Fairness gegenüber Umweltkranken mit MCS ist überfällig

Frau mit Schutzmaske, MCS - Multiple Es ist erschütternd, wie sehr Chemikalien-sensible und Umweltkranke darunter leiden müssen, wie mit ihnen umgegangen wird. Höhnische Bemerkungen, Belächeln oder direktes Anzweifeln der Existenz ihrer Krankheit ist für viele Erkrankte der traurige Alltag. Von einschlägig bekannten „Experten“ geprägte Berichterstattung leistet den letzten Feinschliff. „Umweltkranke sind unser Gesellschaftsmüll“, sagte ein Politiker „treffend“ vor Jahren.

Wenn ich mit Umweltkranken am Telefon spreche, berichtet man mir häufig von ungerechter Behandlung, Schikanen und direkter Diskriminierung. Chemikaliensensible leiden oft sogar mehr darunter, als unter ihren zweifelsfrei vorhandenen Schmerzen und körperlichen Einschränkungen im Alltag. Muss das sein? Tritt jemand einem Gelähmten gegen den Rollstuhl? Wird ein AIDS- oder Krebskranker als Hypochonder bezeichnet, weil er auf Nahrung, Duftstoffe und Alltagschemikalien zu reagieren beginnt im Endstadium oder nach Chemotherapie? Oder nimmt jemand einem Blinden den Stock weg? Niemals, wer es wagen würde, den würde die Gesellschaft ächten.

Ich erinnere mich, als sei gestern gewesen, an einen Abend in meinem damaligen Arbeitskreis Giftgeschädigter Trier. Ein Ehepaar, das fast jedes Mals extra aus dem Saarland angereist kam, wollte mich beim Rausgehen sprechen. Der Mann war Schreiner gewesen und konnte kaum noch außer Haus funktionieren. Er reagierte aufgrund seiner Formaldehydsensibilität auf fast alles. „Ich muss Dir etwas sagen, Silvia“, sagte er mit fester Stimme, „bei mir haben sie jetzt Krebs festgestellt.“ Ich war wie erschlagen und wusste vor Betroffenheit nicht recht, was ich antworten sollte. „Das tut mir furchtbar Leid“, mehr kam nicht aus mir heraus, weil ich die beiden so sehr mochte. „Nein, Silvia, es ist in Ordnung, ich bin froh darüber, denn jetzt müssen sie mir endlich glauben.“

Diese Begebenheit habe ich einige Male an medizinischen Kongressen berichtet. Die Ärzte schauen für üblich nach unten. Kommentare kommen keine. Eigentlich kann man dazu auch kaum noch etwas sagen, so ungeheuerlich ist es, dass ein schwer kranker Mensch in unserer Gesellschaft froh ist, dass er schlussendlich Krebs bekommen hat durch die Chemikalien, die ihn an seinem Arbeitsplatz erkranken ließen.

Was meint Ihr, warum werden wir diskriminiert und was können wir unternehmen, dass sich die Situation mittelfristig ändert?

Autor: Silvia K. Müller, CSN-Chemical Sensitivity Network

7 Kommentare zu “Fairness gegenüber Umweltkranken mit MCS ist überfällig”

  1. Janik 5. Dezember 2007 um 13:32

    Von normalen Leuten werden wir diskriminiert, weil wir mit unserer Krankheit ihr Weltbild von der heilen Konsumwelt zerstören. Wer uns Glauben schenkt wird, muss etwas ändern am eigenen Konsumverhalten und dafür sind viele dann doch zu bequem.

    Was eine große Rolle spielt sind natürlich lobbyinfiltierte Werbung und Berichte in den Medien. Der jünste MCS Bericht in der Frankfurter Rundschau ist ein bestes Beispiel. Wenn der Ottonormalbürger so etwas liest, muss er denken, die sind nur spinnert. Das ist gewollt und wird gezielt aufgebaut.

  2. Henriette 13. Dezember 2007 um 20:17

    Aus eigener Erfahrung kann ich mich den Worten von Janik nur anschließen. Selbst wenn uns jemand glaubt, sei es am Arbeitsplatz oder im Bekanntenkreis, müssten diese Personen ihre Lebensgewohnheiten und ihr Konsumverhalten umstellen. Das mag in der heutigen Zeit niemand. Also werden die neu erworbenen Kenntnisse über Chemikaliensensibilität verdrängt. Denn man möchte seine Gewohnheiten und alle seine geliebten Crems, Weichspüler etc. nicht gegen Öko-Produkte eintauschen. Schon garnicht in Zeiten, in denen jeder Star sein eigenes Parfüm auf den Markt bringt. Parfüm und dergleichen sind total in! Leider. Wir werden die Auswirkungen der Weihnachtsgeschenke schon zu spüren kriegen.

    Gegen die Diskriminierung weiß ich nur einen Rat, dass wir nicht aufgeben dürfen mit unserer Aufklärungsarbeit. Wir sollten Blogs nutzen, um weiterhin auf MCS aufmerksam zu machen und dürfen nicht aufgeben. MCS ist Realität, auch wenn man der Öffentlichkeit etwas anderes erzählen möchte. Wir müssen einfach dran bleiben, mehr können wir nicht tun.

  3. Henriette 13. Dezember 2007 um 20:53

    Eigentlich wollte ich vorhin noch über Diskriminierung schreiben.

    Während meines Berufslebens hatte ich viele Fehlzeiten. So kam es, dass mich nicht nur meine Vorgesetzten besonders „freundlich“ behandelten, nein diese überaus „freundliche Art“ wurde mir auch von meinen Kollegen/innen entgegen gebracht. Gut, ich kann einerseits verstehen, dass sie sauer auf mich waren, da sie oftmals für mich mitarbeiten mussten. Aber trotzdem. Diese Diskriminierung hat mir sehr zugesetzt.

