Auch vermeintlich ungiftige Chemikalien können den Tod bringen

Die Wasserqualität des Rheins hat sich in den letzten Jahren durch Ergreifen vieler umweltfreundlicher Maßnahmen zum Positiven entwickelt. Noch in den 60er und 70er Jahren waren viele einst heimische Fischarten auf Grund der schlechten Wassergüte ausgestorben. Mangelndes Umweltbewusstsein führte dazu, dass Industrieabwässer damals völlig ungeklärt in den Rhein geleitet wurden. Erst in den 70ern erkannte man die dringende Notwendigkeit, Abwässer in Klärwerken zu filtern, so dass sich die Wasserqualität des Rheins seither ständig verbessert hat. Seit Anfang des Jahres 2000 sind wieder über 40 verschiedene Fischarten im längsten Nordseezufluss angesiedelt.

Es besteht jedoch kein Anlass, sich auf den Lorbeeren ausruhen, denn der Schein trügt. Durch die an unseren Flüssen zahlreichen angesiedelten Chemieparks und Industrieanlagen wie auch durch den intensiven Binnenschiffsverkehr finden immer wieder Schadstoffkontaminierungen des Rheinwassers statt. Dies belegen auch die aktuell ablaufenden Ereignisse am Rhein zwischen Wiesbaden und Mainz.

Chemikalien verursachen Sterben von Lachmöwen am Rhein

Umweltschützer sind besorgt, denn seit drei Jahren findet zwischen Mainz und Wiesbaden ein rätselhaftes Möwensterben statt. Mittlerweile konnten Tenside als Ursache für die traurige Misere dingfest gemacht werden, der Verursacher ist jedoch nach wie vor unbekannt. Matthias Werner von der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland in Frankfurt berichtet, dass Hunderte Lachmöwen dort den Tod finden. Die Dunkelziffer wird wesentlich höher eingestuft. Die vom hessischen Landeskriminalamt in Auftrag gegebenen Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass die Tenside Glycerin-Monooleat und Oleamin für das Möwensterben verantwortlich sind.

Tenside werden in der Lebensmittelindustrie als Emulgatoren verarbeitet und kommen in Reinigungs- und Waschmittel, Kosmetika, Duschgels und Shampoos zuhauf zum Einsatz. Tenside sind waschaktive Substanzen, sie haben die Fähigkeit die Oberflächenspannung des Wassers zu reduzieren und somit beim Reinigen die Löslichkeit von Schmutzpartikel und Fett zu beschleunigen.

Die waschaktiven Substanzen der Tenside zerstören die Fettschicht im Gefieder

Genau diese Eigenschaften werden den Möwen zum Verhängnis. Die nachgewiesenen Emulgatoren zerstören die Fettschicht des Gefieders der Lachmöwen. Das Gefieder wird struppig und verliert die für die Vögel lebensnotwendige Schutzfunktion vor Nässe und Kälte, so dass diese an Unterkühlung sterben. Durch ihr ständiges Putzen verteilen die Möwen die für sie tödlich wirkende Substanz weiter in ihr Gefieder und verstärken somit den negativen Effekt. Die Naturschützer tappen weiter im Dunkeln und vermuten, dass sich die Möwen möglicherweise in Klärbecken verunreinigen oder das Sterben mit der Futtersuche in Zusammenhang steht. Ornithologen hoffen auf Hinweise aus der Bevölkerung, die zur Aufklärung des traurigen Möwensterbens am Rhein beitragen können.

Tenside – Chemikalien mit reizendem, umweltschädlichen, allergenem und toxischem Potential

Es gibt vier verschiedene Arten von Tensiden, manche sind als ungiftig eingestuft. Das Umweltlexikon KATALYSE – Institut für angewandte Umweltforschung führt an, dass Tenside Massenchemikalien sind, die teilweise eine schlechte biologische End-Abbaubarkeit in der Umwelt aufweisen.

