Richter beschließt: Prozess wegen Multiple Chemical Sensitivity & Parfum kann weitergehen

Krank durch Parfum - Sick from Perfume

Angestellte der Stadt Detroit verklagt Arbeitgeber wegen Parfüm einer Mitarbeiterin

Eine Angestellte einer Planungsbehörde aus Detroit hatte im vergangenen Jahr die Stadt verklagt, weil das starke Parfüm einer Mitarbeiterin ihre Arbeitsfähigkeit verhinderte. Der Gerichtsprozess wurde 2007 vor dem US Bezirksgericht in Detroit erstmals verhandelt. Die Stadt plädierte auf Nichtzulassung der Klage, der Richter entschied am vergangenen Dienstag, dass die Klägerin einen berechtigten Grund hätte und der Prozess weiter fortgeführt würde. Aussicht auf Erfolg besteht, wie ein ähnlicher Fall beweist.

Durch Parfum arbeitsunfähig
Susan McBride behauptete, dass sie schwer sensibel auf Parfüm und andere Kosmetika reagiere. Die Klageschrift legt dar, dass die Mitarbeiterin einen starken Duft benutze und einen Raumduftvernebler im Arbeitsraum betrieb, der dafür sorgte, dass McBride krank nach Hause gehen musste. Die Dame willigte später zwar ein, damit aufzuhören, den Raumduftvernebler zu betreiben, benutzte aber weiterhin ihr Parfüm.

Die Anklageschrift McBrides besagte, dass ihre Arbeitsumgebung den Americans with Disabilities Act, die amerikanische Schwerbehindertengesetzgebung, verletze. McBride bat um ein Verbot solcher Duftstoffe auf ihrem Arbeitsplatz und führte Atemwegsbeschwerden und unspezifische Symptome an.

Folgen mangelnder Rücksichtnahme
In einem Medienbericht über den Rechtsstreit von Susan McBride wurden im vergangenen Jahr weitere Fakten offenkundig. McBride hatte ihre Arbeit bei der Planungsbehörde im Jahr 2000 angetreten. Die vorgebrachten Probleme begannen im Juli 2006, als eine neue Kollegin in die Abteilung kam. Sie wurde augenblicklich krank durch deren Parfum und persönlichen Raumduftvernebler.

McBride berichtete damals, dass sie seitdem signifikante Zeit von ihrer Arbeit fernbleiben musste. Sie hätte sogar eine Fertilitätsbehandlung abbrechen müssen, weil sie wegen der immer stärker werdenden Sensitivitäten andere Medikamente nehmen musste.

Richter erkennt Beschwerden an
Gegenüber der Tageszeitung Detroit News gab Richter Zatkoff zu verstehen, dass Susann McBride ausreichend Nachweis erbracht hätte, dass ihre Atmung signifikant eingeschränkt sei durch das Parfum einer Mitarbeiterin und dass es eine mögliche Beschwerde gemäß dem staatlichen Gesetz zum Schutz von Behinderten sei, das dazu diene, Behinderte vor Diskriminierung an öffentlichen Orten und Arbeitsplätzen zu schützen. Es sei jedoch nicht klar, ob die Stadt angemessene Schritte eingeleitet hätte, um McBrides Beschwerden entgegenzukommen. Über die Ausführungen der Klägerin, dass ihre Chemikaliensensitivität auch ihre Fähigkeiten, einkaufen zu gehen, zu sprechen, mit anderen in Kontakt zu treten und sich fortzupflanzen behindere, ging der Richter bisher hinweg.

Alison Johnson, Vorsitzende der Chemical Sensitivity Foundation, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Rechte Chemikaliensensibler einsetzt, sagte gegenüber der Zeitung Detroit News:

„Diese Sensitivitäten gegenüber Parfum sind sehr real, und ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie viele Leben sie ruinieren. Vielleicht ist dies ein Anfang, um anzuerkennen, dass diese Dinge sehr ernsthaft sind.“

McBride kämpfe in erster Linie nicht um Geld, sondern um die Menschen über diese Thematik aufzuklären und um freiwillige Kooperation zur Unterstützung der Betroffenen zu erwirken, dort wo es möglich ist, teilte ihr Anwalt mit.

Aussicht auf Erfolg

Der Fall von Susann McBride hat Aussicht auf Erfolg. Im Jahr 2005 gewann DJ Eric Weber 10.6 Millionen Dollar durch einen Urteilsspruch gegen ihren Arbeitgeber WYCD (99.5 FM), nachdem sie erklärt hatte, dass sie durch das Parfüm eines Radiokollegen krank gemacht wurde. Aber Bezirksrichter George Caram Steeh reduzierte die Urteilssumme auf 814.000 Dollar, weil für ihn der Beweis nicht klar war, dass Weber Parfümallergie habe.

