Multiple Chemical Sensitivity macht zwangsläufig arm

Arm durch MCS

Die Armut, die durch MCS entsteht, bezieht sich nicht allein auf die materielle Armut, sondern ebenso Armut auf anderen Ebenen des Lebens. Die materielle, die intellektuelle, die emotionale, die körperliche, die nahrungsbedingte usw.

Bei MCS- Ausbruch war an ein ganz normales Arbeiten nicht mehr zu denken, es war ja kaum möglich, durch die vielen teils lebensbedrohlichen Symptome überhaupt noch das Haus zu verlassen. Mit MCS kann man nicht mehr wohnen, wo man will, nicht mehr essen, was einem schmeckt, nicht mehr kaufen, was einem gefällt, nicht mehr treffen, wen man möchte und natürlich nicht mehr arbeiten, was man bislang konnte. Die gesamte bisher gekannte Welt bricht auf einen Schlag zusammen, und man muss sein Leben komplett umstellen, und das 20 Jahre vor dem Rentenalter bei mir, also in zukünftiger lebenslanger Armut.

Ich hatte noch das große Glück, mir vorher bei bester Gesundheit die halbe Welt angesehen zu haben und viel zu erleben. Heute zehre ich zumindest davon, weil eine Flugreise nie mehr möglich sein wird, wegen der parfümierten Passagiere, dem Pestizidsprühen im Flugzeug und natürlich, weil solche Summen nicht mehr zusammen zu sparen sind, selbst bei strengster Diät.

Armut auf materieller Ebene
Jeder Cent geht jetzt drauf für spezielle, einzig verträgliche Bionahrung, für viele gute Vitamine und Mineralien, für Bahn- u. Busfahrten zu Ärzten und Therapien, sehr viel Geld für Naturheilmittel, Homöopathie, weil Mittel, die die Kasse erstattet, chemisch sind oder chemische Zusätze enthalten und daher unberechenbare Reaktionen hervorrufen. Und Dinge wie Sauerstoffflasche, Atemgerät, Nasendusche, dazu noch die Praxisgebühren. Dem Amt ist es egal, dass ein kranker Mensch so viel Mehraufwand benötigt, man bekommt das gleiche Geld wie ein Gesunder. Ohne ein Büchlein mit täglichen Eintragungen über die Ausgaben wäre das Geld spätestens Mitte des Monats alle, ohne dass man sich irgendeinen Luxus geleistet hätte. Heute mit MCS wäre es für mich ein beglückender Luxus, mir Dinge leisten zu können, die zumindest ein Leben mit weniger Symptomen möglich machen würde, wie Luftfilter, Spezialheizung, Heimsauna, Atlastherapie, ein vernünftiges Bett oder ein heiles Fahrrad. Selbst für Lotto reicht das Geld ja nicht, also auch da keine Chance.

Armut auf intellektueller Ebene
Weil die Kontakte stark eingeschränkt werden durch MCS, fehlen häufig auch die geistigen Herausforderungen. Die früheren interessanten Gespräche enden meist beim Thema Krankheit, weil MCS nun mal das Leben regiert. Das halten gesunde Freunde nicht lange aus, und ich wiederum kann die Problemchen nur noch schwer nachvollziehen, mit denen sich Leute rumschlagen, die keinerlei Symptome haben. Deren Sorgen nachzuvollziehen, wenn man selber froh ist, den Tag zu überleben, ist nicht einfach. Gute Bücher zu lesen ist auch nur selten möglich, da es sehr anstrengt und außerdem der rote Faden verloren geht. Die Werte verschieben sich mit einer so schweren Krankheit, und das Verständnis zwischen Gesunden und Kranken wird immer schwieriger.

Armut auf emotionaler Ebene
Am meisten fehlt mir das Lachen, die unbeschwerte Freude. Und vor allem auch die große Erfüllung, die ich lebenslang bei meinen ehrenamtlichen Tätigkeiten empfunden habe. Aber gerade dies motiviert mich tagtäglich, alles zu versuchen, wieder gesund zu werden. Wofür sollte denn sonst ein so zerstörtes Leben noch Sinn machen? Ausgehen, Tanzen, Kino, Cafe, nichts geht mehr wegen der bedufteten Menschen, den Teppichböden und weil man immer auf der Hut sein muss vor Chemikalien.

