er will? Schließlich nehmen diese Argumente, die eigentlich Bartens Kritiker bringen würden, einen beträchtlichen Teil des Artikels ein, in dem er sich damit ständig selbst widerspricht. Aber nein. Unser Autor weiß, was er will.
    Bartens Artikel ist ein Lehrstück der Taktik des Pluralismus (Pluralismus = Alle Meinungen gelten lassen). Indem man alle Meinungen gelten lässt, auch die des Gegners bzw. Kritikers, nimmt man diesem den Wind aus den Segeln. Der kann dann verzweifelt mit all seinen Argumenten kommen – wer den Pluralismus anwendet, kann sich diese still lächelnd anhören und dann sagen „Aber das habe ich doch gar nicht bestritten.“
    Wer braucht Pluralismus als Taktik? Jemand, der seine Theorie nicht allein mit klarer Logik belegen, seine Meinung einfach und logisch vertreten, und auf diese dem eigenen Standpunkt treue Weise den Kritiker widerlegen kann.
    Dieses Lehrstück ist ein Beispiel, in dem wirklich jede letzte Ecke dieser Taktik innerhalb eines Artikels ausgeschöpft wurde. Wenn sich keine logischen Argumente letztendlich für unsere Wirtschaftform mehr finden, lassen ihre Träger und Verteidiger schlicht und einfach alle Argumente gelten und führen selbst alle Argumente – auch die der Kritiker – ins Feld. Die können dann nicht mehr sagen, ihre Meinung würde nicht diskutiert. Wenn wir den gesamten Mainstream der öffentlichen Diskussion betrachten, sehen wir diese Taktik in jedem Thema, sie ist überall wiederzufinden.

    Nun, Herr Bartens. Nicht allen Menschen ist so leicht der Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Argumente der Patienten, die sich zum Ärger Ihrer Kollegen im Internet zusammenschließen, austauschen, gegenseitig unterstützen, weil sie nur hier Unterstützung bekommen, die wissen, dass sie mit ihrer Meinung auf der Seite des gesunden Menschenverstandes stehen.

    Ich würde nun gern sagen, ihr könnt uns Alles nehmen, aber nicht unsere Meinung.

    Haken:

    In Zeiten von Psychopharmaka sind auch die Gedanken nicht mehr frei. Ich möchte hier an die Kranken erinnern, die arm und verlassen sind, aber die ihre Gedanken und ihre Meinung noch haben. Und ich möchte an die Psychiatrie-Insassen erinnern, denen man wirklich Alles genommen habt, die man von Menschen zum Industrie-Rohstoff degradiert und diese Degradierung komplett vollzogen hat.

  12. Energiefox 12. Juli 2009 um 08:27

    Hast recht Amalie und Deine Sprache verstehe ich.

    Habe mir gestern als med. Laie den Bericht in der ZEIT von Herrn Bartens durchgelesen. Ich erwarte als Techniker Fakten. Hier versucht jemand, ich würde sagen, durch Dummschwätzerei, die ganze Medizin zu erklären. Wir sollten uns nicht anmaßen so einen Rundumschlag zu machen. Gerade in der Medizin werden oft irgendwelche Heilsversprechen gemacht und Jahre später ist es doch ganz anders. Ich würde sagen die Medizin ist heute wie alle anderen Wissenschaften so komplex, das man nur auf einem ganz kleinem Gebiet wirklich sehr gut sein kann. Dieser Herr scheint mir sich wie ein Papst der Medizin zu fühlen, der alles erklären will. Als Arzt würde ihm viel mehr Bescheidenheit sehr gut tun.
    Ein Sprichwort sagt sinngemäß, ein Mensch ist ein kleines Universum , stirbt ein Mensch stirbt ein Universum.
    Juliane sagt es hat Methode
    Meine Verachtung wenn es so ist, ich befürchte nämlich Juliane hat recht.
    Gruß Energiefox

  13. Karlheinz 12. Juli 2009 um 08:32

    Ärzte haben offensichtlich ein schwerwiegendes Problem ihre eigenen Grenzen einzugestehen. Sowohl persönliche Unfähigkeit als auch die Grenzen ihrer „Wissenschaft“. Die neueste Masche, die Ursachen für ihre Probleme bei ihren Patienten anzusiedeln, sind offenbar die „Lifestyle“-Krankheiten. Man wartet gespannt auf eine Aufnahme ins ICD-11.

  14. Augenstern 12. Juli 2009 um 16:26

    Na, da paßt doch ein Textbaustein an den anderen! Was sich üblicherweise in „Experten-Gutachten“ über MCS findet, hat hier der findige Herr Doktor Vielschreiber mal ganz salopp ein wenig umformuliert und zum Besten gegeben. Fehlt Ihnen der Mut, Ihren eigenen Verstand zu gebrauchen, Herr Doktor Bartens ?

