Medikament löste Symptomverschlimmerung aus – weitere Nebenwirkungen bis hin zu Suizid möglich

Einen ungewöhnlichen Fall hatten die Ärzte der Abteilung Dermatologie der University Miami zu lösen. Ein 9-jähriger Junge hatte leichte Dermatitis, die allergisch bedingt war. Er bekam ein Medikament, das aber statt zu helfen eine schwere systemische Dermatitis auslöste. Die Ursache war ein Zusatzstoff, wie durch einen Allergietest ermittelt wurde. (1) In anderen Fällen kam es noch weitaus schlimmer. Das amerikanische FDA verlangt auf dem Beipackzettel für Medikamente mit dem Wirkstoff Montekulast seit 2008 u.a. die Angabe eines Warnhinweises auf mögliche suizidale Gedanken und Selbstmordabsicht (Suizidalität). (2,3) Montekulast darf Kindern ab dem 6. Lebensjahr verabreicht werden.

In einer FDA Meldung von Juni 2009 wurden als weitere mögliche Nebenwirkungen u.a. Unruhe, Alpträume, Tremor, Ängste, Aggression, Halluzinationen und Depressionen angeführt. (3) Schon zuvor bat die Behörde Ärzte wie auch Patienten, schwere Nebenwirkungen an FDA MedWatch zu melden. (4)

Inhaltsstoff des Medikaments löst Verschlimmerung aus

Aktuell wurde in der medizinischen Fachzeitschrift Pediatric Dermatology über einen 9-jährigigen Jungen berichtet, der wegen seiner allergisch bedingten Dermatitis Montelukast Kautabletten erhalten hatte. Als die Dermatitis sich drastisch verschlechterte, tippten die Dermatologen auf das Medikament, bzw. einen Inhaltsstoff darin. Sie führten einen Hauttest (Patchtest) durch und stellten fest, dass der Junge unter anderem auf Formaldehyd reagierte. Außerdem wurde der Junge noch auf weitere Chemikalien positiv getestet, was die Ärzte dazu veranlasste, die Diagnose Multiple Chemikaliensensitivität / MCS zu stellen.

Aspartam verstoffwechselt sich zu Formaldehyd

Die positive Reaktion auf Formaldehyd brachte die Ärzte letztendlich darauf, dass ein bestimmter Inhaltsstoff in den Montekulast Kautabletten ursächlich für die Verschlimmerung der Dermatitis war: Aspartam, ein Süßstoff. Der Grund: Im Körper wird der Süßstoff Aspartam zu Formaldehyd metabolisiert

Doppelter Beweis

Für die Mediziner der dermatologischen Abteilung der University of Miami gab es keinen Zweifel, dass der Inhaltsstoff Aspartam ursächlich für die Verschlimmerung der Dermatitis des Jungen gewesen war. Ihre Diagnose wurde zusätzlich bestätigt, als die Dermatitis nach Absetzen der Kautabletten verschwand.

Ein Medikament mit Nebenwirkungen bis hin zu Suizid

Montelukast Kautabletten werden in erster Linie Kindern zur Vorbeugung gegen Asthma, dessen Langzeitbehandlung und gegen allergisches Asthma verabreicht. In seltneren Fällen auch gegen Dermatitis. Die Nebenwirkungen, die im vorgenannten Fallbeispiel zur Absetzung des Medikaments führten, waren vergleichsweise gering, verglichen mit den möglichen Nebenwirkungen, deren Nennung die amerikanische Kontrollbehörde für Arzneimittel – FDA als Warnhinweis auf Beipackzetteln verlangt.

Seit 2008 muss als Warnung aufgeführt werden, dass Montekulast Kautabletten (Singulair) psychiatrische Erkrankungen, Ängste, Depressionen und Suizidabsichten, als auch Suizid hervorrufen können. (5)

Weitere Hinweise und internationale Markennamen von Medikamenten die Montelukast enthalten, sind u.a. dem Merck Manual zu entnehmen.

Das FDA gab die Meldung zur Pflicht warnender Hinweise hinsichtlich möglicher neuropsychiatrischer Nebenwirkungen, sowie möglichem Suizidverhalten, auch für Tabletten mit dem Inhaltsstoff, sowie auf Oral-Granulat aus.

Auch in Deutschland erhältlich

Asthmamedikamente mit dem Wirkstoff Montekulast, ein Leukotrin-Rezeptor-Antagonist, sind auch in Deutschland erhältlich. Das deutsche Ärzteblatt (DÄ) berichte im Januar 2009 über Montekulast und erläuterte die Position der FDA. Das DÄ legte dar, dass die amerikanische Arzneimittelzulassungsbehörde auf den Beibehalt der Warnhinweise beharre, trotz der Einwände der Hersteller, dass der Vorwurf, das Medikament könne Suizidabsichten hervorrufen, in Studien nicht bewiesen worden sei. Das DÄ beruft sich auf eine Meldung des FDA, worin die Behörde mitteilte, dass die Studien nicht darauf ausgelegt gewesen seien, um nach neuropsychiatrischen Komplikationen zu suchen und dass bei einigen Zwischenfällen mit Montekulast die klinischen Details mit einer medikamenteninduzierten Wirkung konsistent gewesen seien. (6)

Konträre Meinung, Warnung auf Beipackzettel

Deutsche Experten hatten teilweise eine andere Meinung zu Montekulast. In der Süddeutschen Zeitung bezeichnete Prof. Johannes Ring von der TU München das Medikament noch Ende März 2008 als „echten Fortschritt“.