Armut auf körperlicher Ebene
Weil Sport und jede Bewegung schmerzt (dabei wäre es so wichtig) und Reisen in ferne Länder gar nicht mehr zu schaffen sind, geschweige denn, Hobbys von früher auszuüben. Meine Lebensträume, mit Delfinen zu schwimmen, mit Haien zu tauchen, einen Blumen- u. Gemüsegarten anzulegen und vieles mehr ist zerstört, weil es der Körper nicht mehr schafft. Und ich war einmal sehr durchtrainiert und stark.

Armut auf der Ebene Nahrungsaufnahme
Weil die Verträglichkeit der meisten Nahrungsmittel nicht mehr gegeben ist und beim kleinsten Ausrutscher in Richtung Genuss oder Heißhunger die Strafe auf dem Fuße folgt mit Atemnot, Herzrasen, Schmerzen, Schwindel und schlimmeren, wie Lebensmittelvergiftungen. Bei all dem gibt es keinen Arzt, den man aufsuchen kann, weil unbegreiflicher Weise MCS noch immer so unbekannt ist, trotz Millionen Betroffener weltweit. Unser Schicksal müsste man hinausschreien, dass es jedem Menschen so geläufig wird wie Krebs oder Aids.

Dennoch, Armut ist ja relativ, und seit ich vor langer Zeit in Indien war, sehe ich ohnehin vieles mit anderen Augen. Jeder sollte im Leben einmal in so ein armes Land reisen, es prägt fürs ganze Leben. Positiv. Nun denn, wenn Reichtum das Gegenteil von Armut ist, dann kann ich mir zumindest noch eines leisten und bewahren: meinen inneren Reichtum.

Dieser Artikel wurde zum Thema Armut als Beitrag zum Blog Action Day 2008 geschrieben.

Autor: Monja, 15. Oktober 2008

7 Kommentare zu “Multiple Chemical Sensitivity macht zwangsläufig arm”

  1. Beat 15. Oktober 2008 um 17:25

    Gut gelungen, Dein Start im Blog, Monja….an dieser Stelle aber einmal allen Schreibern herzlichen Dank für die vielen guten Artikel.

    Kurz und bündig: MCS kann auf jedem Gebiet bitter arm machen…ich denke keine andere Krankheit so wie diese!!!! Finanziell sowieso…..überall sparen, eben Haushaltungsbuch führen wie zu ganz jungen Zeiten als man noch in der Ausbildung war…..Jacken und Schue selber flicken, wieder anfangen die Socken zu stopfen, aufs nächste Jahr hoffen um sich neue Winterschuhe zu kaufen…die Filter viel zu lange mit den gleichen Trommeln laufen lassen weil eine neue im Moment nicht drin liegt…..das Haus nur halbherzig heizen im Winter damit man es überhaupt noch halten kann…..nicht zu oft duschen um Wasser zu sparen, halt wieder wie zu Omas Zeiten sonst waschen……ja keine Elektrizität verschwenden…wenn etwas Aussergewöhnliches kommt heisst es noch weniger essen als sonst schon möglich ist….keine zu langen Telefonate, die alten Bücher immer wieder lesen etc. etc…..nur bei meinem Hund spare ich nicht, aber auch dies ist ein absoluter Luxus und würde eigentlich heute nicht mehr drin liegen…….einfach an der Armutsgrenze danhinvegetieren und immer in Panik dass man das Wenige das man noch hat auch noch verlieren könnte. Keine Chance sich mal einer speziellen Therapie zu unterziehen oder versuchen ein paar Wochen in einer Gegend zu verbringen wo die Luft bessr wäre, wenn man dann eine Unterkunft finden würde. Und dazu noch all die andere Armut auf den emotionalen Gebieten….eine allgemeine Stressituation die es für jeden Kranken quasi unmöglich macht auch eigene Körperheilungsprozesse in Gang zu setzen…bei anderen Krankheiten ist das absolut klar und anerkannt…….ein Teufelskreis der fast keine Hoffnung zulässt…….und Hoffnung auf Verbesserung wäre wieder ein klarer „Heiler“, genauso wie Liebe, Freundschaft und Verständnis. Wir kriegen kaum noch etwas, auf keinem Gebiet…und es ist klar was das für Spuren in uns hinterlässt……aber Hauptsache wir zahlen wie alle anderen brav noch unsere Steuern, die Pflichkrankenkasse die uns alle altern. Hilfsmittel aber nicht bezahlt….es werden noch die ärmsten und kränkesten Menschen weiterhin vom Staat und den Versicherungen abgezockt…und das sind dann die Momente wo einem alles nur noch anwidert und man sich sehr Mühe geben muss um nicht in Hassgefühle zu verfallen…ev. gut dass wir nicht mehr draussen auf der Strasse rumschreien können…ich würde heute wohl zu einem extremen Aktivisten in dieser Richtung!