    Es gibt zweifelsohne, immer noch und Gott sei dank, seriösen Journalismus. Doch dieser Autor ist eindeutig der Zunft der Schmierfinken zuzuordnen. Sein Artikel ist beleidigend und diskriminierend. Es gehört schon eine große Portion Arroganz dazu, sich auf Kosten schwerkranker Menschen zu profilieren. Pfui Teufel, kann ich da nur sagen. Daß ein renommiertes Blatt wie die „Zeit“ ein Forum für diese Art von Schmierenjournalismus bietet ist enttäuschend.

    Mit staatlicher/behördlicher Duldung werden Umweltkranke in Deutschland psychiatrisiert und diskriminiert, Tendenz steigend. Ist das nicht ein Fall für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte?

  15. Tonda 12. Juli 2009 um 17:26

    Der Bericht von Dr. Bartens ist untragbar und spiegelt wider, wie man in diesem Land mit MCS Kranken verfährt. Der Herr Doktor müsste einmal einen Tag als MCS Kranker verbringen müssen, damit er weiß über was erschreibt.

    Absolut unfassbar, dass Ärzte dieses Kalibers auf die Menschheit losgelassen werden. Aber wie meine Vorredner schon feststellten, es ist ein Armutszeugnis, dass so jemand überhaupt öffentliche Berichte abliefern darf und die „Zeit“ geht nicht mit der Zeit, sondern vertut die Zeit mit der Verbreitung von Lügenmärchen.

  16. Hummel-Elfe 13. Juli 2009 um 14:52

    Leider werden mit dieser miesen menschenunwürdigen Masche letztendlich keine Kosten gesenkt werden. Das gegenteil wird eintreffen, und dies nunmehr mit saftiger Unterstützung der Presse, wie aktuell durch „DIE ZEIT“, von der ich ehrlich gesagt Niveau erwartet hätte. Aber so kann man sich eben täuschen, niveaulos auf Kosten schwer Kranker – pfui!

  17. kf-forum 13. Juli 2009 um 16:05

    Wer ist gleich der Chefredakteur der ZEIT? Giovanni de Lorenzo! Weiß er, was da in seinem Magazin an menschenverachtenden Artikeln steht?

    Und zu Bartels kann man nur sagen – armer Irrender.

  18. Henriette 13. Juli 2009 um 18:02

    Beim MCS-Flyer verteilen traf ich immer wieder auf interessierte Menschen, die mir mitteilten, dass sie keine Duftstoffe und Parfums ihrer Mitmenschen mehr tolerieren. Sie zählten einige uns MCS Kranken bekannte Symptome auf, die sie davon bekommen, wie z. B. starke Kopfschmerzen, Unwohlsein, Schwindel, Hautausschläge, Herzflattern, Atemnot usw.

    Ich möchte damit sagen, es sind weitaus mehr MCS Kranke unter uns, als es sich jemand vorstellen kann.

    Die diffamierenden Methoden gewisser Presse und Personengruppen, uns für bescheuert zu erklären, wird dazu führen, dass es unendlich mehr MCS Kranke in naher Zukunft geben wird. Die unnötig entstehenden Kosten werden eine immense negative Auswirkung auf die gesamte Wirtschaft und Staatskassen nach sich ziehen. Anstatt etwas dagegen zu unternehmen, wird eifrig weiter Krankmachendes produziert und an die ahnungslosen Verbraucher gebracht.

    Der Artikel von Dr. Bartens ist das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt wurde. Herr Dr. Bartens macht sich m. E. mitschuldig an der gesamten MCS-Problematik. Wer Bescheid weiß und nichts unternimmt, meiner Meinung nach ebenfalls. Aber wen man als Arzt diskriminierende Lügen verbreitet, das ist für meine Begriffe das Allerletzte.

  19. Kallewirsch 13. Juli 2009 um 18:33

    Das sind auch meine Erfahrungen, Henriette. Die Zahl der Duftstoff-Allergiker und MCS Betroffener steigt zukünftig weiter rapide an – da kommt noch was auf Deutschland zu.

    MCS als Modeerkrankung abzutun ist kein Plan zur Kostenabwehr sondern führt zur Kostensteigerung. Ebenfalls leistet man damit einen Beitrag, um die Öffentliche Hand weiter zu schröpfen. Viele bereits leicht durch Umweltfaktoren erkrankte Menschen könnten durch entsprechende Maßnahmen mit größter Wahrscheinlichkeit ihren Beruf weiter ausführen, aber so werden sie mit Hilfe von gewisser Herren in weißen Kitteln ins Abseits gedrängt.