Die ökologisch am verträglichsten anionischen Tenside sind Reinigungsmitteln zugesetzt. Nichtionische Tenside (hauptsächlich Alkoholethoxylate und Alkylphenolethoxylate – werden auch als APEO bezeichnet) kommen häufig zusammen mit anionischen Tensiden vor. Die Abbauprodukte der APEO-Tenside sind jedoch als hochgradig fischtoxisch klassifiziert. Die positiv geladenen kationischen Tenside haben keine Waschwirkung und kommen in  Weichspülern und Desinfektionsmittel zur Anwendung. Sie sind für Wasserlebewesen hochgiftig, können sich im Klärschlamm anreichern und Allergien auslösen. Amphotere Tenside haben sowohl positive wie auch negative Ladungen und werden deshalb auch als Co-Tenside bezeichnet. Sie werden als Wirkbeschleuniger verwandt.

Auch der Mensch ist vor negativen Auswirkungen auf die Gesundheit durch Tenside nicht gefeit. Die Chemikalien können neben Haut- und Schleimhautreizungen chronische Hautschädigungen und Kontaktekzeme hervorrufen.

In unserem modernen Leben sind wir zunehmend von chemischen Substanzen umgeben, sei es durch Umwelteinflüsse oder Gegenstände des täglichen Bedarfs, die vielfach als vermeintlich unbedenklich gelten. Allerdings werden deren Auswirkung auf die Umwelt und Natur sowie unsere Gesundheit oftmals unterschätzt, wie das aktuelle Beispiel des Möwensterbens verdeutlicht. Das fragile Ökosystem wird vielfach bereits durch geringe Einflüsse erheblich gestört. Es ist also unabdingbar, weiter vereint daran zu arbeiten, negative Umweltfaktoren weitestgehend zu reduzieren und nicht sorglos mit Chemikalien im Alltag umzugehen.

Autor: Maria Herzger, CSN – Chemical Sensitivity Network, 11. März 2010

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7 Kommentare zu “Auch vermeintlich ungiftige Chemikalien können den Tod bringen”

  1. Energiefox 11. März 2010 um 11:18

    Super ist der der Bericht Maria.
    Auf Twitter habe ich ein RT Über Tenside im Rhein gemacht, jemand hatte dort das wichtige Thema auch geliefert. Hier am Speichersee Geeste Lingen (Ems), scheint es ja nicht so angekommen zu sein, wie schädlich Gifte sind. Vor ein paar Tagen fragte ich noch einen Arbeiter, der sagte dieses Jahr werden die Wege wieder mit (vermutlich Roundup er sagte mir nicht was die nehmen) geimpft. Das Gras stört zwischen den Pflastersteinen. Sie hätten eine Genehmigung. Heute habe ich noch das Schild von der RWE auf dem Deich gesehen die werben mit Umweltschutzgebiet.
    Solche Berichte müssen immer wieder kommen damit der leichtsinnige Umgang mit Giften aufhört.
    Gruß Energiefox

  2. Spider 11. März 2010 um 14:45

    Das ist wirklich traurig, wie den Möwen am Rhein geschieht.

    Viele Chemikalien belasten völlig unnötig die Umwelt, denn gerade auf Weichspüler könnte die Welt locker verzichten. Die in Weichspülern zur Anwendung kommenden Tenside, werden lt. Infoquellen, die in Marias Text eingearbeitet sind, als besonders giftig für Wasserlebewesen eingestuft.

    Die Verbraucher sollten endlich umdenken, denn wir haben bekanntlich nur eine Umwelt. Doch heute muss ja überall Chemie drin sein, sonst sind die Leute unzufrieden. Das kann man alleine daran erkennen, dass viele Patienten unzufrieden sind, wenn ihnen ihr Arzt keine chemische Keule verschreibt.

    Das ärgert mich alles, gerade weil ich umweltbewusst und tierlieb bin.

    Danke für den informativen Beitrag und das Hintergrundwissen.