Die Verhandlung des McBride Falles wird für nächstes Jahr erwartet. Der Anwalt von McBride und Alison Johnson, die Vorsitzende der Stiftung für Chemikaliensensible, sagten am Mittwoch einstimmig, dass Richter Zatkoff’s Entscheidung, den Fall weiter zu verhandeln, äußerst signifikant sei.

Autor:
Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 27.11.2008

7 Kommentare zu “Richter beschließt: Prozess wegen Multiple Chemical Sensitivity & Parfum kann weitergehen”

  1. Mary-Lou 27. November 2008 um 14:48

    Die Zulassung der Klage sehe ich als ersten Erfolg an und ich bin mir sicher, dass sich die Angelegenheit zum Positiven entwickelt. Dass es bisher einen ähnlichen Fall gab, wird die Erfolgsaussichten positiv beeinflussen.

    Das sind super Nachrichten, danke Silvia für diesen besonderen Blog.

  2. Energiefox 28. November 2008 um 11:53

    Man kann es nur hoffen das der Erfolg kommt. Ich bin immer etwas sprachlos, dass anscheinend so wenig Rücksichtsnahme besteht und immer geklagt werden muss. Gibt es im Arbeitsleben und im Alltagsleben keine Rücksichtsnahme mehr???? Man schaue sich nur die Werbung an, ich sehe es selbst bei Kindersendungen, Parfum wird da so agressiv benutzt bzw vorgestellt, dass Leute fast gezwungen werden Parfum zu benutzen, um als normal zu gelten. Wir sind anscheinend viel zu reich, um für so ein Zeugs so viel Geld zu verschwenden und andere Leute auch noch mächtig auf die Nerven bzw Gesundheit zu gehen.

  3. Clarissa 28. November 2008 um 15:08

    Es gibt sogar Unternehmen die den Gebrauch von duftenden Körperpflegeprodukten und Parfüm von ihren Mitarbeiterinnen verlangen, wer dem nicht nachkommt, riskiert Abmahnungen und letztendlich die Kündigung.
    Ich werde hier jetzt keine Namen nennen, aber mindestens drei Unternehmen sind mir persönlich bekannt.

    Ich persönlich empfinde solche Vorschriften als starke Einschränkung meiner Freiheit, abgesehen von der verlangten Vergiftung meines Körpers und bin mir nicht sicher ob sich der Arbeitgeber da nicht auf sehr dünnes Eis begibt wenn er so etwas verlangt.

  4. Tine 30. November 2008 um 22:27

    Ich habe vor ein paar Wochen die Landesbehindertenbeauftragte genau zu diesem Thema befragt, da eine Kollegin ein Duftstoffradio im Büro aufstellen wollte. Dies war ein billiges Radio, dass bei Inbetriebnahme die zuvor eingelegten synthetischen Duftkügelchen zum Verdampfen bringt. Bis dahin wusste ich nicht, dass es so etwas gab. Ich konnte meine Kollegin nur mit Androhung des Einschaltens der Vorgeetzten und des Personalrates von dieser Maßnahme abhalten. Meine Erkrankung kennt sogar die Kollegin. Bisher habe ich immer noch keine Antwort der Landesbehindertenbeauftragten, sehe aber gespannt dem Urteil des amerikanischen Richters entgegen.

  5. Henriette 3. Dezember 2008 um 23:45

    Dies ist eine gute Nachricht. Es freut mich sehr, dass der Prozess von Susann McBride weitergeht. Rücksicht und Weitsicht würden deutschen Richtern auch gut zu Gesicht stehen. Die Zahl der Parfümallergiker steigt massiv an, die von MCS Kranken ebenfalls. Daher sind derartige Klageverfahren von großer Bedeutung für uns alle.

    Ich hoffe, dass sich aus diesem Fall auch für uns in Deutschland weitere Verbesserungen ergeben.

  6. Reni7258 12. Dezember 2008 um 11:05

    @Clarissa:

    Da hast du leider recht, mit einem solchen Arbeitgeber hatte ich auch schon zu tun. Auch ich werde den Namen nicht nennen. Damals gelang es mir auch erst drei Wochen nach der „mündlichen Abmahnung“, eine fachlich ähnliche, aber besser zu mir passende und besser bezahlte Stelle zu finden. Ich befand mich in der Probezeit, der alte Arbeitgeber hätte mir also sowieso jederzeit kündigen können, es war also Rettung in letzter Sekunde.

    Mich wundert, dass das im CSN-Forum so selten thematisiert wird.

  7. Parfüm-Kritiker 7. Januar 2009 um 12:40

    Hallo Tine,

    hast Du inzwischen eine Antwort von der Landesbehindertenbeauftragten? Immerhin besteht Parfum aus vielen verschiedenen Chemikalien, deren Wirkung untereinander nicht ausreichend erforscht ist, also Chemie-Cocktail im Kosmetik-Sektor. Dass das nicht gesund sein kann und Parfüm krank machen kann, müsste doch für die Behörde Anlass genug sein, um Dich zu unterstützen.

    Gruß Parfüm-Kriktiker

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