    Gruss Kalle

  20. Maria 13. Juli 2009 um 21:45

    Ich habe soeben im Fernsehen herumgeschaltet und bin bei der Sendung „Geld & Leben“ gelandet, wo über MCS im Zusammenhang mit der EU-Rente und entsprechender Begutachtung berichtet wurde. Dort kam auch ganz klar zum Ausdruck, was von der Mehrheit der Gutachter zu halten ist, die MCS-Patienten begutachten.

    Zitat von Jan Zimmermann: „Krank und trotzdem abgelehnt. Keine Rente für Erwerbsunfähige“

    Autounfall, Krebs oder Depressionen – wer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten kann, ist auf staatliche Hilfe angewiesen. Doch angesichts leerer Rentenkassen ist diese Hilfe immer schwieriger zu erhalten. Tausende kämpfen in Bayern um Rente wegen Erwerbsunfähigkeit – viele ohne Erfolg. Fast jeder Zweite wird inzwischen abgelehnt. Der Druck auf Kranke erhöht sich und die finanzielle Not steigt.

    Nur noch selten traut sich Hubert Kritzenberger aus Würzburg in seine alte Firma. Und wenn, dann schießen ihm die Tränen in die Augen. In seiner Firma hat Kritzenberger viele Jahre als Schreiner gearbeitet. Seine Arbeit war sein Hobby, sein Leben – nicht einfach nur ein Job.

    Der Job ist Vergangenheit. Denn von heute auf morgen klagte der 46-Jährige über heftige Schmerzen, Erschöpfungsattacken, Orientierungslosigkeit. Die Diagnose: MCS – eine schwere Umweltkrankheit. Hubert Kritzenberger ist auf sämtliche chemische Stoffe höchstallergisch. Vor allem Lösungsmittel setzen ihm zu. Wenn er sich ungeschützt den Stoffen aussetzt, ist es wie ein Knockout, ein Schlag ins Gesicht.

    Die meiste Zeit verbringt Hubert Kritzenberger zu Hause, weil auch chemische Stoffe aus dem Alltag – wie Parfums oder Duftstoffe von Waschmitteln – ihn krank machen. Seit sechs Jahren ist er bereits von seinem Arzt krankgeschrieben. Mehrmals versuchte er, in dieser Zeit wieder einen Job aufzunehmen. So nahm er einen 100-Euro Job als Hausmeisterdienst im Gartenbaubereich an. Aber schon wenige Stunden Arbeit haben ihn so erschöpft, dass er den Job wieder aufgeben musste.

    Keine Arbeit, kein Geld

    2005 stellte Hubert Kritzenberger erstmals einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die sogenannte Erwerbsminderungsrente. Die Rentenversicherung ließ Kritzenberger von einem Gutachter untersuchen, doch dieser stufte ihn als arbeitsfähig ein. Der Antrag wurde abgelehnt. Zwei von ihm in Auftrag gegebene Gegengutachten bestätigen seine Erwerbsunfähigkeit. Doch die Rentenversicherung bleibt stur.
    Krank und trotzdem abgelehnt

    Hubert Kritzenberger ist kein Einzelfall – im Gegenteil, so Dr. Kurt Müller aus dem Allgäu. Er ist selbst Gutachter und hat in seiner Praxis zahlreiche Umweltpatienten wie Kritzenberger.

    Dr. Kurt Müller,
    Vorsitzender des Bundesverbandes Umweltmedizin:

    „Die Mehrzahl der Gutachten wird von solchen Gutachtern erbracht, die nichts weiter tun, als Gutachten zu erstellen. Dadurch fehlt diesen Ärzten der praktische Umgang mit diesen Personen, sie haben auch nicht die Nähe zum wissenschaftlichen Fortgang. Die Aktualität fehlt und auch der Bezug zum Patienten.“

    Für Hubert Kritzenberger bedeutet die Ablehnung den finanzielle Ruin. Er kann sich fast nichts mehr leisten, spart wo er kann, lebt nun von Hartz IV. Wenn sich Sonderausgaben wie Medikamente, Versicherungsbeiträge und Arztrechnungen im Monat häufen, ist er schon mal gezwungen, sich Geld von Freunden zu leihen…

    Dr. Kurt Müller, Arzt und Gutachter:

    „Die Gutachter sind nicht neutral. Sie sind daran interessiert, eine Meinung zu vertreten, die den Auftraggebern, in den meisten Fällen die Rentenversicherung oder Berufsgenossenschaft, gefällig ist. Nur dann werden sie die eigene wirtschaftliche Existenz sichern können und weitere Gutachten erhalten.“

    Hier geht´s zum ganzen Text:

    http://www.br-online.de/bayerisches-fernsehen/geld-und-leben-das-sozialmagazin/geld-und-leben-sozialmagazin-versicherung-erwerbsunfaehigkeitsrente-ID1247483664683.xml

  21. Maria 13. Juli 2009 um 21:53

    Die Passage von Dr. Müller stelle ich hier nochmals gesondert ein, damit sie besser ins Auge fällt:

    Dr. Kurt Müller, Arzt und Gutachter:

    “Die Gutachter sind nicht neutral. Sie sind daran interessiert, eine Meinung zu vertreten, die den Auftraggebern, in den meisten Fällen die Rentenversicherung oder Berufsgenossenschaft, gefällig ist. Nur dann werden sie die eigene wirtschaftliche Existenz sichern können und weitere Gutachten erhalten.”