  3. Feldspatz 11. März 2010 um 16:53

    Solche Meldungen sind für jeden Tierfreund und Naturliebhaber ein Schlag ins Gesicht. Völlig unverständlich empfinde ich, dass man innerhalb von 3 Jahren keinen Verursacher ermitteln konnte.

    Chemikalien und Schadstoffe werden meiner Meinung nach auch viel zu leichtsinnig eingesetzt und die Abwässer immer noch viel zu sehr damit balastet. Ich schließe mich Spider an, viele Produkte sind völlig unnötig. Weichspüler schädigt die Umwelt bei der Produktion, bei der Anwendung und die Gesundheit der Konsumenten und deren Mitmenschen.

    Manche Produkte müssten vom Markt genommen werden, derartige Umweltsünder braucht kein Mensch!

    Das Photo gefällt mir gut und danke für den Bericht.

  4. Maria 12. März 2010 um 14:48

    Leider haben Chemikalien in unserer Umwelt einen enormen Einfluss auf das gesamte Ökosystem. Ein älter Beitrag aus der RP online verdeutlicht dies. Mehrere Studien kamen demnach zu dem Ergebnis, dass Chemikalien zu Langzeitschäden führen und sogar Möwen schwul werden lässt. Viele Chemikalien, wie z. B. DDT und Insektizide, greifen ins endokrine System ein, mit verheerenden Folgen für die Tiere.

    http://www.rp-online.de/wissen/umwelt/Langzeitschaeden-Chemie-macht-Moewen-schwul_aid_60361.html

    Wer weiß warum es bei den Menschen so viele Homosexuelle gibt.

  5. Maria Magdalena 12. März 2010 um 17:47

    Liebe Maria,

    danke für den Besorgnis erregenden, aufrüttelnden Bericht.

    Ein Teil der Menschheit ist dumm und aggressiv und geht mit der Natur und allen Lebewesen rücksichtslos um. Deshalb geht es uns allen immer schlechter.

    Ich habe jedoch das Gefühl, dass wir einen Zeitpunkt erreicht haben, wo das Maß voll ist und die Menschheit bald gezwungen sein wird, dieses irrationale zerstörerische Verhalten grundlegend zu ändern, wenn sie überleben will.

    Zwar traurig, dass es schon so weit gekommen ist, doch es lässt auch hoffen, dass die dringend nötige Wende kommt. Der Mensch handelt in der Regel leider erst dann, wenn es schon fast zu spät ist.

  6. Thommy 16. März 2010 um 17:22

    Hallo Maria,

    mir stellt sich bei solchen Artikeln immer die Frage: „Mit welchem Recht erlaubt sich der Mensch das?“

    Gruß Thommy

  7. Baalu 22. Oktober 2010 um 14:42

    Hallo,
    ich habe gerade durch Zufall die Ausführungen zu den Lachmöwen am Rhein gelesen. Die angeblich verantwortlichen Chemikalien Oleamin und Glycerinmonooleat werden großzügig in der Kosmetik- und Nahrungsmittelindustrie eingesetzt. Beide Stoffe kommen aber auch in sterbenden oder toten Tieren (z.B. Insekten) bzw. in verdorbenen (auch natürlich vorkommenden) Fetten vor. Der Stoff Glycerinmonooleat findet auch Verwendung als Schaumverhüter. Ich glaube, es wird nicht leicht, die Verursacher aufzuspüren. Aber das alles ist ein weiteres Beispiel für den nachlässigen Umgang mit Chemikalien, die eben neben dem offensichtlich beabsichtigten Effekt auch Langzeitwirkungen (oder wie in diesem Fall auch schon nach kurzer Zeit sichtbare Wirkungen) haben.

    Ich wünschte mir, dass solche Berichte nicht nur Empörung in der Öffentlichkeit auslösen, sondern auch dazu führen, dass immer mehr Menschen (und dazu gehören auch die Manager in der Industrie) bewusster mit ihrer (und damit unser aller) Umwelt umgehen.
    Gruß
    Baalu

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