  2. yol 15. Oktober 2008 um 18:23

    Kompliment Monja, Du hast zusammengefasst alles gesagt, was zu Armut in Zusammenhang mit MCS zu sagen ist.
    Jeder der das liest, kann nachvollziehen, was das alles bedeutet, vorausgesetzt der Wille zu verstehen ist vorhanden.

    Danke für Deine wertvolle Arbeit, die für alle MCS-kranke Menschen steht.

  3. PR_Radnomade_Project_MCS 15. Oktober 2008 um 18:25

    Super …..nicht die Armut, sondern dein Blog Monja!

    Einfach 14 Tage krank und dann ist alles vorbei so dachte ich, es wurde ein Monat, dazwischen grosse Ratloskeit der Medizin. Ein halbes Jahr später immer noch kein arbeiten möglich in meinem Beruf, und die Mediziner tun sich immer schwerer mit den Symtomen. Wieder ein halbes Jahr ohne eindeutige Diagnose und die Versicherungen standen vor meiner Haustür und URteilten über mich und so ging es Jahr um Jahr! Nicht einfach nur ein paar Tage ohne Arbeit, meine Firma, mein Beruf, meine Freunde alles weg durch Krankheit…..aber welche Krankheit? Nun ….die Ärzte haben haufen Symtome gefunden …..18 Jahre sind vergangen ….kaum zu glauben, nun bin ich heute 83 Jahre alt! lol (mit 65 bekommt man normal die Rente). Die ARMUT nagt schon lange an meinem Körper, Zähne, Psyche ect.

    Meine lieben Schweizer, schreibt keinen Quatsch auf meinen Grabstein lasst mich in Ruhe, ich mag keine verlogene Gesellschaft!

    DA WO ES VIELE BANKEN UND VERSICHERUNGEN GIBT IST IMMER VIEL GEISTIGE ARMUT!

    DANK AN MONJA

  4. T-Rex 15. Oktober 2008 um 18:44

    Monja, ganz prima wie Du unsere Situation beschrieben hast.

    Sogar als selbst MCS Krankem fällt es mir schwer die Realität schwarz auf weiß zu lesen, da kommt schon viel hoch in einem. Aber die Sache ist wie sie ist und da gibt es nichts zu beschönigen.

    Danke, mach weiter so Mädel. Ich freu mich wieder von Dir zu lesen.

  5. Henriette 15. Oktober 2008 um 19:33

    Danke Monja für Deinen Mut, Deine Geschichte öffentlich zu machen. Dazu gehört schon was. Mit Deiner Schilderung beschreibst Du die unfreiwilligen Einschneidungen, die MCS einem aufzwingt, sehr anschaulich. Die MCS-bedingten möglichen Facetten von Armut, bringst Du genau auf den Punkt.

    Herzliche Grüsse und danke liebe Monja,
    Henriette

  6. Kallewirsch 15. Oktober 2008 um 20:48

    Danke Monja, Deine Erklärungen drücken aus, was es heißt an Chemikalien Sensibilität erkrankt zu sein und jeder kapiert, wie schnell man von Reichtum in Armut gelangen kann. Es geht schnell und ohne Einfluss auf das Geschehen.

    Danke Monja, dass Du mit Deinem Blog zum besseren Verständnis von MCS beiträgst.

    Gruss Kalle

  7. Mary-Lou 16. Oktober 2008 um 13:23

    Auch ich möchte mich dem bisher gesagten anschließen. Es ist sehr mutig von Dir Monja, Deine Geschichte zu veröffentlichen. Danke dass Du mit Deinem Blog zum Weltblogtag, dazu beiträgst, dass MCS für Nichtbetroffene verständlicher wird. Mit Deiner Schilderung leistest Du einen tollen Beitrag, die möglichen Konsequenzen MCS in die Öffentlichkeit zu bringen und verdeutlichst, dass durch MCS jeglicher Einfluss auf sein eigenes Leben verloren gehen kann. Man hat sein Leben, dass zuvor meist in geregelten Bahnen verlief, einfach nicht mehr selbst in der Hand.

    Grüsse, Mary-Lou

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