Monatsarchiv für November 2007

Unbequemer Umweltmediziner aus Trier erhielt Zivilcouragepreis

Am vergangenen Samstag erhielt der Trierer Neurologe Dr. Peter Binz in Bodenwerder bei Hameln den Zivilcouragepreis der Solbach- Freise Stiftung. Der jährlich vergebene Ehrenpreis wurde an Dr. Binz für sein langjähriges, herausragendes und tapferes Engagement für chemikaliengeschädigte Menschen aus allen Lebensbereichen vergeben. Seit Jahrzehnten setzt der Arzt von der Mosel sich insbesondere für Arbeiter ein, die in Betrieben durch Chemikalien zu Schaden kamen. Mancher Betrieb verbesserte durch seinen Einfluss die Arbeitsbedingungen und sorgte so nachhaltig für gesündere Arbeitsplätze. Menschen aus ganz Deutschland waren zu der Vergabe des Ehrenpreises angereist und wohnten der harmonischen, musikalisch untermalten Preisverleihung bei.

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Letztendlich Ehrung für unbequeme Wahrheit

Es hat sich viel bewegt durch den gerechtigkeitsbewussten Trierer Arzt, der es nicht akzeptieren kann, dass ausgerecht die Menschen, die die Arbeit in unserem Land verrichten, im Schadensfall leer ausgehen und oft auf das Schlimmste schikaniert werden. Durch seine Einstellung bekam Dr. Binz in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer wieder härteste Repressalien durch Verursacher, Versicherungen, Behörden und sogar Standeskollegen zu spüren. Für die Solbach- Freise Stiftung war er, insbesondere wegen seiner unbeugsamen Selbstverpflichtung seinen Patienten gegenüber, der richtige Kandidat für den mit 4.000€ dotierten Zivilcouragepreis in diesem Jahr. In ihrer Laudatio stellte die Gründerin der Stiftung, Anne Solbach- Freise, diese Beweggründe umfassend dar.

Die Zeit liefert die unwiderlegbaren Beweise

Arztkollegen, Wissenschaftler, Selbsthilfegruppenleiter für Chemikaliengeschädigte, Patienten und gerechtigkeitsbewusste Menschen, sie alle waren aus ganz Deutschland angereist, um der Vergabe des Zivilcouragepreises „Demokratie wahren – Zivilcourage zeigen“ an Dr. Peter Binz beizuwohnen.

Tief betroffen folgten die Anwesenden den Worten des Preisträgers, der von seinen Patienten und den Ereignissen der vergangenen Jahrzehnte berichtete. Mancher Zweifel seiner Gegner ist durch erschütternde Tatsachen widerlegt worden. Wenn fast alle Arbeiter eines Werkes, manchmal sogar alle, durch bestimmte Chemikalien verstorben sind, gibt es keine plausible Basis mehr für Zweifel an den Aussagen oder Negieren der Feststellungen des fachlich hochkompetenten Arztes. Das einstige Unterstellen von Simulantentum, Gefälligkeitsgutachten gegen die Opfer, Fehlen von epidemiologischen Studien und dass es so gut wie nie behördlichen Nachforschungen gab, erscheint bei diesem Hintergrund unentschuldbar.

Statt Zweifel an der Glaubwürdigkeit – Solidarität

Für die Patienten selbst gab es nie einen Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Dr. Peter Binz. Sie gingen sogar mehrfach auf die Strasse für ihren Arzt, der vielen von ihnen das Leben gerettet hatte. Während der Feierlichkeit in Bodenwerder wurde hierzu sinnbildlich eine Filmdokumentation aus dem Jahr 1997 gezeigt. Damals hatten die Gegner mit vereinten Kräften versucht, zu erwirken, dass Dr. Binz die Approbation entzogen würde. Mehrere Hundert Patienten aus allen Teilen Deutschlands waren nach Mainz angereist, um gegen das Unrecht gegenüber ihrem Arzt zu demonstrieren und ihre Solidarität zu bekunden. Einige der damaligen Demonstranten sind zwischenzeitlich an ihren schweren Chemikalienschädigungen verstorben. Der Filmbeitrag rührte daher manche der anwesenden Betrachter zu Tränen.