Der Warnhinweis auf mögliches suizidales Denken und Suizidalität ist auch auf deutschen und österreichischen Beipackzetteln zu finden. Ungeachtet der genannten schweren Nebenwirkungen, die möglicherweise bei Kindern eintreten können, kann Montekulast im deutschsprachigen Internet derzeit rezeptfrei erworben werden.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 7. März 2010

Literatur:

  1. Castanedo-Tardan MP, González ME, Connelly EA, Giordano K, Jacob SE., Systematized contact dermatitis and montelukast in an atopic boy, Pediatr Dermatol. 2009 Nov 1;26(6):739-43.
  2. FDA, Singulair (montelukast sodium) Tablet, Chewable, Detailed View: Safety Labeling Changes Approved By FDA Center for Drug Evaluation and Research (CDER) – April 2008
  3. FDA, Updated Information on Leukotriene Inhibitors: Montelukast (marketed as Singulair), Zafirlukast (marketed as Accolate), and Zileuton (marketed as Zyflo and Zyflo CR), 28.8.2009 und 12.06.2009 (letztes Seitenupdate 05.01.2010)
  4. FDA, Follow-up to the March 27, 2008 Communication about the Ongoing Safety Review of Montelukast (Singulair), 13.01.2009
  5. FDA, Early Communication About an Ongoing Safety Review of Montelukast (Singulair), 23.03.2008
  6. Deutsches Ärzteblatt, FDA bewertet Suizidrisiko von Asthmamedikamenten, 14. Januar 2009

Weitere CSN Blogs zum Thema Kinder mit MCS- Multiple Chemical Sensitivity und über Medikamentenunverträglichkeit:

4 Kommentare zu “Medikament löste Symptomverschlimmerung aus – weitere Nebenwirkungen bis hin zu Suizid möglich”

  1. Domiseda 9. März 2010 um 06:16

    Ich bedanke mich ganz sehr für diesen aufschlußreichen Artikel, der für mich kulminiert um die Aussage „Aspartam verstoffwechselt sich zu Formaldehyd“.Dies ist für mich eine sehr wesentliche Erklärung meiner extremen Reaktionen auf Aspartam: abgesehen von augenblicklichem Herzrasen,akuter Schilddrüsenüberfunktion, Anstieg der Leberwerte, Migräne,… die genannten psychiatrischen Symptome.
    Aspartam ist in vielen weiteren Medikamenten und Produkten des täglichen Lebens enthalten, z.B. in Süßstoffen wie Canderel (das oft von Ärzten empfohlen wird!), auch in den meisten Kaugummis… usw

  2. Henriette 9. März 2010 um 10:57

    Dieser Bericht verdeutlicht wieder einmal mehr, dass viele Medikamente starke Nebenwirkungen hervorrufen können. Es ist wünschenswert und erforderlich, dass derartige Arzneien nicht rezeptfrei zu erwerben sind. Dass Süßmittel wie z. B. Aspartam nicht gerade gesundheitsfördernd sind, habe ich schon öfter gehört. Dass Aspartam jedoch zu Formaldehyd verstoffwechselt werden kann, ist mir neu.

    Medikamente, die Suizidgedanken hervorrufen können, dürften keine Zulassung erfahren.

    Auch von mir ein dickes Dankeschön für diesen informativen Beitrag.

    Herzliche Grüsse
    Henriette

  3. Christine Beham-Haberl 27. November 2013 um 15:01

    Bitte dringend per Mail bei mir melden wenn das jemand liest der ähnliche Erfahrung gemacht hat: Mein Kind hat nach absetzten von Montelukast (aufgrund unverträglichkeit), nächtliche Albträume, Depressionen, schlimme Gedanken den ganzen Tag über, nächtliches Zucken,….Wem ist es ähnlich ergangen, ich will nicht das mein Kind zum Epileptiker gemacht wird ich bin der Überzeugung das dieses Medikament auch wenn er es jetzt nach 4 Wochen absetzen nicht mehr im Körper hat, dies Symptome verursacht hat und mein 6 jähriger da irgendwie drin „gefangen“ ist und eben anders reagiert als 1000 denen es vielleicht hilft danke

    Anmerkung der Redaktion: Email der betroffenen Mutter via csn.deutschland@gmail.com

  4. A. Thielke 11. Dezember 2016 um 23:24

    Nehme das Medikament seit sechs Wochen und habe Erleichterung mit der Atmung verspürt. Allerdings ist meine psychische Verfassung ungewöhnlich negativ, meine Schlafstörungen sind erheblich und ich habe daraufhin die Liste der Nebenwirkungen genauer verfolgt und das Mecikament abgesetzt. Werde mit meiner Ärztin darüner reden, welche Alternativen es gibt.
    Es ist ja nie sicher, ob die negativen Nebenwirkungen tatsächlich am Medikament liegen oder im Zusammenhang der Krankheit zu sehen sind.

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