Die Situation für Umweltkranke wäre leicht zu verbessern – Aber das kostet

Behörden - Kranke sind nur eine Nummer

„Mir steht nichts zu“: Kein Geld für kranke Menschen Teil 2

Im ersten Teil dieses Blogs schreibt eine schwer kranke Frau, Marion, an die Berliner Senatsverwaltung. Marion leidet u.a. an MCS, der Multiplen Chemikalien Sensitivität, bei der die Betroffenen wie allergisch auf Chemikalien im Alltag reagieren. Sie muss in Berlin-Neukölln wohnen, obwohl sie von den Abgasen der Allesbrenner-Heizungen und vom Schimmel in ihrer Wohnung schwer krank wird.

Marion und andere Menschen in ihrer Situation benötigen dringend mehr Geld. Behörden antworten in eiskaltem Amtsdeutsch auf ihre Briefe, in denen sie ihre Situation deutlich macht. Auch der Berliner Senat antwortete auf diese Art, und verwies sie wieder auf JobCenter, Sozialdienst, Gesundheitsamt. Dabei hatte sie an den Senat geschrieben, weil ihr diese Stellen nicht geholfen hatten.

Dennoch bleibt Marion höflich und antwortet dem Senat. Sie erklärt noch einmal ihre Lage.

sehr geehrter herr b.,

vielen dank für ihre antwort.

letztes jahr im august, hatten wir eine wohnung gefunden, mein mann ist persönlich mit dem wohnungsangebot und einem attest für meine person, welches die dringlichkeit eines wohnungswechsels bescheinigte, zum jobcenter.

und wissen sie was passierte, nichts, er wurde erst garnicht zum zuständigen sachbearbeiter vorgelassen, man nahm das wohnungsangebot und attest in empfang und sagte ihm, er müsse auf eine entscheidung warten, das könnte dauern. nachdem wir dort mehrmals nachgefragt haben, wann wir eine genehmigung die wohnung erhalten würden, kam nach wochen ein lapidares schreiben, das kein wohnungsangebot vorliegen würde und das obwohl mein mann persönlich dort vorgesprochen hatte.

mein mann musste letztens zum arbeitsberater und da fragte die dame, ob wir die wohnung gewechselt hätten, da im computer die anfrage eingetragen worden war, soviel dazu.

die wohnung war natürlich weg. wir können jede wohnung vergessen, bis beim jobcenter entschieden wird, hat jeder vermieter längt die wohnung an andere personen vermietet. wie sie auch heute, aus einem artikel im tagesspiegel ersehen können, ist preiswerter wohnraum in berlin mangelware. selbst die arbeitende bevölkerung muss heute jeden cent umdrehen und zieht sogar nach nord-neukölln und was meinen sie, wem ein vermieter dann die wohnung vermietet? bestimmt nicht dem hartz-4-bezieher, der bitte, bitte beim jobcenter machen muss und die hetze in den medien hat auch einiges dazu beigetragen.

ich habe mich längst daran gewöhnt, überal durchs raster zu fallen, das habe ich bei der krankenkasse gemerkt, die eine alternativbehandlung ablehnt, weil ich keinerlei medikamente der schulmedizin vertrage und auch auf ihre paragraphen verweist und das merke ich an allen stellen, an die ich mich hinwende.

meinen sie ihr sozialdienst oder gesundheitsamt könnte einschätzen, wie es mir geht. die wissen doch nicht mal was mcs ist und wie krank man durch die umwelt und seine mitmenschen wird und wenn man dann in diesem luftkurort neukölln-nord leben muss, wo jeder einfach seinen dreck hinwirft, müll verbrennt, etc., kann man schon verzweifeln, denn das einzige was man sich zu schulden hat kommen lassen, ist krank zu werden.

bisher konnte mir noch niemand eine stelle nennen, die mir vielleicht helfen könnte und das wird wohl auch in zukunft so bleiben.