Verfolgung ist der Alltag für Überbringer unliebsamer Botschaften

Damals entschied das Gericht, dass Dr. Binz für seine Patienten eingetreten sei und keine Absicht bestand, jemandem Schaden zuzufügen. Dennoch verhalten sich die Kostenabwehrer eher so, wie die Stifterin, Frau Solbach Freise, es treffend formulierte: „Nicht die Botschaft ist das Übel, sondern ihr Überbringer“, und der soll büßen. Einfach ist eine solche Verfolgung über mehrere Jahrzehnte nicht zu erdulden, dass kann die ganze Familie Binz bekunden. Allen Familienmitgliedern sitzt es noch in den Knochen, wie auf Intension der KV Trier eine überfallartige Durchsuchung der Praxis- und Wohnräume von Dr. Binz erfolgte und alle Patientenakten beschlagnahmt wurden. In der Laudatio wurden daher auch der hohe Einsatz von Frau Binz und der große Zusammenhalt der Familie besonders hervorgehoben, ohne die der widerständige Arzt die ehrverletzenden und existenzbedrohenden Vorwürfe der Kassenärztlichen Vereinigung Trier im vergangenen Jahr hätte nicht durchhalten können.

Ein Leben für Patienten und Aufklärung

Im Leben des Dr. Binz gibt es neben Ehrlichkeit zwei wichtige Dinge: Seine große Familie und seine Patienten. Auch zukünftig wird sich der in der Umweltmedizin weltweit geschätzte Arzt der Aufklärung von Gesundheitsschäden durch Chemikalien widmen und, wenn er aus dem Berufsleben aussteigt, darüber schreiben. Ganz gemäß seiner Lebensphilosophie: „Allem voran der Patient“, wird das Preisgeld des Zivilcouragepreises den Opfern von Chemikalienschädigungen zugute kommen.

Photoalbum: Verleihung Zivilcouragepreis an Dr. Peter Binz (Diaschau anklicken)

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 20.11.2007

Presseinformation:

Weitere Informationen, Bild- und Videomaterial können bei CSN – Chemical Sensitivity Network, Silvia K. Müller, Tel. 06784-9839913, csn.deutschland@gmail.com angefordert werden.

Parfüm: Schlecht für die Ratte – gut für den Menschen?

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Dick aufgetragen können Parfüms eine Plage sein, das können viele Menschen sofort aus eigener Erfahrung bestätigen. Sie stinken einfach, wie mancher sagt. Doch mangelnder Wohlgeruch ist nicht alles. Einige der Duftwässerchen rauben einem regelrecht die Sinne, verursachen Kopfschmerzen, Schwindel und lassen einen keinen klaren Gedanken mehr fassen. Dass solche Reaktionen durch die Chemikalien in so manchem Parfüm verursacht werden, ist leicht nachvollziehbar, wenn man sich die Inhaltsstoffe anschaut. Nicht schlecht gestaunt habe ich dennoch, als ich eine Pressemitteilung der amerikanischen Stiftung National Toxic Encephalopathy Foundation (NTEF), die sich für Menschen mit toxisch bedingten Hirnschäden einsetzt, bezüglich des Parfüms „Angel“ von Thierry Mugler zugeschickt bekam. (1) Demnach ist manches Parfüm nicht nur „dick aufgetragen“ eine Gefahr.

Parfüm nur noch auf Verordnung in der Apotheke?

„Angel“ zu Deutsch Engel, enthält das toxikologisch relevante Cumarin. Cumarin ist laut der Gefahrstoffverordnung mit dem Andreaskreuz als gesundheitsschädlich gekennzeichnet. Cumarinderidivate werden als sehr wirksames Rattengift vertrieben. In geringerer Dosierung wird Cumarin als hochpotentes Herzmedikament eingesetzt. Natürlich kein Medikament, das man ohne ärztliche Verschreibung erhält wie Halsschmerzpastillen, sondern eines, was nach ganz präziser Diagnostik in einer wohlüberlegten Dosierung verordnet wird. Die Stiftung NTEF sieht genau hier eine Gefahr für Benutzer des cumarinhaltigen Parfüms. Sie fordert durch eine Petition die Reglementierung von „Angel“ und dass es als Medikament eingestuft wird. Außerdem soll der Import wegen zahlreicher Verletzungen der amerikanischen Importbestimmungen beendet werden.