    Mich krankmelden und anzurufen, wenn ich mal wieder arbeitsunfähig war, empfand ich schlimmer, als die ganzen Schmerzen und alle anderen Symptome. Das Drumherum war für mich das Schlimmste! Ich musste mir viel anhören und mich oft ungerecht behandeln lassen. An vielem konnte ich selbst nichts ändern. Daher habe ich mir vorgenommen, für MCS, also gegen die Diskriminierung von MCS-Kranken zu kämpfen. Das was ich irgendwie noch kann, möchte ich auch versuchen. Ich muss mir nicht alles gefallen lassen. Zumindest kann ich meine Meinung äußern. Durch das Internet ist mir also vieles möglich, was ohne so nicht funktionieren würde. Außerdem bekomme ich so mit, was hinter meinem Rücken passiert. Ich habe mir vorgenommen, für mein Recht zu kämpfen und alles zu versuchen. So sollten wir alle denken. Wir sollten versuchen aktiver zu sein. Das ist besonders wichtig, denn sonst treten wir auf der Stelle.

    Oder seid Ihr nicht diskriminiert worden? Was bringt Euch dazu, aktiv gegen Diskriminierung vorzugehen? Ich erinnere mich immer an all die Dinge die mir ungerechtfertigt angetan wurden. Dann kann ich, obwohl ich oft nicht kann, trotz allem ein bißchen aktiv werden. Auch wenn ich glaube nichts tun zu können, aber irgendwie habe ich oftmals das ein oder andere trotzdem hingekriegt. Darüber sollten wir alle nachdenken.

    Dieser Blog läuft meiner Meinung nach auch nicht richtig an. Wären hier mehr MCS-Kranke aktiv, würden wir weit aus besser in der Öffentlichkeit stehen.

    Von nichts kommt nichts!

  4. Silvia 14. Dezember 2007 um 20:53

    Heriette,

    ich ging jeden Morgen zur Arbeit, obwohl ich nicht mehr gleich aussteigen konnte aus dem Auto, weil ich zu erschöpft war. Treppen konnte ich ni ht mehr laufen und jeden Morgen gab es Ärger, weil ich den Lastenaufzug unerlaubterweise benutze.

    In den letzten 15 Jahren habe ich viele Geschichten von Chemikaliensensiblen gehört. Wieviele davon sind bis zum „Gehtnichtmehr“ auf die Arbeit gekrochen. Sie haben die Schuld bei sich gesucht, versucht durchzuhalten bis zum Umfallen.

    Gerne gibt niemand seine Arbeit auf.

  5. Mary-Lou 14. Dezember 2007 um 23:49

    Dem kann ich mich nur anschließen. Ich habe mich viele Jahre jeden Tag zur Arbeit gequält. Als ich heim kam, fiel ich immer auf´s Sofa wie ein nasser Sack. Ich war für nichts mehr zu gebrauchen. So ging es viele, wirklich sehr viele Jahre. Die Arbeit war wirklich das Letzte was ich aufgegeben habe. Es ist mir sehr schwer gefallen. Ich bin sehr oft mit Fieber und fast täglich mit dem Kopf unter dem Arm dort hin. Aber einfach aufgeben konnte ich sie auch nicht. So habe ich es irgendwie durchgezogen, bis überhaupt nichts mehr ging.

    Leider traf ich in Bezug auf MCS bei einer Freundin auf totales Unverständnis. Sie hat mich sehr unfair behandelt, ja sogar gedemütigt. Das tat sehr weh und hat mir mit am meisten von allem bisher, was MCS betrifft, zugesetzt. Außer den Demütigungen und diskriminierenden Verhalten von einigen Gutachtern, dies war mindesten genauso schlimm für mich. Daher empfinde ich es ebenfalls als längst überfällig, dass man MCS-Kranke endlich einmal fair behandelt. Wir sind auch Menschen und nicht das Letzte. Aber diesen Stand in der Gesellschaft inne zu haben, das Gefühl bekommt man leider manchmal vermittelt.

  6. Analytiker 3. Januar 2008 um 19:12

    Dem bereits „Gesagten“ möchte ich mich voll und ganz anschließen. Ebenfalls ist Fairness gegenüber den Ärzten, die die Umweltpatienten nach neustem, fachkundigen Wissensstand behandlen, die wahren Ursachen der Umwelterkrankungen ihrer Patienten herausfinden möchten, um somit deren Gesundheitszustand zu verbessern, ebenfalls längst überfällig. Denn die ehrlichen in diesem Berufsstand haben heutzutage kein leichtes Leben. Z. B. wurden Prof. Rea in Texas und Dr. Binz in Trier, die beide Umweltpatienten behandeln, auf übelste Art und Weise mitgespielt. Solche Vorgehensweisen müßten a n g e m e s s e n bestraft werden.

    Fairness bleibt in den heutigen Zeiten immer mehr auf der Strecke, auch in anderen Bereichen unseres Lebens. Das ist eine ernstzunehmende schlimme Entwicklung.

  7. never ending story 12. April 2008 um 16:57

    Fairness gegenüber Chemikaliensensiblen ist wirklich lange überfällig. Gäbe es eine angemessene Aufklärungskampagne wie beispielsweise gegen Aids, wäre MCS in den Köpfen der Leute und wir Betroffenen müssten uns nicht überall rechtfertigen und sogar für unsere vielen Unverträglichkeiten bei unseren Mitmenschen entschuldigen.

    Auch Chemikaliensensilbe sind Kranke und haben ebenfalls wie andere Leute auch eine Würde, die uns im täglichen Leben aber oft unnötig genommen wird.

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