Verpackungen von Lebensmitteln geben Schadstoffe in Nahrungsmittel ab

Fachleute sind besorgt wegen einer bislang unbekannten Schadstoffquelle für Nahrungsmittel. Kartonverpackungen für Lebensmittel enthielten „hohe Mineralölanteile“, heißt es dem Nachrichtenmagazin „Focus“ zufolge in einem Protokoll des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). (1) Das Problem, dass Lebensmittelverpackungen eine Schwachstelle darstellen können, die zu Lasten der Gesundheit der Verbraucher geht, ist dem BfR schon seit Jahren bekannt. Probleme bereiten neben dem Schadstoffeintrag aus Altpapier auch Perfluorchemikalien, Nanomaterialien, recycelte Kunststoffe, Phthalate, Druckfarben, Dichtungsmaterial bei Glaskonserven, Bakterizide, etc.

In einer aktuellen Pressemeldung heißt es:

Den aktuellen BfR-Analysen, die im Auftrag des Bundesverbraucherschutz-ministeriums erstellt wurden, liegt eine Studie des Kantonalen Labors Zürich zugrunde. Die Schweizer Toxikologen wiesen nach, dass Ölspuren aus der Druckfarbe wiederverwerteten Papiers „binnen weniger Wochen“ in Lebensmittel übergehen können, die mit Produkten aus Altpapier verpackt sind. „Diese Stoffe gehören nicht in die Nahrung“, sagte BfR-Präsident Andreas Hensel. Neue Grenzwerte sind allerdings nicht in Sicht. Während der Züricher Laborleiter Rolf Etter Deutschland auffordert, bei der EU auf „Regulierungen“ zu drängen, sieht Hensel „weiteren Erkenntnisbedarf“.

Bekanntes Problem: Verpackungen kontaminieren Nahrungsmittel

Dass Lebensmittelverpackungen für Schadstoffeintrag in unsere Nahrungsmittel verantwortlich sein können, weiß das BfR seit Jahren. Es ist schließlich nicht nur das belastete Altpapier, sondern auch die Druckfarben, die bei der Bedruckung der Lebensmittelverpackungen zum Einsatz kommen und kritisch betrachtet werden müssen. Bei einem Blick auf die Webseite des BfR wird ersichtlich, dass sich die Behörde mit der Thematik „Druckfarbenrückstände“ schon länger beschäftigt. In der Meldung „Druckfarben in Lebensmitteln: Gesundheitliche Bewertung mangels Daten nicht möglich“ aus dem Jahr 2006 äußerte das BfR bezüglich einer Situation, die bereits damals für die Behörde nicht zufriedenstellend war, und nennt den Hauptgrund:

„Das Problem: Anders als viele andere Stoffe, die im Kontakt mit Lebensmitteln eingesetzt werden, sind Druckfarben auf europäischer Ebene gesetzlich nicht geregelt.“

Behörden und Industrie: Kein Konsens zugunsten der Verbrauchergesundheit

Aus der Pressemitteilung des BfR vom 1. März 2006 wird offenkundig, dass es zum damaligen Zeitpunkt bereits Treffen mit Vertretern der Industrie gab:

„Das Gespräch zwischen der Kunststoffkommission und Vertretern der Druckfarbenindustrie im BfR hat ergeben, dass sich der Übergang von Stoffen aus Druckfarben auf Lebensmittel durch einen so genannten Abklatscheffekt oder aufgrund von Migration durch das Verpackungsmaterial technologisch derzeit nicht vermeiden lässt. Kurzfristig wird sich diese Situation auch nicht ändern: Die Druckfarbenindustrie setzt zur Erfüllung lebensmittelrechtlicher Anforderungen auf ihre eigene Leitlinie. Danach sollen besonders bedenkliche Substanzen von der Verwendung ausgeschlossen und für andere Stoffe toxikologische Daten vorgelegt werden. Die hierfür vorgesehenen Fristen halten das BfR und die Kunststoffkommission für unakzeptabel: Je nach Menge des zu erwartenden Übergangs der Substanz in Lebensmittel will die Industrie die Daten – insbesondere solche zur Klärung einer eventuell vorhandenen erbgutverändernden Wirkung – erst zwischen 2010 und 2015 vorlegen. Damit wäre sowohl die gesundheitliche Bewertung als auch die Überprüfung auf Einhaltung lebensmittelrechtlicher Anforderungen lange Zeit nicht möglich. (2)