Parfüminhaltsstoffe im Nebel der Verschwiegenheit

Bis vor einiger Zeit waren die Inhaltsstoffe von Parfüms völlig unbenannt, angeblich um Nachahmungen zu verhindern. Mancher unbedarfte Verbraucher mag es glauben. Doch die Realität sieht anders aus, denn mit wenig Mühe und relativ geringem finanziellen Aufwand kann eine Laboranalyse eines Parfüms erstellt werden und nicht lange danach könnte es in Kopie auf dem Markt sein. Neuen gesetzlichen Regelungen ist es zu verdanken, dass nun wenigstens einige von mehreren Tausend im Einsatz befindlichen Inhaltsstoffen angegeben werden müssen. Allerdings nur dann, wenn sie einen bestimmten Prozentsatz überschritten haben, was für Extremallergiker immer noch keinen umfassenden Schutz bedeutet. Eine leichte Verbesserung bestenfalls, denn vormals bestand überhaupt keine Pflicht, Inhaltsstoffe zu deklarieren. Im Fall von „Angel“ habe der Hersteller einige Jahre lang nur wenige Inhaltsstoffe bekannt gegeben, berichtet die Stiftung, doch jetzt kamen weitere hinzu, unter anderem das besagte Gift Cumarin.

Parfüm verstößt gegen Gesetze

Die Petition, die an die amerikanische Behörde für Arzneimittelzulassung FDA gerichtet ist, verweist im Fall des Parfüms auf über 10 Verstöße des Kodex der Vereinigten Staaten und des Kodex für staatliche Vorschriften, sagte die Präsidentin des NTEF, Angel de Fazio aus Las Vegas. Gerade habe sie der FDA auf deren Bitte noch eine fehlende Angabe zukommen lassen, die Ermittlungen sind also angelaufen.

Parfüm – Gefahr für Kranke

„Ein potentielles Gesundheitsproblem, das mit dem Parfüm Angel in Zusammenhang steht, besteht im darin enthaltenen Cumarin“, führt der bekannte Toxikologe mit Spezialgebiet Immuntoxikologie, Jack D. Thrasher, an. „Cumarin ist eine Vorstufe zum gesetzlich geregelten Medikament Warfarin und wird von Personen eingenommen, die unter Herzkrankheiten leiden oder bei denen Blutgerinnung fatal sein kann. Das Parfum enthält auch Ethanol und weitere Chemikalien, die eine Durchlässigkeit der Haut verstärken, was es dem Cumarin ermöglicht, in den Blutstrom einzudringen. Das verstärkt das potentielle Risiko für Herzpatienten und auch Personen, die vor einer Operation stehen. Dieser Duft ist ein Medikament, was erfordert, dass er neu eingestuft wird, und Restriktionen bezüglich seiner Verwendung.“