„Mir steht nichts zu“

Für diesen Blog erklärt Marion:

„ich habe mich übrigens an das Gesundheitsamt gewandt, an die Stelle für Behinderte, man kannte dort MCS nicht und man sagte mir, nach 2 Stunden Telefonat, man kann nichts für mich tun, mir steht nichts zu.“

Ganz klar. Kranken Menschen steht hier nichts zu. Die können nicht mehr arbeiten, die kann man nicht für 1-Euro-Jobs missbrauchen, die braucht keiner mehr. Mehr oder weniger geduldet müssen sie leben bzw. langsam sterben.

Die Situation wäre leicht zu verbessern – Aber das kostet

Die Situation wäre deutlich zu verbessern. Eine saubere Wohnung, evtl. Luftreinigungsgeräte. Geld für Biolebensmittel. Notwendige Hilfsmittel, die das Leben mit der Gelenkerkrankung erleichtern. Dadurch könnte sich Marions Gesundheit wieder stabilisieren. Sie könnte so mit ihrem Mann zusammenleben, wie sie es sich wünscht, statt in getrennten Zimmern. Allgemein können MCS-Erkrankte sogar wieder fähig werden, evtl. nach einer Weiterbildung, einen Beruf z.B. als Online-Job auszuüben, sodass sie nicht schon in jungen Jahren aufs Abstellgleis geschoben werden. Und die Menschen, die nicht mehr arbeiten können, brauchen eine dauerhafte Grundsicherung.

Man sieht mal wieder, worum es hier geht. Kranke braucht keiner mehr. Man muss sie nicht ruhig halten, das sie in ihrem Handlungsspielraum stark eingeschränkt sind. Man muss sie nicht durchfüttern, um sie wieder arbeiten zu schicken, wenn die Wirtschaft wieder mal brummt. Diesen Personen, die das Alles veranlassen, geht es nicht um Menschen. Denen geht es nur um Profit.

Autoren: Marion und Amalie für CSN – Chemical Sensitivity Network, 3. September 2009

Teil 1: „Mir steht nichts zu“: Kein Geld für kranke Menschen

3 Kommentare zu “Die Situation für Umweltkranke wäre leicht zu verbessern – Aber das kostet”

  1. Maritta 3. September 2009 um 10:43

    ZU traurig, – doch leider nichts anderes als unsere Wirklichkeit.

  2. PappaJo 3. September 2009 um 16:27

    Ich werde wohl bis zur nächsten Steinzeit immer wieder darauf hinweisen, weil das so absurd ist.

    Ein Staat der behauptet kein Geld zu habe, um MCS-Kranken zu helfen – wie auch immer – und im gleichen Atemzug
    ————————————————
    — 5.000.000.000,00 EUR — 5 Milliarden EUR —
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    nur für die Autoindustrie verprasst, das sind Steuergelder – ich konnte mir kein Auto kaufen – also diejenigen unterstützt, die eh genügend Geld haben, um sich total überteuerte Autos zu Mondpreisen leisten zu können (in BRD kosten die Autos wesentlich mehr als irgendwo)…der Staat ist einfach eine Lachnummer.

    Das witzige an der Show ist ja, der allergrößte Batzen an Euronen ging nicht an die deutsche Industrie, sondern sonstwo hin. Vornehmlich nach Asien…..ahaaaaaaaaaaaa!

    Ein Paradebeispiel um die deutsche Wirtschaft anzukurbeln. (Das ist Sarkasmus pur)

    Was hätte man für MCS-Kranke tun können mit der Kohle. Wenn man z.B. für eine Wohneinheit, nach allen Künsten der Baubiologie errichtet, ca. 80.000EUR rechnet bei ca. 60qm – mit Zweckmäßiger Auststattung – hätte man damit 62.500 Wohnungen bauen können!

    Das wäre nicht nur ein Glanzstück für einen Sozialstaat, sondern hätte zu Folge das die schwerstkranken einen gesunden Wohnraum hätten.