Vier Jahre sind seitdem vergangen, wir haben das Jahr 2010, die Verbraucher sind, wie die aktuelle Pressemeldung offenbart, noch immer Schadstoffen aus Lebensmittelverpackungen ausgesetzt und noch immer setzt man auf „Erkenntnisbedarf“. Das bedeutet, dass der Verbraucher weiterhin auf „Goodwill“ warten muss, bis Änderungen zum Wohle seiner Gesundheit getroffen werden.

Statt Verbraucherschutz, Selbstkontrolle der Industrie

Das BfR teilt in einer Veröffentlichung erläuternd mit, dass es kein spezielles Zulassungsverfahren gibt für Materialien im Kontakt mit Lebensmitteln. Es gibt aber die bereits erwähnten Anforderungen der EU-Verordnung 1935/2004, die alle Materialien und ihre Bestandteile erfüllen müssen, wenn sie für den Kontakt mit Lebensmitteln verwendet werden sollen. Die Verantwortung hierfür tragen jedoch die Hersteller selbst.

Sorge hat die Behörde, der die Hände gebunden zu sein scheinen, wie man an einer weiteren Meldung von 2007 sieht. Damals gab das BfR an, dass man eine Regelung auf EU-Ebene für die vielen Stoffe, die durch das Bedrucken von Lebensmittelverpackungen mit Nahrungsmitteln in Kontakt kommen können, für dringend erforderlich hält. Über 1000 Stoffe würden für das Bedrucken von Lebens-mittelverpackungen eingesetzt, so die Behörde für Risikobewertung. (3)

Das BfR ist sich den Reaktionen der Konsumenten, wenn es um schadstoffbelastete Nahrungsmittel geht, durchaus bewusst, wie aus einer Hintergrundinformation für Journalisten deutlich wird. Darin heißt es: „Wenn Lebensmittel Stoffe enthalten, die man als Verbraucher dort nicht erwartet und schon gar nicht gewünscht hat, ist die öffentliche Diskussion schnell auf dem Siedepunkt.“(3)

Verbraucher werden im Regen stehen gelassen

Verwunderlich ist die Reaktion der Verbraucher nicht, von der das BfR berichtet. Der Verbraucher von Heute erwartet, dass Nahrungsmittel frei von krankmachenden Schadstoffen sind. Ihn interessiert es wenig, welche Gründe Hersteller vorbringen, warum in welchem Fertigungsprozess Schadstoffe in die Nahrung übergehen können, er möchte sich darauf verlassen können, dass das, was er isst, seine Gesundheit stärkt, nicht gefährdet. Dem Verbraucher dies abzusprechen, bedeutet, ihm das Vertrauen zu nehmen, das er den verantwortlichen Behörden und den Herstellern in der Nahrungsmittel produzierenden Industrie entgegenbringen möchte.

Es ginge auch anders, die Hersteller müssten nur umschwenken

Dass es durchaus Möglichkeiten gibt, Lebensmittelverpackungen schadstofffrei oder schadstoffarm zu bedrucken, müsste man vermuten können, wenn man Angebote von Druckereien studiert. Da fallen Begriffe wie: „umweltfreundliche Produktion, lösungsmittelfrei, kein Einsatz von Industriealkohol im Druckprozess, Rapsöl als Bindemittel der Druckfarbe,…“ Es bleibt abzuwarten, ob zunehmender Druck von Seiten der Verbraucher und Verbraucherinitiativen umweltfreundliche und für die Gesundheit unschädliche Lebensmittelverpackungen bei den Nahrungsmittel-produzenten erwirken kann, wenn Behörden dazu seit Jahren nicht im Stande sind.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 9. März 2010

Literatur:

  1. dts, Fachleute besorgt wegen Giftstoffen im Essen, 07.03.2010.
  2. BfR, Druckfarben in Lebensmitteln: Gesundheitliche Bewertung mangels Daten nicht möglich, 06/2006, 01.03.2006.
  3. BfR, Materialien im Kontakt mit Lebensmitteln, A/2007, 27.04.2007.