Parfüminhaltsstoffe bedenklich für jeden

Was weiß man in Deutschland über die Gefahr von Cumarin? Eine Menge, denn das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat sich aus Sicht des gesundheitlichen Verbraucherschutzes im vergangenen Jahr intensiver mit dem nach frischem Heu, Waldmeister oder Vanille riechenden Duft- und Aromastoff Cumarin befasst. Von Umweltorganisationen war herausgefunden worden, dass zimthaltiges Weihnachtsgebäck meist Cumarin in unterschiedlicher Konzentration enthält. Das Bundesamt für Risikobewertung nahm sich der Angelegenheit an und erstellte eine Zusammenfassung mit dem Titel: „Verbraucher, die viel Zimt verzehren, sind derzeit zu hoch mit Cumarin belastet“, über die Gefahren der Substanz (2). Wegen der gesundheitsschädlichen Wirkung größerer Mengen – Cumarin kann Leberschäden verursachen – darf Cumarin im Lebensmittelbereich nur als Bestandteil von Aromen und sonstigen Lebensmittelzutaten mit Aromaeigenschaften verwendet werden…Lange bekannt ist zudem, dass Cumarin im Tierexperiment die Bildung von Tumoren auslösen kann. Nach tierexperimentellen Befunden einer hepatotoxischen Wirkung wurde 1954 zunächst in den USA der Zusatz von synthetischem Cumarin zur Aromatisierung von Lebensmitteln verboten. Darüber hinaus wird Cumarin als Medikament zur Behandlung insbesondere von Stauungsfolgen durch venöse (chronische venöse Insuffizienz) und lymphatische (Lymphödem) Abflussstörungen eingesetzt. Die kanzerogenen Eigenschaften von Cumarin im Tierversuch sind seit den 1970er Jahren bekannt und haben seitdem zu anhaltenden Diskussionen über die Bedeutung dieser Ergebnisse für den Menschen und über den zugrunde liegenden Wirkmechanismus geführt.“

Auf Seite 8 und 9 der gesundheitlichen Bewertung des BfR steht über die dermale Aufnahme der Substanz aus Kosmetika zu lesen: „Im Gegensatz zum Einsatz bei der Lebensmittelherstellung darf synthetisches Cumarin als Duftstoff in kosmetischen Mitteln ohne Beschränkung eingesetzt werden. Nach EU-Verordnung 76/768/EWG über kosmetische Mittel (Amtsblatt der EU vom 11.03.2003) muss Cumarin lediglich ab einer Konzentration von 0,001 % in „Leave-on“Produkten und ab einer Konzentration von 0,01 % in „Rinse-off“-Produktion als Bestandteil deklariert werden.“

Wie viel Gift bekommt der Verbraucher täglich?

Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) hat im Fall von Cumarin ermittelt und führt an: „Bereits aus einer überschlägigen Betrachtung der Produktionsmenge von synthetischem Cumarin, umgerechnet auf den pro Kopf-Anteil in der Bevölkerung, wird deutlich, dass die dermale Exposition nicht unwesentlich ist. Yourick und Bronaugh (1997) berechneten aus einer jährlichen Produktion von 250.000 angelsächsischen Pfund (113,4 t) in den USA bei einer Bevölkerungszahl von 250 Millionen Menschen eine durchschnittliche tägliche Cumarin- Menge von 1,2 mg pro US-Amerikaner.“ (2) Hier stutzte ich beim Lesen etwas, denn nicht jeder in der amerikanischen Bevölkerung verwendet Duftstoffe und selbst wenn, enthalten diese nicht zwangläufig auch immer Cumarin, ergo ist für Benutzer solcher Cumarinhaltiger Produkte mit wesentlich höheren Werten und somit höherem Risiko für die Benutzer zu rechnen.

Parfümlobby – Änderungen wären besser als aussitzen

Die Fachzeitung für Parfumeure scheint ihrer ersten Reaktion zufolge recht hilflos zu sein gegenüber dem „Angriff“ der amerikanischen Stiftung NTEF auf ein erfolgreiches Parfüm. Rat, was zu tun ist, weiß man nicht und fragt stattdessen die Leser um Vorschläge. (3) Guter Rat ist nicht teuer, ich würde etwas logisches Denken und Pragmatismus vorschlagen: Zurück zu natürlichen Essenzen, die ungiftig sind, auch wenn ein Parfüm etwas teurer in der Herstellung ist, denn lebende Kunden kaufen länger.

Autor: Silvia K. Müller, CSN-Chemical Sensitity Network

Literatur:

  1. NTEF Presseerklärung, NTEF Petitions the FDA to Have Angel Perfume Declared a Drug, Las Vegas, NV 89126, 29. Oktober 2007
  2. BfR, Verbraucher, die viel Zimt verzehren, sind derzeit zu hoch mit Cumarin belastet, Gesundheitliche Bewertung des BfR Nr. 043/2006 16. Juni 2006
  3. Comment: NTEF Attacks Clarins, Perfumer & Flavorist magazine, Okctober 30, 2007