    Es wäre ein Bauboom für die Handwerker, einem ehrlichen Handwerk und zudem wäre die Kohle zum größten Teil im Land geblieben, mit Ausnahmen von diversen Baustoffen.

    Vieleicht hätte man mit so einem Monströsen Projekt auch zum Umdenken angeregt!

    Aber statt dessen….und ewig grüßt das Murmeltier.

  3. Udo Kupsch 15. November 2009 um 12:31

    Ich kenne das in abgeschwächter Form. Ende letzten Jahres habe ich entschieden, mich aus dem sozialen Netz so weit wie möglich zu befreien.
    An dieser Stelle muss ich sagen – ich habe die Möglichkeit dazu. Ein Familienvater mit Frau und 4 Kindern in einer Mietwohnung in der Grossstadt hat diese Möglichkeiten nicht. Ich sehe, wie schwer es in der Anfangszeit für uns ist, und möchte mir erst garnicht vorstellen, wie es für jemanden sein muss, der nicht mit Eigentum „gesegnet“ ist.

    Ich habe oft Wege gesucht, um gegen diese Verhältnisse, wie sie in diesem Beitrag beschrieben sind, zu kämpfen. Ich bin dabei, damit aufzuhören, weil ich keine Zeit habe, mich so intensiv mit den Dingen zu beschäftigen, die ich NICHT will.

    Natürlich ist es wichtig, sich damit zu beschäftigen und zu informieren. Und es ist auch wichtig, etwas DAGEGEN zu unternehmen.

    Für mich persönlich ist es aber VIEL wichtiger, hauptsächlich etwas FÜR die Dinge zu tun, die ich will. Nur dann können sie entstehen – indem ich etwas DAFÜR tue.

    Solange ich etwas DAGEGEN tue, wird es zwar besser, aber nicht so, wie ich es gerne möchte. Ich kann in einem Garten gegen Unkraut und Schädlinge kämpfen, wie ich will. Solange ich nichts DAFÜR tue, dass dort das wächst, was ich gerne haben möchte, bleibt es ein Invasionskrieg um ein Stück Land, das ich zwar besitze, aber nicht nutze.

    Ich sehe, was die Bürokratie tut. Sie tut viel – sie tut vorallem etwas GEGEN Missbrauch, GEGEN Verschwendung, GEGEN Ordnungsverstösse, GEGEN…

    Das ist die Natur dieser Bürokratie. Mir fällt spontan nichts ein, was die Bürokratie FÜR etwas tut, obwohl es da sicherlich so Einiges gibt.

    Warum ist das so? Warum ist es so schwierig, völlig ohne Bürokratie, von Mensch zu Mensch, ohne Antrag, Formular, Datum, Stempel, Unterschrift und Aktenzeichen mit 6-fachem Durchschlag, Lichtbild, Anhang B-7, ArloAF/cA/44 und Steuer-ID zu helfen? Ich meine HELFEN, nicht VERWALTEN.

    Meine Meinung dazu ist: Wenn wir nicht anfangen, die Bürokratie als weniger wichtig, und das menschliche Miteinander als einen der höchsten Werte, die wir haben können, zu betrachten, dann werden wir uns mit unserer Steuer-ID, und nicht mit uns selbst identifizieren. Der Schritt zum seelenlosen Robotervolk, in dem solche Verhältnisse wie oben nicht nur hingenommen, sondern als normal oder gar „kleineres Übel“ empfunden werden.

    Oder um es ganz deutlich zu sagen:

    Warum zeigen wir mit dem Finger auf die Bürokratie und lassen diese Frau weiterhin leiden?

    Warum bieten wir nicht EINFACH und von Herzen an, dass sie bei uns leben kann, ohne Bedingungen?

    Wir würden es tun, wenn wir die Möglichkeit hätten, hier noch jemandem unterzubringen.

    Liebe Grüsse

    Johanna und Udo

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