8 Kommentare zu “Verpackungen von Lebensmitteln geben Schadstoffe in Nahrungsmittel ab”

  1. Domiseda 10. März 2010 um 06:01

    Ich möchte die Diskussion um Verpackungen offener Lebensmittel hinzufügen:diese ist schnell auf Viktualien- und Bio-Märkten auf dem Siedepunkt samt der Komponente zum öffentlichen Amusement zu werden: wenn z.B. der kostbare Bio-Salat droht in Zeitungspapier gewickelt zu werden, das – dann feucht- umso mehr die Bestandteile der Druckerschwärze abgibt. Oder: der unentwegte Kampf gegen Recycling-Tüten, die auch in Reformhäusern nicht ausrottbar sind, geschweige denn, überhaupt als Schadstoffquelle erkannt sind.

  2. Energiefox 10. März 2010 um 08:47

    Ja der schöne Schein der Waren trügt, außen schon pfui.
    Ein Bericht in der gestrigen Tageszeitung, Niedersachsen das Eierland Nr.1. stand in etwa auf der Titelseite. Bio wurde, so mein Eindruck, lächerlich gemacht. Fast nach dem Motto „Die biologische Landwirtschaft ist eine Produktion, eine Produktion für verwöhnte Söhne und Töchter einer Überflussgesellschaft.. stand in dem Artikel (einige Seiten weiter) und wenig über den Segen der Biolandwirtschaft. Das sind dann so Beiträge die recht oberflächlich geschrieben sind.

    Prima dieser Bericht, hoffentlich lesen es viele und hoffentlich besinnen sich mal einige Zeitungen und bringen Berichte mit mehr Niveau und Analysedaten .
    Gruß Fox

  3. Seelchen 10. März 2010 um 12:23

    Vielen Dank,liebe Sylvia..das du das Thema angesprochen hast.Es ist unglaublich,was da für Gerüche manchmal hochkommen,auch wenn man Bio-Lebensmittel auspackt.Z.B.Dinkelbratlinge oder
    Gemüse oder Fleisch.
    Am besten ,man holt alles nur pur beim Bio Bauern aber wenn die Möglichkeit nicht besteht.sofort auspacken..aber die Stoffe sind ja dann schon drinnen…Ist echt ein großes Problem,,ich nehme fast alles in Gläsern,wenn möglich.

  4. Toxicwarrior 10. März 2010 um 17:12

    Das sind genau die Stoffe, die mir das Leben als MCS-erkrankter extrem erschweren, und erhebliche Reaktionen bei mir auslösen. Sogar mein Bioladen um die Ecke, packt das Brot in bunt gefärbtes und recyceltem Papier. Sein Biofleisch, frische Teigwaren etc. wird in Plastik verschweißt, und das eigentlich „gesunde Produkt“ wird dadurch mit Schadstoffen kontaminiert.

    Deshalb sind auch zahlreiche Bioprodukte für mich ein großes Problem.

    Wer sich in einschlägig bekannten Biomärkten bzw. Bio-Supermärkten – auch der kleine von nebenan – umschaut, erkennt wie widersprüchlich zum Teil die ganze Bio Branche ist.

    Auf der anderen Seite wird versucht, das Produkt mit so wenig Schadstoffen wie möglich herzustellen bzw. zu produzieren, auf der anderen Seite wird es dann mit anderen gesundheitlich bedenklichen Schadstoffen durch Verpackungsmaterial wieder kontaminiert.

    Auch in diesem Bereich muss die Biobranche schnellstens umdenken, und am besten auch sofort reagieren, bzw. sinnvolle Alternativen dazu suchen, und diese vehement umsetzen.

    Neulich hatte ich z.B. Bio Eier in einer nett aufgemachten Verpackung – fröhliche Hühner und Küken, pickend auf einer saftig grünen Wiese – gekauft, und vergessen die Eier ohne Karton in den Kühlschrank zu stellen. Beim nächsten öffnen des Kühlschranks, kam mir ein schwall Lösemittel entgegen, und Schwupps hatte ich tränende Augen, und mein Gesicht schwoll an.

  5. Paul Sommer 11. März 2010 um 12:35

    Nicht immer kann man den Schadstoff aus Verpackungen in Lebensmitteln physisch nachweisen. Bereits die Information eines Schadstoffes kann ein Bioprodukt in seiner körperverträglichen Struktur bereits negativ beeinflussen. Das Bewußtsein für den Erhalt der biologischen Qualität von Nahrungsmitteln muss sich bei den Erzeugern durchsetzen, ebenso wie die Verbraucher ihr Recht auf Unbedenklichkeit von Lebensmitteln gegenüber Schadstoffen einfordern müssen. Leider können weder physikalische Messgeräte noch chemische Schnelltestmethoden vor Ort die biologische Qualität von Lebensmitteln bewerten. MCS-erkrankte Menschen haben es dadurch bereits in der Auswahl der Produkte recht schwer, das Verpackungsproblem kommt zusätzlich hinzu.

  6. Spider 11. März 2010 um 16:44

    Das ist ein prima Bericht, der verdeutlicht, wo überall Chemikalien auf uns treffen. Gut bewerte ich, dass diesbezüglich immer mehr Meldungen in den Medien anzutreffen sind. So lässt sich das Ammenmärchen, Umweltkrankheiten seinen psychischer Natur, immer schlechter in der Öffentlichkeit halten.

    Die Bevölkerung ist nämlich nicht blöd, wie man am Ablauf der Schweinegrippeimpfung erkennen kann.

    Danke für die Info!

  7. Joe H. 15. März 2010 um 12:47

    Die Chemikalienbelastungen durch Lebensmittel-Verpackungen wurden allgemein bislang zu wenig beachtet im Verhältnis zum Risikopotential, das dadurch verursacht wird. Da der Trend zu Portionspackungen in Plastikfolien und Kunststoffverpackungen in den Supermärkten immer weiter geht, nimmt auch die Belastung durch die Inhaltsstoffe, die aus den Folien in die Lebensmittel übergehen, immer mehr zu: Nonylphenol, Bisphenol A, perfluoriete Tenside, Farbstoffe, Phthalate als Weichmacher, usw., mit nicht vorhersehbaren neurotoxischen und krebserregenden Kombinationswirkungen.
    Hier müsste vorsorgender Gesundheitsschutz mit strengen Regelungen eingreifen, und hier versagen die verantwortlichen Behörden und der Gesetzgeber. Es geht nicht an, dass Käse, Wurst und Fleisch in Kunststofffolien in Supermärkten und selbst in Biomärkten verpackt werden, wo doch bekannt ist, dass die fettlöslichen hormonwirksamen Chemikalien Bisphenol A, Nonylphenol und die Phthalate schnell aus den Folien in die Lebensmittel übergehen. Was das für MCS-Patienten bedeutet, und solche, die es noch werden, kann man sich denken.

  8. HeJü 15. März 2010 um 14:19

    Inhalt aus rein biologischem Anbau frei von Chemikalien und andern künstlichen Zusätzen – wer kennt diese Sprüche nicht. Tatsache ist dass schon vor Jahren Brot so auf den Markt kam. Beispiel der eh Skandalbetrieb Weinzheimer Mühle in Stromberg (Lieferant für Lidl) – Wallraff Reportage – hatte vor über 10 Jahren schon so gearbeitet. Die Verpackung war dermaßen mit Chemikalien verseucht,dass das Personal übelste Ausschläge und Probleme bekam, wenn ohne Schutzmaßnahmen gearbeitet wurde.
    Keiner kann mir da erzählen er hat ein unbehandeltes Naturprodukt vor sich. Der Kontakt mit Fungiziden und anderen Konservierungsstoffen überträgt sich von der Packung auf das Produkt = Gift im Essen!
    Wer kann da noch unterscheiden ob Lug und Betrug, oder vielleicht doch mal ein ehrlicher Hersteller. MCS kommt nicht von ungefähr und manche Attacke, welche uns nicht erklärlich erscheint, fußt auf solch undeklarierter Kontaminierung durch die Verpackung.

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