    Quelle:

    http://www.br-online.de/bayerisches-fernsehen/geld-und-leben-das-sozialmagazin/geld-und-leben-sozialmagazin-versicherung-erwerbsunfaehigkeitsrente-ID1247483664683.xml

  22. Analytiker 14. Juli 2009 um 09:15

    So viel zum Thema Modekrankheit und MCS, Gutachter und Ärzte. Es erfreut mich außerordentlich, dass dieser Beitrag gestern Abend ausgestrahlt wurde und Dr. Müller kein Blatt vor den Mund genommen hat.

    Gutachter in MCS-Belangen sind nicht auf dem neusten wissenschaftlichen Stand und erstellen Gefälligkeitsgutachten für ihre Auftraggeber. Die MCS-Kranken und anderen Erwerbsunfähigen werden mit diesem System um ihre Ansprüche geprellt. Das ist eine riesen Sauerei, aber nunmehr ein weiteres Mal im w w w vermerkt. Dass sich Ärzte / Gutachter für solche schäbigen und kriminellen Handlungen hergeben, ist mir völlig unverständlich. Gewissen haben dies Leute jedenfalls keines.

  23. Henriette 14. Juli 2009 um 15:29

    Gut dass Dr. Müller Klartext spricht und das subjektive Spiel der meisten Gutachter beim Namen nennt. MCS Kranke sind schon schwer gebeutelt genug, aber durch solche Maßnahmen werden sie aufs Abstellgleis abgeschoben. Das haben wir alle nicht verdient, MCS Kranke haben auch eine Würde. Doch viele Gutachter und Ärzte, die ich bisher kennenlernen musste, haben verdeutlicht, dass es nach ihren Regeln abläuft. Die Menschenwürde wird MCS-Kranken gegenüber bei EU-Rentengutachten selten bewahrt. Leider traf ich bisher nur auf einen Gutachter, der mich menschenwürdig behandelte und ich habe ihm die Gewährung meiner Rente zu verdanken. Die Mehrheit der Gutachter geht einen anderen Weg, so ist nun mal der Ablauf.

    Besten Dank Herr Dr. Müller für Ihre offenen Worte, mit denen Sie den Nagel genau auf den Kopf treffen.

    Herzliche Grüsse
    Henriette

  24. Jewel 14. Juli 2009 um 21:39

    Dr. Müller,

    auch von mir besten Dank für Ihre klaren Worte über die Vorgehensweisen der Rentengutachter. Es ist gut, dass diese Begutachtungstaktiken der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden.

    Toll Maria, dass Du gestern den Fernseher angeschaltet hast und genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort warst.

    MCS als Modeerkrankung abzutun, ist widerwärtig.

    Grüsse, Jewel

  25. Bärbel 27. Juli 2009 um 14:16

    Leider ist mir der Artikel des Dr. Bartens nicht bekannt. Wann ist der erschienen und wo kann ich ihn nachlesen?

    Grüße
    Bärbel

  26. Clarissa 19. Februar 2012 um 10:39

    Ich habe da mal ein Beispiel für die Damen und Herren Fachkräfte. Wieso reagieren Menschen bei einer Konzentration <1% der zugelassenen Schadstoffbelastung?
    Warum reagieren manche Menschen auf bestimmte Stoffe gar nicht, etwas, lebensbedrohend selbst schon bei geringsten Spuren?

    Ich rede von MCS und Allergien.

    Habe sie jetzt eine Erklärung die wirklich plausibel ist und kommen sie bitte nicht mit dem alten Paracelsus, denn ein toxischer Stoff bleibt immer ein toxischer Stoff, solange er noch nachweisbar ist. Sie erinnern sich bestimmt noch an die furchtbaren "Mückenstecker". Plättchen aus der Verpackung nehmen in das Teilchen einschieben und in die Steckdose stecken und schon fallen die Mücken tot um. Nur weil es Menschen gibt die diese Giftmenge aufnehmen können ohne sofortige Reaktionen zu zeigen dürfen sie nicht davon ausgehen das es keine Menschen gibt die nicht doch auf diese Konzentration reagieren.

    Haben sie es jetzt verstanden oder benötigen sie noch mehr Nachhilfe?

    mfg
    Clarissa

Kommentar abgeben: